BVwG W234 2012494-3

BVwGW234 2012494-39.1.2017

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG 1950 §68
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG 1950 §68
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W234.2012494.3.00

 

Spruch:

W234 2012494-3/4E

W234 2012428-3/4E

W234 2012424-3/4E

W234 2012429-3/4E

W234 2012427-3/4E

W234 2117743-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX .1989; 2.) XXXX , geb. XXXX .1988, 3.) XXXX , geb. XXXX .2008,

4.) XXXX , geb. XXXX .2011, 5.) XXXX , geb. XXXX .2012 und 6.) XXXX , geb. XXXX .2014, alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 06.12.2016, Zlen. 1.) 821884003-161174520/BMI-BFA_SZB_RD, 2.) 821884101-161174538/BMI-BFA_SZB_RD, 3.) 821884210-161174627/BMI-BFA_SZB_RD, 4.) 821884308-161174660/BMI-BFA_SZB_RD, 5.) 821884406-161174745/BMI-BFA_SZB_RD und 6.) 1046232502-161174759/BMI-BFA_SZB_RD, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der jeweils angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erst- (im Folgenden BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden BF2) sind Ehegatten; die übrigen Beschwerdeführer (im Folgenden BF3 bis BF6) sind deren minderjährige Kinder.

Die ersten Anträge der Familienmitglieder auf internationalen Schutz – mit Ausnahme der BF6 – wurden nach deren Einreise in das Bundesgebiet am 28.12.2012 gestellt; die BF6 stellte ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz nach ihrer Geburt im Bundesgebiet am 25.11.2014.

2. Zunächst wurden die Anträge auf internationalen Schutz von BF1 bis BF5 mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundes) vom 02.09.2014 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen gegen BF1 bis BF5 erlassen und festgestellt, dass deren Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zulässig sei.

3. Diese Bescheide wurden mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.10.2014 behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung von neuen Bescheiden an die belangte Behörde zurückverwiesen. Denn eine Einvernahme der BF2 zu den von ihr miterlebten Ereignissen sei unterblieben.

4. Nach ergänzenden Eivernahmen von BF1 und 2 wurden die Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Beschwerdeführer mit Bescheiden des Bundesamts vom 29.10.2015 für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden nicht erteilt. Gegen die BF wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei.

5.1. Die Beschwerden gegen diese Bescheide wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 als unbegründet abgewiesen. Denn die BF hätten ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen können. Auch würden ihnen im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation keine Behandlung oder Lebensumstände drohen, welche die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gebieten würden. Schließlich würden die BF die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erfüllen; insbesondere seien sie in Österreich noch nicht ausreichend intensiv integriert, dass dies ihrer Auftenhaltsbeendigung entgegenstehen würde.

5.2. Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde am 20.07.2016 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.

6.1. Sämtliche Familienmitglieder begründeten die mit Erkenntnis vom 18.07.2016 erledigten Anträge auf internationalen Schutz zunächst ausschließlich mit gegen den BF1 gerichteten Verfolgungshandlungen in der Russischen Föderation:

Der BF1 wiederin begründete seinen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit, dass sich sein Vater im Jahr 2000 tschetschenischen Kämpfern angeschlossen habe und im selben Jahr bei Kampfhandlungen getötet worden sei. Seither hätten "Russen" das Haus der Familie wiederholt aufgesucht und durchsucht. Denn diese hätten versteckte Waffen dort vermutet.

Selbst nach dem Abzug der "Russen" aus Tschetschenien hätten Abgesandte von Kadyrow die Familie aufgesucht und diese aufgefordert, Waffen abzugeben. Im Jahr 2011 sei dann ein Cousin des BF1 mitgenommen und bei einer Einheit Kadyrows gefangen gehalten worden. Für 500.000 Rubel sei er freigekauft worden; bei seiner Abholung aus der Gefangenschaft sei er blutüberströmt gewesen und an den Folgen dieser Verletzungen am 03.03.2011 verstorben. Vier Monate später hätten die Behörden das Haus der Familie erneut aufgesucht und den BF1 mitnehmen wollen. Die Behördenvertreter hätten nicht geglaubt, dass der Cousin verstorben sei und nach diesem gesucht. Der BF1 sei bei dieser Dursuchung geschlagen worden; dann seien Anrainerrinnen herbeigeeilt und hätten – gemeinsam mit der BF2 – schreiend verlangt, vom BF1 abzulassen. Die Behörden hätten damit gedroht, den BF1 umzubringen, sollten die Waffen nicht herausgegeben werden. Bis zum 19. oder 20.12.2012 seien die Behörden nicht wiedergekehrt; an diesem Tag habe der BF1 beobachtet, dass Abgesandte Kadyrows das Heim der Familie aufgesucht hätten, als er nach Hause gekommen sei. Er habe sich aus Angst zu Verwandten begeben und sei am 23.12.2012 aus der Russischen Föderation ausgereist (siehe zu alledem die Erstbefragung vom 28.12.2012 sowie die Einvernahmen des BF1 vom 09.07.2014 und 02.09.2015 sowie dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 09.06.2016).

Dieses Vorbringen des BF1 qualifizierte das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom 18.07.2016 als unglaubwürdig.

6.2. Zusätzlich brachte die BF2 in der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 29.10.2015 erstmals vor, sie würde in Tschetschenien nunmehr auch deshalb verfolgt werden, weil sie begonnen habe, einen Hijab zu tragen; auch dieses Vorbringen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 mit Verweis auf näher bezeichnete Dokumentationsquellen über die örtlichen Gegebenheiten in der Russischen Föderation, welche dieser Einschätzung der BF2 widersprechen würden, als unglaubwürdig qualifiziert.

7. Am 25.08.2016 stellten sämtliche BF erneut Anträge auf internationalen Schutz.

7.1. Am selben Tag fanden die Erstbefragungen des BF1 und der BF2 zu diesen Folgeanträgen durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache statt.

Auf die Frage, weshalb er einen neuerlichen Asylantrag stelle und was sich seit Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses vom 18.07.2016 geändert hätte, antwortete der BF1, er werde in der Heimat nach wie vor gesucht, weshalb er erneut um Asyl ansuche. Er habe kürzlich zu seiner in Tschetschenien lebenden Tante per Skype Kontakt aufgenommen. Diese habe ihm mitgeteilt, auf keinen Fall zurückzukommen, weil einige Personen nach ihm gesucht hätten. Er werde verfolgt, weil sein Vater gegen die Russen gekämpft hätte; sein Cousin sei von den örtlichen Behörden getötet worden.

Zu seinen Befürchtungen, was ihm in der Heimat drohe, brachte der BF1 vor, davon überzeugt zu sein, getötet zu werden, sollte er zurückkehren müssen.

Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise dafür gebe, dass ihm bei seiner Rückkehr unmenschliche Behandlung oder Strafe, die Todesstrafe oder sonstige Sanktionen drohen würden, antwortete der BF1, dass dies nicht der Fall sei, er jedoch davon überzeugt sei, wie sein Vater und Cousin von den Behörden getötet zu werden, welche nicht nach dem Gesetz handeln würden.

Auf die Frage, seit wann ihm die Änderungen seiner Situation oder Fluchtgründe bekannt seien, antwortete der BF1: "Es gibt keine Änderungen." (Siehe zu alledem BF1-AS 5).

7.2. Die BF2 gab zu den Neuerungen seit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz an, sie wisse nicht, dass der Antrag schon entschieden worden sei. Ihr Anwalt habe den BF geraten, einen neuerlichen Antrag zu stellen. Eine Verwandte ihres Mannes habe diesem per Skype mitgeteilt, dass die Familie auf keinen Fall zurückkommen solle. Denn der BF1 werde nach wie vor gesucht. Kürzlich seien wieder Personen zum Haus der Familie in Grosny gekommen und hätten nach ihm gesucht. Der Cousin des BF1 sei getötet worden; danach hätten dessen Mörder auch den BF1 gesucht. Den Grund dafür kenne die BF2 nicht, die Behörden würden aber handeln, wie sie wollten.

Auch die BF2 gab an zu befürchten, dass er BF1 getötet würde, sollte die Familie in die Russische Föderation zurückkehren müssen.

Auf die Frage, ob es konkrete Hinweise dafür gebe, dass ihr Sanktionen im Fall ihrer Rückkehr drohen würden, antwortete die BF2, dass dies nicht der Fall sei, sie aber ein wenig Angst habe, weil sie einen Hijab trage.

Befragt, seit wann ihr die Änderungen der Situation oder ihrer Fluchtgründe bekannt seien, antwortete die BF2: "Es gibt keine Änderung der Situation." (Siehe zu alledem BF2-AS 5).

8. Am 20.09.2016 wurden der BF1 und die BF2 vor dem Bundesamt im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen.

8.1. In dieser Einvernahme gab der BF1 an, die in seiner Erstbefragung vom 25.08.2016 vorgebrachten Fluchtgründe vollinhaltlich aufrechtzuhalten. Zur Ergänzung dieses Vorbringens gab er an, zuerst seine Tante angerufen zu haben, die ihm jedoch telefonisch nichts habe erzählen wollen, weil die Telefone abgehört würden und es zu gefährlich gewesen wäre. Deshalb hätten sie über Skype Kontakt aufgenommen; auch dabei habe die Tante die Informationen nicht verbal geäußert, sondern sie auf einem Zettel niedergeschrieben und diesen per Videoübertragung gezeigt. So habe ihn die Tante darüber informiert, dass Kadyrow-Anhänger ein paar Mal nach ihm gesucht hätten und sie ihn deswegen darum bitte, auf keinen Fall zurückzukehren, weil es zu gefährlich für ihn wäre. Diese Mitteilung der Tante sei am 12.08.2016 erfolgt. Der BF1 habe schon nach Hause zurückkehren wollen und dann diesen Kontakt zu seiner Familie aufgenommen. Unterlagen zu diesem neuen Vorbringen könne der BF1 nicht beibringen, weil die Post in der Heimat sämtliche Sendungen kontrolliere und es ein zu großes Risiko für seine Familienangehörigen bedeuten würde, etwas zu versenden. Auf die Frage, ob sich an den Gründen seiner Flucht aus dem Herkunftsland prinzipiell etwas geändert hätte, antwortete der BF1 ausdrücklich:

"Nein." (alles AS 31 ff). Ferner gab der BF1 an, sich in der Russischen Föderation nie politisch betätigt und nie einer politischen Partei oder Organisation angehört zu haben sowie keinerlei Verfolgungshandlungen wegen seines Religionsbekenntnisses oder seiner ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt gewesen zu sein; außer dem Geschilderten habe er in der Russischen Föderation nie Probleme mit Behörden, der Polizei, Gerichten oder Privatpersonen und privaten Organisationen gehabt (BF1-AS 37).

Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der BF1 an, mit der BF2 verheiratet zu sein; die übrigen BF seien seine Kinder. Sämtliche BF hätten in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der BF1 habe in Österreich unerlaubt gearbeitet und habe auch der Chefin im Grundversorgungsquartier geholfen (BF1-AS 33 und 35). Im Bundesgebiet habe der BF1 außer den übrigen BF keine Verwandten. Er habe aber freundschaftliche Beziehungen zur Betreuerin des Grundversorgungsquartiers und den Nachbarn aufgebaut; er habe nämlich Fußball gespielt und Freunde gefunden (BF1-AS 35). In Österreich wolle er künftig als Programmierer oder auf Baustellen arbeiten. Außerdem habe er den Deutschkurs Niveau "A1" absolviert und besuche nunmehr den Kurs mit dem Niveau "A1/2"; der BF1 war in dieser Einvernahme dazu in der Lage, seinen Tagesablauf auf Deutsch zu schildern. Auch wusste der BF1 über die – damals noch anstehende – Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten und die antretenden Kandidaten bescheid und gab an strafgerichtlich wie verwaltungsstrafrechtlich unbescholten zu sein.

Zu den Lebensumständen der Kinder gab der BF1 an, der BF3 besuche die zweite Klasse der Volksschule, die BF4 und der BF5 den Kindergarten; die BF6 werde noch zu Hause beaufsichtigt. Vereinen würden die Kinder nicht angehören.

Im Heimatland würden noch die Tante, Großmutter und Mutter des BF1 leben. Zu seiner Tante und Großmutter stehe er alle ein bis zwei Monate per Skype in Kontakt; mit diesen, den übrigen BF und - bis zu deren Tod auch mit dem Großvater und Cousin - habe der BF in der Heimat an einem Wohnsitz gelebt; an diesem Wohnsitz würden nach wie vor die Großmutter und die Tante des BF1 leben. Beide habe der BF auch von Österreich aus unterstützt, indem er ihnen Kleidung geschickt habe, welche er von der Caritas erhalten hätte. Auch zu seiner leiblichen Mutter stehe er in Kontakt, unterhalte aber keine familiären Beziehungen zu ihr, weil sie die Familie verlassen habe, als der BF1 zwei Jahre alt gewesen sei (BF1-AS 31 ff).

8.2. In dieser Einvernahme vor dem Bundesamt gab die BF2 an, ihre Fluchtgründe würden sich auf die Probleme des BF1 beziehen; sie halte sämtliche in der Erstbefragung vorgebrachten Fluchtgründe aufrecht. Die BF2 bestätigte, dass der Kontakt zur Tante des BF1 am 12.08. via Skype hergestellt worden sei. Die Tante habe einen Zettel gezeigt, auf dem geschrieben gewesen sei, die BF mögen auf keinen Fall zurückkehren, weil ihnen Gefahr drohe. Aus Angst hätten die BF nicht viele Fragen stellen können, weil sie befürchtete hätten, abgehört zu werden. Über Unterlagen zu dem neuen Vorbringen verfüge die BF2 nicht, vielleicht könne der BF1 solche beibringen (BF2-AS 29). In der Russischen Föderation habe sie sich nie politisch betätigt, gehöre keiner politischen Organisation an und sei keinerlei Verfolgungshandlungen wegen ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit ausgesetzt gewesen (BF2-AS 31). Sie habe erst in Österreich begonnen, ein Kopftuch zu tragen, weil sie sich hier freier fühle und es ihr niemand verbieten könne. Sie sei nach wie vor gläubige Muslimin (BF2-AS 31 ff). In der Heimat habe sie nie Probleme mit Behörden oder privaten Personen und Organisationen gehabt (BF2-AS 33).

Zu ihren Lebensumständen in Österreich berichtete die BF2, nach wie vor mit dem BF1 verheiratet zu sein und vier gemeinsame Kinder – die übrigen BF – zu haben. Das meiste Geld für die Ernährung der Familie in Österreich habe der BF1 mit Schwarzarbeit verdient (BF2-AS 29). Im Bundesgebiet würden keine Verwandten der BF2 leben; sie habe Verwandte in Norwegen und Dänemark (BF2-AS 31). Die BF2 arbeite für die Gemeinde, habe dort Kontakt zu anderen Menschen und ansonsten zur Betreuerin der Familie. Sie besuche auch einen Deutschkurs und ein Sprachcafé im Kindergarten (BF2-AS 31). Zukünftig wolle sie Deutsch lernen und einer Erwerbstätigkeit nachgehen. In der Heimat habe sie ein Jahr lang eine Ausbildung zur Krankenschwester besucht und dann geheiratet (BF2-AS 31). Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation sei sie nicht; sie habe jedoch vor, beim Roten Kreuz anzufragen. Auch war die BF2 in dieser Einvernahme dazu in der Lage, ihren Alltag in gutem Deutsch zu schildern (BF2-AS 31). Über die österreichische Kultur wissen Sie, dass man anderen Personen in die Augen schauen müsse, wenn man ihnen die Hand gebe. Probleme mit österreichischen Behörden habe die BF2 nie gehabt und sei weder gerichtlich noch verwaltungsbehördlich bestraft worden.

Bis zur Ausreise habe die BF2 in der Heimat mit dem BF1, dessen Tante und Großmutter in dessen Haus gelebt. Ferner würden in Grosny nach wie vor die Eltern, zwei Schwestern, zwei Brüder und zwei Tanten der BF2 leben. Die Großmutter des BF1 würde über eine Rente verfügen; dessen Tante arbeite gelegentlich, genaueres wisse die BF2 nicht. Zu den Beiden stehe die Familie etwa alle ein bis zwei Monate per Telefon in Kontakt. Die Eltern der BF2 würden durch Handeln ihren Lebensunterhalt verdienen; eine ihrer Schwestern sei mit der Erziehung ihrer Kinder beschäftigt. Ihre jüngere Schwester und ein jüngerer Bruder seien noch Schüler; ihr jüngster Bruder besuche noch den Kindergarten. Zu Ihren Angehörigen habe die BF2 fast täglich Kontakt; sie habe Heimweh (BF2-AS 29 ff).

Nach dem Wohlbefinden und dem Bedarf nach medizinischen Heilbehandlungen sämtlicher Familienmitglieder gefragt, gab die BF2 an, sämtliche BF seien gesund; auch sei die BF2 nicht schwanger (BF2-AS 27).

8.3. Am Ende dieser Einvernahmen wurden dem BF1 wie der BF2 das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation mit Stand vom 01.06.2016 mit dem Hinweis überreicht, dass das Bundesamt beabsichtige, dieses der Entscheidung zugrunde zu legen und die Möglichkeit bestehe, innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben (vgl. BF1-AS 39 und BF2-AS 33).

8.4. Im Zuge dieser Einvernahmen überreichten die BF folgende Integrationsunterlagen (siehe BF1-AS 41 ff):

* Eine nicht datierte Zusage der XXXX vom XXXX in XXXX , den BF1 halbtags als Hausmeister anzustellen, sollte er in Österreich verbleiben dürfen.

* Eine mit 26.09.2015 datierte Zusage der XXXX und XXXX vom XXXX in XXXX , die BF2 als Zimmermädchen geringfügig anzustellen, sollte sie in Österreich verbleiben dürfen.

* Eine Bestätigung XXXX der Marktgemeinde XXXX vom 28.07.2016, dass die BF2 seit Juli 2015 für die Gemeinde ehrenamtlich Reinigungsarbeiten ausführe.

* Eine Bestätigung der Kursleiterin vom 24.08.2016, dass der BF1 den Kurs "Deutsch für Asylwerbende" der Volkshochschule XXXX , Niveau A1/1, von 12.07.2016 bis 24.08.2016 im Umfang von 22 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht habe.

* Eine Bestätigung der Kursleiterin vom 20.09.2016, dass der BF1 den Kurs "Deutsch für Asylwerbende" der Volkshochschule XXXX , Niveau A1/1, von 12.07.2016 bis 20.09.2016 im Umfang von 36 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht habe.

* Eine Bestätigung der Kursleiterin vom 20.09.2016, dass die BF2 den Kurs "Deutsch für Asylwerbende" der Volkshochschule XXXX , Niveau A1/1, von 12.07.2016 bis 20.09.2016 im Umfang von 36 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht habe.

* Eine Bestätigung für den BF3 über den Besuch der Vorschulstufe im Schuljahr 2014/15, ausgestellt durch die Volksschule XXXX am 10.07.2015.

* Ein Jahreszeugnis des BF3 für die erste Schulstufe der Volksschule XXXX vom 08.07.2016, wonach der BF sämtliche Gegenstände – außer "Deutsch, Lesen, Schreiben", den er "befriedigend" abschloss – mit "sehr gut" abgeschlossen habe.

9. Die BF erstatteten keine Äußerung zum Länderdokumentationsmaterial.

10. Mit den hier angefochtenen Bescheiden wies das Bundesamt die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 25.08.2016 wegen entschiedener Sache zurück (jeweils Spruchpunkt I.). Ferner wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen sämtliche Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Ferner wurde für sämtliche Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in die Russische Föderation zulässig sei (jeweils Spruchpunkt II.). Schließlich bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.).

Die Zurückweisungen der Anträge auf internationalen Schutz der BF vom 25.08.2016 begründet das Bundesamt im Wesentlichen damit, das neu erstattete Vorbringen des BF1, auf das sich sämtliche BF berufen würden, stehe in Zusammenhang mit seinem schon im ersten Asylverfahren ins Treffen geführten Fluchtgrund; auch die örtlichen Gegebenheiten in der Russischen Föderation hätten sich seit Abschluss des ersten Asylverfahrens nicht wesentlich geändert. Weiters habe sich der Gesundheitszustand der BF seit Abschluss des ersten Asylverfahrens nicht verändert. Auch die familiären und verwandtschaftlichen Verhältnisse der BF im Bundesgebiet wie im Herkunftsstaat seien unverändert geblieben. Ferner sei der Umstand, dass die BF2 nunmehr einen Hijab trage, schon im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 berücksichtigt worden. Der nunmehr ins Treffen geführte Sachverhalt habe sich mithin nicht wesentlich gegenüber jenem geändert, der bereits dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 zugrunde gelegt worden sei; daher handle es sich letztlich um eine bereits entschiedene Sache, sodass die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen seien.

