BVwG W228 2123724-1

BVwGW228 2123724-14.5.2017

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art.133 Abs4
ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W228.2123724.1.00

 

Spruch:

W228 2123724-1/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 29.04.2015, BZ: XXXX, wegen Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Die Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: WGKK) hat mit Bescheid vom 29.04.2015, XXXX, festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) als Geschäftsführer der Firma XXXX GmbH, 1080 Wien, XXXX, in Folge als Primärschuldnerin bezeichnet, verpflichtet ist, der WGKK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2012, Jänner bis Dezember 2013, Jänner bis April 2014 und Dezember 2014 von € 10.241,04 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab dem 28.04.2015 7,88 % p.a. aus €

8.612,50 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass die Primärschuldnerin aus den Beiträgen Dezember 2012, Jänner bis Dezember 2013, Jänner bis April 2014 und Dezember 2014 € 10.241,04 und weitere Verzugszinsen schulde. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Da die Primärschuldnerin keine Tätigkeit mehr ausübe, sei die Hereinbringung der Forderung nicht mehr möglich. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen würden die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit haften, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden könnten.

 

Diesem Bescheid angefügt war der Rückstandsausweis vom 29.04.2015.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 20.05.2015 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und wurde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid vom 29.04.2015 ersatzlos aufheben. Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass für die Geltendmachung einer Haftung des Geschäftsführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG von der Behörde festzustellen sei, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt gemeldet hätten werden müssen und dass diese Meldungen unterblieben seien. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht erfolgt. Gleichzeitig stelle das Fehlen jeglicher Ermittlungstätigkeit der Behörde einen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Die belangte Behörde habe es unterlassen, zu prüfen, ob tatsächlich eine Pflichtverletzung vorliege. Der Beschwerdeführer wolle festhalten, dass er die Tätigkeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin erst Ende September 2013 übernommen habe. Das Unternehmen sei zu diesem Zeitpunkt mit ca. €

130.000,-- bei Lieferanten überschuldet gewesen sowie mit ca. €

210.000,-- bei der XXXX Bank. Nach Antritt seiner Geschäftsführertätigkeit habe der Beschwerdeführer festgestellt, dass die Buchhaltung, die von der Kanzlei XXXX Steuerberatung wahrgenommen werden hätte sollen, über sechs Monate nicht durchgeführt worden sei, da die Primärschuldnerin der Firma XXXX die Honorare schuldig geblieben sei. Im Oktober 2013 habe die XXXX schließlich die Vollmacht aufgekündigt, nachdem sie ca. sechs bis acht Monate lang keine Buchhaltung mehr durchgeführt hatte. Gleichzeitig sei seitens des Finanzamtes eine Umsatzsteuerprüfung angekündigt worden, da sich herausgestellt hatte, dass beträchtliche Meldeverstöße in der Zeit vor der Übernahme der Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer erfolgt seien. Der Beschwerdeführer habe daraufhin mit dem Finanzamt eine Vereinbarung getroffen, zunächst die Aufbuchungen auf seine Konten durchführen zu lassen und dann die Umsatzsteuerprüfung durchzuführen. Dies sei durchgeführt worden und habe die Firma XXXX damals für eine Abschlagszahlung in Höhe von €

