BVwG W256 2143746-1

BVwGW256 2143746-128.6.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W256.2143746.1.00

 

Spruch:

W256 2143746-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA Afghanistan, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9. Dezember 2016, Zl. 1075025104-150732764, zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 24. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

 

Im Zuge der am 25. Juni 2015 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am XXXX geboren, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, und er sei Muslim in sunnitischer Glaubensausrichtung. Er stamme aus der Provinz Nangarhar. Seine Muttersprache sei Paschtu, allerdings sei er Analphabet und er könne weder schreiben, noch lesen. Seine Eltern, seine beiden Brüder und seine Ehefrau würden nach wie vor in Afghanistan leben. Über Angehörige in Österreich verfüge er nicht. Seine Familie besitze in Afghanistan ein Grundstück im Heimatdorf. Er selbst habe in Afghanistan als Hilfsarbeiter und zuletzt als Wachmann gearbeitet. Vor ca. 2 Monaten habe er den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen, weil er aufgrund seiner Tätigkeit als Wachmann für eine Sicherheitsfirma von den Taliban mit dem Tod bedroht worden sei.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 10. November 2016 von der belangten Behörde einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen ergänzend vor, er sei in Afghanistan nie in die Schule gegangen, und er könne auch nicht schreiben und lesen. Seine Familie besitze im Heimatdorf XXXX eine ca. XXXX bis XXXX Jerib große Landwirtschaft, auf welcher Baumwolle, Reis, Weizen und Mais angebaut werde. Auch würden sie XXXX große Kühe besitzen. Er habe manchmal auf der eigenen Landwirtschaft mitgeholfen. Seine Frau und seine Mutter hätten bei den Kühen und Tieren geholfen, und sie hätten Joghurt und Käse zum Verkauf hergestellt. Seine Eltern und seine Ehefrau würden nach wie vor in dem Dorf von der Landwirtschaft und in einem eigenen Haus leben. Seine beiden Brüder seien auch geflohen. Sonstige Familienangehörige habe er in Afghanistan nicht. Er habe aber auch Freunde in XXXX im Dorf XXXX, und im Heimatdorf. In Österreich besitze er keine Verwandten und auch keine sonstigen persönlichen Beziehungen. Er habe bisher in XXXX einen Deutschunterricht absolviert. In XXXX habe er sich für einen Deutschkurs angemeldet, dieser sei allerdings bislang noch nicht gestattet worden.

 

In Afghanistan habe er in der Provinz Nuristan als "Guard" für eine Baufirma gearbeitet. Er sei mit einer Kalaschnikow bewaffnet für die Sicherheit des Ingenieurs verantwortlich gewesen. Eines Tages seien die Taliban zu ihnen gekommen und hätten ein Auto für den Transport von Waffen und zum Kampf gegen eine NGO von seinem Ingenieur verlangt. Dies sei allerdings vom Ingenieur verweigert worden, weshalb sie als Ungläubige mit dem Tod bedroht worden seien. Es sei zu einem Schusswechsel gekommen, in welchem – wie ihm zwar nicht aufgefallen, aber von Leuten aus dem Dorf erzählt worden sei – ein Taliban verletzt worden sei. Daraufhin seien sie regelmäßig von den Taliban bedroht worden, und sei ihnen gesagt worden, sie sollen den Ort verlassen. Vier Tage nach dem Schusswechsel sei sein Freund, der an dem Schusswechsel auch teilgenommen habe, von den Taliban erwischt, und sei ihm der Kopf abgeschnitten worden. Darüber habe ihn sein Vater informiert, und habe ihn dieser auch aufgrund von Drohbriefen aufgefordert, das Land zu verlassen. Einen Tag später und damit sieben bis acht Tage nach dem Schusswechsel sei er daraufhin mit finanzieller Hilfe seines Vaters geflüchtet. Die Familie helfe immer. Die drei von ihm vorgelegten Drohbriefe habe er noch vor seiner Flucht erhalten. Danach habe sein Vater die ebenfalls vorgelegte Anzeige beim ältesten Rat gemacht. Zu diesem Zeitpunkt sei er bereits aus Afghanistan ausgereist gewesen. Zum Vorhalt, den vorgelegten und übersetzten Drohbriefen sei zu entnehmen, dass der erste Drohbrief vom XXXX, der zweite Drohbrief vom XXXX, der dritte Drohbrief vom XXXX, hingegen die vorgelegte Anzeige vom XXXX, und damit folglich vor Erhalt des dritten Drohbriefes, stamme, entgegnete der Beschwerdeführer, die Anzeige habe sein Vater erstattet. Weshalb in der Anzeige stünde, dass er seine Arbeit für eine Baufirma in Nangarhar am XXXX beendet habe, könne er ebenfalls nicht beantworten. Seine Familie könne, obwohl in den Drohbriefen auch der Tod der Familie angedroht werde, deshalb nach wie vor in XXXX leben, weil seine Eltern ziemlich alt seien, und die Taliban mit Frauen nichts zu tun hätten. Für die Taliban sei allein er wichtig gewesen.

 

Der Beschwerdeführer wurde neuerlich am 24. November 2016 von der belangten Behörde und zwar einerseits als Partei im vorliegenden Verfahren, und andererseits als Zeuge im Verfahren des Asylwerbers, XXXX, IFA:XXXX, befragt.

 

Im Rahmen der Zeugenbefragung führte der Beschwerdeführer aus, er habe mit XXXX 14 Monate im selben Zimmer im Quartier in XXXX gelebt. Er habe ihn in Bulgarien getroffen, und sie seien gemeinsam nach Österreich gefahren. Er wisse nicht viel über ihn. Auch habe er nicht mit ihm über seinen Ausreisegrund gesprochen. Zum Vorhalt, XXXX habe dieselben Dokumente unter Behauptung desselben Fluchtvorbringens wie der Beschwerdeführer vorgelegt, führte der Beschwerdeführer aus, die Firma habe in vielen Provinzen Personen angestellt. Nach ausdrücklichem nochmaligem Verweis auf die Folgen einer falschen Zeugenaussage führte der Beschwerdeführer aus, er wolle nunmehr nicht mehr aussagen.

