BVwG W134 2168219-1

BVwGW134 2168219-130.8.2017

BVergG 2006 §269 Abs1 Z5
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §321 Abs1
BVergG 2006 §328 Abs1
BVergG 2006 §329 Abs1
BVergG 2006 §329 Abs3
BVergG 2006 §329 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W134.2168219.1.00

 

Spruch:

W134 2168104-1/2E

 

W134 2168219-1/2E

 

BESCHLUSS

 

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Eisenbahnachse München - Verona Brenner Basistunnel - AP218 Baulos Pfons Brenner" der Auftraggeberin Galleria di Base del Brennero - Brenner Basistunnel BBT SE, Amraser Straße 8, 6020 Innsbruck, vertreten durch die XXXX , aufgrund der Anträge der

 

Erstantragsstellerin Bietergemeinschaft XXXX , vertreten durch XXXX , vom 21.08.2017 "zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung wird dem Auftraggeber bis zur Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung die Auftragserteilung oder der Abschluss einer Vertragsvereinbarung untersagt" sowie der

 

Zweitantragstellerin Bietergemeinschaft XXXX , vertreten durch XXXX , vom 21.08.2017 "das Bundesverwaltungsgericht möge nach Verständigung der Antragsgegnerin über den gegenständlichen Antrag mittels einstweiliger Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlags untersagen" in den zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Rechtssachen folgenden Beschluss:

 

A)

 

Den Anträgen der Erstantragstellerin und der Zweitantragstellerin wird stattgegeben.

 

Der Auftraggeberin wird gemäß § 328 BVergG 2006 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, den Zuschlag im gegenständlichen Vergabeverfahren zu erteilen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

BEGRÜNDUNG:

 

I. Vorbringen der Parteien:

 

Mit Schreiben der Erstantragsstellerin vom 21.08.2017, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte diese die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 11.08.2017, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin.

 

Begründend wurde von der Erstantragsstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

 

Der Nachprüfungsantrag betreffe das Vergabeverfahren "Eisenbahnachse München - Verona Brenner Basistunnel - AP218 Baulos Pfons Brenner". Die angefochtene gesondert anfechtbare Entscheidung sei die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 11.08.2017.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung gab die Erstantragsstellerin zusammengefasst folgendes an:

 

1. Das Angebot des erstplatzierten Bieters ( XXXX ) hätte gemäß § 269 Abs. 1 Z. 5 BVergG 2006 ausgeschieden werden müssen, da die XXXX Alternativangebote gelegt habe.

 

2. Es habe eine rechtswidrige Anwendung der Ausschreibungsbedingungen durch die Prüfkommission stattgefunden, weil beim Angebot der XXXX beim technischen Bericht eine Überschreitung der Höchstseitenzahl von 40 Seiten stattgefunden habe. Die von der Auftraggeberin vorgenommene Nichtberücksichtigung der Seiten der Präambel sei gleichheitswidrig und nicht ausschreibungskonform.

 

3. Die Zuschlagsentscheidung sei mangelhaft begründet.

 

4. Die Prüfkommission habe ein Zuschlagskriterium ohne ausreichende Grundlage bewertet.

 

5. Die vertiefte Angebotsprüfung sei mangelhaft.

 

6. Die Angebote der zwei bestplatzierten Bieter hätten gemäß § 269 Abs. 1 Z. 3 BVergG 2006 ausgeschieden werden müssen.

 

7. Es hätte eine falsche Bewertung des Bieters 2 ( XXXX ) stattgefunden.

 

8. Es gebe weitere Mängel bei der Bewertung von Bieter 2 ( XXXX ).

 

9. Beim Bieter 5 ( XXXX ) habe eine ausschreibungswidrige Berücksichtigung von auf der Schiene transportiertem Tunnelausbruchsmaterial stattgefunden.

 

10. Bei den Bietergemeinschaften XXXX und XXXX hätte eine ausschreibungswidrige Reduktion des wiederverwendbaren Tunnelausbruchsmaterials stattgefunden.

 

Die Erstantragsstellerin habe ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

 

Mit Schreiben der Zweitantragstellerin vom 21.08.2017, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte diese die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 11.08.2017, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung und den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin.