Die Rückkehrentscheidung begründet die belangte Behörde im Wesentlichen damit, sämtliche Familienmitglieder seien von dieser betroffen. Auch würde die Familie über keinerlei weitere Verwandte im Bundesgebiet verfügen, sodass nicht in das Familienleben eingegriffen werde. Jedoch verfüge die Familie über verwandtschaftliche Beziehungen im Herkunftsstaat. In Österreich beziehe die Familie Grundversorgung. Der BF 3 würde die Volksschule besuchen, die BF4 und der BF 5 den Kindergarten. Auch basiere das Aufenthaltsrecht der BF ausschließlich auf dem Antrag auf internationalen Schutz. Einer erlaubten Beschäftigung sei der BF 1 nicht nachgegangen, jedoch einer nicht erlaubten; die BF 2 arbeite ehrenamtlich für die Gemeinde. Für beide seien Einstellungszusagen vorgelegt worden. BF1 wie BF2 würden einen Deutschkurs mit dem Niveau A1/1 besuchen. Insgesamt sei die Familie in Österreich noch nicht so intensiv integriert, dass dies den Rückkehrentscheidungen entgegenstehen würde.

Auch sei für die BF kein wesentliches Risiko der Verletzung in Rechten erkennbar, welche der Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Russische Föderation entgegenstehen würde.

Schließlich sei für Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise vorgesehen.

Diese Bescheide wurden den BF am 13.12.2016 zugestellt.

11. Am 23.12.2016 langten beim Bundesamt für sämtliche BF Beschwerden gegen die Bescheide des Bundsamts vom 06.12.2016 ein. Die Bescheide werden zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften in Beschwerde gezogen. Ferner wird beantragt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Sämtliche Beschwerden werden im Wesentlichen wie folgt begründet:

Nach einer Darstellung des Vorbringens des BF1 über die Warnung durch seine Tante am 12.08.2016 wird gerügt, das Bundesamt gehe zu Unrecht davon aus, dass seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundeverwaltungsgerichts vom 28.12.2016 keine wesentlichen Änderungen des Sachverhalts eingetreten seien. Insbesondere habe es das Bundesamt unterlassen, die herangezogenen Länderberichte einer Beweiswürdigung zu unterziehen. Weiterhin werde der BF1 von Abgesandten Kadyrows gesucht. Wie der BF1 das Vorgehen der Mitarbeiter Kadyrows beschreibe, stehe auch mit den Angaben des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation in Einklang. Seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens habe sich die Verfolgungsintensität für den BF1 extrem erhöht, weil er zu Hause gesucht worden sei, sodass schon deswegen keine entschiedene Sache vorliege. Auch würde der BF1 im Falle seiner Rückkehr mit einem Heimreisezertifikat ins Visier der Behörden geraten, sodass seine Verfolgung virulent und ihm Haft unter unmenschlichen Bedingungen drohen würde. Mit dieser Situation im Fall der Rückkehr habe sich die Behörde nicht hinreichend auseinandergesetzt. Auch sei die Sicherheit- und Versorgungslage in ganz Tschetschenien prekär.

Zwar gehe aus dem in Länderinformationsblatt der Staatendokumentation hervor, die Behörden würden von tschetschenischen Frauen weiterhin verlangen, auf öffentlichen Plätzen Kopftücher zu tragen; dabei handele es sich jedoch um die traditionellen tschetschenischen Kopftücher und nicht um einen Hijab, wie ihn die BF2 trage. Ihr Kopftuch würde sie in Tschetschenien ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten lassen. Auch leide die Zweitbeschwerdeführerin mittlerweile unter einer depressiven Episode, weswegen ihr regelmäßige Medikation und psychotherapeutische Therapie empfohlen worden sei; dies habe die BF2 in der Einvernahme als Angst und Sorgen beschrieben, welche nicht berücksichtigt worden seien.

Insgesamt lasse der bekämpfte Bescheid eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der BF vermissen, sodass das Bundesamt gar nicht hätte beurteilen können, inwieweit eine entschiedene Sache vorliegt.

Schließlich habe der BF5 kein rechtes Ohrloch und die Ohrmuschel sei nur verkleinert vorhanden; auf diesem Ohr sei er gehörlos. Eine Operation zur Rekonstruktion des Gehörganges und der Ohrmuschel zur Herstellung des Gehörs auf diesem Ohr sei in den nächsten ein bis zwei Jahren geplant; ein solcher Eingriff würde ihm im Herkunftsstaat verwehrt bleiben, weil dort komplexe und nicht lebensnotwendige Eingriffe den Länderberichten zufolge nicht staatlich finanziert würden und die Familie die Kosten nicht würde tragen können.

Schließlich seien die BF im Bundesgebiet mittlerweile so gut integriert, dass das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen gehabt hätte. Sie hätten sich während ihres vierjährigen Aufenthalts ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet geschaffen; die lange Verfahrensdauer sei auf ein Verschulden der Behörden zurückzuführen. Sämtliche BF würden gut Deutsch sprechen und seien in verschiedenen Arten sozial integriert. Ein Deutschkurs mit dem Niveau A2 werde derzeit in XXXX nicht angeboten, weswegen sich der BF1 zum Einzelunterricht angemeldet hätte. Auch sei die BF2 karitativ für die Gemeinde tätig. Schließlich würden der BF5 und die BF4 den Kindergarten besuchen und hätten dort viele Freunde gefunden. Der BF3 besuche die Volksschule und sei sehr gut in Österreich integriert. Die größeren Kinder würden sehr gut Deutsch und kaum Tschetschenisch sprechen.

Mit den Beschwerdeschriftsätzen legten die BF – neben den schon im Verwaltungsverfahren beigebrachten Urkunden – folgende weitere Integrationsnachweise vor:

* Eine Bestätigung des Kursleiters vom 13.12.2016 über die Anmeldung des BF1 für zum Einzelunterricht in Deutsch auf Niveau A2.

* Eine nicht datierte Mitteilung der Betreiberfamilie des Gasthauses XXXX in XXXX , wonach die BF stets bemüht seien, im Haus alles ordentlich zu halten und bei sämtlichen Tätigkeiten mithelfen würden; auch die Kinder seien sehr freundlich, besonders der BF3, der mit der Tochter der Betreiberfamilie in die Schule gehe. Die Betreiberfamilie sei mit den BF sehr zufrieden.

* Eine Unterstützungserklärung des XXXX aus XXXX vom 20.12.2016, der angibt, den BF1 und die BF2 schon mehrere Jahre lang zu kennen und mit ihnen befreundet zu sein. Sie seien sehr freundlich, hilfsbereit und gut integriert und würden es verdienen, in Österreich zu bleiben. Ferner würden die Kinder des Unterstützers mit den übrigen BF spielen.

* Eine Unterstützungserklärung der XXXX und der XXXX vom Gasthof XXXX , XXXX , vom 20.12.2017, wonach sie die BF2 als gut integriert kennengelernt hätten; sie habe das Sprachcafé besucht und deswegen gut Deutsch gelernt. Die Kinder seien ebenso sehr gut integriert und würden Kindergarten oder Volksschule besuchen.

* Einen Arztbrief der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie des Kardinal XXXX Krankenhauses in XXXX vom 13.09.2016, wonach bei der BF2 eine mittelgradige, depressive Episode F32.2 diagnostiziert worden sei und der Hausarzt um die Verordnung näher bezeichneter Dosen Sertralin und Mirtazapin ersucht werde; ferner werde eine psychotherapeutische Begleitung empfohlen. Zu ihrem psychischen Status wird darin unter anderem ausgeführt, die BF2 sei zum Untersuchungszeitpunkt von Suizidgedanken und -Handlungen distanziert und absprachefähig gewesen.

* Eine Bestätigung der XXXX -Volksschule XXXX vom 21.12.2016, wonach der BF3 die zweite Klasse der Volksschule besuche; zuvor habe er ein Vorschuljahr absolviert, um die Sprache zu erlernen. Er sei sehr gut integriert und beherrsche die deutsche Sprache ebenso sehr gut. Seine gute Integration in der Klasse zeige sich darin, dass er bei Gruppen- und Partnerarbeiten sehr gerne ins Team geholt werde.

* Eine Bestätigung der Volksschule XXXX vom 29.02.2016, wonach der BF3 seit dem Schuljahr 2014/15 diese Schule besuche; im ersten Jahr habe er die Vorschulstufe besucht, danach die erste Klasse der Volksschule. Er habe die deutsche Sprache gut erlernt und besitze bereits einen großen Wortschatz. In die Klassengemeinschaft sei er sehr gut integriert, bemühe sich gegenüber der Lehrerin und gehe gerne zur Schule.

* Eine Schulbesuchsbestätigung der Volksschule XXXX vom 26.02.2016, wonach der BF3 im Schuljahr 2014/15 die Klasse 1a besucht habe.

* Eine Bestätigung des Gemeindekindergartens XXXX vom 15.09.2015, wonach die BF4 diese Einrichtung vom 05.02.2014 bis Juli 2015 regelmäßig besucht habe; ferner werde bestätigt, dass der BF5 ab 15.09.2015 diese Einrichtung ebenso besuche.

* Ein Befundbericht des Dr. XXXX , Facharzt für Hals, Nasen und Ohren, vom 07.07.2014, welcher beim BF5 eine Ohrmuscheldysplasie und GG-Atresie links diagnostiziert habe. Mit der empfohlenen Ohrmuschelrekonstruktion sei wegen des noch jungen Alters des Patienten zuzuwarten; eine Kontrolle in einem Jahr sei angezeigt.

* Ein Befundbericht des Dr. XXXX , Facharzt für Hals, Nasen und Ohren, der am 10.12.2015 Tonsillenhyperplasie, Ohrmuscheldysplasie mit GG-Atresie links und Vorhautsynechie diagnostiziert und den BF5 als Therapie zur Adenotomie, Tonsillotomie und Zirkomcision überwies.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang und den Personen der BF:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz, der Einvernahmen des BF1 und der BF2 durch das Bundesamt und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.12.2016, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie die Verfahrensakten zu den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführer tragen die im Spruch angeführten Namen, sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, bekennen sich zum muslimischen Glauben und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an.

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet, die übrigen BF sind deren Kinder. Ansonsten haben die BF keine Verwandten im Bundesgebiet.

Der Ablauf des Verfahrensganges wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

Seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die ersten Anträge auf internationalen Schutz der BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2016 ergab sich weder eine wesentliche Änderung der die BF betreffenden asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch wesentliche Änderungen in sonstigen in den Personen der BF gelegenen Umständen.

In den hier maßgeblichen Folgeanträgen auf internationalen Schutz bringen die BF zur Bedrohung des BF1 im Herkunftsstaat keinen neuen Fluchtgrund vor, sondern stützen ihre Anträge insoweit letztlich auf dieselben Fluchtgründe, die sie bereits im Zuge des Verfahrens zur Erledigung ihrer ersten Anträge auf internationalen Schutz ins Treffen führten.

Das Vorbringen der BF2, sie wäre im Herkunftsstaat gefährdet, weil sie nunmehr einen Hijab trage, war bereits Gegenstand des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.07.2016 abgeschlossenen ersten Asylverfahrens.

Festgestellt wird, dass bei der BF2 am 13.09.2016 eine mittelgradig depressive Episode diagnostiziert wurde, welche medikamentös zu behandeln ist und für welche sich eine psychotherapeutische Begleitung anbietet. Das Bundesverwaltungsgericht stellt ferner fest, dass die BF2 von Suizidgedanken und -handlungen distanziert ist.

Der BF5 leidet schon wenigstens seit dem 07.07.2014 an einer Ohrmuscheldysplasie und GG-Atresie links, die künftig einer Operation zur Herstellung der Hörfähigkeit auf diesem Ohr bedürfen wird.

Der BF5 leidet schon wenigstens seit dem 10.12.2015 auch unter Tonsillenhyperplasie und Vorhautsynechie.

Die übrigen BF sind gesund.

Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die BF hielten sich seit Dezember 2012 auf Grund ihrer Anträge auf internationalen Schutz und der damit verbundenen vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz bis zur Rechtskraft ihrer Erledigung mit Erkenntnis vom 18.07.2016 rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Seit der Stellung der hier maßgeblichen Folgeanträge am 25.08.2016 halten sich die BF wieder auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die BF sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Es wurden gegen sie auch keine verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisse erlassen.

Der BF1 geht in Österreich ausschließlich einer nicht erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Die BF2 arbeitet ehrenamtlich für die Wohnsitzgemeinde der Familie. Sämtliche BF beziehen Leistungen der Grundversorgung. Für den BF1 liegt eine Zusage seiner Einstellung als Hausmeister mit einem Beschäftigungsausmaß von 50% der Normalarbeitszeit, für die BF2 eine Zusage ihrer geringfügigen Anstellung als Zimmermädchen vor, sollten sie in Österreich verbleiben dürfen. Die BF sind nicht selbsterhaltungsfähig.

BF1 wie BF2 unterhalten freundschaftliche Beziehungen zu in Österreich dauerhaft zum Aufenthalt berechtigten Personen.

Die BF gehören keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen in Österreich an; der BF hat in Österreich Fußball gespielt, aber damit aufgehört.

BF1 wie BF2 haben einen Deutschkurs Niveau A1/1 besucht; die BF2 kann sich gut auf Deutsch ausdrücken und hat am 10.07.2014 die Prüfung für das Sprachzertifikat "Deutsch – A1" bestanden. Der BF1 ist zum Einzelunterricht auf dem Niveau A2 angemeldet.

Der BF3 besucht die Volksschule in Österreich, ist dort sehr gut integriert, unterhält freundschaftliche Beziehungen in Österreich und spricht sehr gut Deutsch.

Die BF4 wie der BF5 besuchen den Kindergarten in Österreich. Sie sprechen gut Deutsch und unterhalten freundschaftliche Beziehungen in Österreich.

Die BF6 wurde im Bundesgebiet geboren und wird zu Hause betreut.

Die übrigen BF verließen den Herkunftsstaat am 23.12.2012.

In Tschetschenien, wo die BF bis zu ihrer Ausreise wohnhaft waren, leben nach wie vor die Tante, Großmutter und Mutter des BF1. Bis zu ihrer Ausreise lebten die BF in der Heimat mit Tante und Großmutter an einem Wohnsitz, wo diese nach wie vor wohnen; zu Tante und Großmutter steht der BF1 alle ein bis zwei Monate per Skype in Kontakt. Ferner leben in Grosny nach wie vor die Eltern und Geschwister der BF2; die BF2 hält zu ihren Angehörigen einen fast täglichen Kontakt aufrecht.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, trifft das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.06.2016 folgende Ausführungen, welche das Bundesverwaltungsgericht als maßgebliche örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat feststellt:

"Ländervorhalt Russische Föderation, insbesondere Tschetschenien, Stand Juni 2016

Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 22.3.2016, vgl. GIZ 3.2016c). Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12.6.1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12.12.1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7.5.2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4.3.2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Mit 238 von 450 Sitzen verfügt die Partei 'Einiges Russland' über eine absolute Mehrheit in der Staatsduma. Bei der Wahl am 4. Dezember 2011 wurde die Staatsduma erstmals für eine verlängerte Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Alle Abgeordneten wurden ausnahmslos über Parteilisten nach dem Verhältniswahlrecht mit einer Sieben-Prozent-Hürde gewählt. Neben 'Einiges Russland' sind aktuell die Kommunisten mit 92 Sitzen, die formal linksorientierte Partei 'Gerechtes Russland' mit 64 Sitzen und die 'Liberaldemokraten' des Rechtspopulisten Schirinowski mit 56 Sitzen in der Staatsduma vertreten. Wahlfälschungsvorwürfe bei diesen Duma-Wahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012. Ab der nächsten Wahl soll die Hälfte der Abgeordneten mittels relativer Mehrheitswahl in Einpersonen-Wahlkreisen (also in Wahlkreisen, in denen jeweils ein Kandidat/eine Kandidatin gewählt wird) bestimmt werden. Es soll wieder die Fünf-Prozent-Hürde gelten. Die nächste Duma-Wahl soll am 18. September 2016 stattfinden (AA 3 .2016a, vgl. GIZ 4.2016a).

Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum. In zahlreichen russischen Regionen fanden am 13. September 2015 Gouverneurs- und Kommunalwahlen statt. In der Praxis kam es dabei wie schon im Vorjahr zur Bevorzugung regierungsnaher und Behinderung oppositioneller Kandidaten (AA 3 .2016a).

Angesichts einer zunehmenden internationalen Isolierung des Landes und wachsender wirtschaftlicher Probleme war die russische Regierung 2015 bemüht, die Bevölkerung auf Begriffe wie Einheit und Patriotismus einzuschwören, "traditionelle Werte" zu betonen und Angst vor angeblichen inneren und äußeren Feinden des Landes zu schüren. Meinungsumfragen zufolge traf Präsident Wladimir Putin mit seiner Art, das Land zu führen, unverändert auf breite Zustimmung. Regierungskritiker wurden in den Massenmedien als "unpatriotisch" und "anti-russisch" verunglimpft und gelegentlich auch tätlich angegriffen. Am 27.2.2015 wurde Boris Nemzow, einer der bekanntesten Oppositionspolitiker des Landes, in Sichtweite des Kremls erschossen. Trauernde Menschen, die am Tatort an ihn erinnern wollten, wurden von den Moskauer Behörden und Regierungsanhängern schikaniert. Die Regierung stritt die immer zahlreicheren Beweise für eine militärische Beteiligung Russlands in der Ukraine weiterhin ab. Im Mai 2015 erklärte Präsident Putin per Erlass alle Verluste der russischen Armee bei "Spezialeinsätzen" in Friedenszeiten zum Staatsgeheimnis. Bis November 2015 hatten sich amtlichen Schätzungen zufolge 2700 russische Staatsbürger, die zum Großteil aus dem Nordkaukasus stammten, in Syrien und im Irak der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS) angeschlossen. Unabhängige Experten nannten höhere Zahlen. Am 30.9.2015 begann Russland mit Luftangriffen in Syrien, die nach offiziellen Angaben den IS treffen sollten, sich häufig aber auch gegen andere Gruppen richteten, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ablehnten. Meldungen über zahlreiche zivile Opfer der Luftangriffe wurden von der russischen Regierung bestritten. Am 24.11.2015 schoss die Türkei ein russisches Kampfflugzeug ab, das in den türkischen Luftraum eingedrungen sein soll. Der Vorfall löste gegenseitige Schuldzuweisungen aus und führte zu einer diplomatischen Eiszeit zwischen den beiden Ländern (AI 24.2.2016).

Quellen:

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Betreffend Fläche und Einwohnerzahl – 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) – ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsan Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus Moskau (BAMF 10.2013, vgl. RFE/RL 19.1.2015).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrov als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres System geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und größtenteils außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert. Insbesondere die tschetschenischen Sicherheitskräfte, die offiziell zwar dem russischen Innenministerium unterstellt sind, de facto jedoch von Kadyrov kontrolliert werden, agieren ohne föderale Aufsicht. So blockieren tschetschenische Sicherheitskräfte seit Monaten die Untersuchungen der föderalen Behörden im Fall des im Februar 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzov, dessen Drahtzieher in Tschetschenien vermutet werden. Im April 2015 – nachdem Polizisten aus der benachbarten Region Stawropol eine Operation in Grozny durchgeführt hatten – forderte Kadyrov seine Sicherheitsorgane auf, auf Polizisten anderer Regionen zu schießen, sollten diese ohne Genehmigung in Tschetschenien operieren. Gegen Extremisten, aber auch gegen politische Gegner, wird hart vorgegangen. Auch die Familien von Terrorverdächtigen werden häufig Repressionen ausgesetzt. Im Gegensatz zu Dagestan und Inguschetien wurden keine "soft power"-Ansätze wie die Gründung von Kommissionen zur Rehabilitierung ehemaliger Extremisten verfolgt. Das tschetschenische Parlament hat Anfang 2015 der Staatsduma vorgeschlagen, ein föderales Gesetz anzunehmen, das eine strafrechtliche Verantwortung für Angehörige von Terroristen vorsieht, wenn sie diese in ihren Aktivitäten unterstützten. Dass die von Kadyrov herbeigeführte Stabilität trügerisch ist, belegte der Terrorangriff auf Grosny im Dezember 2014, bei dem fast ein Dutzend Personen ums Leben kam (ÖB Moskau 10.2015). In Tschetschenien hat das Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NGOs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung (AA 5.1.2016).

Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zur russischen Präsidentschaft im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, vgl. Ria Novosti 5.12.2012, ICG 6.9.2013).

Quellen:

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 1.6.2016b).

Russland hat den IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind – wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das »Kaukasus-Emirat«, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz‘, eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen‘ Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat – also Teufelsstaat – übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen. Aus dem Pankisi-Tal in Georgien, das mehrheitlich von einer tschetschenischen Volksgruppe bewohnt wird, stammen einige Teilnehmer an den Kämpfen in Syrien – so Umar al-Shishani (eigentl. Tarkhan Batiraschwili), der dort prominenteste Milizen-Führer aus dem Kaukasus (SWP 10.2015).