 

In seinem Verfahren führte der Beschwerdeführer als Partei aus, er und XXXX hätten an verschiedenen Orten als Wachmänner gearbeitet, weshalb er XXXX, auch erst in Bulgarien kennengelernt habe, obwohl dieser – wie ihm von der belangten Behörde aufgrund von vorgelegten Dokumente vorgehalten wurde – bei derselben Baufirma in derselben Funktion wie der Beschwerdeführer gearbeitet haben soll. Dass sowohl bei der vom Beschwerdeführer, als auch der von XXXX vorgelegten ID-Karte XXXX District, Nangarhar, stünde, sei wohl darauf zurückzuführen, dass es sich bei Nangarhar um eine große Provinz handle. Weshalb XXXX dieselben Fluchtgründe, wie er ins Treffen führe, könne er sich nicht erklären, und er würde auch nie lügen.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit von den Taliban bedroht werde. Auch könne nicht festgestellt werden, dass er sein Herkunftsland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die Taliban verlassen habe. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe seien insgesamt nicht glaubhaft. Diese würden mit den von ihm vorgelegten Dokumenten nicht übereinstimmen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass die Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft gemacht worden sei, nachdem er alle drei Drohbriefe erhalten habe. Die vorgelegten Drohbriefe habe der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus Afghanistan erhalten, und die Anzeige bei der Bezirkshauptmannschaft sei von seinem Vater nach seiner Ausreise erstattet worden. Aus den vorgelegten Dokumenten gehe allerdings chronologisch hervor, dass die Anzeige vor Erhalt des dritten Drohbriefes am XXXX und somit vor seiner Ausreise erfolgt sei. Auch habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er nach der Schießerei durch die Taliban, welche sieben bis acht Tage vor seiner Ausreise stattgefunden habe, bedroht worden sei. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe allerdings hervor, dass der erste Drohbrief mit XXXX und somit vor der Schießerei datiert sei. Auch gehe aus der vorgelegten Anzeige hervor, dass der Beschwerdeführer bis zumXXXX als Wachmann bei einer Firma in der Provinz Nangarhar gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe allerdings angeben, bei einer Baufirma in Nuristan und zwar bis zu seiner Ausreise im XXXX gearbeitet zu haben. Ebenfalls werde in der Anzeige bestätigt, dass die Familie des Beschwerdeführers bedroht werde und der Beschwerdeführer insofern das Land verlassen habe müssen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers habe dieser aber erst nach der Anzeige das Land verlassen, und sei daher nicht nachvollziehbar, wie die Flucht bestätigt werde haben können. Befragt zu diesen Widersprüchen, habe der Beschwerdeführer diesen nicht substantiiert entgegen treten können, sondern sei lediglich ausgeführt worden, dass er keine Schuld habe, da sein Vater die Anzeige erstattet habe. Dieser habe allerdings nach seinem Vorbringen auch keine Schuld, sondern es habe vielleicht ein anderer einen Fehler gemacht. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass es seiner Familie möglich sei, nach wie vor in der Heimat zu leben. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass sowohl dem Beschwerdeführer, als auch der Familie mit dem Umbringen gedroht werde. Wären die vom Beschwerdeführer vorgelegten Drohbriefe tatsächlich – wie vom Beschwerdeführer behauptet – durch die Taliban verfasst, so wäre davon auszugehen, dass die Taliban Ihre Drohung in die Tat umgesetzt hätten, und es seiner Familie nicht möglich wäre, im Heimatdorf zu leben. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Taliban würden mit alten Leuten und Frauen nichts zu tun haben, und sei seinen Eltern und seiner Frau insofern ein Leben im Heimatdorf möglich, könne die Echtheit der vorgelegten Schreiben nicht untermauern, weil darin der ganzen Familie, auch Kindern und Erwachsenen mit dem Umbringen gedroht werde. Es sei aufgrund der widersprüchlichen, lebensfremden und nicht glaubhaften Angaben vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei den vorgelegten Unterlagen um Gefälligkeitsdokumente handle, und die behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse nie stattgefunden hätten. Ein weiteres Indiz dafür sei, dass XXXX ein identes Fluchtvorbringen erstattet habe, und auch zur selben Zeit in derselben Firma in derselben Funktion tätig gewesen sein soll. Dazu als Zeuge in dessen Verfahren befragt, habe der Beschwerdeführer eine Bekanntschaft mit diesem Asylwerber ausgeschlossen und behauptet, diesen erst in Österreich kennengelernt zu haben. Es scheine weder glaubhaft, noch lebensnah, dass der Beschwerdeführer und Herr XXXX aufgrund ihrer Tätigkeit für dieselbe Firma, unter Vorlage derselben Nachweise, zur selben Zeit ihren Herkunftsstaat verlassen hätten müssen, diese sich jedoch nicht aus ihrem Herkunftsstaat kennen würden. Insbesondere erscheine es der Behörde als lebensfremd, dass der Beschwerdeführer und Herr XXXX in ihrer gemeinsamen Zeit von 14 Monaten im gleichen Zimmer in Österreich weder über persönliches, noch über ihren Ausreisegrund gesprochen hätten. Auch gehe aus einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28. Juli 2016 hervor, dass selbst die Taliban angeben würden, dass die meisten Drohbriefe gefälscht seien.

 

Zu Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde aus, es würden keine Hinweise vorliegen, dass der Beschwerdeführer in eine existenzbedrohende Notlage bei einer Rückkehr gelangen könnte. Seine Eltern und seine Ehefrau würden nach wie vor in XXXX, XXXX, Nangarhar leben. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass seine Familie eine Landwirtschaft mit ca. XXXX bis XXXXJerib besitze. Auch habe er angegeben, dass seine Familie ihren Lebensunterhalt aus dem Verkauf der eigenen landwirtschaftlichen Produkte bestreite. Der Beschwerdeführer verfüge über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan. Es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr Unterstützung durch sein familiäres Netzwerk finde. Nach den aktuellen Informationen liege die soziale Absicherung traditionell bei den Familien und Stammesverbänden, weil staatliche Sicherungssysteme praktisch nicht existieren würden. Der Beschwerdeführer zähle nicht zu der von UNHCR angeführten spezifischen Gruppe afghanischer Staatsangehöriger, die entweder mangels familiärer oder sozialer Schutzmechanismen oder wegen in Afghanistan nicht vorhandener Unterstützungs- oder Behandlungsmöglichkeiten besonders verletzlich seien. Der Beschwerdeführer sei volljährig, leide nicht an gesundheitlichen Einschränkungen. Anders als viele andere afghanische Männer sei der Beschwerdeführer – nach seinen eigenen Angaben – vor seiner Ausreise berufstätig gewesen, und dürfte ihm dies erleichtern, bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Arbeit zu finden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten, in der Lage wäre, sein Leben in Afghanistan zu meistern.

 

Die belangte Behörde verkenne nicht, dass seine Heimatprovinz Nangarhar zu den volatilen Provinzen in Afghanistan gehöre. Eine Anreise in seine Heimatregion wäre gleichsam mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko für seine Unversehrtheit, und könne ihm eine Rückreise dorthin nicht zugemutet werden. Allerdings bestehe für ihn die Möglichkeit, sich in Kabul niederzulassen, sich dort ein Leben aufzubauen, und seine Ehefrau dorthin nachzuholen. Ihm würden dort auch keine konkreten Gefahren für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage drohen. Zwar gestalte sich die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan weiterhin schwierig. Mit Unterstützung durch IOM sei allerdings davon auszugehen, dass es ihm möglich sei, eine Unterkunft in Kabul zu finden. Auch sei kein Grund ersichtlich, weshalb ihn seine Familie nicht auch bei einer Ansiedlung in Kabul unterstützen könne. So habe der Vater des Beschwerdeführers Kontakt mit dem Schlepper aufgenommen und auch die Reise des Beschwerdeführers finanziert. Die Familie finanziere sich ihren Lebensunterhalt – laut Angaben des Beschwerdeführers – mit eigenen Erzeugnissen. Die Afghanistan International Bank biete alle Varianten des Bankenwesens inklusive Online Banking. Daneben seien noch andere Banken tätig, über die Geldüberweisungen möglich seien. Aus diesem Grund gehe die Behörde davon aus, dass es der Familie des Beschwerdeführers möglich sei, den Beschwerdeführer zu unterstützen. Aufgrund der traditionellen Lebensweise und der besonders starken familiären Bande in der afghanischen Kultur sei davon auszugehen, dass die Familienangehörigen Hilfe nicht verwehren würden.