 

Begründend wurde von der Zweitantragstellerin im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

 

Mit dem gegenständlichen Vergabeverfahren habe die Auftraggeberin Bauleistungen im Oberschwellenbereich nämlich das Baulos – "AP218 Baulos Pfons Brenner" ausgeschrieben. Es handle sich bei dem gegenständlichen Auftrag um einen Bauauftrag, der im Rahmen eines offenen Verfahrens im Oberschwellenbereich nach den Sektorenbestimmungen des BVergG 2006 vergeben werden solle.

 

Die angefochtene gesondert anfechtbare Entscheidung sei die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 11.8.2017.

 

Zur Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung gab die Zweitantragstellerin zusammengefasst folgendes an:

 

1. Die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in ihrem Angebot angegebenen Mengen an wiederaufbereitetem Tunnelausbruchsmaterial sei nicht plausibel. Es sei zu einer fehlerhaften Bewertung der Qualitätskriterien B.2 und B.3 im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gekommen.

 

2. Es sei zu einer unrichtigen Bewertung des Qualitätskriteriums B.1.2 im Angebot der Antragstellerin gekommen.

 

3. Der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei unplausibel.

 

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 24.08.2017 gab diese bekannt, dass Auftraggeberin die Galleria di Base del Brennero - Brenner Basistunnel BBT SE sei. Bei dem gegenständlichen Vergabeverfahren handle es sich um einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich der in einem offenen Verfahren nach dem Bestbieterprinzip vergeben werden solle. Die Bekanntmachung in Österreich und in der EU sei am 09.12.2016 erfolgt. Die Zuschlagsentscheidung sei über die elektronische Ausschreibungsplattform am 11.08.2017 erfolgt.

 

Die Auftraggeberin sprach sich ausdrücklich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, mit der die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

 

Die Galleria di Base del Brennero - Brenner Basistunnel BBT SE hat mit dem Vergabeverfahren "Eisenbahnachse München - Verona Brenner Basistunnel - AP218 Baulos Pfons Brenner" einen Bauauftrag im Wege eines offenen Verfahren im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Die Bekanntmachung in Österreich und in der EU ist am 09.12.2016 erfolgt. Mit Schreiben vom 11.08.2017 wurde eine Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Bietergemeinschaft XXXX getroffen. (Schreiben der Auftraggeber vom 24.08.2017).

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht.

 

2. Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

 

Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerinnen zur Stellung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 328 Abs. 1 BVergG 2006 zu prüfen, ob den Antragstellerinnen die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 BVergG 2006 nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Zuschlagserteilung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung – nämlich der Zuschlagsentscheidung – behauptet wurde, dass die Antragstellerinnen ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet haben, sowie dass den Antragstellerinnen durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 BVergG ist somit nicht gegeben.

 

Gemäß § 321 Abs. 1 BVergG 2006 sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax im Oberschwellenbereich binnen 10 Tagen einzubringen. Die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung erfolgte am 11.08.2017. Die Nachprüfungsanträge sind am 21.08.2017 beim BVwG eingelangt und somit rechtzeitig eingebracht worden. Die Anträge wurden auch vergebührt und erfüllen – soweit im Provisorialverfahren ersichtlich – auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

 

3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

 

Gemäß § 328 Abs. 1 BVergG 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 329 Abs. 1 BVergG 2006 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 

Gemäß § 329 Abs. 3 BVergG 2006 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

 

Die Antragstellerinnen haben als vorläufige Maßnahme die Untersagung der Zuschlagserteilung beantragt.

 

Da seitens der Auftraggeberin auf Grund der Zuschlagsentscheidung vom 11.08.2017 die Vergabe an die Bietergemeinschaft XXXX beabsichtigt ist, diese aber bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerinnen rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerinnen für den Zuschlag in Betracht kommen könnten, droht den Antragstellerinnen durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang des Auftrages sowie ein Schaden, der nur durch die Verhinderung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Zuschlagserteilung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige spätere Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht.

 

Die Auftraggeberin sprach sich ausdrücklich nicht gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung aus, mit der die Erteilung des Zuschlags für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt wird.

 

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerinnen, der sonstigen Bieter und des Auftraggebers, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.

 

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 329 Abs 4 BVergG verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberin ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).

 

Über die Anträge auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

 

B) Revision:

 

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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