3000,-- die Buchungen vorgenommen. In Anbetracht dieser Situation habe der Beschwerdeführer im November einen Insolvenzantrag vorbereitet. Dazu hätten € 5000,-- aufgebracht werden müssen. Gleichzeitig habe er die ihm damals mitgeteilten offenen Beiträge für September 2013 an die WGKK überwiesen. Die beiden Arbeiter seien mündlich gekündigt worden und seien keine Löhne mehr ausbezahlt worden. Es seien daher auch keine Dienstnehmerbeiträge einbehalten und auch keine Beiträge mehr an die WGKK abgeführt worden. Sämtliche Meldungen, die im Zeitraum der Geschäftsführung des Beschwerdeführers durchzuführen waren, seien auf seine Weisung von der Firma XXXX rechtskonform durchgeführt worden. Des Weiteren seien im Oktober 2013 vom vorangegangenen Geschäftsführer XXXX widerrechtlich € 7500,-- vom Konto behoben worden. Darüber sei Anzeige erstattet worden und sei es letztendlich zu einer Verurteilung des Herrn XXXX gekommen. Dieses Verfahren sei allerdings erst 2014 abgeschlossen worden. In der Zwischenzeit habe die Bank den Betrag blockiert. Es sei daher aus unverschuldetem Geldmangel nicht möglich gewesen, noch im Jahr 2013 einen Insolvenzantrag zu stellen. Dieser sei dann erst 2014 erfolgt. Aufgrund einer Exekution eines lange vor dem Antritt des Beschwerdeführers als Geschäftsführer gekündigten Mitarbeiters sei es zu einer Kontokorrentfälligstellung durch die XXXX Bank gekommen. Dadurch sei das Unternehmen ca. Februar 2014 auch jeglicher Möglichkeiten beraubt worden, durch abgewickelte Aufträge liquide Mittel zu lukrieren, da sämtliche Kontoeingänge durch die XXXX Bank blockiert worden seien. Durch die Insolvenz hätten die Mitarbeiter beim IEF ihre ausstehenden Löhne, Abfertigungen usw. beantragt und erhalten. Eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht sei bereits eingebracht worden. In dieser gesamten Zeit seien dem Beschwerdeführer keine Mitteilungen seitens der WGKK über offene Beitragsschulden vorgelegen und selbst wenn es so wäre, wäre es der WGKK freigestanden, von sich aus schon früher einen Insolvenzantrag zu stellen, da einige Beitragsschulden offenbar auf das Jahr 2012 zurückgehen. Es sei daher ersichtlich, dass sämtliche Meldungen erfolgt seien bzw. selbst wenn diese nicht erfolgt seien, dies nicht kausal für die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden sei. Allfällige nicht erfolgte Meldungen aus dem Zeitraum 2012-2013 seien möglicherweise aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung des XXXX erfolgt, wie auch möglicherweise Beiträge nicht entrichtet werden konnten, da jener mit seiner gesetzeswidrigen Entnahme von € 7500,-- die Möglichkeit, Beitragsschulden zu entrichten, vereitelt habe.

 

Die WGKK hat mit Schreiben vom 22.05.2015 dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er verpflichtet sei, die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Forderungen nachzuweisen. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, die gänzliche Zahlungseinstellung per November 2013 nachzuweisen bzw. für die im Schreiben näher angeführten Fälligkeitszeiträume der Abrechnungen 11/13 bis 03/14 Aufstellungen vorzulegen, in welchen den jeweils fälligen Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin (mit Ausnahme der Sozialversicherungsbeiträge) die erfolgten Zahlungen gegenüberzustellen seien.

 

Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 12.06.2015 eine Stellungnahme abgegeben. Darin führte er aus, dass die Primärschuldnerin im Zeitraum 11/13 – 17.04.2014 keinerlei Zahlungen geleistet habe. Sämtliche Zahlungen, die notwendig waren um das Unternehmen überhaupt aufrecht zu erhalten, seien aus Privatvermögen gedeckt worden. Betreffend die Zahlungen an die WGKK weise der Beschwerdeführer darauf hin, dass die Herren XXXX und XXXX mit 05.12.2013 aus dem Unternehmen ausgetreten seien. Die Beschäftigte XXXX sei mit 11.02.2014 einvernehmlich gekündigt worden. Das Unternehmen habe zwar einen Kontokorrentrahmen (Höhe: € 214.000,--) gehabt, doch sei dieser Rahmen durch Privatsparbücher abgesichert gewesen. Aufgrund von Exekutionen habe jede Zahlung im Rahmen dieser Finanzierung von der Bank genehmigt werden müssen, sodass es sich jeweils de facto um eine Belastung der privaten Sparbücher gehandelt habe. Sofern überhaupt noch Geschäfte abgewickelt werden konnten, mussten diese über Drittfirmen abgewickelt werden; sohin sei bei der Primärschuldnerin keinerlei Geschäftstätigkeit mehr vorhanden gewesen. Fest stehe, dass im besagten Zeitraum keinerlei Zahlungen aus dem Vermögen der Primärschuldnerin getätigt worden sein. Der Beschwerdeführer habe weder vorsätzlich noch fahrlässig irgendwelche Mittel des Unternehmens so verwaltet, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt werden konnten.

 

Die WGKK hat mit Schreiben vom 14.12.2015 den Beschwerdeführer erneut ersucht, die behauptete gänzliche Zahlungseinstellung durch die Primärschuldnerin per Ende November 2013 mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen.

 

Ein solcher Nachweis erfolgte nicht.

 

Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht am 29.03.2016 zur Entscheidung vorgelegt.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 24.01.2017 den Beschwerdeführer aufgefordert, die behauptete gänzliche Zahlungseinstellung durch die Primärschuldnerin per Ende November 2013 mittels geeigneter Unterlagen nachzuweisen.