 

Eine Gefahrenlage im Sinne des Art. 3 EMRK könne im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Kabul sei mit dem Flugzeug aus Europa erreichbar, und es würden auch Rückkehrhilfen angeboten werden. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer nicht auf das Projekt "Restart-Reintegrationsunterstützung für freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan" zurückgreifen könne. Bei einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer insofern in der Lage sein, durch eine Tätigkeit – wenn auch als Tagelöhner – eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen. Auch sei davon auszugehen, dass ihm durch sein soziales Netz eine wirtschaftliche und soziale Unterstützung zukomme, weshalb er nicht in eine hoffnungslose Lage geraten würde. Die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung bei einer Rückkehr, ermögliche es ihm auch in der Übergangszeit, sich selbst zu versorgen, bis er eine eigene Tätigkeit aufnehmen könne. Letztlich stehe ihm auch die Möglichkeit offen, sich an Hilfseinrichtungen zu wenden, wenngleich nicht verkannt werde, dass von diesen Einrichtungen individuelle Unterstützungsleistungen meist nur in sehr eingeschränktem Ausmaß gewährt werden könne.

 

Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine Verwandten verfüge und würde er auch sonst mit keiner ihm nahestehenden Person zusammenleben. Der Beschwerdeführer gehe keiner Arbeit nach und bestreite seinen Aufenthalt durch Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln. Er besuche zwar Deutschkurse. Eine Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers könne daraus allerdings nicht abgeleitet werden, weil es sich dabei leidglich um eine Qualifikationssteigerung und nicht um schützenwertes Privatleben handle. Der Beschwerdeführer sei seit 24. Juni 2015 in Österreich aufgrund seines Asylantrages aufhältig. Sein Aufenthalt sei allerdings lediglich für die Dauer des Asylverfahrens legalisiert, und sei auch die Dauer – gemessen an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – als zu gering zu bezeichnen, um von einer nachhaltigen Integration, die schwerer als öffentliche Interessen an der Vollziehung eines geordneten Fremdenwesens wiegen würden, zu sprechen. Der Beschwerdeführer sei zwar unbescholten. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden sei, bewirke aber keine Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich. Die Behörde kam daher zum Schluss, dass im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen besondere Bedeutung zukämen, und auch keine weiteren Umstände ersichtlich seien, die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechen würden. Eine Rückkehrentscheidung sei daher gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG seien nicht gegeben. Unter Spruchpunkt II. sei geprüft und schließlich festgestellt worden, dass ihm eine Gefahr iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG nicht drohe, eine Empfehlung nach Abs. 3 leg.cit. existiere nicht. Mangels Hervorkommens besonderer Gründe sei die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festzusetzen gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 Beschwerde. Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er bei einer Fälschung von Drohbriefen penibel darauf geachtet hätte, dass die Daten auf den Drohbriefen mit seiner Fluchtgeschichte übereinstimmen würden. Ein solcher Fehler wäre ihm bei einer Fälschung auf gar keinen Fall unterlaufen, gerade diese Unstimmigkeit zeuge von seiner Ehrlichkeit. Er könne sich auch nicht erklären, wie es zu unterschiedlichen Datenangaben auf den Drohbriefen komme. Außerdem sei nicht von jedem Drohbrief automatisch von einer Fälschung auszugehen. Dies ergebe sich aus einem Artikel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, wonach Drohbriefe eine beliebte und weitverbreitete Taktik der Taliban seien. Weshalb seine Familie bisher verschont geblieben sei, wisse er nicht. Er sei heilfroh, dass sie noch lebe. Er vermute, dass die Taliban die Drohung nicht in die Tat umgesetzt hätten, weil er ohnehin das Land verlassen habe. Die Taliban wüssten alles. Er sei aber auch sicher, dass sie die Drohung verwirklicht hätten, wenn er weiterhin dort geblieben und gearbeitet hätte. Dass er seine Bekanntschaft zu Herrn XXXX bereits in der Heimat verneint habe, sei ebenfalls ein Zeichen seiner Ehrlichkeit. Weshalb die Behörde daraus auf seine Unglaubwürdigkeit schließe, sei für ihn ein Rätsel. Für ihn wäre es ein Vorteil gewesen, und es hätte seine Fluchtgeschichte verstärkt, wenn er von Anfang an behauptet hätte, Herrn XXXX zu kennen. Es sei für den Beschwerdeführer unmöglich zu seiner Familie zurückzukehren. In Kabul könne er sich keine Existenz aufbauen, die Taliban würden ihn überall finden. Aber selbst wenn die belangte Behörde seine Fluchtgeschichte als nicht glaubhaft befände, habe sie sich nicht eingehend mit der Rückkehrsituation auseinandergesetzt. Vor allem missachte sie den Umstand, dass der Beschwerdeführer laut einem britischen Refugee Support Network Anfang 2016 veröffentlichten Bericht über die Rückkehrsituation betreffend junger Afghanen, die sich in Europa aufgehalten haben, massiv gefährdet wäre, von den Taliban ermordet oder entführt zu werden, da er als Spion angesehen werde. Die Behörde hätte diesen Umstand berücksichtigen müssen, weil nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch eine von vornherein als kaum glaubwürdig zu bezeichnende Fluchtgeschichte die Asylbehörde nicht von der Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen, entbinde. Davon abgesehen habe die belangte Behörde auch bei der Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer in Kabul über kein familiäres oder soziales Netzwerk verfüge. Seine Familie lebe nach wie vor in Nangarhar. Eine Rückführung dorthin sei selbst nach Auffassung der belangten Behörde nicht möglich. Wieso die belangte Behörde dem Beschwerdeführer unterstelle, sich in Kabul eine neue Existenzgrundlage aufbauen zu können, sei ihm unerklärlich. Bei Berücksichtigung sämtlicher oben geltend gemachter Umstände, hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass er der Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt sei, jedenfalls aber hätte sie feststellen müssen, dass ihm im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan ein Verstoß gegen Artikel 2, Artikel 3 EMRK drohe. Insofern stellte er den Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Beschwerdeführer internationalen Schutz zuerkennen, jedenfalls aber die Unzulässigkeit seiner Abschiebung feststellen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Zur Person

 

Der Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Er ist in der Provinz Nangarhar, XXXX, DorfXXXX geboren und aufgewachsen.

 

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat keine Kinder. Seine Ehefrau lebt nach wie vor im Heimatdorf gemeinsam mit seinen Eltern im eigenen Haus. Die Familie ist dort keiner Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt.