Seit Ende 2014 mehren sich Meldungen über Risse im bewaffneten Untergrund und Streitigkeiten in der damaligen Führung des Emirats, die vor allem mit der Beteiligung nordkaukasischer Kämpfer am Jihad des IS in Syrien zu tun haben. Eine wachsende Zahl von Feldkommandeuren (Emiren) aus Dagestan, Tschetschenien und anderen Teilen des Nordkaukasus haben IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi den Treueid geschworen (SWP 4.2015). Nach Dokku Umarows Tod 2013 wurde Aliaschab Kebekow [aka Ali Abu Muhammad] zum Anführer des Kaukasus Emirates. Dieser ist im Nordkaukasus bei einem Einsatz russischer Spezialkräfte im Frühling 2015 getötet worden (Zeit Online 20.4.2015). Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) wurde zum Nachfolger (Open Democracy 29.6.2015). Im August 2015 erlitt der Rest des noch bestehenden Kaukasus Emirat einen erneuten harten Rückschlag. Drei der Top-Kommandanten wurden im Untsukul Distrikt in Dagestan von Regierungskräften getötet, darunter der neue Anführer des Emirates Abu Usman Gimrinsky (Magomed Suleimanov) (Jamestown 14.8.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens‘, bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Der russische Generalstaatsanwalt erklärte im November 2015, dass 650 Strafverfahren aufgrund der Beteiligung in einer illegalen bewaffneten Gruppierung im Ausland eröffnet wurden. Laut Chef des FSB (Inlandsgeheimdienst) sind davon 1.000 Personen betroffen. Zusätzlich wurden 770 Aufständische und ihre Komplizen inhaftiert und 156 Kämpfer wurden im Nordkaukasus 2015 getötet, einschließlich 20 von 26 Anführern, die dem IS die Treue geschworen hatten. Mehr als 150 Rückkehrer aus Syrien und dem Irak wurden zu Haftstrafen verurteilt. 270 Fälle wurden eröffnet, um vermeintliche Terrorfinanzierung zu untersuchen; 40 Rekrutierer sollen allein in Dagestan verhaftet und verurteilt worden sein. Vermeintliche Rekrutierer wurden verhaftet, da sie Berichten zufolge junge Personen aus angesehenen Familien in Tschetschenien, aber auch aus Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, der Stavropol Region und der Krasnodar Region für den IS gewinnen wollten (ICG 14.3.2016).

Quellen:

Nordkaukasus allgemein

Die patriotische Begeisterung, mit der in Russland die Annexion der Krim einherging, rückte die Sicherheitslage im Nordkaukasus in ein trügerisch positives Licht. Dieser Landesteil ragt in der nachsowjetischen Periode aus dem regionalen Gefüge der Russischen Föderation wie kein anderer hervor, bedingt durch die zwei Kriege in Tschetschenien, anhaltende Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und einem bewaffneten islamistischen Untergrund in weiteren Teilen der Region sowie mannigfache sozial-ökonomische Probleme. Bis vor kurzem rangierte der Nordkaukasus in der Gewaltbilanz des gesamten post-sowjetischen Raumes an oberster Stelle, fielen den bewaffneten Auseinandersetzungen doch jährlich mehrere Hundert Menschen zum Opfer – Zivilisten, Sicherheitskräfte und Untergrundkämpfer. 2014 wurde der Nordkaukasus in dieser Hinsicht von der Ostukraine überholt. Zugleich stufen auswärtige Analysen die Sicherheitslage im Nordkaukasus aber weiterhin mit ‚permanent low level insurgency‘ ein. Im Unterschied zum Südkaukasus mit seinen drei unabhängigen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) haben externe Akteure und internationale Organisationen kaum Zugang zum Nordkaukasus, dessen Entwicklung als innere Angelegenheit Russlands gilt (SWP 4.2015).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Während sich die Situation im westlichen Nordkaukasus in den letzten Jahren stabilisiert hat, gibt es immer wieder Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Inguschetien kommt es regelmäßig zu gewaltsamen Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Anschlagsziele der Aufständischen sind vor allem Vertreter der Sicherheitskräfte und anderer staatlicher Einrichtungen sowie den Extremisten nicht genehme muslimische Geistliche. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin mit Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter, wobei manche Repressalien - etwa gegen Angehörige angeblicher Islamisten, wie z.B. die Zerstörung ihrer Wohnhäuser - zu einer Radikalisierung der Bevölkerung beitragen und damit die Sicherheitslage weiter eskalieren lassen könnten.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass im Nordkaukasus Recht und Gesetz auf beiden Seiten missachtet werden und für Täter aus den Reihen der Sicherheitskräfte ein Klima der Straflosigkeit herrsche (AA 5.1.2016).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt. Insbesondere in Dagestan, wo es immer wieder zu blutigen Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften kommt, ist die Lage weiterhin kritisch. In Tschetschenien hat Ramzan Kadyrov die Rebellen mit Gewalt und Amnestieangeboten dezimiert bzw. zum Ausweichen auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan gezwungen. Anschläge auf den Expresszug nach St. Petersburg im November 2009, die Moskauer Metro im April 2010, den Moskauer Flughafen Domodedovo im Jänner 2011 (mit zwei österr. Staatsbürgern unter den Opfern) sowie im Oktober und Dezember 2013 in Wolgograd zeigten, dass die Gefahr des Terrorismus auch Zentralrussland betrifft (ÖB Moskau 10.2015).

Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar, sowie die Extremisten im Nordkaukasus, die ihre Loyalität gegenüber dem IS bekundet haben. Der Generalsekretär des russischen Nationalen Sicherheitsrats Nikolai Patrushev sprach von rund 1.000 russischen Staatsangehörigen, die an der Seite des IS kämpfen würden, der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB Alexander Bortnikov hingegen sprach von mehreren Tausend Kämpfern). Laut einem rezenten Bericht der regierungskritischen Zeitschrift "Novaya Gazeta" nehmen die russischen Sicherheitsdienste diese Abwanderung nicht nur stillschweigend zur Kenntnis, sondern unterstützen sie teilweise auch aktiv, in der Hoffnung, die Chance auf eine Rückkehr der Extremisten aus den Kampfgebieten in Syrien und dem Irak zu reduzieren. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresbeginn 2015 liefen rund 60 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf Art. 58 StGB (Teilnahme an einer terroristischen Handlung), Art. 205.3 StGB (Absolvierung einer Terror-Ausbildung) und Art. 208 StGB (Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme in ihr). Im nordkaukasischen Kreismilitärgericht wurde Ende August 2015 ein 26-jähriger Mann aus Dagestan wegen Absolvierung einer Terror-Ausbildung, Teilnahme an einer illegalen bewaffneten Gruppierung und illegalen Waffenbesitzes zu 14 Jahren Straflager verurteilt. Der Nordkaukasus ist und bleibt trotz anhaltender politischer wie wirtschaftlicher Stabilisierungsversuche ein potentieller Unruheherd innerhalb der Russischen Föderation. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Extremisten, teils ohne Rücksicht auf Verluste innerhalb der Zivilbevölkerung, trägt zur Bildung neuer Konflikte und Radikalisierung der Bevölkerung bei. Das Risiko einer Destabilisierung steigt darüber hinaus aufgrund der allfälligen Rückkehr von Kämpfern aus Syrien und dem Irak bzw. aufgrund des steigenden Einflusses des IS im Nordkaukasus selbst (ÖB Moskau 10.2015).

Im Jahr 2015 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 258 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 525 Opfer). 209 davon wurden getötet (2014: 341), 49 verwundet (2014: 184) (Caucasian Knot 8.2.2016). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

Tschetschenien

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat – etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, vor allem jedoch an der derzeit prominentesten und brutalsten Jihad-Front in Syrien und im Irak (SWP 4.2015).

2015 gab es in Tschetschenien 30 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2014: 117), davon 14 Tote und 16 Verwundete (Caucasian Knot 8.2.2016).

Im Dezember 2014 ist Tschetschenien von den schwersten Gefechten zwischen islamistischen Kämpfern und Sicherheitskräften seit Jahren erschüttert. Dabei wurden am Donnerstag, den 4.12.2014, in der Hauptstadt Grosny mindestens 10 Angreifer und 10 Beamte getötet sowie 20 weitere Personen verletzt (NZZ 4.12.2014).

Quellen:

Rechtsschutz/Justizwesen

Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (rund 1 %) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Seit Ausbruch der Ukraine-Krise und der daraus resultierenden Konfrontation mit dem Westen laufen in Russland mehrere politisch motivierte Prozesse gegen ausländische Staatsangehörige (z.B. die ukrainische Pilotin Nadja Savchenko), die in einigen Fällen (z.B. ukrainischer Regisseur Oleg Sentsov oder estnischer Sicherheitsbeamter Eston Kohver) bereits zu Verurteilungen geführt haben und an der Unabhängigkeit der russischen Justiz von der Politik zweifeln lassen. Gleichzeitig ist ein Anstieg der Anklagen wegen Hochverrats gegen russische Staatsangehörige zu beobachten. Diese Prozesse finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und nur wenige Informationen geraten in die Medien (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AA 5.1.2016).

Mehrere aufsehenerregende Prozesse machten 2015 die gravierenden und weit verbreiteten Mängel der russischen Strafjustiz deutlich. Dazu zählten Verstöße gegen den Grundsatz der "Waffengleichheit" und der Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen in der Ermittlungsphase. Außerdem wurden unter Folter erpresste "Geständnisse", Aussagen geheimer Zeugen und andere geheime Beweise, die die Verteidigung nicht anfechten konnte, vor Gericht zugelassen und Angeklagten das Recht auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl verweigert. Weniger als 0,5% der Verfahren endeten mit einem Freispruch (AI 24.2.2016).

Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vgl. US DOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis unterscheidet nicht nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität. Die Strafen in der Russischen Föderation sind generell erheblich höher als für vergleichbare Delikte in Deutschland, besonders im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Im März 2011 wurde aber bei 68 eher geringfügigen Delikten Freiheitsentzug als höchste Strafandrohung durch Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeiten ersetzt. Auch wurde das Strafprozessrecht seit April 2010 dahingehend geändert, dass Angeklagte für Wirtschaftsdelikte bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden sollen. In der Praxis werden die neuen Regeln jedoch bisher nur begrenzt angewendet. Bemerkenswert ist die unverändert extrem hohe Verurteilungsquote im Strafprozess. Für zu lebenslange Haft Verurteilte bzw. bei entsprechend umgewandelter Todesstrafe besteht bei guter Führung die Möglichkeit einer Freilassung frühestens nach 25 Jahren. Auch eine Begnadigung durch den Präsidenten ist möglich. Immer wieder legen einzelne Strafprozesse in Russland den Schluss nahe, dass politische Gründe hinter der Verfolgung stehen. Trotz der Entlassung von Michail Chodorkowski und den Mitgliedern der Punk-Aktionsgruppe Pussy Riot aus der Haft – bezeichnenderweise nicht durch die Justiz selbst, sondern durch Amnestie bzw. Begnadigung – bleiben deren Haftstrafen Beispiele für politisch motivierte Urteile. Auch unabhängig von politisch oder ökonomisch motivierten Strafprozessen begünstigt ein Wetteifern zwischen Strafverfolgungsbehörden um hohe Verurteilungsquoten die Anwendung illegaler Methoden zum Erhalt von "Geständnissen". Auffällig bleibt die geringe Zahl aufgeklärter Straftaten gegen Journalisten oder Kritiker bzw. der sehr schleppende Verlauf von Ermittlungen in solchen Fällen. Auch die Morde an Oppositionspolitiker Boris Nemzow (27.02.2015) und Journalistin Politkowskaja können als Beispiel dafür dienen, dass sich Ausführende gegebenenfalls vor Gericht verantworten müssen, die eigentlichen Drahtzieher der Verbrechen häufig jedoch nicht ermittelt werden. Insgesamt sind die Unabhängigkeit von Ermittlungen und Rechtsprechung sowie die Gewaltenteilung in Russland nicht gewährleistet. Weiterhin mangelhaft ist der Vollzug von Gerichtsurteilen. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden in Russland in der Sache häufig nicht vollständig umgesetzt, sondern nur in Bezug auf verhängte Entschädigungszahlungen (AA 5.1.2016).

Quellen:

Tschetschenien

Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation einschließlich Tschetscheniens. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Präsident Ramsan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islam und der tschetschenischen Tradition. Das Adat ist eine Art Gewohnheitsrecht, das soziale Normen und Regeln festschreibt. Dem Adat-Recht kommt in Zusammenhang mit der tschetschenischen Lebensweise eine maßgebliche Rolle zu. Allgemein gilt, dass das Adat für alle Tschetschenen gilt, unabhängig von ihrer Clanzugehörigkeit. Das Adat deckt nahezu alle gesellschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien ab und regelt die Beziehungen zwischen den Menschen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden diese Alltagsregeln von einer Generation an die nächste weitergegeben. Adat ist in Tschetschenien in Ermangelung einer Zentralregierung bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung erstarkt. Die Religion fasste in Tschetschenien aus den verschiedensten Gründen nicht Fuß. Daher dient das Adat als Rahmen für die gesellschaftlichen Beziehungen. In der tschetschenischen Gesellschaft ist jedoch auch die Scharia von Bedeutung. Die meisten Tschetschenen sind sunnitische Muslime und gehören der sufistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islams an [für Informationen bezüglich Sufismus vgl.: ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam]. Der Sufismus enthält u. a. auch Elemente der Mystik. Eine sehr kleine Minderheit der Tschetschenen sind Salafisten. Formal gesehen hat das russische föderale Recht Vorrang vor Adat und Scharia, doch sind sowohl das Adat als auch die Scharia in Tschetschenien genauso wichtig wie die russischen Rechtsvorschriften. Iwona Kaliszewska, Assistenzprofessorin am Institut für Ethnologie und Anthropologie der Universität Warschau, führt an, dass sich die Republik Tschetschenien in Wirklichkeit außerhalb der Gerichtsbarkeit des russischen Rechtssystems bewegt, auch wenn sie theoretisch darunter fällt. Dies legt den Schluss nahe, dass sowohl Scharia als auch Adat zur Anwendung kommen und es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Frage gibt, welches der beiden Rechte einen stärkeren Einfluss auf die Gesellschaft ausübt (EASO 9.2014a). Scharia-Gerichtsbarkeit bildet am Südrand der Russischen Föderation eine Art ‚alternativer Justiz‘. Sie steht zwar in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands, wird aber, mit Einverständnis der involvierten Parteien, für Rechtsprechung auf lokaler Ebene eingesetzt (SWP 4.2015).

Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen ist weiterhin verbreitet, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum (CoE 12.11.2013). Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 5.1.2016).

Menschenrechtsorganisationen berichten glaubwürdig über Strafprozesse auf der Grundlage fingierten Materials gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus, insbesondere Tschetschenen, die aufgrund von z.T. unter Folter erlangten Geständnissen oder gefälschten Beweisen zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien (AA 5.1.2016).

Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen – sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebellen oder sei es durch Waffen – in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können, ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug (BAA/Staatendokumentation 20.4.2011).

In Bezug auf Vorladungen von der Polizei in Tschetschenien ist zu sagen, dass solche nicht an Personen verschickt werden, die man verdächtigt, Kontakt mit dem islamistischen Widerstand zu haben. Solche Verdächtige würden ohne Vorwarnung von der Polizei mitgenommen, ansonsten wären sie gewarnt und hätten Zeit zu verschwinden (DIS 1.2015).

Quellen:

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und der Terrorismusbekämpfung betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt. Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus. Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen, um die meisten Behördenvertreter, welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. Die Regierung untersucht und verfolgt Missbräuche nicht adäquat, besonders wenn regionale Behörden involviert waren. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Ramzan Kadyrow können mit Straffreiheit rechnen, sogar bei Drohungen gegen russische Sicherheitsbehörden, die versuchen in Tschetschenien tätig zu werden (US DOS 13.4.2016).

Russland wird die bisherigen Truppen des Innenministeriums in eine Nationalgarde umwandeln. Neben den 170.000 Soldaten der Innentruppen sollen auch 40.000 Mann der Sonderpolizeitruppe Omon und andere Spezialkräfte in die Nationalgarde eingegliedert werden. Die Garde solle im Kampf gegen Terror, Drogen und organisiertes Verbrechen eingesetzt werden. Putin stärkte das Innenministerium auch, indem er ihm die bisher eigenständigen Behörden für Drogenbekämpfung und Migration wieder unterstellte. Damit sollten doppelte Zuständigkeiten vermieden werden, sagte ein Vertreter des Sicherheitsapparates der Agentur Interfax. Der Föderale Migrationsdienst ist unter anderem für Passangelegenheiten, Flüchtlinge und Arbeitsmigration zuständig (Standard 6.4.2016). Leiter der künftigen Elitetruppe im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität wird sein Ex-Leibwächter Wiktor Solotow sein – der Mann also, der Putin jahrelang am nächsten stand. Interessant ist, dass Solotow zugleich als das Bindeglied im Kreml zu Tschetschenenoberhaupt Ramsan Kadyrow gilt (Standard 7.4.2016).

Nach überzeugenden Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden insbesondere sozial Schwache und Obdachlose, Betrunkene, Ausländer und Personen "fremdländischen" Aussehens Opfer von Misshandlungen durch die Polizei und Untersuchungsbehörden. Nur ein geringer Teil der Täter wird disziplinarisch oder strafrechtlich verfolgt. Die im Februar 2011 in Kraft getretene Polizeireform hat bislang nicht zu spürbaren Verbesserungen in diesem Bereich geführt (AA 5.1.2016).

Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Von russischer Seite werden die meisten Operationen im Nordkaukasus gegen Terroristen heute nicht mehr vom Militär, sondern von Einheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes durchgeführt. Diese sind zwar nicht weniger schwer bewaffnet, nur soll so der Eindruck eines Krieges vermieden werden (Zenithonline 10.2.2014). Der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus wird Sicherheitskräften zugeschrieben. In Tschetschenien sind sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Letztere werden bezeichnender Weise oft Kadyrowzy genannt, nicht zuletzt, da in der Praxis fast alle tschetschenischen Sicherheitskräfte unter der Kontrolle Ramsan Kadyrows stehen dürften (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

Folter und unmenschliche Behandlung

Im Einklang mit der EMRK sind Folter sowie unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafen in Russland gesetzlich verboten. Dennoch werden immer wieder Vorwürfe über polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen laut. Verlässliche öffentliche Statistiken über das Ausmaß der Übergriffe durch Polizeibeamten gibt es nicht. Innerhalb des Innenministeriums gibt es eine Generalverwaltung der internen Sicherheit, die eine interne und externe Hotline für Beschwerden bzw. Vorwürfe gegen Polizeibeamte betreibt. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen in Strafverfahren häufig nur auf Geständnisse der Beschuldigten basieren, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren oder in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Polizei- und Justizvollzugbeamte werden laut russischen NGO-Vertretern oft nicht untersucht (ÖB Moskau 10.2015).

Der Folter verdächtigte Polizisten werden meist nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung. Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet. Das Gesetz verlangt von Verwandten von Terroristen, dass sie die Kosten, die durch einen Angriff entstehen übernehmen. Menschenrechtsverteidiger kritisieren dies als Kollektivbestrafung (USDOS 13.4.2016).

Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen (AI 24.2.2016).

Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

Quellen:

Korruption

Korruption ist sowohl im öffentlichen Leben als auch in der Geschäftswelt weit verbreitet. Aufgrund der zunehmend mangelhaften Übernahme von Verantwortung in der Regierung können Bürokraten mit Straffreiheit rechnen. In einigen Fällen scheint der Kreml Signale an die Beamten auszusenden, dass die Korruption aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Probleme eingeschränkt werden muss (FH 27.1.2016). Das Gesetz sieht Strafen für behördliche Korruption vor, diese bleibt dennoch ein weitreichendes Problem. Die Regierung bestätigte, dass das Gesetz nicht effektiv umgesetzt wird, und viele Beamte sind in korrupte Praktiken involviert. Korruption ist sowohl in der Exekutive, als auch in der Legislative und Judikative und auf allen hierarchischen Ebenen weit verbreitet. Zu den Formen der Korruption zählen die Bestechung von Beamten, missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln, Diebstahl von öffentlichem Eigentum, Schmiergeldzahlungen im Beschaffungswesen, Erpressung, und die missbräuchliche Verwendung der offiziellen Position, um an persönliche Begünstigungen zu kommen. Obwohl es strafrechtliche Verfolgungen von Bestechung gibt, ist der Vollzug im Allgemeinen weiterhin mangelhaft. Behördliche Korruption ist zudem auch in anderen Bereichen weiterhin verbreitet: im Bildungswesen, beim Militärdienst, im Gesundheitswesen, im Handel, beim Wohnungswesen, bei Pensionen und Sozialhilfe, im Gesetzesvollzug und im Justizwesen. Hochrangige Beamte wurden 2015 wegen Korruption angeklagt, darunter zwei Gouverneure von Sachalin und Komi. Medien spekulierten, dass dies eine neue Anti-Korruptionskampagne sein könnte, jedoch Korruptionsvorwürfe auch häufig wegen politischen Gründen vorgebracht werden und es nicht unbedingt darum geht, die Korruption vollständig zu beseitigen (USDOS 13.4.2016).