 

Am 03.04.2017 wurde vom Beschwerdeführer ein E-Mail an das Bundesverwaltungsgericht gesandt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Beschwerdeführer war seit 25.09.2013 selbstständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

 

Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 17.04.2014, Aktenzahl XXXX, wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 05.06.2014 wurde die Änderung der Bezeichnung des Sanierungsverfahrens auf Konkursverfahren durchgeführt. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 05.06.2014 wurde der Primärschuldnerin die Eigenverwaltung entzogen. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12.12.2014 wurde der Konkurs über das Vermögen der Primärschuldnerin nach Schlussverteilung aufgehoben und wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht.

 

Die WGKK hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.04.2015 dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die von dieser Firma zu entrichten gewesenen Beiträge aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2012, Jänner bis Dezember 2013, Jänner bis April 2014 und Dezember 2014 von € 10.241,04 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab dem 28.04.2015 7,88 % p.a. aus € 8.612,50 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zur Entrichtung vorgeschrieben.

 

Die rückständigen Beiträge sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

 

Die behauptete gänzliche Zahlungseinstellung durch die Primärschuldnerin per Ende November 2013 konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass es zu einer Gläubigergleichbehandlung gekommen ist.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Der Verfahrensgang und die entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden.

 

Der Zeitpunkt der Eintragung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Primärschuldnerin ist im Firmenbuch dokumentiert.

 

Die Höhe der aushaftenden Beiträge und Verzugszinsen ergibt sich aus dem dem Bescheid vom 29.04.2015 angefügten Rückstandsausweis vom 29.04.2015.

 

Die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Primärschuldnerin ist gegeben, zumal der Konkurs am 12.12.2014 aufgehoben und die Primärschuldnerin wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht worden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 12.01.2016, Zl. Ra 2014/08/0028, zur ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags wie folgt aus: " so legte die Revisionswerberin ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 2. Oktober 2012 zugrunde; in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde schränkte sie nach teilweiser Zahlung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds den Haftungsbetrag ein und legte einen modifizierten Rückstandsausweis vom 6. Juni 2013 vor. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert; die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. OGH RIS-Justiz RS0040429 mwN). Indem die Revisionswerberin ihrem Bescheid den Rückstandsausweis zugrunde legte, brachte sie damit zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sich die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt. Auf Grund der Heranziehung des Rückstandsausweises, einer öffentlichen Urkunde mit erhöhtem Beweiswert, sind freilich keine (krassen bzw. besonders gravierenden) Ermittlungslücken im Sinn der oben aufgezeigten Rechtsprechung (Punkt 5.) zu erkennen. " Und weiters: " Was die Frage nach dem Vorliegen einer kausalen schuldhaften Pflichtverletzung betrifft, so ist eine solche schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.). "

 

Festzuhalten ist weiters, dass der Beschwerdeführer – trotz mehrmaliger Aufforderung sowohl seitens der WGKK als auch abschließend des Bundesverwaltungsgerichts - keine Nachweise betreffend die angebliche Zahlungseinstellung per November 2013 vorgelegt hat. Er hat auch die erforderlichen Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung im gesamten Verfahren nicht erbracht und ist darin eine mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers erkennbar.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin die WGKK.

 

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde

 

Zum e-Mail vom 03.04.2017:

 

Gemäß § 13 Abs. 1 AVG können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden.

 

Es ist zu beachten, dass die Subsidiaritätsklausel des § 13 Abs. 1 erster Satz AVG "soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist" nach Ansicht des VwGH nicht nur die verschiedenen Anbringenstypen, sondern auch die verschiedenen Anbringensübermittlungsarten betrifft. Es haben die in den Verwaltungsvorschriften normierten Regelungen Priorität; die in § 13 AVG enthaltenen Bestimmungen kommen (subsidiär) nur soweit zum Tragen, als in den Verwaltungsvorschriften keine besonderen Regelungen getroffen werden (vgl. VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156).

 

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten (BVwG-EVV), in der Fassung BGBl. II Nr. 11/2015, können Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten auf folgende Weise elektronisch eingebracht werden:

 

1. im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs;

 

2. über elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982;

 

3. im Wege des elektronischen Aktes;

 

4. im Wege einer standardisierten Schnittstellenfunktion;

 

5. mit auf der Website www.bvwg.gv.at abrufbaren elektronischen Formblättern;

 

6. mit Telefax.

 

E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung.