 

Auch besitzt der Beschwerdeführer Freunde in seinem Heimatdorf und in XXXX, im Dorf XXXX, mit welchen er – ebenso wie mit seiner Familie – in regelmäßigem Kontakt steht.

 

Die Familie besitzt im Heimatdorf eine eigene Landwirtschaft von ca. XXXX bis XXXX Jerib, auf welcher Baumwolle, Mais, Reis sowie Weizen angebaut und zum Verkauf angeboten werden. Auch besitzt die Familie XXXX große Kühe.

 

Der Beschwerdeführer hat keine Schulbildung. Er kann weder schreiben, noch lesen. Seine Muttersprache ist Paschtu.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund und XXXXJahre alt. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

 

Im XXXX verließ der Beschwerdeführer mit (finanzieller) Hilfe seines Vaters Afghanistan, und er stellte am 24. Juni 2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Er verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen. Er hat in Österreich einen Deutschkurs besucht, allerdings bislang keine diesbezüglichen Belege vorgelegt. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Arbeit nach.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt war bzw. ist.

 

Zur Lage in Afghanistan

 

(Auszug aus dem – bereits von der belangten Behörde herangezogenen – Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21. Jänner 2016, letzte Kurzinformation vom 5. Oktober 2016):

 

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KI vom 19.9.2016; Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q3.2016 (betrifft Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte konnten mit Hilfe der NATO den verstärkten Aktivitäten der Taliban, aber auch von al-Quaida und Islamischem Staat, standhalten (SCR 1.9.2016). Laut dem Vizechef der NATO-Mission "Resolute Support" funktionieren die afghanischen Kräfte, in Einklang mit ihrem offensiven Schlachtplan und positiven Entwicklungen, dieses Jahr besser als letztes Jahr (USDOD 25.8.2016).

 

Aufgrund intensiver Talibanoperationen war die Sicherheitslage auch weiterhin volatil. Während des Berichtszeitraumes (20.5. - 15.8.2016) konzentrierten sich die Taliban darauf, die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten der Provinzen Baghlan, Kunduz, Takhar, Faryab, Jawzjan und Uruzgan zu bekämpfen, in dem sie versuchten Bezirksverwaltungszentren einzunehmen und Versorgungsrouten zu unterbrechen. In den Monaten Mai und Juli erhöhte sich die Anzahl der bewaffneten Angriffe um 14,7% im Vergleich zu den drei Monaten davor und war ferner um 24% höher als im Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (GASC 7.9.2016).

 

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High-profile Angriffe in Kabul

 

Im Berichtszeitraum kam es zu zwei High-Profile Angriffen in Kabul (GASC 7.9.2016; vgl. auch: BBC News 23.7.2016, Reuters 1.8.2016).

 

Sicherheitsoperationen

 

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Im Juni führten Sicherheitskräfte Operationen in den Provinzen Nangarhar, Paktika, Ghazni, Kandahar, Uruzgan, Baghlan, Balkh, Jawzjan, Faryab, Kunduz und Helmand durch (BAMF 13.6.2016).

 

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Regierungsfeindliche Gruppierungen

 

Regierungsfeindliche Elemente waren für 60% der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 verantwortlich (966 Tote und 2.116 Verletzte). Dies deutet eine Zunahme von 11% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an (UNAMA 7.2016).

 

Taliban

 

Nach einem leichten Rückgang während des Ramadans (7.6. - 6.7.2016) nahm die Talibanoffensive nach dem 19.7.2016 wieder Fahrt auf: die Bezirksverwaltungszentren von Khanashin und Sangin in Helmand; Qush Tepa in Jawzjan; Dahanai Ghuri in Baghlan; Dasht-e Archi, Khanabad und Qala-i-Zal in Kunduz und Khwaja Ghar in Takhar konnten kurzfristig erobert werden. Obwohl die nationalen afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte die Kontrolle über die meisten Distriktzentren zurück erobern konnten, waren diese Orte weiterhin signifikantem Druck ausgesetzt - speziell im Süden und Nordosten (GASC 7.9.2016).

 

Viele der Landgewinne der Taliban dauern zwar nur kurz, da Sicherheitskräfte Gebiete zurückerobern. Dennoch haben die Taliban ihre Kontrolle über die Provinzen ausgeweitet (BAMF 22.8.2016).

 

Die afghanischen Taliban sind dem ISKP feindlich gesinnt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Es scheint als ob der Einfluss des Islamischen Staates in Afghanistan unter Druck geraten ist. Der IS-Ableger, der sich selbst "Islamischer Staat in der Provinz Khorasan" (ISIL-KP) nennt, hat mit signifikanten Territorialverlusten zu kämpfen, was ihn zu einer Änderung der Taktik gezwungen hat. Die Kämpfer waren gezwungen sich auf wenige Distrikte in der östlichen Provinz Nangarhar zu beschränken. Zum anderen sucht die Gruppe nun vornehmlich "weiche" Ziele, wie z.B. das Selbstmordattentat auf friedlich demonstrierende Hazara im Juli 2016 in Kabul zeigt (Nikkei Asia Review 31.8.2016).

 

Unterstützt von internationalen militärischen Kräften, haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Boden- und Luftoperationen gegen den ISIL-KP in der Provinz Nangarhar verstärkt. Diese Operationen führten zu signifikanten Opfern unter den ISIL-KP Kämpfern, inklusive dem Tod ihres Führers Hafiz Saeed Khan im Juli 2016. Es wurde berichtet, dass manch vertriebener Kämpfer in die Provinz Kunar gegangen ist (GASC 7.9.2016).

 

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KI vom 29.3.2016; Verkehrsrouten in Afghanistan (betrifft Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

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Flugverbindungen

 

Internationaler Flughafen Kabul

 

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (NYT 4.1.2016; vgl. Hamid Karzai Airport 2015). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert.

 

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3. Sicherheitslage

 

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Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten. Gleichzeitig haben die Taliban bewiesen, dass sie ländliche Gegenden einnehmen, Schlüsselgebiete bedrohen (zB. Helmland) und gleichzeitig high-profile Angriffe in Kabul durchführen können (USDOD 12.2015). Laut Angaben der afghanischen Regierung, kontrollieren die Taliban nur vier der mehr als 400 Bezirke landesweit, aber es ist bekannt, dass diese Zahl stark untertrieben ist. Die afghanische Regierung hat außerdem oftmals nur Kontrolle über die Distriktzentren, aber nicht über die ländlichen Gebiete (The Long War Journal 22.9.2015).