Eines der zentralen Themen der Modernisierungsagenda ist die Bekämpfung der Korruption und des Rechtsnihilismus. Im Zeichen des Rechtsstaats durchgeführte Reformen, wie die Einsetzung eines Richterrats, um die Selbstverwaltung der Richter zu fördern, die Verabschiedung neuer Prozessordnungen und die deutliche Erhöhung der Gehälter hatten jedoch wenig Wirkung auf die Abhängigkeit der Justiz von Weisungen der Exekutive und die dort herrschende Korruption. Im Februar 2012 erfolgte der Beitritt Russlands zur OECD-Konvention zur Korruptionsbekämpfung (GIZ 4.2016a). Seit seinem Amtsantritt verspricht Wladimir Putin immer wieder aufs Neue konsequente Korruptionsbekämpfung, Jahr für Jahr werden neue Bekämpfungskonzepte vorgelegt, während sich die Eliten ungestört und vor aller Augen bereichern – Korruption gehört eben zum Leben dazu. Ein Drittel der Russen hält sie laut einer Umfrage des Lewada-Instituts generell für unausrottbar (Zeit Online 18.1.2016).

Korruption ist auch im Nordkaukasus ein alltägliches Problem (IAR 31.3.2014, AI 9.2013). Die auf Clans basierte Korruption hält die regionalen Regierungen zusammen und die Zuschüsse haben den Zweck, die Loyalität der lokalen Elite zu erkaufen. Putins System der zentralisierten Kontrolle bevorzugt Loyalität und lässt Bestechung und Gesetzlosigkeit gedeihen (IAR 31.3.2014).

Die Korruption ist in Tschetschenien sogar noch größer als in Russland. Vor allem geht in Tschetschenien die Korruption auch in einer ganz offenen Weise von statten. Während man in Russland noch versucht, dies zu verheimlichen, macht man es in Tschetschenien ganz offen (Gannuschkina 3.12.2014). In Tschetschenien hat die Korruption enorme Ausmaße angenommen (DIS 1.2015). Große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015)

Quellen:

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art. 15 Abs. 4 der russischen Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems." Russland ist an folgende VN-Übereinkommen gebunden:

Rassendiskriminierung (1969)

Zusatzprotokoll (1991)

Zusatzprotokoll (2004)

Behandlung oder Strafe (1987)

Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) waren, so der Jahresbericht 2014, 14,3% der anhängigen Fälle (10.000 Einzelfälle) Russland zuzurechnen. 2014 hat der EGMR 129 Urteile in Klagen gegen Russland gesprochen. Damit führt Russland die Liste der gesprochenen Urteile an (gefolgt von 101 Urteilen 2014 gegen die Türkei). Ein großer Teil der EGMR-Entscheidungen fällt dabei zugunsten der Kläger aus und konstatiert mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung der Entscheidungen erfolgt vielfach nur mangelhaft: Zwar erbringt Russland in der Regel die Kompensationszahlungen an die Kläger bzw. Opfer; in der Sache selbst wird aber wenig unternommen. Ein russischer Gesetzentwurf, der die Urteile des EGMR unter einen Prüfvorbehalt stellen würde, ist nach deutlicher Kritik aus dem Ausland im Sommer 2011 gestoppt worden. In einem Urteil des russischen Verfassungsgerichts hat sich dieses am 6. Dezember 2013 jedoch die Entscheidung vorbehalten, wie EGMR-Urteile bei einem Widerspruch zur eigenen Auslegung der Grundrechte umgesetzt werden können. Am 14.7.2015 hat das Verfassungsgericht zudem eine grundlegende Entscheidung zum Verhältnis der russischen Verfassung zur EMRK getroffen: Die Umsetzung von Urteilen des EGMR kann danach im Falle eines vermeintlichen Konflikts mit der russischen Verfassung einer weiteren Überprüfung durch das Verfassungsgericht unterzogen werden. Neu ist dabei, dass künftig auch Präsident und Regierung das Verfassungsgericht mit dem Ziel anrufen können, die Nichtanwendung eines EGMR-Urteils in Russland aufgrund des Vorrangs der russischen Verfassung festzustellen (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Am 14.01.2014 urteilte der EGMR zugunsten der Familien von 36 zwischen 2000 und 2006 verschwundenen Tschetschenen und sprach ihnen 1,9 Mio. Euro Entschädigung zu (AA 5.1.2016).

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit waren 2015 weiterhin stark beschnitten. Staatliche Stellen herrschten über Presse, Rundfunk und Fernsehen und weiteten die Kontrolle über das Internet aus. NGOs waren aufgrund des sogenannten Agentengesetzes nach wie vor Schikanen und Repressalien ausgesetzt. Ihre Möglichkeiten, finanzielle Mittel aus dem Ausland zu erhalten, wurden durch ein neues Gesetz zum Verbot "unerwünschter" Organisationen drastisch eingeschränkt. Eine steigende Anzahl von Bürgern wurde inhaftiert und angeklagt, weil man ihnen vorwarf, die offizielle Politik kritisiert oder Materialien besessen bzw. in der Öffentlichkeit verbreitet zu haben, die gemäß vage formulierter Sicherheitsgesetze als extremistisch eingestuft wurden oder aus anderen Gründen als rechtswidrig galten. Auf der Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahr 2014, das wiederholte Verstöße gegen das Gesetz über öffentliche Versammlungen als Straftat definiert, sahen sich 2015 vier Personen mit Strafverfolgungsmaßnahmen konfrontiert. In mehreren aufsehenerregenden Prozessen traten einmal mehr die gravierenden Mängel des Justizwesens zutage. Flüchtlinge mussten zahlreiche Hürden überwinden, um anerkannt zu werden (AI 24.2.2016).

Menschenrechtsverteidiger beklagen Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden vor allem die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, zunehmende Einschränkungen von Presse- und Versammlungsfreiheit, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der stetig schwindende Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 3 .2016a).

Russland garantiert in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich zwar immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten, es mangelt aber an der praktischen Umsetzung. Trotz vermehrter Reformbemühungen, insbesondere im Strafvollzugsbereich, hat sich die Menschenrechtssituation im Land noch nicht wirklich verbessert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg kann die im fünfstelligen Bereich liegenden ausständigen Verfahren gegen Russland kaum bewältigen; Russland sperrt sich gegen eine Verstärkung des Gerichtshofs. Menschenrechtler beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung sind autoritäre, die Grundrechte einschränkende Tendenzen zu beobachten (GIZ 4.2016a).

Der Freiraum für die russische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren schrittweise eingeschränkt worden. Sowohl im Bereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit als auch in der Pressefreiheit wurden restriktive Gesetze verabschiedet, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung einer freien und unabhängigen Zivilgesellschaft ausübten. Inländische wie ausländische NGOs werden zunehmend unter Druck gesetzt. Rechte von Minderheiten werden nach wie vor nicht in vollem Umfang garantiert. Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden durch administrative Hürden in ihrer Arbeit eingeschränkt und erleben in manchen Fällen sogar reale Bedrohungen für Leib und Leben. Im Zuge der illegalen Annexion der Krim im März 2014 und der Krise in der Ostukraine wurde die Gesellschaft v.a. durch staatliche Propaganda nicht nur gegen den Westen mobilisiert, sondern auch gegen die sog. "fünfte Kolonne" innerhalb Russlands. Der Menschenrechtsdialog der EU mit Russland findet derzeit aufgrund prozeduraler Unstimmigkeiten nicht statt (ÖB Moskau 10.2015).

Quellen:

Tschetschenien

NGOs beklagen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicherheitsorgane, wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Geiselnahmen, das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen und die Fälschung von Straftatbeständen. Entsprechende Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen zumeist Straflosigkeit. Besonders gefährdet sind Menschenrechtsaktivisten bzw. Journalisten. So geriet zum Beispiel die sog. "joint mobile defence group", die von der NGO "Komitee gegen Folter" koordiniert wird, in letzter Zeit vermehrt in die Zielscheibe von pro-Kadyrov-Anhängern. 2014 wurde das Büro der Gruppe in Grozny niedergebrannt und im Juni 2015 erneut von einer Gruppe maskierter Personen angegriffen. Der Leiter der NGO "Komitee gegen Folter" Igor Kalyapin wurde von Kadyrov der Zusammenarbeit mit amerikanischen Geheimdiensten und der Kollaboration mit Extremisten beschuldigt. Im Juli 2015 erklärte das Komitee nach Androhung der Eintragung in das Register der ausländischen Agenten durch das Justizministerium seine Auflösung; der Leiter des Komitees Kalyapin kündigte jedoch an, dass man die Arbeit in anderer Form fortsetzen werde (ÖB Moskau 10.2015, vgl. AI 25.2.2015).

Nach dem Angriff auf Grosny im Dezember 2014 verfügte Ramzan Kadyrow, dass die Häuser der Familien von Terroristen niedergebrannt werden und die Angehörigen des Landes verwiesen werden (Tagesspiegel 19.12.2014, vgl. HRW 28.1.2016).

2015 wurden aus dem Nordkaukasus weniger Angriffe bewaffneter Gruppen gemeldet als in den Vorjahren. Die Strafverfolgungsbehörden setzten bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen weiterhin vor allem auf Operationen der Sicherheitskräfte. Es bestand nach wie vor der Verdacht, dass diese mit rechtswidrigen Inhaftierungen, Folter und anderen Misshandlungen von Häftlingen sowie Verschwindenlassen einhergingen. Es gab deutlich weniger Informationen über die Menschenrechtslage in dem Gebiet, weil die Behörden mit aller Härte gegen Menschenrechtsverteidiger und unabhängige Journalisten vorgingen. Die Betreffenden wurden ständig schikaniert, bedroht und tätlich angegriffen, zum Teil von Ordnungskräften und regierungstreuen Gruppen. In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny wurde am 3. Juni 2015 das Gebäude, in dem die Menschenrechtsorganisation Joint Mobile Group ihren Sitz hat, von einer aggressiven Menschenmenge umstellt. Vermummte Männer drangen gewaltsam in die Büroräume ein, zerstörten das Mobiliar und zwangen die Mitarbeiter, das Gebäude zu verlassen. Bis zum Jahresende war noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden (AI 24.2.2016, vgl. HRW 27.1.2016).

Quellen:

Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen

Im August 2014 meldete der Inlandsgeheimdienst FSB Erfolge bei der Bekämpfung von Terrorismus im Nordkaukasus, was in Expertenkreisen jedoch auf Zweifel stieß. Die Rede war von 328 potentiellen Terroristen, die im ersten Halbjahr 2014 verhaftet wurden. Da die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus aber nach dem Prinzip kollektiver Bestrafung vorgehen, handelte es sich hierbei möglicherweise weniger um aktive Untergrundkämpfer als um Personen aus deren sozialem und verwandtschaftlichem Umfeld. Im Januar 2015 berichtete das russische Innenministerium, 2014 sind 259 Rebellen, darunter 36 Kommandeure, von Sicherheitskräften getötet und 421 Untergrundkämpfer verhaftet worden (SWP 4.2015).

Die Anzahl der Rebellen in Tschetschenien ist schwer zu konkretisieren, Schätzungen gehen von einem Dutzend bis ca. 120 Personen aus. Die Anzahl der tschetschenischen Rebellen ist sicherlich geringer, als jene z.B. in Dagestan, wo der islamistische Widerstand seinen Hotspot hat. Sie verstecken sich in den bergigen und bewaldeten Gebieten Tschetscheniens. Sie bewegen sich hauptsächlich zwischen Tschetschenien und Dagestan, weniger oft auch zwischen Tschetschenien und Inguschetien. Kidnappings werden von tschetschenischen Sicherheitskräften begangen. In Tschetschenien selbst ist also der Widerstand nicht sehr aktiv, sondern hauptsächlich in Dagestan und auch in Inguschetien. Die Kämpfer würden auch nie einen Fremden um Vorräte, Nahrung, Medizin oder Unterstützung im Allgemeinen bitten, sondern immer nur Personen fragen, denen sie auch wirklich vertrauen, so beispielsweise Verwandte, Freunde oder Bekannte (DIS 1.2015).

Im November 2013 wurden in Russland neue Gesetze verabschiedet, welche die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen vorsehen. Sie legalisieren Kollektivbestrafungen, welche bereits in mehreren Republiken des Nordkaukasus als Form des Kampfs gegen den Aufstand praktiziert werden. Die Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, welche durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Das Gesetz sieht vor, dass Familienangehörige und Verwandte von Terrorverdächtigen belegen müssen, dass ihre Vermögenswerte, Immobilien und weitere Besitztümer nicht durch "terroristische Aktivitäten" erworben wurden. Wenn nicht bewiesen werden kann, dass die Vermögenswerte legal erworben wurden, kann der Staat sie beschlagnahmen. Auch Personen, welche Terrorverdächtigen nahestehen, können mit dem Gesetz belangt werden. Nach Einschätzung von Experten wird das Gesetz weitgehend zur Diskriminierung der Angehörigen Terrorismusverdächtiger führen. Weiter kritisieren Experten, dass das Gesetz durch die unklare Verwendung der Begriffe "Verwandte" und "nahestehende Personen" sich gegen ganze Familienclans in den muslimischen Republiken des Nordkaukasus richten könne. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina werden Familienangehörige von Terrorverdächtigen oft beschuldigt, sie unterstützten auch illegale bewaffnete Gruppierungen auf verschiedenste Art und Weise. Insbesondere kritisiert die Menschenrechtsaktivistin, dass bereits der bloße Verdacht für eine Anschuldigung reiche und kein Beweis notwendig sei. Die Verfolgung von Verwandten und Freunden von Aufständischen ist seit 2008 im Nordkaukasus weit verbreitet und geht oft mit der Zerstörung des Besitzes und Hauses einher. Nach übereinstimmenden Angaben verschiedener Quellen kommt es zu Übergriffen und Kollektivstrafen durch Sicherheitskräfte, die gegen Familien von vermuteten Terroristen gerichtet sind (SFH 25.7.2014).

Kollektivstrafen wie das Niederbrennen von Häusern von Personen, die man verdächtigt, Kontakte zum terroristischen Widerstand zu haben, werden weitergeführt (Caucasian Knot 9.12.2014). Nach der Terrorattacke auf Grosny am 4.12.2014, hat Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow die Verwandten der Attentäter in Sippenhaft genommen. Kadyrow verlautbarte auf Instagram kurz nach der Tat, dass wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Mitarbeiter der Polizei oder einen anderen Menschen töte, die Familie des Kämpfers sofort ohne Rückkehrrecht aus Tschetschenien ausgewiesen werde. Ihr Haus werde zugleich bis auf das Fundament abgerissen. Tatsächlich beklagte einige Tage später der Leiter der tschetschenischen Filiale des "Komitees gegen Folter" Igor Kaljapin, dass den Angehörigen der mutmaßlichen Täter die Häuser niedergebrannt worden seien (Standard 14.12.2014).

Quellen:

Haftbedingungen

Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 90er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert, die Haftbedingungen entsprechen aber zum Teil noch immer nicht den allgemein anerkannten Mindeststandards. In dem Piloturteil-Verfahren des EGMR zum Fall Ananyev und andere v. Russland hat das Gericht festgestellt, dass die Bedingungen in den Untersuchungsgefängnissen (russ. SIZO) einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK entsprechen und das Problem systemischer Natur ist. 2012 legte Russland einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Probleme im Straffvollzug vor, der vom Ministerkomitee des EuR positiv aufgenommen wurde. Konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation, insbesondere in den Untersuchungsgefängnissen, werden jedoch nur schleppend umgesetzt. Allein im Jahr 2014 stellte der EGMR in fast 30 Urteilen gegen Russland fest, dass die Haftbedingungen noch immer gegen Art. 3 EMRK verstoßen. Die häufigsten Vorwürfe betrafen die schlechten hygienischen Zustände (unzureichende Sanitäreinrichtungen, kein ausreichendes Ventilationssystem, Unterbringung mit Häftlingen mit Infektionskrankheiten), akuter Platzmangel (zu viele Häftlinge in zu kleinen Zellen) und Mangel an medizinischer Betreuung. Die russische Regierung versucht u.a. durch regelmäßige Amnestien gegen den Platzmangel in den Gefängnissen und Haftkolonien anzukämpfen. Von der letzten Amnestie anlässlich des Tags des Sieges am 9. Mai 2015 profitierten bislang rund 127.000 Menschen. Im August 2015 waren laut offiziellen Daten 649.500 Personen in Haft (über 22.000 weniger als zu Beginn des Jahres). Damit nimmt Russland weltweit Platz 3 der größten Häftlingspopulationen ein (nach den USA und China). Dies entspricht einer Rate von 450 pro 100.000 Einwohner (Platz 11 weltweit) (ÖB Moskau 10.2015).

Die Situation im Strafvollzug ist unbefriedigend. Die Lage in russischen Gefängnissen wurde auch in mehreren Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als "unmenschlich und entwürdigend" verurteilt (Verletzung von Art. 3 EMRK). Die Regierung ist allerdings bestrebt, die Zahl der Gefängnisinsassen weiter zu verringern. So gibt es Ansätze, vermehrt alternative Sanktionen (wie beispielsweise im Bereich der Drogendelikte ein Gesetzentwurf zu freiwilliger Entziehungstherapie oder Arbeitseinsatz statt Freiheitsstrafe) zu verhängen, um die Anzahl der Strafgefangenen zu verringern. Die Lage in den Strafkolonien (in Russland Oberbegriff für Haftanstalten, in denen eine gerichtlich verhängte Freiheitsstrafe verbüßt wird) und die Bedingungen des Strafvollzugs bleiben sehr schwierig. Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich. Das Essen ist einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Besonders schlecht ist die Lage in den Untersuchungshaftanstalten. Im Vergleich zu den Strafkolonien berichten Insassen von deutlich schlechteren Haftbedingungen (z.B. Überbelegungen) und viel geringerem Schutz gegenüber ungerechten Behandlungen. Die Untersuchungshaft wird in Einzelfällen über Jahre verlängert. Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Untersuchungshäftlinge jedoch rückläufig. Die unter Präsident Medwedew erfolgte Liberalisierung des Strafrechts für Wirtschaftsvergehen (u.a. teilweise Abschaffung der Untersuchungshaft) wird in vielen Fällen von Gerichten und Strafvollzugsbehörden nicht umgesetzt und dient manchmal korrupten Ermittlern als Mittel zur Erpressung von Geldzahlungen durch Unternehmer. In den Strafkolonien schützt die Unterbringung in Gruppen den einzelnen Häftling effektiver vor schikanöser Behandlung durch das Gefängnispersonal. Laut Menschenrechtsorganisationen kann jedoch in allen Strafkolonien gegen Häftlinge, denen Verstöße gegen die Anstaltsregeln vorgeworfen werden, sogenannte Strafisolierhaft (Schiso) angeordnet werden. Häftlinge seien dort oft besonders üblen Haftbedingungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Nadeschda Tolokonnikowa von der Aktionsgruppe Pussy Riot beschrieb in einem offenen Brief zudem ein System der Zwangsarbeit, in dem auf die Häftlinge u.a. durch Mitgefangene psychischer und physischer Druck zur "Disziplinierung" ausgeübt werde (AA 5.1.2016).

Medien und NGOs berichten über Exekutivkräfte und Gefängnispersonal, die in Folter verwickelt sind. Missbrauch und exzessive Gewaltanwendung sind verbreitet und lassen darauf schließen, dass dies vor allem im Strafsystem regelmäßig vorkommt. Schlechte Ausbildung und eine Kultur der Straffreiheit tragen zu dieser Situation bei. Die russische NGO Committee Against Torture zeigt Folter durch Exekutivkräfte im Nordkaukasus auf und arbeitet daran, dass diese für ihre Vergehen bestraft werden (UK FCO 12.3.2015).

Quellen:

Todesstrafe

Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist noch nicht ratifiziert. Das russische Verfassungsgericht hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe am 19.11.2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist (ÖB Moskau 10.2015, vgl. GIZ 4.2016a).

Quellen:

Religionsfreiheit

Die Russische Föderation ist ein multinationaler und multikonfessioneller Staat. Art. 28 der Verfassung garantiert Gewissens- und Glaubensfreiheit. Orthodoxie, Islam, Buddhismus und Judentum haben dabei eine herausgehobene Stellung. Art. 14 der Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest (AA 5.1.2016, vgl. GIZ 3.2016c). Auch andere Religionsgemeinschaften können in Russland legal bestehen, müssen sich aber registrieren lassen. Seit Ende der Achtziger Jahre hat der Anteil der Gläubigen im Zuge einer "religiösen Renaissance" bedeutend zugenommen. Allerdings bezeichnen sich laut Meinungsumfragen rund 50% der Bevölkerung als ungläubig. Zwar gibt es in Russland einen hohen Grad der Wertschätzung der Kirche und von Religiosität, dies bedeutet aber nicht, dass die Menschen ihr Leben nach kirchlichen Vorschriften führen. Offizielle Statistiken zur Zahl der Gläubigen verschiedener Konfessionen gibt es nicht und die Zahlen in den meisten Quellen unterscheiden sich erheblich. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) ist heute die mit Abstand größte und einflussreichste Religionsgemeinschaft in Russland. Seit der Unabhängigkeit der Russischen Föderation ist sie zu einer äußerst gewichtigen gesellschaftlichen Einrichtung geworden. Die Verluste an Gläubigen und Einrichtungen, die sie in der Sowjetzeit erlitt, konnte sie zu einem großen Teil wieder ausgleichen. Die ROK hat ein besonderes Verhältnis zum russischen Staat, z.B. ist der Patriarch bei wichtigen staatlichen Anlässen stets anwesend. Die ROK versteht sich als multinationale Kirche, die über ein "kanonisches Territorium" verfügt. Es erstreckt sich über die GUS-Staaten mit der Ausnahme von Armenien, wo es eine eigene orthodoxe Kirche gibt. Bei den traditionell religiös orientierten ethnischen Minderheiten Russlands findet man Anhänger des Islam und des Buddhismus, des Schamanismus und Judaismus, des protestantischen und katholischen Glaubens. Der Islam ist die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in Russland. Die Muslime sind in der Regel Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen, Tschetschenen und Angehörige anderer Kaukasusvölker. Sie werden durch die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Europäischen Teils Russlands und Sibiriens sowie die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Nordkaukasus vertreten. Die Zahl der russischen Muslime wird offiziell mit 14,5 Millionen angegeben. Die Vertreter der islamischen Gemeinde sprechen von mehr als 20 Millionen Mitgliedern. Alle anderen Religionen, wie Buddhismus (ca. 600.000 Gläubige) - zu dem sich Burjaten, Kalmyken, Tuwa und andere Bevölkerungsgruppen in den Gebieten Irkutsk und Tschita bekennen - und Judentum (ca. 200.000 Gläubige), haben nur geringe Bedeutung. Von den christlichen Kirchen sind die katholische Kirche, die evangelisch-lutherische Kirche sowie eine Reihe von Freikirchen (vor allem Baptisten) in Russland vertreten. Sie sind im europäischen Russland und in Sibirien präsent (GIZ 3.2016c, vgl. SWP 4.2013).

Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen, wie insbesondere die Zeugen Jehovas oder islamische Strömungen im Nordkaukasus und im Wolgagebiet, denen der Vorwurf gemacht wird, in Bezug zu Terrorgruppen zu stehen, stoßen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden. Gegen solche Religionsgemeinschaften erheben die Behörden häufig nicht plausibel belegte Extremismus-Vorwürfe und leiten auf dieser Grundlage auch Strafverfahren wegen der Ausübung der Religion ein (AA 5.1.2016).

Die Verfassung sieht die Religionsfreiheit vor, jedoch können Beamte laut Gesetz Aktivitäten von religiösen Gruppierungen wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung oder Teilnahme an extremistischen Aktivitäten, verbieten. Es gibt Einschränkungen für religiöse Minderheitsgruppen und es wurden auch Mitglieder solcher Gruppierungen verhaftet. Die Polizei führte Razzien in privaten Wohnungen und Andachtsstätten durch und konfiszierte religiöse Publikationen und Eigentum. Das Anti-Extremismus-Gesetz wurde angewendet, um die Registrierung von religiösen Minderheitsgruppen abzuerkennen, um die Registrierung bestimmter Gruppen zu verhindern und den Kauf von Land, den Bau von Andachtsstätten oder den Erhalt von Restitutionen einzuschränken (USDOS 14.10.2015).

Quellen:

Tschetschenien

Die Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist (BAMF 10.2013). Beim Sufismus handelt es sich um eine weit verbreitete und zudem äußerst facettenreiche Glaubenspraxis innerhalb des Islam. Heutzutage sind Sufis sowohl innerhalb des Schiitentums als auch unter Sunniten verbreitet (ÖIF 2013). Gegenwärtig ist eine Zunahme der Anhänger des Salafismus/Wahabismus, eine strenge, radikale Form des Islam, zu verzeichnen (BAMF 10.2013).

Kadyrow billigt oder leitet Massenverstöße gegen die Menschenrechte, darunter gegen die Religionsfreiheit. Er verfälschte tschetschenische Sufi-Traditionen, errichtete auf Grundlage seiner religiösen Ansichten einen repressiven Staat und zwingt Frauen, islamische Kopftücher zu tragen (USCIRF 30.4.2015, vgl. SWP 4.2013). Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Rebellen propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow – relativ erfolglos – anzuwenden versucht. Diese politische Nutzung der Religion führt aus mehreren Gründen zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevölkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten (und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition zu rechtfertigenden) Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re‑)Islamisierung erfolgten Erlässe und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht für Frauen in öffentlichen Gebäuden oder seine Aussprache für Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht. Beobachter der Lage sind sich gemeinhin einig, dass all dies von föderaler Seite geduldet wird, weil und solange es Kadyrow gelingt, die relativ stabile Sicherheitslage zu erhalten (BAA Staatendokumentation 19.5.2011).

Als Salafisten werden unterschiedliche religiöse und politische Bewegungen bezeichnet, die sich etwa seit Beginn des letzten Jahrhunderts an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islam (arab. "Salaf" steht für "Ahnen", "Vorfahren") orientieren. Der Begriff Salafismus dagegen steht heute für eine Strömung des Islamismus. Ihre Anhänger werden als Salafisten bezeichnet. Sie behaupten, besonders eng dem Wortlaut des Korans und den Überlieferungen über das Leben des Propheten (sunna) zu folgen. Das gilt insbesondere auch für Äußerlichkeiten wie Bekleidungsvorschriften. Viele Salafisten tragen deshalb lange Bärte, weite Gewänder und Kopfbedeckungen. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach Überzeugung von Salafisten eine schwere Sünde (GfbV o.D.). Das Tragen eines Bartes ohne Schnurrbart oder hochgekrempelte Hosen, würden einen Grund für die Festnahme oder Kontrolle einer Person darstellen (Kaliszewska 2010). Unterschiedliche Personengruppen können Opfer von Verschwindenlassen werden: Männer, die verdächtigt werden, dem bewaffneten Untergrund anzugehören oder ihn zu unterstützen, bzw. Salafisten zu sein. Auch Rückkehrer nach Tschetschenien, die von den Behörden verdächtigt werden, zurückgekehrt zu sein, um den bewaffneten Untergrund zu unterstützen, können entführt werden (GfbV o.D.). Entführungen werden heute hauptsächlich von regierungsnahen Personen verübt und treffen vor allem Personen, die als Salafisten angesehen werden. Dies führt jedoch dazu, dass die Salafisten noch anti-russischer werden und die Behörden selbst die Anzahl der Anhänger der radikalen Bewegungen in der Region und unter Muslimen in der ganzen Russischen Föderation erhöhen (Jamestown 19.6.2014).

Quellen:

Ethnische Minderheiten

Russland ist ein multinationaler Staat, in dem Vertreter von mehr als hundert Völkern leben. Neben den Russen, die mit 79,8 % die Mehrheit der Bevölkerung stellen, leben noch mehr als hundert andere Völker auf dem Gebiet des Landes. Größere Minderheiten sind die Tataren (4,0 %), die Ukrainer (2,2 %), die Armenier (1,9 %), die Tschuwaschen (1,5 %), die Baschkiren (1,4 %), die Tschetschenen (0,9 %), die Deutschen (0,8 %), die Weißrussen und Mordwinen (je 0,6 %), Burjaten (0,3 %) und andere. Vielfach ist die Verflechtung zwischen den nichtrussischen und russischen Bevölkerungsteilen durch Mischehen und interethnische Kommunikation recht hoch, ebenso der Russifizierungsgrad der nichtrussischen Bevölkerungsteile. Nur wenige nationale Gebietseinheiten, wie Tschetschenien, Dagestan, Tschuwaschien und Tuwa, sind stärker vom namensgebenden Ethnos geprägt (GIZ 3.2016c).

Die Verfassung garantiert gleiche Rechte und Freiheiten unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität, Sprache und Herkunft. Entsprechend bemüht sich die Zentralregierung zumindest in programmatischen Äußerungen um eine ausgleichende Nationalitäten- und Minderheitenpolitik, inklusive der Förderung von Minderheitensprachen im Bildungssystem. Fremdenfeindliche und rassistische Ressentiments sind in der Bevölkerung und in den Behörden weit verbreitet. Sie richten sich insbesondere gegen Kaukasier und Zentralasiaten. Wiederkehrende Medienberichte zu Übergriffen zeigen, dass Ressentiments in Gewalt umschlagen können. Die Menschenrechtsorganisation SOVA verzeichnete für das Jahr 2014 einen Rückgang der offiziell bekannt gewordenen Gewaltverbrechen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Waren 2013 noch 235 Verbrechen unter Anwendung von Gewalt gegen Minderheiten gemeldet worden, wurden 2014 164 solche Taten verzeichnet. Über 20% der Anzeigen auf dem Moskauer Wohnungsmarkt richten sich explizit nur an "Russen" oder "Slawen" (AA 5.1.2016).

Im Nordkaukasus ist die ethnische, kulturelle und sprachliche Vielfalt beeindruckend groß. Deshalb, sowie hinsichtlich der räumlichen Gliederung und der politischen, kulturellen und religiösen Geschichte seiner Volksgruppen stellt der Nordkaukasus die ethnisch am stärksten differenzierte Region der Russischen Föderation dar. Gerne wird sie als "ethnischer Flickenteppich" bezeichnet (Rüdisser 11.2012).

Quellen:

Frauen

Artikel 19 der russischen Verfassung garantiert die Gleichstellung von Mann und Frau. Zudem hat die Russische Föderation mehrere internationale und regionale Konventionen ratifiziert, die diese Gleichstellung festschreiben, darunter die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und ihr Zusatzprotokoll. Grundsätzlich gibt es in der Russischen Föderation keine systematische Diskriminierung von Frauen. Laut einer rezenten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts VZiOM glaubt eine Mehrheit der Bevölkerung, dass Männer und Frauen in der Gesellschaft gleich gestellt sind, insbesondere im Bildungsbereich (90%), in der Arbeit (76%), beim Gehalt (75%) und bei der Möglichkeit, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen (74%). Einem rezenten Bericht der Weltbank zufolge steht Russland jedoch an vorderer Stelle, was die Verhinderung des Zugangs von Frauen zu gewissen Berufsgruppen betrifft; 456 Berufe dürfen von Frauen nicht ausgeübt werden. Ein ernstes Problem, das von Politik und Gesellschaft weitgehend ausgeblendet wird, stellt häusliche Gewalt dar. Ein Großteil der Unterstützung und Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt wird durch gesellschaftliche Organisationen und Privatinitiativen übernommen. Im Nationalen Netzwerk gegen Gewalt sind über 150 regionale und lokale NGOs aktiv. Laut Dem Nationalen Zentrum zur Vorbeugung von Gewalt ANNA wird jede dritte russische Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von physischen Übergriffen von Seiten eines Mannes. Jährlich sterben in Russland ca. 14.000 Frauen aufgrund von Gewaltanwendung von Seiten ihrer Ehemänner oder Lebenspartner, fast zwei Drittel aller Morde sind auf häusliche Motive zurückzuführen. Laut Statistiken der Organisation ANNA wenden sich 60% der Frauen, die die Nationale Hotline für Opfer von häuslicher Gewalt anrufen, nicht an die Polizei. 76% jener Frauen, die bei der Polizei um Unterstützung suchen, sind damit unzufrieden. Trotz der weiten Verbreitung des Problems gibt es grobe Mängel bei der Bewusstseinsbildung darüber, auch innerhalb der politischen Elite. So betonte der Ombudsmann für Kinderrechte Pawel Astakhov im Mai 2015, dass ein Großteil der Gewalt im öffentlichen Raum stattfindet und dass die Familie der sicherste Ort in der Gesellschaft sei. Er verwehrte sich gegen "die konstante Benützung des Begriffs ‚häusliche Gewalt‘, die lediglich dafür sorgen würde, dass Familien und Eltern eingeschüchtert werden". Positiv zu vermerken ist, dass bis Jahresende ein vom Arbeits- und Sozialministerium ausgearbeiteter Gesetzesentwurf zur Vorbeugung häuslicher Gewalt in die Staatsduma eingebracht werden soll, der insbesondere der Polizei mehr Verpflichtungen zum Kampf gegen häusliche Gewalt auferlegt und einen besseren Opferschutz vorschreibt (ÖB Moskau 10.2015).

Frauen stellen in Russland traditionell die Mehrheit der Bevölkerung. Der weibliche Bevölkerungsanteil beträgt seit den 1920er Jahren zwischen 53% und 55% der Gesamtbevölkerung. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in der Verfassung garantiert. Durch die Transformationsprozesse und den Übergang zur Marktwirtschaft sind die Frauen in besonderer Weise betroffen. Davon zeugt der erhebliche Rückgang der Geburtenrate. Die Veränderungen in den Lebensverhältnissen von Frauen betreffen auch den Arbeitsmarkt, denn das Risiko von Ausfallzeiten durch Schwangerschaft, Erziehungsurlaub und Pflege von Angehörigen führt oft dazu, dass Frauen trotz besserer Ausbildung seltener als Männer eingestellt werden. Das im Durchschnitt deutlich geringere Einkommen von Frauen bedeutet niedrigere Pensionen für ältere Frauen, die damit ein hohes Risiko der Altersarmut tragen. Die politische Sphäre in Russland ist von Männern dominiert (GIZ 3.2016c). Frauen sind in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert. Sie halten weniger als 14% der Sitze in der Duma und ca. 17% der Sitze im Föderationsrat. Nur zwei von 31 Kabinettsmitgliedern sind Frauen (FH 27.1.2016). Rund 40% der Frauen arbeiten in allgemeinen Bereichen im Management und weitere 20% auf der Führungsebene. Überwiegend arbeiten sie in diesen Berufen in Medienunternehmen und PR-Agenturen, aber auch in Banken, Börsen, Bauindustrien etc. (GIZ 3.2016c).

Ein Gesetzentwurf des Menschenrechtsrats, der Opfer häuslicher Gewalt schützen soll, stieß auf heftigen Widerstand in "konservativen" Kreisen, die darin einen Versuch der Einmischung des Staates in familiäre Angelegenheiten sehen. Es gibt in Russland lediglich 21 Krisenzentren für Frauen. Beim Menschenhandel gehören russische Frauen zu den Haupt-Opfergruppen. Russland gilt zugleich als Ursprungs-, Transit- und Empfangsland im Menschenhandel. Sexuelle Ausbeutung bzw. Prostitution betrifft vor allem Frauen aus dem Nordkaukasus, die in anderen Landesteilen als Zwangsprostituierte arbeiten. Durch internationale Zusammenarbeit wird versucht, die Rotlicht-Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Trotz der Verankerung des Straftatbestandes Menschenhandel im russischen Strafgesetzbuch bleiben die Strafverfolgungszahlen niedrig. Nur in seltenen Fällen wird berichtet, dass Strafverfolgungsbehörden gegen Menschenhandel vorgehen. Die Reaktion des russischen Staates wird im "World Slavery Report" der "Walk Free Foundation" als "sehr schwach" beschrieben. Insbesondere fehle es an einem wirksamen Schutz der Opfer. Die Strukturen des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft werden durch Korruption und Verbindungen von Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden mit der organisierten Kriminalität begünstigt (AA 5.1.2016).

Häusliche Gewalt bleibt für Frauen weiterhin ein Problem und die Polizei ist oft zögerlich beim Einschreiten, da dies als familiäre Angelegenheit gesehen wird (FH 27.1.2016).

Vergewaltigung ist illegal und das Gesetz sieht dieselbe Strafe für einen Täter vor, egal ob er aus der Familie stammt oder nicht. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützen und gelegentlich helfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, sind Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Laut NGOs würden Exekutivbeamte und Staatsanwälte Vergewaltigung keine Priorität einräumen. NGOs berichten außerdem, dass lokale Polizisten sich weigern würden, auf Anrufe in Bezug auf Vergewaltigung und häusliche Gewalt zu reagieren, solange das Opfer nicht unter Lebensbedrohung steht. Weiters würden viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden. Das Strafmaß für Vergewaltigung sind drei bis sechs Jahre Haft für einen Einzeltäter und vier bis zehn Jahre bei einer Gruppenvergewaltigung. Wenn das Opfer zwischen 14 und 18 Jahre alt ist bekommt der Täter eine Strafe zwischen acht und 15 Jahre und zwölf bis 20 Jahre, wenn das Opfer verstorben ist oder unter 14 Jahre alt ist (US DOS 13.4.2016).

Quellen:

Nordkaukasus insbesondere Tschetschenien

Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Berichte von Ehrenmorden, Brautentführungen und "Sittenwächtern" haben im Vergleich zu den Vorjahren jedoch abgenommen. Aus NGO-Kreisen war zu erfahren, dass sich die Situation von alleinstehenden Frauen bzw. Frauen mit Kindern bei ihrer Rückkehr nach Tschetschenien nach und nach verbessert. Die zugrunde liegende Problematik existiert jedoch nach wie vor. Im Frühjahr 2015 hatte ein Fall in Tschetschenien für Aufregung gesorgt, bei dem ein 17jähriges Mädchen vermutlich gegen ihren Willen und dem ihrer Familie mit einem weitaus älteren lokalen Polizeichef verheiratet wurde. Einerseits ist das Mindestalter für Hochzeiten in Russland 18 Jahre (abgesehen von wenigen Ausnahmen), andererseits war der betroffene Polizeichef zu dem Zeitpunkt bereits verheiratet. Die Heirat wurde von dem Republikoberhaupt Ramzan Kadyrov ausdrücklich unterstützt (ÖB Moskau 10.2015, vgl. HRW 27.1.2016). Eine prominente investigative Journalistin erhielt Todesdrohungen nachdem sie über diese Story geschrieben hat. Behörden versagten bei einer effektiven Untersuchung wegen ihrer Beschwerde (HRW 27.1.2016).

Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Swetlana Gannuschkina (Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" (auch "Bürgerbeteiligung") und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene") ist der Meinung, dass die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, nie eine Tradition in Tschetschenien war. Ein tschetschenischer Anwalt berichtet, dass Frauen sowohl unter islamischem Recht, als auch Adat hoch geschätzt sind. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Andere Quellen berichten auch, dass die Religion ein Rückschlag für die Frauen ist und sie in eine den Männern untergeordnete Position stellt. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren (EASO 9.2014b, S. 9f). Für die Quellen des EASO Berichtes ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft ist. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv schützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird und auch Kadyrow selbst – obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont – sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO 9.2014b, S. 9f). Tschetschenische Behörden verlangen weiterhin, dass Frauen auf öffentlichen Plätzen Kopftücher tragen (HRW 27.1.2016).

Vergewaltigung:

Vergewaltigung ist laut Artikel 131 des russischen Strafgesetzbuches ein Straftatbestand. Das Ausmaß von Vergewaltigungen in Tschetschenien und anderen Teilen der Region ist unklar, da es im Allgemeinen so gut wie keine Anzeigen gibt. Vergewaltigung in der Ehe wird nicht einmal als Vergewaltigung angesehen. Laut Swetlana Gannuschkina ist Vergewaltigung in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus weit verbreitet. Vergewaltigungen würden auch in Polizeistationen passieren. Vergewaltigung ist ein Tabuthema in Tschetschenien. Einer vergewaltigten Frau haftet ein Stigma an und sie wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wenn die Vergewaltigung publik wird. Auch die Familie würde isoliert und stigmatisiert werden und es ist nicht unüblich, dass die Familie eine vergewaltigte Frau wegschickt. Die vorherrschende Einstellung ist, dass eine Frau selbst schuld an einer Vergewaltigung sei. Bei Vergewaltigung von Minderjährigen gestaltet sich die Situation etwas anders. Hier wird die Minderjährige eher nicht als schuldig an der Vergewaltigung gesehen, wie es einer erwachsenen Frau passieren würde. Insofern ist die Schande für die Familie auch nicht so groß (EASO 9.2014b, S. 21).

Muslimische Hochzeit:

Es ist in Tschetschenien üblich, auf muslimische Art – durch einen Imam – die Ehe zu schließen. Solch eine Hochzeit ist jedoch nach russischem Recht nicht legal, da sie weder vor einem Staatsbeamten geschlossen, noch registriert ist (EASO 9.2014b, S. 25). Nach russischem Recht wird sie erst nach der Registrierung bei der Behörde ZAGS legal, die nicht nur Eheschließungen registriert, sondern auch Geburten, Todesfälle, Adoptionen usw. (EASO 9.2014b, S. 24). Da die Registrierung mühsam ist und auch eine Scheidung verkompliziert, sind viele Ehen im Nordkaukasus nicht registriert. Eine Registrierung wird oft nur aus praktischen Gründen vorgenommen, beispielsweise in Verbindung mit dem ersten Kind. Der Imam kann eine muslimische Hochzeit auch ohne Anwesenheit des Bräutigams schließen, jedoch ist laut Scharia die Anwesenheit der Frau nötig (EASO 9.2014b, S. 25).