 

Mit dem gegenständlichen e-Mail vom 03.04.2017 wurden Ausführungen gemacht. E- Mail ist jedoch eine gemäß § 1 Abs. 1 BVwG-EVV unzulässige Einbringungsform, zumal eine Einbringung von Anbringen unter Verwendung von E-Mails in der BVwG-EVV nicht vorgesehen ist. Anbringen, für die die Verwaltungsvorschriften eine bestimmte Art der Einbringung vorsehen, sind unwirksam, wenn die Einbringung in einer anderen als der gesetzlich bestimmten Art erfolgt (vgl. nochmals VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156).

 

Da ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen als nicht eingebracht gilt (vgl. dazu das zur BAO ergangene, insoweit aber einschlägige E vom 28. Mai 2009, 2009/16/0031, mwH, sowie das E vom 22. Juli 1999, 99/12/0061), ist die Behörde auch nicht gehalten, im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, weil auch für die Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens das Vorliegen einer an sich wirksam erhobenen (wenn auch mit einem Mangel behafteten) Eingabe erforderlich ist (vgl. dazu den ebenfalls zur BAO ergangenen, insoweit einschlägigen B vom 28. Juni 2007, 2005/16/0186).

 

Wird ein Anbringen auf einem nicht zugelassenen Weg zugeleitet, so gilt es als nicht eingebracht. Im gegenständlichen Fall wurde ein E-Mail eingebracht. Daraus folgt, dass dieses beim Bundesverwaltungsgericht nicht rechtswirksam eingebracht worden ist. Daher brauchte auf die Ausführungen in diesem Mail vom 03.04.2017 nicht eingegangen werden.

 

Abschließend sei zu diesem Thema noch angemerkt, dass alle Personen die zulässigen Einbringungswege zwecks formgerechter Einbringung leicht über die Homepage des Bundesverwaltungsgerichtes ermitteln hätten können.

 

Zur Sache:

 

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

 

Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Primärschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.

 

Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind. Uneinbringlichkeit ist in der Regel – wie hier - bei einem abgeschlossenen Insolvenzverfahren gegeben. Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12.12.2014 der Konkurs über das Vermögen der Primärschuldnerin mangels Vermögen aufgehoben und die Primärschuldnerin infolge Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht wurde.

 

Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die WGKK ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 29.04.2015 zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Aufgrund des Vorliegens des Rückstandsausweises ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.

 

Der Beschwerdeführer war des Weiteren unstrittig ab 25.09.2013 Geschäftsführer der Primärschuldnerin und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung wegen Ungleichbehandlung für die gesamte Beitragsschuld herangezogen werden. Somit ist zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der WGKK haftet.

 

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 – 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, besteht neben den im § 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten aber auch eine allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten (Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015) § 67 Rz 77a).

 

Gemäß der auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG liegt Gläubigergleichbehandlung dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Beitragszahlungen zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Unterschreitet die Beitragszahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. VwGH 29.01.2014, 2012/08/0227).

 

Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. u.a. VwGH 19.06.1985, Slg. Nr. 6012/F, 17.09.1986, 84/13/0198, 16.12.1986, 86/14/0077, und 06.03.1989, 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers dazulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt – über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus – die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, daß er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (VwGH 13.03.1990, 89/08/0217).

 

Die Prüfung der Gläubigergleichbehandlung erfordert die Festlegung eines Zeitraumes, für den sie zu erfolgen hat. Ende dieses Beurteilungszeitraumes ist jedenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gegebenenfalls die frühere Beendigung der Vertreterstellung oder eine allgemeine Zahlungseinstellung. Beginn des Beurteilungszeitraums ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der ältesten zum Ende des Beurteilungszeitraums noch offenen Beitragsforderung (vgl. Julcher in Pfeil/Prantner, [Hrsg.], Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, 70f).

 

Dies bedeutet im gegenständlichen Fall: Zumal vom Beschwerdeführer– trotz mehrmaliger Aufforderung – keine Nachweise bezüglich einer Zahlungseinstellung per November 2013 vorgelegt wurden, bemisst sich der maßgebliche Zeitraum für die Gläubigergleichbehandlung bis zum 17.04.2014 (= Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens).

 

Trotz mehrmaliger Aufforderung wurde vom Beschwerdeführer der Nachweis der Einhaltung der Gleichbehandlungspflicht nicht erbracht.

 

Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.10.2001, Zl. 98/08/0368 ist daher davon auszugehen, dass er seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist. Da im Falle der Nichterbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung der Vertreter der Primärschuldnerin konsequenterweise auch für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze haftet (vgl. nochmals VwGH, 04.10.2001, Zl. 98/08/0368), besteht die Haftung des Beschwerdeführers für die zur Nachverrechnung gelangten Beiträge im vorliegenden Fall sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.

 

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).

 

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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