 

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3.1. Kabul

 

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Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden im Distrikt Kabul 217 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

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Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden in der gesamten Provinz Kabul 352 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Provinzhauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.372.977 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015)

 

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Die Sicherheitsumgebung in Kabul ist momentan extrem herausfordernd, Koordinierte Angriffe auf Regierungsgebäude und auf ausländische Organisationen, ist auf einem hohe Niveau wie zuletzt im November 2014 beobachtet wurde. Die allgemeine Gewalt, Selbstmordatentate, Autobomben und magnetisch angebrachte IEDs (improvised explosive devices) befinden sich im Großen und Ganzen auf dem Niveau von 2014. Dieses Gewaltniveau wird scheinbar von einer größeren Strategie extremistischer Gruppen vorangetrieben (EI o.D.) Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Innerhalb Kabuls gibt es verschiedene Viertel mitunterschiedlichen Sicherheitslagen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Von Jänner bis November 2015, wurden 28 hochrangige Angriffe in Kabul durchgeführt. Dies bedeutet eine Steigerung von 27 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2014. Diese Angriffe erreichen ein Hauptziel der Taliban, nämlich mediale Aufmerksamkeit, und gleichzeitig die Verbreitung einer Gefühls der Unsicherheit (USDOD 12.2015). Während die Sicherheitskräfte sich fortwährend verbessern und ihre Fähigkeiten, solchen Angriffen entgegenzuwirken, entwickeln, ist es eher unwahrscheinlich, dass eine unterschwellige Bedrohung, insbesondere innerhalb der zentralen Kabuler Distrikte, in naher Zukunft gänzlich ausgeschlossen werden kann (EI o.D.).

 

Ministerien sind bevorzugte Ziele von Raketenbeschuß, Sprengsätzen oder Selbstmordanschlägen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014; vgl. UNAMA 8.2015) Hier steht die mediale Wirkung im Vordergrund. Die Anstrengungen der Sicherheitskräfte zeigen allerdings langsam Wirkung (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

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3.1. Regionale Sicherheitslage im Osten des Landes (Provinzen: .. Nangarhar )

 

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Im Zeitraum 1.1. – 31.8.2015 wurden in der Provinz Nangarhar, 1.191 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

 

Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o. D.g.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.517.388 geschätzt (UN OCHA 26.8.2015).

 

Nangarhar zählt zu den relativ volatilen Provinzen im Osten Afghanistans, in welcher regierungsfeindliche bewaffnete Aufständischengruppen aktiv sind (Khaama Press 22.12.2015). Die allgemeine Sicherheitslage in Nangarhar ist weiterhin volatil. Die Bewegungen bzw. Infiltrationsrouten regierungsfeindlicher Elemente betreffen den südlichen und östlichen Bereich der Provinz, also die Distrikte. Sherzad, Hisarak, Pachir Wa Agam, Khogyani, Chaparhar, Achin, Nazyan, Goshta, Bati Kot, Lal Pur, Surkh Rod und Kot, speziell in den Grenzregionen zu Pakistan, wo regierungsfeindliche Elemente frei zwischen den Ländern hin und her wechseln, was negative Folgen für die Sicherheitslage hat.

 

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Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren in der Provinz: eine durch Stämme dominierte Gesellschaft, ethnische Differenzen, eine konservative ländliche Bevölkerung mit teilweise fundamentalistischem Glauben, unterschiedliche regierungsfeindliche Elemente inklusive neu auftretender IS-Zweige, die Präsenz illegaler bewaffneter Gruppen, organisiertes Verbrechen, Drogen, grenzübergreifende Schusswechsel, grenzüberschreitende Einflüsse und schwache Regierungsführung (Vertrauliche Quelle 15.9.2015).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben eine Reihe von Gegenoffensiven und Befreiungsoperationen in den umstrittenen Gebieten durchgeführt. Dies beinhaltet auch weiträumige Operationen in Nangarhar im Mai 2015, die scheinbar zu einer geringen Zahl an Vorfällen rund um Jalalabad City geführt haben, aber auch zu gezielten Operationen in Schlüsseldistrikten im August (UN GASC 1.9.2015): Die Präsenz von mit IS/ISIL/Daesh verbundenen Gruppen ist weiterhin ein Grund zur Sorge, speziell in Nangarhar, wo diese Präsenz in Relation signifikanter ist, als im restlichen Land. Unbestätigte Berichte deuten darauf hin, dass es innerhalb der Provinz einerseits zu Zusammenstößen zwischen IS-Zweigen und dne Taliban kommt, sowie andererseits zu vermehrten Operationen der afghanischen Sicherheitskräfte der Armee gegen den IS (UN GASC 10.12.2015).

 

Die Taliban haben auch weiterhin ihren traditionellen Einfluß in den Provinzen Nuristan, Nangarhar, Kunar und Laghman gehalten (ISW 3.2015). In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Terroristen zu befreien (Business Standard 30.12.2015; Khama Press 22.12.2015; UN GASC 1.9.2015; Pajhwok 28.7.2015; Stars and Stripes 14.7.2015; Tolonews 12.7.2015).

 

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11. Ethnische Minderheiten

 

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In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32.5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015): Davon sind 42 %-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken.

 

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Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan.

 

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22. Grundversorgung/Wirtschaft

 

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169 Platz von mehr als 187 (Anm.: darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

 

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8 .2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit haben die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vgl. IMF 9.6.2015).

 

Das Wirtschaftswachstum war zum Größtenteil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, welche ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau, wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet. (WB 2015).

 

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8 .2015).

 

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und einer starken Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8 .2015).

 

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus, konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachtums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90 %) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8 .2015).

 

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8 .2015).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8 .2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und –verkauf (AA 8 .2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8 .2015; vgl. UN GASC 6.9.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8 .2015).

 

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezeber 2014 bestätigt. Sie begrüßren das Engagement der neuen afghanischen Regierung für macroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

 

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23. Medizinische Versorgung

 

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Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 16 .11.201). Auch hat sich seit dem Jahr 2001 der Zugang zur Grundleistung für die afghanische Bevölkerung in fast allen Bereichen erheblich verbessert: der Deckungsgrad medizinischer Gesundheitsversorgung hat sich von 9% im Jahr 2001 auf 80% im Jahr 2011 erweitert (WB 4.2015). Jedoch fällt diese Grundversorgung im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 2.3.2015).

 

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In der letzten Dekade hat das afghanische Gesundheitssystem ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund starker Regierungsführung, einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer, was ferner andeutet, dass die Notwendigkeit besteht, Zugangshindernisse zu Leistungen für Frauen zu beseitigen. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralspiegeldefiziten (WB 4.2015).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 16.11.2015; vgl. AA 2.3.2015).

 

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 25.6.2015)

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)]. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft und die Patient/innen sind gezwungen die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 2.7.2014). Obwohl Qualitätskontrollmaßnahmen für Medikamente im öffentlichen Gesundheitsvorsorgesystem existieren, ist die Umsetzung laut einem US-amerikanischen Bericht schwach. Der Großteil der verschriebenen Medikamente wird verschrieben und privat verkauft. Auch, so der Bericht weiter, gibt es keine Daten zu Pahrmazisten, die im privaten Sektor arbeiten. Bis zu 300 in Pakistan ansässige Unternehmen produzieren Medikamente, die speziell für den Export nach Afghanistan vorgesehen sind, aber den von für Pakistan vorgeschriebenen Standards nicht entsprechen (IJACMEC 10.2014; vgl. The Guardian 7.1.2015).

 

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24. Behandlung nach Rückkehr

 

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Die Kapazität der Regierung Rückkehrer/innen aufzunehmen war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen der Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.6.2015). In Pakistan werden etwa 1.5 Millionen afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind von UNHCR unterstützt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

 

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertrieben Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und andern Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig. Rückkehrerinnen und Rückkehr hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.6.2015).