Waisenhäuser:

Wenn Kinder sich selbst überlassen bleiben, nachdem beide Eltern verstorben sind, sorgt der Tradition zufolge die Familie ihres Vaters für sie. Wenn die Großeltern nicht für die Kinder sorgen können, werden sie in die Obhut der Familie ihrer Mutter übergeben. Wenn es niemanden gibt, der sich um die Kinder kümmern kann, kommen sie in ein Waisenhaus. In Tschetschenien und dem übrigen Nordkaukasus setzen Familien alles daran, um zu vermeiden, dass Kinder in ein Waisenhaus kommen. Es ist nicht üblich, Kinder in Waisenhäuser zu bringen, und normalerweise leben in Waisenhäusern nur Kinder, die ihre gesamte Familie verloren haben. Im Allgemeinen vertreten Behörden die Auffassung, dass es in Tschetschenien keine Waisenhäuser geben sollte, da es Aufgabe der Familie ist, für die Kinder zu sorgen. 2009 ordnete Präsident Kadyrow an, dass alle Waisenhäuser in Tschetschenien geschlossen werden und die Kinder wieder zu ihren Verwandten zurückkehren sollten. Nach Auskunft eines Vertreters einer internationalen Organisation im Nordkaukasus lag dieser Initiative von Kadyrow der Wunsch zugrunde, deutlich zu machen, dass Familien einen starken Verbund darstellen und sie für sich selbst sorgen können. Nur wenige wollten jedoch entfernte Verwandte zu sich nehmen, zu denen sie kaum Kontakt hatten. Aufgrund des Wohnungsmangels und finanzieller Zwänge waren die Menschen nicht bereit, noch ein weiteres Mitglied in ihren Haushalt aufzunehmen und zu unterstützen. Kadyrow möchte den Eindruck vermitteln, dass die familiären Bande noch genauso stark sind wie früher, doch ist dies nach Angaben der Organisation nicht der Fall. Landinfo hat keinen Überblick über die Zahl der Waisenhäuser in Tschetschenien, doch nach Angaben eines tschetschenischen Rechtsanwalts gibt es eines in Grosny, ein weiteres im Bezirk Nadteretschny. Laut einer NGO in Moskau gibt es in Tschetschenien fünf oder sechs Waisenhäuser. In dem größten sind 200-300 Kinder untergebracht. Waisenhäuser sind öffentliche Einrichtungen (EASO 6.2014a, S. 31).

Quellen:

Mutterschaftskapital und Kindergeld

2007 stellte die russische Führung einen Maßnahmenkatalog vor, der mit Zuschüssen und Betreuungsplätzen zum einen den Frauen die Mutterschaft ans Herz legt und zum anderen durch bessere medizinische Infrastruktur die Lebensdauer der Russen verlängern soll. Für Mütter ist seither ab dem zweiten Kind das sogenannte Mutterschaftskapital vorgesehen. Umgerechnet rund 7500 € erhalten die Frauen, Mittel die zweckgebunden vom vierten bis zum 25. Geburtstag des Kindes eingesetzt werden müssen. Mit den nicht bar auslösbaren Zertifikaten können Familien in die Ausbildung des Nachwuchses investieren, die eigene Wohnsituation verbessern oder medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Mit den Zertifikaten kann auch die Altersvorsorge der Mutter aufgestockt werden. Darüber hinaus bezahlt der Staat Geburtsprämien, bezuschusst Kindergartenplätze und hat das Elterngeld erhöht. Flankierend hat Moskau den Mutterschutz im Arbeitsmarkt ausgebaut (Wirtschaftsblatt 8.9.2014, vgl. IOM 6.2014; MDZ 17.8.2013). Mütter bekommen eine Zusatzzahlung, das sogenannte Mütterkapital. Dieses Geld ist für bestimmte Zwecke bestimmt, z.B. für die medizinische Behandlung oder die Versorgung von Kindern. Dieses Geld ist vor allem für kinderreiche Frauen, in Tschetschenien gibt es viele davon. Um dieses Geld zu bekommen, müssen tschetschenische Frauen ungefähr Drei Viertel des Geldes als Bestechungsgeld zahlen. Es gibt aber auch Frauen, die überhaupt nichts von diesem Mütterkapital sehen (Gannuschkina 3.12.2014). Das Mutterschaftskapital war zunächst bis Ende 2016 geplant, aufgrund des Erfolgs wird jetzt darüber diskutiert, die zeitliche Beschränkung ganz aufzuheben. Auch soll das Geld für die Geburt des dritten und weiterer Kinder ausgezahlt, sowie alleinerziehende Väter in gleichem Maße gefördert werden, wie Mütter. Wladimir Putin erklärte zum bisher bestehenden Gesetz, das Programm "Mutterschaftskapital" hätte seine Effektivität bewiesen. Allerdings müsse es nach 2016 runderneuert werden, um zielgerechter wirken zu können (MDZ 17.8.2013, vgl. Pension Fund o.D.).

Mutter, Vater oder ein anderer Erziehungsberechtigter kann monatliches Kindergeld erhalten. Kindergeld berechnet sich aus 40% des durchschnittlichen Elterngehaltes, sollte aber nicht unter dem festgesetzten Mindestwert liegen. Seit Januar 2014 beträgt das monatliche Kindergeld (für Kinder jünger als 1,5 Jahre) während des Mutterschaftsurlaubs beim ersten Kind mindestens 2.576 RUB (ca. USD 75) und 5.153 RUB (ca. USD 150) für weitere Kinder. Für arbeitslose Eltern beträgt das monatliche Kindergeld das festgesetzte Minimum. Im September 2013 ist ein neues Bildungsgesetz in Kraft getreten. Laut dem neuen Gesetz ist die Regelung außer Kraft getreten, dass die Kindergartengebühren nicht 20% der laufenden Kosten pro Kind überschreiten dürfen. Dies führte zu einem Anstieg der Kindergartengebühren. In unterschiedlichen Regionen kosten städtische oder staatliche Kindergärten zwischen 3.500 RUB und 9.000 RUB (ca. 102-262 USD). Familien mit einem Kind erhalten mindestens 20% Ausgleich, Familien mit zwei Kindern erhalten eine 50%ige Rückerstattung, Familien mit drei und mehr Kindern eine Kompensation in Höhe von mindestens 70%. Dieses Geld wird auf das Konto eines Elternteils überwiesen. Familien, in denen ein Kind eine Verhaltensstörung aufweist, zahlen keine Gebühren für den Besuch eines staatlichen oder städtischen Kindergartens (IOM 6.2014).

Mutterschaft:

Quellen:

Bewegungsfreiheit

Tschetschenen steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthalts in der Russischen Föderation zu. Jedoch wird der legale Zuzug an vielen Orten durch Verwaltungsvorschriften stark erschwert. Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden. Es ist grundsätzlich möglich, von und nach Tschetschenien ein- und auszureisen und sich innerhalb der Republik zu bewegen. An den Grenzen zu den russischen Nachbarrepubliken befinden sich jedoch nach wie vor Kontrollposten, die gewöhnlich eine nicht staatlich festgelegte "Ein- bzw. Ausreisegebühr" erheben (AA 5.1.2016, vgl. US DOS 13.4.2016, FH 27.1.2016).

Personen, die innerhalb des Landes reisen, müssen ihre Inlandspässe zeigen, wenn sie Tickets kaufen wollen für Reisen via Luft, Schienen, Wasser und Straßen (US DOS 13.4.2016).

Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine administrative Strafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn- und Flugtickets (AA 5.1.2016).

Nach Angaben des Leiters der Pass- und Visa-Abteilung im tschetschenischen Innenministerium haben alle 770.000 Bewohner Tschetscheniens, die noch die alten sowjetischen Inlandspässe hatten, neue russische Inlandspässe erhalten (AA 5.1.2016).

Quellen:

Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien

Was die Anzahl von Tschetschenen im Rest des Landes anbelangt, ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen. Laut Volkszählung 2010 lebten etwa in Moskau ca. 14.500 Tschetschenen (von insgesamt 1.4 Mio landesweit). Es ist anzunehmen, dass die tatsächliche Zahl größer ist, insb. wenn man sie mit den Angaben über andere, kleinere Nationalitäten vergleicht (ca. 11.400 Osseten, über 17.000 Mordwinen). Dabei ist auch zu bedenken, dass laut der Statistik fast 700.000 Personen keine Angaben über ihre nationale Zugehörigkeit machten. In den meisten Regionen Russlands lag die Anzahl der Tschetschenen bei der Volkszählung 2010 bei einigen Hundert, größere Gemeinschaften gab es in Dagestan (ca. 93.600), in Inguschetien (ca. 18.700), sowie in den südlichen Regionen Astrachan (ca. 7.200), Wolgograd (fast 10.000), Rostow (ca. 11.500), Stawropol (ca. 12.000), Saratow (ca. 5.700) und im westsibirischen Tjumen (ca. 10.500) (ÖB Moskau 10.2015).

Gemäß Einschätzung verschiedener NGOs greifen Strafverfolgungsbehörden oft auf ein ethnisches "Profiling" zurück. Dieses richte sich besonders gegen Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien. Nach Angaben von Swetlana Gannuschkina beschuldigen russische Behörden Personen aus dem Nordkaukasus oft willkürlich für Straftaten, die sie nicht begangen, die sich aber tatsächlich ereignet hätten. Die Ermittler würden eine Straftat so darstellen, dass die Mitschuld der betroffenen Person aus dem Nordkaukasus als erwiesen erscheine. Nach Angaben von Gannuschkina würden dabei auch Geständnisse mittels Folter (Schläge, Elektroschocks, Vergewaltigung oder die Androhung von Vergewaltigung) erpresst. Staatsanwälte unterstützten in der Regel diese Untersuchungen. Die Gerichte würden die Mängel der Untersuchung ignorieren und oft eine unbedingte Strafe verhängen. Laut Gannuschkina versuchen Polizeivertreter, die Zahl von aus dem Nordkaukasus stammenden Personen in ihren jeweiligen Zuständigkeitsgebieten zu verringern. Die polizeilichen Führungskräfte würden diese Maßnahmen unterstützen. Nach Angaben einer westlichen Botschaft in Moskau aus dem Jahr 2012 kommen fingierte Strafverfahren vor, jedoch nicht in systematischer Weise. Es gebe Berichte, dass insbesondere junge muslimische Personen aus dem Nordkaukasus Opfer solcher Praktiken werden können. Auch die norwegische Landinfo kommt im März 2014 zum Schluss, dass es weiterhin fingierte Strafverfahren gegen Personen aus dem Nordkaukasus und Tschetschenien gebe (SFH 25.7.2014).

Menschenrechtsorganisationen berichten glaubhaft, dass Personen kaukasischer oder zentralasiatischer Herkunft von den Behörden häufig benachteiligt werden. Zu den in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Schikanen gehören:

Die tschetschenische Diaspora in allen russischen Großstädten ist in den letzten Jahren stark angewachsen (200.000 Tschetschenen sollen allein in Moskau leben) (AA 5.1.2016).

Laut UNHCR in Moskau gibt es in der gesamten Russischen Föderation tschetschenische Communities. Die größten befinden sich in Moskau, der Region Moskau und in St. Petersburg. Hauptsächlich arbeiten Tschetschenen im Baugewerbe und im Taxibusiness. In der Region Wolgograd leben ca. 20.000 Tschetschenen. Einige von ihnen leben dort schon seit 30 Jahren. Viele flohen aus Tschetschenien während der beiden Kriege. Mittlerweile sind die Zahlen von ankommenden Tschetschenen geringer geworden. 2013 kamen weniger als 500 Tschetschenen in die Region. Die meisten Tschetschenen verlassen die Republik aufgrund der sehr bescheidenen sozio-ökonomischen Aussichten in ihrer Heimatrepublik. Laut Memorial Wolgograd gibt es keine Beschwerden von Tschetschenen in der Region aufgrund von Rassismus oder Diskriminierung. Tschetschenen haben denselben Zugang zum Gesundheits- und Bildungssystem wie alle anderen russischen Staatsbürger. Heutzutage kommen Tschetschenen hauptsächlich zum Zwecke eines Studiums nach Wolgograd. Mittlerweile sind die Lebensbedingungen in Wolgograd nicht so gut wie in Tschetschenien. Dies liegt an den föderalen Fördermittel, die Tschetschenien erhält. Die Bevölkerung in Wolgograd sinkt, während jene in Tschetschenien steigt (DIS 1.2015).

Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Wolgograd, Saratov, Samara und Astrachan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 25.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil der außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel, auf Märkten und in Cafes. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20.000 bis 30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich". Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden. Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan-Konflikt. Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten. IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit. Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, Wien, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden (DIS 11.10.2011).

Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK-Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NGO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen. Einer internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner (DIS 8.2012).

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).

Quellen:

Grundversorgung/Wirtschaft

Im August 2015 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in Russland 75,9 Millionen, somit ungefähr 53 % der Gesamtbevölkerung. Die Arbeitslosenrate liegt bei 5,3%. Der Durchschnittslohn im Juni 2015 lag bei 31.100 RUB (EUR 425) (IOM 8.2015).

Die hohen internationalen Energiepreise sorgten 2012 für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. Die Industrieproduktion stieg, allerdings lag der Zuwachs unter den Vorjahreswerten. Die Arbeitslosenrate sank zwischen 2010 und 2012 von 7,2% auf 5,4% und die Durchschnittslöhne lagen 2011 und 2012 deutlich höher als vor der Finanzkrise 2008/9. Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 in 2012 über Platz 92 in 2013 und Platz 64 in 2014 auf Platz 51 in 2016. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund zehn Prozent des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsten das Wirtschaftswachstum. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an. Im Index of Economic Freedom nimmt Russland 2016 den 153. Platz unter 178 Ländern ein. Das schlechte Investitionsklima schlägt sich in einer niedrigen Rate ausländischer Investitionen nieder. Bürokratie, Korruption und Rechtsunsicherheit bremsen die wirtschaftliche Entwicklung aus. Seit Anfang 2014 hat die Landeswährung mehr als ein Drittel ihres Wertes im Vergleich zum Euro verloren, was unter anderem an den westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und dem fallenden Ölpreis liegt. Durch den Währungsverfall sind die Preise für Verbraucher erheblich gestiegen, die Inflationsrate betrug Ende 2015 ca 15%. 2015 gerät die russische Wirtschaft in eine schwere Rezession. Nach dem BIP-Rückgang um 3,7% 2015 prognostiziert die russische Zentralbank für 2016 einen weiteren BIP-Rückgang um 1,0%. (GIZ 4.2016b).

Quellen:

Nordkaukasus

Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 4.2016a).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Im Mai 2014 wurde ein neues Ministerium für die Angelegenheiten des Nordkaukasus geschaffen und der bevollmächtigte Vertreter des Präsidenten im Nordkaukasischen Föderalbezirk Alexander Chloponin, durch den früheren Oberbefehlshaber der Vereinigten Truppen des Innenministeriums im Nordkaukasus, Generalleutnant Sergej Melikov, ersetzt (ÖB Moskau 10.2015).

Der Kreml verfolgt seit einigen Jahren einen Ansatz, der auf regionale wirtschaftliche Entwicklung setzt und viele der Republiken im Nordkaukasus – allen voran Tschetschenien – haben durch zahlreiche Verwaltungs- und Finanzreformen heute mehr Unabhängigkeit als Anfang der 1990er Jahre jemals anzunehmen gewesen wäre. Auch der Tourismus soll in der landschaftlich attraktiven Region helfen, die Spirale aus Armut und Gewalt zu durchbrechen, wie insbesondere in der Entscheidung, die olympischen Winterspiele 2014 im unweit der Krisenregion gelegenen Sotschi auszutragen, deutlich wird. Zudem profitieren einige Teilrepubliken von Rohstoffvorkommen und so lassen sich auch einige sichtbare Zeichen von wirtschaftlichem Aufschwung und Wiederaufbau im Nordkaukasus ausmachen. Als beispielhaft dafür steht unter anderem die tschetschenische Hauptstadt Grosny, die nach ihrer fast völligen Zerstörung heute durchaus auflebt. Die schlechte Sicherheitslage und ein weit gestricktes Netzwerk aus Korruption, die zu einem wesentlichen Teil von den Geldern des russischen Zentralstaats lebt, blockieren aber eine umfassende und nachhaltige Entwicklung des Nordkaukasus. Das grundlegende Problem liegt in der russischen Strategie, den Konflikt durch die Übertragung der Verantwortung an lokale Machtpersonen mit zweifelhaftem Ruf zu entmilitarisieren. Deren Loyalität zu Moskau aber basiert fast ausschließlich auf erheblichen finanziellen Zuwendungen und dem Versprechen der russischen Behörden, angesichts massiver Verstrickungen in Strukturen organisierter Kriminalität beide Augen zuzudrücken. Ein wirksames Aufbrechen dieses Bereicherungssystems jedoch würde wiederum die relative Stabilität gefährden. Nachhaltige Entwicklungsfortschritte bleiben deshalb bislang weitgehend aus und insbesondere die hohe regionale Arbeitslosigkeit bildet einen Nährboden für neue Radikalisierung. Um dem zu begegnen und den islamistischen Militanten den ideologischen Nährboden zu entziehen, hat die russische Regierung Initiativen in Medien gestartet und in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden Programme zur De-Radikalisierung und zum interkulturellen Dialog entwickelt. Der langfristige Erfolg solcher Maßnahmen bleibt dabei abzuwarten, in jedem Fall aber wird seitens Moskau versucht dem Nordkaukasus eine Perspektive zu schaffen (Zenithonline 10.2.2014).

Quellen:

Tschetschenien

Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren stabilisiert. Laut der Zeitung RBK Daily wurden seit 2001 rund 464 Mrd. Rubel (ca. 14 Mrd. USD) in den Wiederaufbau der Republik investiert. Obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind, bestehen noch immer über 85% des Budgets der Republik aus Direktzahlungen aus Moskau. Offiziell vermeldete Tschetschenien 2014 ein Wachstum von 7.8%, eine Steigerung von über 23% der Industrieproduktion sowie eine Erhöhung der Landwirtschaftsproduktion von 2.2%. Die Arbeitslosenquote betrug laut offiziellen Statistiken der Republik in der 1. Hälfte 2015 rund 15.2%, was von Experten jedoch als zu niedrig angezweifelt wird. Der monatliche Durchschnittslohn in Tschetschenien liegt bei 21.703 Rubel (landesweit: 31.200 Rubel), die durchschnittliche Rentenhöhe bei 10.460 Rubel (landesweit: 10.919 Rubel). Die Höhe des Existenzminimums für die erwerbsfähige Bevölkerung ist mit 7.471 Rubel pro Monat festgelegt (landesweit: 8.900 Rubel), für Rentner mit 5.799 Rubel (landesweit: 6.800 Rubel) und für Kinder mit 5.949 Rubel (landesweit: 7.800 Rubel). Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und große Teile der Wirtschaft werden von wenigen, mit dem politischen System eng verbundenen Familien kontrolliert. Laut einem rezenten Bericht der International Crisis Group gibt es glaubwürdige Berichte, wonach öffentliche Bedienstete einen Teil ihres Gehalts an den nach Kadyrovs Vater benannten und von dessen Witwe geführten Wohltätigkeitsfonds abführen müssen. Der 2004 gegründete Fonds baut Moscheen und verfolgt Charity-Projekte, Kritiker werfen ihm jedoch vor, als Vehikel zur persönlichen Bereicherung Kadyrovs und der ihm nahestehenden Gruppen zu dienen. Selbst die nicht als regierungskritisch geltende Tageszeitung "Kommersant" bezeichnete den Fonds als eine der intransparentesten NGOs des Landes (ÖB Moskau 10.2015).

Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 verbessert – ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleiben Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem. Der Schulbesuch ist grundsätzlich möglich und findet unter zunehmend günstigen materiellen Bedingungen statt. Nach Angaben der Vereinten Nationen entspricht die Anzahl der Lehrer wieder dem Niveau vor den Tschetschenienkriegen, allerdings sei die Versorgung mit Lernmitteln häufig noch unzureichend. Wohnraum bleibt ein Problem. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden in den Tschetschenienkriegen seit Anfang der neunziger Jahre über 150.000 private Häuser sowie ca. 73.000 Wohnungen zerstört. Die Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum ist noch nicht abgeschlossen. Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang die Korruption (es wird davon ausgegangen, dass 30-50% gewährter Kompensationssummen als Schmiergelder gezahlt werden müssen) (AA 5.1.2016).

Quellen:

Sozialbeihilfen

Russland hat ein grundlegendes Sozialsystem, welches Renten verwaltet und Hilfe für gefährdete Bürger gewährt (IOM 8.2015). Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen: dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau (GIZ 3.2016c).

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:

* Invaliden und Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges;

* Invaliden und Veteranen militärischer Operationen

* Invaliden mit Behinderung I., II. und III. Grades

* Ehemalige minderjährige Insassen von Konzentrationslagern

* Kinder mit Behinderung

* Arbeitsveteranen

* Arbeiter der Heimatfront (Großer Vaterländischer Krieg)

* Invaliden als Folge der Tschernobyl-Katastrophe

* Menschen, die unter gesundheitlichen Folgen von Verstrahlung leiden

* Menschen die aus der Evakuierungszone der Tschernobyl-Katastrophe evakuiert wurden

* Kinder deren Eltern unter der Verstrahlung der Tschernobyl-Katastrophe leiden

* Beteiligte der Tschernobyl-Unfallfolgenbeseitigung

* Opfer politischer Repressionen

* Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben ("Helden der Sowjetunion und Russland" etc.) (IOM 6.2014)

Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:

* ärztlich verschriebene Medikamente

* Sanatoriumsaufenthalt

* Ausgaben im Nahverkehr (kostenfreie Fahrten im Nahverkehr am Wohnort (nicht in allen Regionen); Schienenverkehr in Vororte, Langstreckenreisen zu und von der Behandlungsstätte) (IOM 6.2014)

Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).