 

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Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 2.3.2015; vgl. AA 16.11.2015).

 

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischem und US-amerikanischem Exil (AA 16.11.2015)."

 

2. Beweiswürdigung:

 

1. Die Länderfeststellungen gründen sich auf die bereits von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichte angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, kann unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums in diesem Fall verneint werden, und wird dies vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde im Übrigen auch nicht einmal behauptet.

 

2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zur familiären und finanziellen Situation ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor der belangten Behörde, sowie aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt in Zusammenhalt mit der Beschwerde.

 

3. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

 

4. Dass die Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan keiner Bedrohung durch die Taliban ausgesetzt ist, ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme und auch seiner Beschwerde. Darin bringt der Beschwerdeführer vor, seiner Familie drohe wohl vermutlich deshalb keine Gefahr in Afghanistan, weil er das Land verlassen und seine Tätigkeit als Wachmann aufgegeben habe.

 

5. Der Beschwerdeführer bringt – wie auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren – in seiner Beschwerde vor, er habe als Security für eine Baufirma in Nuristan gearbeitet. Aufgrund dieser Tätigkeit sei er und seine Familie von den Taliban mit dem Tod bedroht worden. Die belangte Behörde habe zu Unrecht dieses Vorbringen als unglaubhaft gewertet.

 

Dazu ist auszuführen, dass die diesbezügliche auf einem mängelfreien Ermittlungsverfahren beruhende Beweiswürdigung der belangten Behörde in keinster Weise vom erkennenden Gericht zu beanstanden ist.

 

Schon allein das Vorbringen des Beschwerdeführers, er und auch seine Familie seien von den Taliban aufgrund seiner Tätigkeit für eine Baufirma mit dem Tod bedroht worden, seine Eltern und seine Ehefrau würden allerdings nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers leben, kann für sich nicht in Einklang gebracht werden. Daran ändert auch das lediglich spekulativ in der Beschwerde erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, für die Familie gehe "vermutlich" deshalb keine Gefahr aus, weil der Beschwerdeführer das Heimatland inzwischen verlassen und damit die die Bedrohung auslösende Tätigkeit beendet habe, nichts, weil dies umgekehrt auch für den Beschwerdeführer keine aktuelle Bedrohung bedeuten würde. Jedenfalls wäre – der Argumentation des Beschwerdeführers folgend – aus dem nach wie vor unbestrittenen Umstand, dass die Familie nach wie vor in Afghanistan lebt, zu schließen, dass es den Taliban nicht um die in den Drohbriefen ausdrücklich bedrohten Personen, sondern allein um die – letztendlich ohnedies aufgegebene – Tätigkeit gegangen ist. Lediglich der Ordnung halber ist an dieser Stelle ergänzend anzumerken, dass auch selbst die vom Beschwerdeführer zur Untermauerung seines Vorbringens vorgelegten Drohbriefe, die von ihm aufgezeigte Bedrohungssituation – und zwar auch noch während seines Aufenthaltes in Afghanistan – nicht erkennen lassen, weil die im zweiten Drohbrief dem Beschwerdeführer und dessen Familie ausdrücklich angedrohte Tötung "in den nächsten Tagen", nach immerhin 20 Tagen noch nicht verwirklicht, sondern lediglich anhand eines dritten Drohbriefes neuerlich ausgesprochen wurde.

 

In diesem Zusammenhang dürfen aber auch die – von der belangten Behörde ausführlich aufgezeigten, oben wiedergegebenen – zeitlichen und auch inhaltlichen Unstimmigkeiten zwischen dem Vorbringen des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Unterlagen nicht außer Acht gelassen werden. Wie den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist, soll der Beschwerdeführer für eine Baufirma in Nangarhar (Drohbrief 1) und zwar bis zum XXXX (Anzeige) gearbeitet haben, wohingegen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dieser in der Provinz Nuristan und zwar bis zu seiner Ausreise XXXX für eine Baufirma tätig gewesen sein soll. Gleiches gilt für sein Vorbringen, er habe Afghanistan einen Tag nach Erhalt des letzten Drohbriefes, aber vor Erstattung der Anzeige verlassen, obwohl der letzte Drohbrief mit XXXX, die erstattete Anzeige hingegen davor mit XXXX datiert ist. Dass gerade diese Unstimmigkeiten Indiz für die Ehrlichkeit und damit Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers – wie von ihm in der Beschwerde nicht weiter ausgeführt – sein sollen, überzeugt nicht, sondern ist vielmehr davon auszugehen, dass diese auf seine mangelnde Schulbildung und damit sein Leseunvermögen zurückzuführen sind.

 

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass – wie von der belangten Behörde aufgezeigt – der gemeinsam und zur selben Zeit mit dem Beschwerdeführer in Österreich eingereiste Zimmerkollege des Beschwerdeführers, XXXX, dieselbe Fluchtgeschichte unter Vorlage derselben Dokumente in seinem Asylverfahren vorgebracht hat. Es kann der belangten Behörde auch hier nicht entgegen getreten werden, wenn sie die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, insbesondere vor dem Hintergrund seiner – in dem Verfahren von XXXX erstatteten – Zeugenaussage, er habe XXXX – trotz der geschilderten Gemeinsamkeiten in Afghanistan – nicht in Afghanistan kennengelernt, und bislang auch nie über seinen Ausreisegrund mit diesem gesprochen, in Zweifel zieht. Dass diese Unstimmigkeiten Indiz für die Ehrlichkeit des Beschwerdeführers sein sollen, überzeugt erneut nicht, weil dem Beschwerdeführer der Grund der Zeugenbefragung im Vorhinein nicht bewusst und damit eine für ihn allfällig "asyltauglichere" Aussage nicht vorhersehbar war, und er überdies nach neuerlicher ausdrücklicher Belehrung über die Folgen einer falschen Zeugenaussage die Befragung abgebrochen hat.

 

Letztlich mag es zwar auch zutreffen, dass – wie vom Beschwerdeführer auf Grundlage einer Anfragebeantwortung der Schweizer Flüchtlingshilfe moniert – nicht bei jedem vorgelegten Drohbrief automatisch von einer Fälschung auszugehen ist. Das ändert aber nichts – wie von der belangten Behörde anhand einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28. Juli 2016 belegt – an der generellen Existenz von solchen Fälschungen, und hat sich die belangte Behörde damit – wie bereits ausgeführt – für den vorliegenden Fall ausführlich auseinandergesetzt.

 

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers kann daher – der Beweiswürdigung der belangten Behörde folgend – insgesamt nicht als glaubhaft befunden werden, weshalb diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchpunkt A.I.

 

A. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I.:

 

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde - wie auch im vorangegangen Verfahren – eine asylrelevante Verfolgung durch die Taliban, weil er als Security für eine Baufirma in Nuristan tätig gewesen sei. Die belangte Behörde habe zu Unrecht, seinen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist.

 

Wie bereits in der Beweiswürdigung dargestellt, kommt dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines konkreten Vorbringens zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen insgesamt nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung glaubhaft zu machen.

 

Davon abgesehen würde es dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aber ohnedies an der erforderlichen Aktualität mangeln (siehe dazu u. a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 2016, Ra 2015/18/0212, wonach im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen zu rechnen ist). Wie nämlich selbst von ihm in der Beschwerde nochmals bestätigt, lebt seine ebenfalls aufgrund seiner Tätigkeit ausdrücklich mit dem Tod bedrohte Familie nach wie vor unverändert in seinem Heimatdorf, weshalb umgekehrt auch für den Beschwerdeführer keine aktuelle Gefahr zu erwarten ist. Dass das Interesse allein an der Person des Beschwerdeführers und nicht auch an seiner Familie bestanden haben soll, wird durch sein im gesamten Verfahren in Übereinstimmung mit den vorgelegten Drohbriefen erstattetes Vorbringen, auch seine Familie sei wegen seiner (mittlerweile ohnedies aufgegebenen) Tätigkeit mit dem Tod bedroht worden, hinreichend widerlegt.

 

Dass jeder Rückkehrer aus Europa – wie vom Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde moniert – automatisch als Spion angesehen und damit von den Taliban verfolgt werde, konnte nicht festgestellt werden, und ergibt sich dies im Übrigen selbst auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer in der Beschwerde zitierten Bericht. Darin wird zwar die Ermordung von zwei jungen Rückkehrern aus Europa durch die Taliban dargestellt, dass insofern jeder junge Rückkehrer aus Europa einer solchen Bedrohungssituation ausgesetzt wäre, geht daraus aber nicht hervor.

 

Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante Bedrohung des Beschwerdeführers sind nicht hervorgekommen, und wurden solche vom Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht behauptet.

 

Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Die belangte Behörde hat daher zu Recht, den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

 

B. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern abzuweisen, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 AsylG 2005 ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

 

Bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0060, und vom 24. März 2015, Ra 2014/19/0021, mwN).

 

In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Judikatur des EGMR hinzuweisen, wonach es abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05. September 2013, I gegen Schweden, Nr. 61 204/09; s. dazu zuletzt auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 2016, Ra 2015/01/0255). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1993, 93/18/0214).

 

In dem bereits zitierten Beschluss, Ra 2015/01/0134, hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des EGMR in jüngst ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07).

 

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (siehe dazu die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 2013; U1674/12; 12. Juni 2013, U2087/2012; 13. September 2013, U370/2012).

 

Der EGMR geht gestützt auf die Afghanistan-Richtlinien des UNHCR davon aus, dass die Übersiedlung in einen anderen Teil Afghanistans zumutbar ist, wenn Schutz durch die eigene Großfamilie, Gemeinschaft oder den Stamm am Zielort verfügbar ist; alleinstehenden Männern und Kleinfamilien ist es unter bestimmten Umständen auch möglich, ohne Unterstützung durch Familie und Gemeinschaft in städtischen oder halbstädtischen Gebieten mit existenter Infrastruktur und unter effektiver staatlicher Kontrolle zu überleben. Wegen des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Zusammenhalts in Afghanistan, der durch jahrzehntelange Kriege, massive Flüchtlingsströme und Landflucht verursacht worden ist, ist aber eine Prüfung jedes einzelnen Falles notwendig (siehe dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. September 2013, U 370/2012 mit Verweis auf EGMR, 13. Oktober 2011, Fall Husseini, App. 10.611/09, Z 96; 09.04.2013, Fall H. und B., Appl. 70.073/10 und 44.539/11, Z 45 und 114).

 

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich vor dem Hintergrund der obigen Rechtsprechung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gegenständlich nicht gegeben sind.

 

Dazu ist zunächst auszuführen, dass – wie festgestellt wurde – die Sicherheitslage in Afghanistan regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen wiederum von Distrikt zu Distrikt als unterschiedlich zu bezeichnen ist.

 

In Bezug auf die Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Nangarhar, geht – insbesondere auch angesichts der festgestellten hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – hervor, dass es sich dabei um eine umkämpfte und damit volatile Provinz Afghanistans handelt. In verschiedenen Distrikten sind aufständische Gruppen, wie die Taliban und der Islamische Staat, verstärkt aktiv, wobei regelmäßig und auch vermehrt Militäroperationen durchgeführt werden, um Aufständische zu vertreiben. Wie auch bereits die belangte Behörde erkannt hat, stellt sich demnach bereits die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Nangarhar, als unsicher dar, weshalb eine Rückkehr dorthin schon allein aufgrund der festgestellten allgemeinen schlechten Sicherheitslage eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK für den Beschwerdeführer darstellen würde.

 

Allerdings kann dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt in der Hauptstadt Kabul – wie auch von der belangten Behörde angenommen – und damit eine innerstaatliche Fluchtalternative, zugemutet werden.

 

Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz und Stadt Kabul kann nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie Protokoll Nr. 6 zur EMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit droht, dass dies zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen müsste.

 

In Bezug auf die Sicherheitslage ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren hat. Auch ist Kabul eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt. Innerhalb Kabuls existieren in verschiedenen Vierteln freilich unterschiedliche Sicherheitslagen. Aus den entsprechenden Länderberichten ergibt sich, dass sich die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist.

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es allerdings nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht darzulegen (siehe dazu u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134, wonach trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Kabul, im Hinblick auf die regional – sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt – unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.).

 

Wie festgestellt wurde, ist der Beschwerdeführer ein arbeitsfähiger und gesunder junger Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer spricht die Landesprache Paschtu, ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut, und war nach seinen eigenen Angaben bereits in Afghanistan als Hilfsarbeiter berufstätig. Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Vielmehr gehört der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen sunnitischen Glaubens der Mehrheitsbevölkerung Afghanistans an.

 

Auch leben sowohl die Eltern, als auch die Ehefrau des Beschwerdeführers nach wie vor im Herkunftsdorf des Beschwerdeführers, und besitzen diese ein eigenes Haus, XXXX große Kühe und eine eigene Landwirtschaft von ca. XXXX bis XXXX Jerib, auf welcher Baumwolle, Mais, Reis sowie Weizen angeboten werden, und mit deren Verkauf der Lebensunterhalt der Familie gesichert wird.

 

Der Beschwerdeführer hat zwar bislang noch nicht in Kabul gelebt und verfügt dort über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte. Er stammt allerdings aus einem Kulturkreis, in dem – wie von ihm auch vorgebracht – auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie, und auch seinen Freunden in Afghanistan, in regelmäßigem Kontakt. Er kann im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit finanzieller Unterstützung seiner in Nangarhar lebenden Familie rechnen, ist ihm diese doch bereits auch bei seiner Ausreise (finanziell) zur Seite gestanden. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Angehörigen des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, ihn finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer verfügt daher in Kabul über genügend Rückhalt in Form von finanzieller Unterstützung durch seine Familie. Außerdem kann der Beschwerdeführer Rückkehrhilfen vorübergehend in Anspruch nehmen.