MedCOI erwähnt weitere Kategorien von Bürgern, denen unterschiedliche Arten von sozialer Unterstützung gewährt wird:

* Kinder (unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen für Familien mit Kindern);

* Großfamilien (Ausstellung einer Großfamilienkarte, unterschiedliche Zuschüsse und Beihilfen, Rückerstattung von Nebenkosten (Wasser, Gas, Elektrizität, etc.);

* Familien mit geringem Einkommen;

* Studenten, Arbeitslose, Pensionisten, Angestellte spezialisierter Institutionen und Jungfamilien (BDA 31.3.2015).

Renten

* Personen im Rentenalter (55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) mit mindestens fünfjährigem Versicherungseintrag haben Recht auf Altersrente

* Frühzeitige Rente ist offen im Falle von gefährlicher oder beschwerlicher Arbeit, Arbeit in nördlichen Gebieten, für Mütter von fünf Kindern oder mehr

* Hinterbliebene eines verstorbenen Arbeiters haben Recht auf Hinterbliebenenrente

* Begünstigte sind behinderte Witwen, Witwen älter als 55, Arbeitslose, die sich um Kinder unter 14 Jahren kümmern oder behinderte Kinder bis zu 18 Jahren, sowie weitere Angehörige eines verstorbenen Hauptverdieners

* Rente unabhängig von Todesursache oder Beitragszeit gewährt (IOM 8.2015).

Familienhilfe:

Die Regierung will die Bevölkerungszahl erhöhen. Daher erhalten

Familien mit drei oder mehr Kindern folgende Begünstigungen:

* Rabatt für Betriebskosten in Höhe von maximal 30% (Heizung, Wasser, Abwasser Gas, Strom)

* Großfamilien mit Kindern unter 6 Jahren erhalten kostenlose, verschreibungspflichtige Medikamente, sowie Behandlung in Kliniken und Vorrang in Sanatorien/Gesundheitszentren

* Großfamilien mit Bedarf für eine bessere Wohnsituation können kostenlose Unterkunft beantragen

* Großfamilien können Kredite für Hausbau/kauf erhalten

* Großfamilien, die einen Bauernhof führen wollen, erhalten steuerliche Vorzüge, sowie materielle Hilfe oder zinsfreie Darlehen

* Arbeitgeber gewähren Großfamilien Vorzüge

* Frauen mit fünf oder mehr Kindern, die diese bis zum Alter von acht Jahren aufgezogen haben, können frühzeitig im Alter von 50 Jahren in Rente gehen, sofern sie über 15 Jahre versichert waren

* Frauen mit zwei oder mehr Kindern, können mit 50 in Rente gehen, wenn sie für mindestens 20 Jahre versichert waren und mindestens zwölf Jahre im Norden oder 17 Jahre in vergleichbaren Regionen gearbeitet haben

* Zahlungen an Großfamilien zur Geburt, Zuschuss für zweites Kind und die folgenden liegt monatlich bei 4907 RUB 85 Kopeke im Jahr 2003

* Kompensationszahlungen im Zusammenhang mit den Kosten für die Erziehung:

* 3-4 Kinder - 600 RUB für jedes Kind unter 16 (oder unter 18 wenn das Kind an einer Bildungseinrichtung eingeschrieben ist)

* fünf oder mehr Kinder - 750 RUB für jedes Kind unter 16 (oder unter 18 wenn das Kind an einer Bildungseinrichtung eingeschrieben ist)

* Für Großfamilien mit fünf oder mehr Kindern 900 RUB für die ganze Familien zum Kauf von Sachen

* Monatliche Kompensationszahlungen für Essenskosten für Kinder unter drei Jahren in Höhe von 675 RUB (IOM 8.2015).

Behinderung

* Arbeitnehmer mit Behindertenstatus haben Recht auf Behindertenrente

* Unabhängig von Schwere der Behinderung, Beitragsdauer und Arbeitsstatus

* Bezahlt für die Dauer der Behinderung oder bis zum Erreichen des normalen Rentenalters (IOM 8.2015).

Wohnungswesen

* Bürger ohne Unterkunft oder mit unzumutbarer Unterkunft und sehr geringem Einkommen können kostenfreie Apartments beantragen

* Wartezeit von mehreren Jahre oder Dekaden

* Lokale Behörden bestimmen die Voraussetzungen und notwendigen Unterlagen (IOM 8.2015).

Arbeitslosenhilfe

Im Nordkaukasus besteht die höchste Arbeitslosenquote des Landes. Arbeitslose (mit Ausnahme von Schülern, Studenten und Rentnern) können sich bei den Arbeitsagenturen arbeitslos melden und Arbeitslosenhilfe beantragen. Die Arbeitsagentur wird innerhalb von zehn Tagen einen Arbeitsplatz anbieten. Lehnt der Bewerber die Stellen ab, wird er als arbeitslos eingetragen. Die Arbeitslosenhilfe basiert auf Durchschnittslohn der letzten Arbeit und ist auf ein Minimum und Maximum von der russischen Gesetzgebung begrenzt. Seit 2009 ist das Minimum RUB 850 (USD 15) pro Monat und das Maximum RUB 4.900 (USD 82). Die Förderung wird monatlich ausgezahlt, sofern der Begünstigte die notwendigen Verfahren der Neubewerbung (gewöhnlich zweimal im Monat) nach den Bedingungen der Arbeitsagentur durchläuft. Notwendige Unterlagen und Dokumente sind ein Reisepass oder ein gleichwertiges Dokument und ein Arbeitsbuch oder eine Kopie, die Lohnbescheinigung des letzten Jahres, die Steueridentifikationsnummer (INN certificate), der Rentenversicherungsausweis und Dokumente zum Nachweis der Ausbildung und Berufserfahrung (IOM 8.2015).

Unterbrechung der Arbeitslosenhilfe in folgenden Fällen:

* Zwei vorgeschlagene, passende Arbeitsangebote abgelehnt

* Bezahlter Staatsdienst nach drei Monaten abgelehnt

* Vorgeschlagene Trainings der Arbeitsagentur abgelehnt

* Beendigung der Arbeit aufgrund von disziplinarischen Verstößen

* Abbrechen von vorgeschlagenen Trainings

* Neubewerbungsverfahren nicht durchlaufen (IOM 8.2015).

Quellen:

Krankenversicherung

Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).

Die kostenlose Versorgung soll folgende Bereiche abdecken:

• Notfallbehandlung

• Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

• Stationäre Behandlung

• Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv (GIZ 3.2016c). Die Einkommen des medizinischen Personals sind noch immer vergleichsweise niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist. Infektionskrankheiten wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In den letzten Jahren wurden in die Modernisierung des Gesundheitswesens erhebliche Geldmittel investiert. Der aktuelle Kostendruck im Gesundheitswesen führt aber dazu, dass viele Krankenhäuser geschlossen werden (AA 3 .2016a, vgl. GIZ 3.2016c). In Moskau, St. Petersburg und einigen anderen Großstädten gibt es einige meist private Krankenhäuser, die hinsichtlich der Unterbringung und der technischen und fachlichen Ausstattung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Notfallbehandlungen in staatlichen Kliniken sind laut Gesetz grundsätzlich kostenlos. Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 25.5.2016b).

Im Bereich der medizinischen Versorgung von Rückkehrern sind der Botschaft keine Abweichungen von der landesweit geltenden Rechtslage bekannt. Seit Jänner 2011 ist das "Föderale Gesetz Nr. 326-FZ über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation" vom November 2010 in Kraft und seit Jänner 2012 gilt das föderale Gesetz Nr. 323-FZ vom November 2011 über die "Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation". Laut Gesetz hat jeder Mensch Anrecht auf kostenlose medizinische Hilfestellung in dem gemäß "Programm der Staatsgarantien für kostenlose medizinische Hilfestellung" garantierten Umfang. Von diesem Programm sind alle Arten von medizinischer Versorgung (Notfallhilfe, ambulante Versorgung, stationäre Versorgung, spezialisierte Eingriffe) erfasst. Kostenpflichtig sind einerseits Serviceleistungen (Einzelzimmer u.Ä.), andererseits jene medizinischen Leistungen, die auf Wunsch des Patienten durchgeführt werden (z.B. zusätzliche Untersuchungen, die laut behandelndem Arzt nicht indiziert sind). Staatenlose, die dauerhaft in Russland leben, sind bezüglich ihres Rechts auf medizinische Hilfe russischen Staatsbürgern gleichgestellt. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder die Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation gewährleistet ist. Personen haben das Recht auf freie Wahl der medizinischen Anstalt und des Arztes, allerdings mit Einschränkungen. Für einfache medizinische Hilfe, die in der Regel in Polikliniken erwiesen wird, haben Personen das Recht die medizinische Anstalt nicht öfter als einmal pro Jahr, unter anderem nach dem territorialen Prinzip (d.h. am Wohn-, Arbeits- oder Ausbildungsort), zu wechseln. Davon ausgenommen ist ein Wechsel im Falle einer Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes. In der ausgewählten Organisation können Personen ihren Allgemein- bzw. Kinderarzt nicht öfter als einmal pro Jahr wechseln. Falls eine geplante spezialisierte medizinische Behandlung im Krankenhaus nötig wird, erfolgt die Auswahl der medizinischen Anstalt durch den Patienten gemäß der Empfehlung des betreuenden Arztes oder selbständig, falls mehrere medizinische Anstalten zur Auswahl stehen. Das territoriale Prinzip sieht vor, dass die Zuordnung zu einer medizinischen Anstalt anhand des Wohn-, Arbeits-, oder Ausbildungsorts erfolgt. Das bedeutet aber auch, dass die Inanspruchnahme einer medizinischen Standardleistung (gilt nicht für Notfälle) in einem anderen, als dem "zuständigen" Krankenhaus, bzw. bei einem anderen, als dem "zuständigen" Arzt, kostenpflichtig ist. Selbstbehalte sind nicht vorgesehen. Die Versorgung mit Medikamenten ist grundsätzlich bei stationärer Behandlung, sowie bei Notfallbehandlungen kostenlos. Es wird aber berichtet, dass in der Praxis die Bezahlung von Schmiergeld zur Durchführung medizinischer Untersuchungen und Behandlungen teilweise durchaus erwartet wird (ÖB Moskau 10.2015).

Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit sieben föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und zwölf Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 3.2016c).

Medizinische Versorgung gibt es bei staatlichen und privaten Einrichtungen. Staatsbürger haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu kostenfreier medizinischer Versorgung. Vorausgesetzt für OMS (OMS-Karte) sind gültiger Pass, Geburtsurkunde für Kinder unter 14 Jahren; einzureichen bei der nächstliegenden Krankenversicherungsfirma. Sowohl an staatlichen, wie auch privaten Kliniken bezahlte medizinische Dienstleistungen verfügbar; direkte Zahlung an Klinik oder im Rahmen von freiwilliger Krankenversicherung (Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 8.2015).

Kostenfreie Versorgung umfasst folgendes:

• Notfallbehandlung

• Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken

• Stationäre Behandlung

• Teilweise kostenfreie Medikamente (IOM 8.2015)

Quellen:

Tschetschenien

Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung inzwischen das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht haben. Problematisch bleibt laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben (AA 5.1.2016).

Das Gesundheitssystem in Tschetschenien wurde seit den zwei Kriegen großteils wieder aufgebaut. Die Krankenhäuser sind neu und die Ausrüstung modern, jedoch ist die Qualität der Leistungen nicht sehr hoch aufgrund des Mangels an qualifiziertem Personal (Landinfo 26.6.2012).

Es ist sowohl primäre, als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand, als in den Nachbarrepubliken, da viele erst vor kurzem erbaut worden sind. Laut föderalem Gesetz werden bestimmte Medikamente kostenfrei zur Verfügung gestellt, z.B. Medikamente gegen Krebs und Diabetes. Auch gibt es bestimmte Personengruppen, die bestimmte Medikamente kostenfrei erhalten. Dazu gehören Kinder unter drei Jahren, Kriegsveteranen, schwangere Frauen und Onkologie- und HIV-Patienten. Verschriebene Medikamente werden in staatlich lizensierten Apotheken kostenfrei gegen Vorlage des Rezeptes abgegeben (DIS 1.2015, vgl. hierzu auch Kapitel 24.7 Medikamente).

Die Einkommen des medizinischen Personals liegen unter dem Durchschnitt. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (AA 3 .2016a). Falls z.B. innerhalb der Familie nicht genügend Geld für eine teure Operation vorhanden ist, kann man sich an eine in der Clanstruktur höher stehende Person wenden. Aufgrund bestehender Clanstrukturen sind die Familien in Tschetschenien finanziell besser abgesichert als in anderen Teilen Russlands (BAMF 10.2013).

Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land, ist es – wie für alle Bürger der Russischen Föderation – auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu Kapitel 21. Bewegungsfreiheit/Meldewesen). Krebsbehandlung wurde zum größten Teil außerhalb der Republik Tschetschenien gemacht, jedoch wurde kürzlich ein onkologisches Krankenhaus fertiggestellt mit dem man bald Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen durchführen möchte. Im letzten Jahr wurden insgesamt ca. 3.000 Patienten zu unterschiedlichen Behandlungen in Krankenhäuser in anderen Republiken geschickt (DIS 1.2015).

Quellen:

Gesundheitseinrichtungen in Tschetschenien

Gesundheitseinrichtungen, die die ländlichen Gebiete Tschetscheniens abdecken sind "Achkhoy-Martan RCH" (regional central hospital), "Vedenskaya RCH", "Grozny RCH", "Staro-Yurt RH" (regional hospital), "Gudermessky RCH", "Itum-Kalynskaya RCH", "Kurchaloevskaja RCH", "Nadterechnaye RCH", "Znamenskaya RH", "Goragorsky RH", "Naurskaya RCH", "Nozhai-Yurt RCH", "Sunzhensk RCH", Urus-Martan RCH", "Sharoy RH", "Shatoïski RCH", "Shali RCH", "Chiri-Yurt RCH", "Shelkovskaya RCH", "Argun municipal hospital N° 1" und "Gvardeyskaya RH" (BDA CFS 31.3.2015).

Gesundheitseinrichtungen, die alle Gebiete Tschetscheniens abdecken, sind: "The Republican hospital of emergency care" (former Regional Central Clinic No. 9), "Republican Centre of prevention and fight against AIDS", "The National Centre of the Mother and Infant Aymani Kadyrova", "Republican Oncological Dispensary", "Republican Centre of blood transfusion", "National Centre for medical and psychological rehabilitation of children", "The Republican Hospital", "Republican Psychiatric Hospital", "National Drug Dispensary", "The Republican Hospital of War Veterans", "Republican TB Dispensary", "Clinic of pedodontics", "National Centre for Preventive Medicine", "Republican Centre for Infectious Diseases", "Republican Endocrinology Dispensary", "National Centre of purulent-septic surgery", "The Republican dental clinic", "Republican Dispensary of skin and venereal diseases", "Republican Association for medical diagnostics and rehabilitation", "Psychiatric Hospital ‘Samashki’, "Psychiatric Hospital ‘Darbanhi’", "Regional Paediatric Clinic", "National Centre for Emergency Medicine", "The Republican Scientific Medical Centre", "Republican Office for forensic examination", "National Rehabilitation Centre", "Medical Centre of Research and Information", "National Centre for Family Planning", "Medical Commission for driving licenses" und "National Paediatric Sanatorium ‘Chishki’" (BDA CFS 31.3.2015).

Städtische Gesundheitseinrichtungen in Grosny sind: "Clinical Hospital N° 1 Grozny", "Clinical Hospital for children N° 2 Grozny", "Clinical Hospital N° 3 Grozny", "Clinical Hospital N° 4 Grozny", "Hospital N° 5 Grozny", "Hospital N° 6 Grozny", "Hospital N° 7 Grozny", "Clinical Hospital N° 10 in Grozny", "Maternity N° 2 in Grozny", "Polyclinic N° 1 in Grozny", "Polyclinic N° 2 in Grozny",

"Polyclinic N° 3 in Grozny", "Polyclinic N° 4 in Grozny",

"Polyclinic N° 5 in Grozny", "Polyclinic N° 6 in Grozny",

"Polyclinic N° 7 in Grozny", "Polyclinic N° 8 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 1", "Paediatric polyclinic N° 3 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 4 in Grozny", "Paediatric polyclinic N° 5", "Dental complex in Grozny", "Dental Clinic N° 1 in Grozny", "Paediatric Psycho-Neurological Centre", "Dental Clinic N° 2 in Grozny" und "Paediatric Dental Clinic of Grozny" (BDA CFS 31.3.2015).

Quellen:

Behandlungsmöglichkeiten von psychiatrischen Krankheiten (z.B. PTBS, Depressionen, akutes Stresssyndrom, Panische Störungen, Schizophrenie etc.)

Psychiatrische Behandlungen für diverse psychische Behandlungen durch einen Psychologen/Psychiater sind in der gesamten Russischen Föderation verfügbar. Es gibt auch psychiatrische Krisenintervention bei Selbstmordgedanken z.B. im Psychiatric Clinical Hospital #1 in Moskau (BMA 7754).

Posttraumatische Belastungsstörung ist in der gesamten Russischen Föderation behandelbar. Z.B. im Alexeevskaya (Kacshenko) hospital, Zagorodnoye shosse 2, Moscow (BMA 6051). Dies gilt unter anderem auch für Tschetschenien z.B. im Republican Psychoneurological Dispenser, Verkhoyanskaya Str. 10, Grosny (BMA 6551, vgl. BMA 7979).

Wie in anderen Teilen Russlands werden auch in Tschetschenien mentale Krankheiten hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, und es gibt nur selten eine Therapie. Die Möglichkeiten für psychosoziale Therapie oder Psychotherapie sind aufgrund des Mangels an notwendiger Ausrüstung, Ressourcen und qualifiziertem Personal in Tschetschenien stark eingeschränkt. Es gibt keine spezialisierten Institutionen für PTBS, jedoch sind follow-up und Psychotherapie möglich. Ambulante Konsultationen und Krankenhausaufenthalte sind im Republican Psychiatric Hospital of Grozny für alle in Tschetschenien lebende Personen kostenlos. Auf die informelle Zuzahlung wird hingewiesen. Üblicherweise zahlen Personen für einen Termin wegen psychischen Problemen zwischen 700-2000 Rubel. Bei diesem Krankenhaus ist die Medikation bei stationärer und ambulanter Behandlung kostenfrei (BDA 31.3.2015).

Während es in Moskau unterschiedliche Arten von Therapien gibt (kognitive Verhaltenstherapie, Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen (EMDR) und Narrative Expositionstherapie), um PTSD zu behandeln (BMA 7980), gibt es in Tschetschenien nur Psychotherapie und diese in eingeschränktem Maß (BMA 7979). Diverse Antidepressiva sind aber in der gesamten Russischen Föderation verfügbar (BMA 7754, BMA 7979).

Quellen:

Medikamente

Ambulante Patienten und zu Hause Behandelte müssen Medikamente bezahlen; ausgenommen sind solche, die vom Staat gedeckt sind. In 24-Stunden- und Tageskliniken gibt es kostenfreie Medikamente für Bürger, die von der OMS profitieren. Bei Notfällen sind Medikamente kostenfrei. Gewöhnlich kaufen Russen ihre Medikamente auf eigene Kosten. Bürger mit gewissen Krankheiten wird Unterstützung gewährt, u. a. kostenfreie Medikamente, Sanatorium Behandlung und Transport. Kosten für Medikamente variieren, feste Preise bestehen nicht (IOM 8.2015).

Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (6 Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter drei Jahren, Kinder unter sechs Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung. Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt (IOM 6.2014).

Quellen:

Behandlung nach Rückkehr

Die Rückübernahme russischer Staatsangehöriger aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Rückübernahme geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rücknahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Person von der Russischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Wenn die zu übernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rücknahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation müssen sich alle Rückkehrer beim Föderalen Migrationsdienst (FMS) ihres beabsichtigten Wohnortes registrieren. Dies gilt generell für alle russische Staatsangehörige, wenn sie innerhalb von Russland ihren Wohnort wechseln. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Überstellung informiert und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Im November 2012 wurde etwa ein per Sammelflug aus Österreich rücküberstellter Tschetschene auf Grundlage eines Haftbefehls wegen KFZ-Diebstahls unmittelbar nach seiner Ankunft am Flughafen in Moskau verhaftet. Wenige Tage später wurde ein weiterer, mit demselben Flug rücküberstellte Tschetschene in Grozny in Haft genommen und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Über beide Fälle wurde in den österreichischen Medien intensiv berichtet. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands hohe Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus, die landesweit hohe Inflation sowie das durch die Wirtschaftskrise ausgelöste Sinken der Realeinkommen. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können (ÖB Moskau 10.2015).

Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind. Solange die Konflikte im Nordkaukasus, einschließlich der Lage in Tschetschenien, nicht endgültig gelöst sind, ist davon auszugehen, dass abgeschobene Tschetschenen besondere Aufmerksamkeit durch russische Behörden erfahren. Dies gilt insbesondere für solche Personen, die sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert haben bzw. denen ein solches Engagement unterstellt wird, oder die im Verdacht stehen, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Miliz gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen ständen unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 5.1.2016).