 

Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Dem Beschwerdeführer ist es aufgrund der dargelegten Umstände auch ohne unmittelbar in Kabul bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte somit möglich, sich dort eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 08. September 2016, Ra 2016/20/0063, wonach mit dem Aufzeigen der bloßen Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Bezug auf Kabul nicht dargetan wird; auch das Faktum, dass der Asylwerber über keine guten Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul verfügt, reicht für sich betrachtet für die Annahme der Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht aus).

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar ist.

 

C. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit

 

mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit 24. Juni 2015 im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"Schutz des Privat- und Familienlebens

 

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (s. zum Ganzen den Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0265, mwN, sowie zuletzt den Beschluss vom 07. September 2016, Ra 2016/19/0168).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. etwa die Erkenntnisse vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119, und in diesem Sinn auch jenes vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/19/0247 mwN sowie den Beschluss vom 15. März 2016, Ra 2016/19/0031). Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters ausgeführt, dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865 mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27. Mai 2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu.

 

Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516/2005 und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 24. Juni 2015 im Bundesgebiet und hält sich demnach erst knapp zwei Jahre in Österreich auf. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stützte sich für die Dauer des Verfahrens alleine auf das Asylgesetz. Er konnte seinen Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrags vorübergehend legalisieren.

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich. Seine Eltern und seine Ehefrau leben in Afghanistan. Vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ist daher in Österreich nicht auszugehen.

 

Der Beschwerdeführer verfügt auch nicht über eigene, den Lebensunterhalt deckende Mittel und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er war in Österreich bisher nicht legal beschäftigt. Er hat bisher Deutschkurse besucht, wobei bislang kein Zeugnis über eine bestandene Deutschprüfung vorgelegt wurde. Für besondere Integrationsfortschritte während seines Aufenthalts in Österreich liegen ebenfalls keine Belege vor.

 

Der Beschwerdeführer verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens in Afghanistan, wurde dort sozialisiert und spricht eine in seiner Heimat weit verbreitete Sprache auf muttersprachlichem Niveau. Die Familie des Beschwerdeführers, und auch seine Freunde, leben in Afghanistan.

 

Seine Bindung zu Afghanistan ist insbesondere auch unter dem Aspekt des Familienlebens deutlich intensiver als jene zu Österreich.

 

Es deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

 

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr davon aus, dass es von einem Fremden, der sich im Bundesgebiet aufhält, als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält.

 

Ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan. Es sind auch keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen. Zudem ist die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat, demgegenüber die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet als kurz zu bezeichnen ist, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort seine Familienangehörigen und auch seine Freunde leben und der Beschwerdeführer auch Sprachen des Herkunftsstaates beherrscht.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer versucht, sich Deutschkenntnisse anzueignen sowie bislang nicht straffällig geworden ist, bewirkt insofern keine entscheidungsmaßgebliche Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich. Auch nach der Judikatur des EGMR bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 2010, 2009/21/0055 mwN).

 

Daher ist im Lichte einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Erlassung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall gemäß § 9 BFAVG geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 sind ebenfalls nicht gegeben.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben. Insbesondere liegen nach den die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz tragenden Gründen der gegenständlichen Entscheidung keine Umstände vor, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

 

D. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

 

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Ungeachtet eines entsprechenden Antrags kann gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung auch dann unterbleiben, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC nicht entgegenstehen:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, ZI. Ra 2014/20/0017, ausgeführt, dass für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende Kriterien maßgeblich sind: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

 

Auf den gegenständlichen Fall angewendet, bedeuten diese Grundsätze Folgendes:

 

Die belangte Behörde legte ihren (Negativ‑)Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen beweiswürdigend zu Grunde, dass schon seine Angabe, seine ebenfalls bedrohte Familie lebe nach wie vor im Heimatdorf, die Unglaubwürdigkeit seiner behaupteten Verfolgung aufzeigen würde. Zudem würden auch die zeitlichen und inhaltlichen Widersprüche zwischen seinen Angaben und den von ihm vorgelegten Drohbriefen und seine im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme getätigte Aussage zum Asylverfahren seines – im Übrigen dieselbe Fluchtgeschichte unter Vorlage derselben Dokumente vorbringenden – Mitbewohners in Österreich, er habe diesen (trotz der gemeinsamen Fluchtgeschichte) nicht in Afghanistan, sondern in Bulgarien kennengelernt, seine Glaubwürdigkeit stark in Zweifel ziehen.

 

Dem wurde in der Beschwerde entgegengesetzt, die Eltern würden "vermutlich" deshalb in Afghanistan leben können, weil der Beschwerdeführer geflohen und seine Tätigkeit aufgegeben habe. Die Widersprüche zwischen seinem Vorbringen und den Drohbriefen würden umgekehrt für seine Ehrlichkeit sprechen. Dies gelte auch für seine Angabe in Bezug auf seinen Mitbewohner, weil ihm eine andere Aussage im Asylverfahren mehr geholfen hätte.

 

Wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, teilt das erkennende Gericht die – auf einem ordentlichen Ermittlungsverfahren beruhende – oben dargestellte Beweiswürdigung der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar. Schon allein das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine ebenfalls bedrohte Familie lebe nach wie vor – und zwar unbehelligt – im Heimatdorf, lässt die Plausibilität seiner Fluchtgeschichte vermissen. Aber auch die aufgezeigten Unstimmigkeiten seines Vorbringens in Bezug auf die Drohbriefe und seine Zeugeneinvernahme sind insgesamt nicht geeignet, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufzuzeigen.

 

Die in der Beschwerde in Bezug auf seine Familie aufgestellte reine Vermutung sowie die bloße Behauptung, gerade Unstimmigkeiten würden für die Ehrlichkeit des Beschwerdeführers sprechen, war – wie in der Beweiswürdigung näher dargestellt – nicht geeignet, der – von dem erkennenden Gericht mitgetragenen – Beweiswürdigung der belangten Behörde den Boden zu entziehen.

 

Im vorliegenden Fall ist der maßgebliche Sachverhalt daher in Bezug auf das Fluchtvorbringen aus der Aktenlage als geklärt anzusehen. Der Beschwerdeführer hat diesen für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt – wie in der Beweiswürdigung näher dargestellt – lediglich substanzlos bestritten. Auch hat sich in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, diesen maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern. Davon abgesehen käme dem Fluchtvorbringen – wie oben dargelegt – aber ohnedies keine Asylrelevanz zu, weshalb auch aus diesem Grund eine mündliche Erörterung unterbleiben konnte.

 

Seit der Erhebung der Beschwerde haben sich keine wesentlichen Veränderungen der Lage in Afghanistan ergeben und sind auch keine Hinweise auf eine fortschreitende Integration des Beschwerdeführers während seines insgesamt sehr kurzen Aufenthalts in Österreich hervorgekommen bzw. wurden solche (in der Beschwerde) auch nicht behauptet, weshalb die gebotene Aktualität unverändert gegeben ist. Auch sonst hat sich kein Hinweis ergeben, den sonstigen im Übrigen unbestrittenen maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern (vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 2006, 2005/20/0329; 26. Juni 2007, 2007/01/0479; 22. August 2007, 2005/01/0015). Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer näher zu erörtern.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

 

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

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