Zahlreiche russische Staatsbürger, die sich im Ausland aufhalten, stehen in Opposition zur russischen Führung. Im Jahr 2013 hat etwa der ehemalige Schachweltmeister und Regimekritiker Garri Kasparow Russland vorerst verlassen. Der Ende 2013 nach zehnjähriger Haft amnestierte ehemalige Jukos-Eigner Michail Chodorkowskij lebt ebenfalls außerhalb Russlands. Auslieferungsersuchen der russischen Regierung in Bezug auf asylberechtigte Tschetschenen, wie z.B. den "Exilaußenminister" Achmed Sakajew, sind von der britischen Justiz abgelehnt worden. Apti Bisultanow, der ehemalige "Sozialminister" der tschetschenischen Separatistenregierung, sowie der ehemalige "Präsidentenberater" der Separatistenregierung Said-Hassan Abumuslimow leben in Deutschland. Russische Behörden werfen ihnen vor, Terrorismus zu propagieren oder zu verharmlosen. Es ist jedoch nach Kenntnis des Auswärtigen Amts zu keiner Anklageerhebung gegen diese Personen gekommen (AA 5.1.2016).

Quellen:

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Inhalt der Verwaltungs- wie Gerichtsakten zu den Verfahren auf Grund der Anträge der BF vom 28.12.2012 und ihrer Folgeanträge vom 25.08.2016.

Die Feststellungen zu den Identitäten der BF, ihrer Staatsangehörigkeit und ihrer Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben von BF1 und BF2 sowie auf die vorgelegten identitätsbezeugenden Dokumente.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der BF sowie ihrer Integration in Österreich ergeben sich aus Abfragen aus den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem), aus den in beiden Asylverfahren vorgelegten Unterlagen, ihren Angaben in beiden Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2016 sowie aus den Schriftsätzen beider Verfahren.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Hinweise auf Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen liegen nicht vor.

Dass zu den hier maßgeblichen Folgeanträgen auf internationalen Schutz keine neuen Fluchtgründe über die Bedrohung des BF1 im Herkunftsstaat vorgebracht wurden, ergibt sich aus den Angaben von BF1 und BF2 im Verfahren über die Folgeanträge vor dem Bundesamt. Schon in ihren Erstbefragungen am 25.08.2016 gaben BF1 wie BF2 übereinstimmend an, dass sich die Situation hinsichtlich der Bedrohung des BF1 im Herkunftsstaat seit Abschluss des ersten Asylverfahrens nicht verändert hätte (BF1-AS 5 und BF2-AS 5). Neu sei lediglich, dass die Tante des BF1 die BF nach Abschluss des ersten Asylverfahrens mit Erkenntnis vom 18.07.2016 (zugestellt am 20.07.2016) per Skype gewarnt habe, nicht zurückzukommen, weil nach dem BF1 gesucht werde (BF1-AS 5 und BF2-AS 5). Der BF1 führte schon in der Erstbefragung aus, er werde verfolgt, weil sein Vater gegen die Russen gekämpft hätte (BF1-AS 5).

In ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt am 20.09.2016 schilderten BF1 wie BF2, erneut die Warnung der Tante wegen einer Suche von Kadyrow-Anhängern nach dem BF1. Der BF1 gab ferner ausdrücklich an, dass es sich um dieselbe Bedrohung seiner Person handle, welche bereits Gegenstand dieses Vorbringens im abgeschlossenen Asylverfahren gewesen sei. Insbesondere verneinte der BF1 erneut ausdrücklich, dass sich an den Gründen seiner Flucht aus dem Herkunftsstaat prinzipiell etwas geändert habe (BF1-AS 33). Die BF2 gab an, dass sich ihre Fluchtgründe auf die Probleme ihres Mannes beziehen würden (BF2-AS 27).

Mit Blick auf diese Angaben geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der BF1 vorbringt, im Herkunftsstaat deswegen verfolgt zu werden, weil sein Vater früher gegen "die Russen" gekämpft hätte; dies war auch das Vorbringen zur Begründung der Bedrohung des BF1 anlässlich der ersten Anträge auf internationalen Schutz der BF vom 28.12.2012 (vgl. Pkt. I.6.1. für die Wiedergabe dieses Vorbringens). Diese Anträge wurden letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 abgewiesen, welches in Rechtskraft erwuchs. Deswegen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass zur Bedrohung des BF1 im Herkunftsstaat kein wesentlich geänderter Sachverhalt vorgebracht wird; zur Begründung des Folgeantrages wird dieselbe Bedrohung des BF1 behauptet, welche lediglich um ein weiteres Detail, nämlich die Warnung der Tante per Skype vom 12.08.2016, ergänzt wird.

Ferner wurde auch das Vorbringen der BF2, sie habe im Herkunftsstaat deswegen Übergriffe zu befürchten, weil sie nunmehr einen Hijab trage, schon im ersten Asylverfahren behauptet und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 zugrunde gelegt (vgl. Pkt. I.6.2.); deswegen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass über dieses Vorbringen bereits rechtskräftig entschieden wurde.

Schließlich wird vorgebracht, dass das Leiden des BF5 an einem Ohr einen wesentlich geänderten Sachverhalt – verglichen mit jenem der dem Erkenntnis vom 18.07.2016 zugrunde gelegt wurde – begründe. Hier geht das Bundesverwaltungsgericht deswegen davon aus, dass dieses Leiden jedenfalls schon seit dem 07.07.2014 vorhanden ist, weil der älteste vorgelegte Arztbrief mit der betreffenden Diagnose dieses Datum trägt. Ferner geht das Bundesverwaltungsgericht davon, dass die übrigen Leiden des BF5 (Tonsillenhyperplasie und Vorhautsynechie) schon wenigstens seit dem 10.12.2015 vorhanden sind, weil der betreffende Befundbericht dieses Datum trägt.

Die Feststellung, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage zur Verfügung steht, basiert auf festgestellten örtlichen Gegebenheiten zur Grundversorgung im Herkunftsstaat und dem Umstand, dass BF1 wie BF2 arbeitsfähig sind. Denn auch im Bundesgebiet haben sie - wenn auch unerlaubt oder ehrenamtlich - Arbeitsleistungen erbracht, mit welchen sie sich im Herkunftsstaat ein bescheidenes Auskommen werden sichern können. Ferner gaben beide übereinstimmend an, der BF1 habe den Lebensunterhalt der Familie im Herkunftsstaat durch Schwarzarbeit gesichert (BF1-AS 33 und BF2-AS 29).

Vor dem Hintergrund des im Herkunftsstaat der BF üblichen familiären Zusammenhaltes könnten sie weiters auch durch ihre Familien eine allenfalls notwendige Unterstützung im Falle einer Rückkehr erfahren. Auch aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich nicht der Schluss ableiten, dass den BF im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Die Feststellungen zu den Arbeitsbetätigungen der BF im Bundesgebiet ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF1 wie der BF2 sowie aus den vorgelegten Bestätigungen.

Die Feststellung, dass die BF nicht selbsterhaltungsfähig sind, ergibt sich zunächst daraus, dass sie nach wie vor Grundversorgung beziehen; selbst wenn BF1 wie BF2 die ihnen für den Fall einer Arbeitserlaubnis zugesagten Erwerbstätigkeiten aufnehmen würden, würde die Schwelle der Selbsterhaltungsfähigkeit nicht erreicht. Denn auch in Summe lassen die Einkommen aus einer Berufsbetätigung als Hausmeister im Umfang von 50% der Normalarbeitszeit und einer geringfügigen Erwerbstätigkeit als Kindermädchen nicht erwarten, das Auskommen einer sechsköpfigen Familie zu sichern. Auch konnten die BF nicht substantiiert auf Qualifikationen verweisen, welche es nahelegen würden, dass sie ohnedies leicht am österreichischen Arbeitsmarkt vermittelbar sein werden.

Die Feststellungen zur Gesundheit und den Erkrankungen der BF ergibt sich aus deren glaubhaften Angaben und den vorgelegten medizinischen Befunden.

Die Feststellung zu den deutschen Sprachkompetenzen von BF1 und BF2 ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen in beiden Asylverfahren und den Angaben von BF1 und BF2.

Die Feststellungen zu den freundschaftlichen Beziehungen von BF1 wie BF2 folgen aus ihren glaubhaften Angaben wie aus den vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen zu den deutschen Sprachkompetenzen und Schul- bzw. Kindergartenbesuch und der freundschaftlichen Beziehungen von BF3, BF4 und BF5 ergeben sich aus den glaubhaften Angaben ihrer Eltern und aus den vorgelegten Unterlagen.

Dass die BF derzeit keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen in Österreich angehören, ergibt sich aus den Angaben von BF1 und BF2 vor dem Bundesamt. Denn der BF1 gab an, mit dem Fußballspielen aufgehört zu haben; die BF2 wolle erst beim Roten Kreuz anfragen.

Die Feststellungen zu den im Herkunftsstaat ansässigen Verwandten ergeben sich aus den Angaben von BF1 und BF2 vor dem Bundesamt.

Die Feststellung, dass die BF im Bundesgebiet über keine weiteren Verwandten verfügen, ergibt sich aus den Angaben von BF1 und BF2 vor dem Bundesamt.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, insbesondere zu Tschetschenien, welche den BF im Verwaltungsverfahren zur Erledigung des Folgeantrages vorgehalten und denen trotz Gelegenheit zur Stellungnahme nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese nach wie vor aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die die BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat hat sich seit Abschluss ihres ersten Asylverfahrens also nicht wesentlich geändert.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl I 100 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles (sowie auf hier nicht interessierende Verfahren die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984) und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Zudem kann die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. Dies ist hinsichtlich Spruchpunkt I. hier der Fall.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. erscheint der Sachverhalt aus der Beschwerde in Verbindung mit den Verfahrensakten der ersten wie der zweiten Anträge auf internationalen Schutz der BF hinreichend geklärt. Die Lebensumstände der BF in Österreich wie im Herkunftsstaat sind den genannten Quellen umfassend zu entnehmen. Zudem wurde im Beschwerdeverfahren gegen die abschlägigen Entscheidungen zu den ersten Anträgen auf internationalen Schutz der BF erst am 09.06.2016 eine mündliche Verhandlung abgehalten, die umfassend protokolliert wurde und in deren Niederschrift Einblick genommen wurde. Auch die örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat sind dem Akt des Bundesamts zu den Folgeanträgen der BF aktuell und umfassend zu entnehmen. Zu ihren nunmehrigen Vorbringen wurden BF1 wie BF2 durch das Bundesamt einvernommen. Das herangezogene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 01.06.2016 wurde den BF schon im Verwaltungsverfahren vorgehalten; auch wurde ihnen Gelegenheit geboten, dazu Stellung zu nehmen.

Die angefochtenen Bescheide wurden den BF am 13.12.2016 zugestellt.

Die am 23.12.2016 beim Bundesamt per Email eingelangten Beschwerden sind mithin rechtzeitig.

Zu A)

Zu I.

3.2. Sämtliche Beschwerdeführer stellten nach den rechtskräftigen – negativen – Absprüchen über ihre ersten Anträge auf internationalen sowie jeweils erlassenen Rückkehrentscheidungen neuerlich Anträge auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt wies diese Anträge mit den angefochtenen Bescheiden wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Verfahrensgegenstand vor dem Bundesverwaltungsgericht ist sohin zunächst die Frage, ob hinsichtlich der beantragten Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und der eventualiter (vgl. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) beantragten Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorliegt.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162;

10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58;

03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

3.3. Die BF begründeten ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz damit, dass der BF1 im Herkunftsstaat Übergriffen der Behörden ausgesetzt wäre, weil sein Vater seinerzeit gegen die Russen gekämpft habe, dabei ums Leben gekommen sei und die Behörden im Haus der Familie seither Waffen vermuten oder dies zumindest vorgeben würden; auch der Cousin des BF1 sei aus diesen Gründen umgebracht worden. Diese Anträge wurden durch das Bundesverwaltungsgericht mit der wesentlichen Begründung rechtskräftig abgewiesen, dass sich in den Aussagen des BF1 und der BF2 gravierende Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten aufgetan hätten.

In den Befragungen zu ihren neuerlichen Anträgen auf internationalen Schutz gaben BF1 wie BF2 im Wesentlichen zunächst an, sich auf die im ersten Verfahren vorgebrachten Gründe der Bedrohung des BF1 im Herkunftsstaat zu stützen; es seien keine neuen Gründe hervorgekommen. Am 12.08.2016 – also nach Zustellung am 20.07.2016 des verfahrensabschließenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016– habe sie eine Tante per Skype jedoch davor gewarnt zurückzukehren, weil nach dem BF1 wieder gesucht worden sei.

Entgegen der in den Beschwerden vertretenen Auffassung behaupten die BF damit keinen neuen Sachverhalt im Sinne der dargelegten Judikatur, sondern machen lediglich denselben Fluchtgrund unter Bekräftigung des im ersten Verfahren angeführten Sachverhalts geltend. Sie ergänzen den alten Sachverhalt leidglich um den Nebenaspekt der Warnung durch die Tante vom 12.08.2016. Damit behaupten die BF bloß ein "Fortbestehen und Weiterwirken" (vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480) des schon im ersten Asylverfahren erstatteten Vorbringens und beabsichtigen im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung ihrer mit Erkenntnis vom 18.07.2016 bereits rechtskräftig entschiedenen Anträge auf internationalen Schutz (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Dasselbe trifft auf Vorbringen der BF2 zu, sie sei im Herkunftsstaat bedroht, weil sie nunmehr einen Hijab trage. Über dieses Vorbringen wurde bereits mit Erkenntnis vom 18.07.2016 – rechtskräftig – entschieden; hierin ist kein neues Vorbringen, das auf einen geänderten Sachverhalt hindeuten könnte, erkennbar.

3.4. Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Zunächst wollen die BF einen geänderten Sachverhalt aus der Einschränkung des BF5 an einem seiner Ohren ableiten. Dieses Vorbringen deutet schon deswegen nicht auf einen geänderten Sachverhalt hin, weil diese Einschränkung am Ohr den Feststellungen zufolge wenigstens schon seit dem 07.07.2014 besteht und somit aus der Zeit vor Erlassung des das erste Asylverfahren abschließenden Erkenntnisses vom 18.07.2014 stammt. Ferner leidet der BF5 leidet schon wenigstens seit dem 10.12.2015 auch unter Tonsillenhyperplasie und Vorhautsynechie, sodass auch diese Erkrankungen bei Abschluss des ersten Asylverfahrens schon vorhanden waren und keinen wesentlich geänderten Sachverhalt begründen können.

Schließlich behaupten die BF, es sei eine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten, weil bei der BF2 eine mittelgradige, depressive Episode (F32.2) diagnostiziert worden sei. Diese Diagnose wurde am 13.09.2016 – nach Abschluss des ersten Asylverfahrens – gestellt. Zunächst umschrieb die BF diese Episode in der Einvernahme vor dem Bundesamt allgemein als Angst und Sorgen. Sieht man darin das Vorbringen dieses neuen Leidens, ist dennoch nicht erkennbar, dass die Rückführung der BF – einschließlich der BF2 – in die Russische Föderation respektive Tschetschenien eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte.

Aus den Länderberichte geht klar hervor, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat, stammt diese aus dem Juli 2016 und beruhte auf aktuellem Länderdokumentationsmaterial; wesentliche Veränderungen der örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat seither sind nicht auffindbar.

Was den Gesundheitszustand der BF2 anbelangt, ist festzuhalten, dass damit keine Krankheiten vorgebracht wurde, die in der Russischen Föderation nicht behandelbar wäre. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stehen PTBS und sogar Selbstmordgefahr (EGMR 22.09.2005, Fall Kaldik, Appl. 28526) sowie schwere Depression und Selbstmordgefahr (EGMR 31.05.2005, Ovidenko, Appl. 1383/04), der Abschiebung nicht im Wege.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF2, ist davon auszugehen, dass keine nur in Österreich stillbare Behandlungsbedürftigkeit und auch keine schwere, lebensbedrohende Erkrankung gegeben ist. Wie den aktuellen Länderfeststellungen entnommen werden kann, ist die medizinische Versorgung im Herkunftsstaat grundsätzlich gewährleistet ist.

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung in die Russische Föderation dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat auch – aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist – vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809 bis 0812, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139 bis 0143).

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy).

Eine akute lebensbedrohende Krankheit der BF2, welche eine Überstellung in die Russische Föderation gemäß der dargestellten Judikatur des EGMR verbieten würde, liegt im konkreten Fall keinesfalls vor. Auch wurde nicht konkret dargelegt, dass sich ihr Gesundheitszustand im Falle einer Überstellung verschlechtern würde. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich die BF2 in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Zustand der BF2 in dem vorgelegten Befund als von Suizidgedanken und –handlungen distanziert beschrieben wird. Auch werden anlässlich einer Abschiebung der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit von der Fremdenpolizeibehörde beurteilt und gegebenenfalls werden bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt.

Durch eine Abschiebung der BF2 wird Art. 3 EMRK nicht verletzt. Hier reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was im Herkunftsstaat jedenfalls der Fall ist. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der vorgelegte Befund an sich eine medikamentöse Behandlung vorsieht und ferner ausführt, dass sich eine psychotherapeutische Behandlung anbiete. Den Länderfeststellungen zufolge sind jedenfalls medikamentöse Behandlungen im Herkunftsstaat verfügbar. Der Umstand, dass die Behandlungen im Herkunftsstaat nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweisen oder unter Umständen auch kostenintensiver sind, ist hier generell nicht relevant. Dass es an der zusätzlich zur medikamentösen Behandlung empfohlenen psychotherapeutischen Begleitung der BF2 im Herkunftsstaat mangeln kann, macht ihre Abschiebung also nicht unzulässig.

Insbesondere wegen der aus dem Länderberichtsmaterial klar hervorgehenden Behandlungsmöglichkeit der BF2 und des Umstandes, dass ihr in der ins Treffen geführten Diagnose keine Selbstmordgefahr attestiert wird, lässt auch diese Diagnose – bei inhaltlicher Erledigung des Folgeantrages der BF2 – weder die Gewährung internationalen noch subsidiären auf Grund ihres Folgeantrages erwarten. Auch die nach Abschluss des ersten Asylverfahrens bei der BF2 diagnostizierte mittelgradig depressive Episode lässt also keinen wesentlich geänderten Sachverhalt entstehen.

Es ergibt sich aus den Länderfeststellungen zur Russischen Föderation respektive Tschetschenien auch, dass - wie schon im Juli 2016 - kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführer gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte. Auch erstatten die Folgeanträge dasselbe Begehren wie schon die ersten Anträge auf internationalen Schutz. Die Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war sohin rechtmäßig, weshalb die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der jeweils angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 68 AVG abzuweisen sind.

Zu II.

3.4. Vorauszuschicken ist, dass das Bundesamt zu Recht davon ausgeht, dass auch Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 – soweit die sonstigen Voraussetzungen dafür vorliegen – mit Rückkehrentscheidungen zu verbinden sind (siehe VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt die BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der die BF Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurden. Weder haben die BF das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

3.5. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 leg.cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.5.1. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die dort genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.5.2. Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben der BF betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

3.5.2.1. Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; vgl. auch VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

3.5.2.2. Die Beziehung der BF zueinander fällt als schützenswertes Familienleben in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK. Die Rückkehrentscheidung betrifft allerdings alle Familienmitglieder. Durch die gemeinsame Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung betreffend eine Familie wird nicht in das Familienleben der Fremden eingegriffen, weil alle Familienmitglieder von derselben aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind (VwGH 18.3.2010, 2010/22/0013; 19.09.2012, 2012/22/0143; 19.12.2012, 2012/22/0221; vgl. EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99); dies gilt auch für den Fall, dass sich ein oder mehrere Familienmitglieder durch Untertauchen der Effektuierung der Rückkehrentscheidung entziehen.

Darüber hinaus führen die Beschwerdeführer kein Familienleben in Österreich; ihre Verwandten leben nicht im Bundesgebiet.

Die sämtliche BF betreffenden Rückkehrentscheidungen greifen daher nicht in ein in Österreich bestehendes Familienleben ein.

3.5.3. Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen könnten daher allenfalls lediglich in das Privatleben der Beschwerdeführer eingreifen.

3.5.3.1. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [ ] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Verwaltungsgerichtshof stellen in ihrer Rechtsprechung darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (VwGH 30.04.2009, 2009/21/086; VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721, und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch kann in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, – je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse – variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, Solomon v. Niederlande, Appl. 44328/98; EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99; EGMR 22.04.2004, Radovanovic v. Österreich, Appl. 42703/98; EGMR 31.01.2006, da Silva und Hoogkamer

  1. v. Niederlande, Appl. 50435/99; EGMR 31.07.2008, Darren Omoregie ua
  2. v. Norwegen, Appl. 265/07).

3.5.3.2. Im vorliegenden Fall halten sich die BF seit ihrer ersten Asylantragstellung am 28.12.2012 – mithin insgesamt etwa vier Jahre – im Bundesgebiet auf; die BF6 wurde erst im Bundesgebiet geboren.

Die BF sind nach Österreich eingereist und stellten in weiterer Folge ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz, die sich mit dem – rechtskräftigen – Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 als unberechtigt erwiesen haben.

Danach stellten die BF am 25.08.2016 die hier maßgeblichen Folgeanträge. Sie verfügten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in ihren Asylverfahren.

Obwohl im Verfahren über die ersten Anträge auf internationalen Schutz die Bescheide des Bundesamts einmal gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG behoben und die Sachen zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückverwiesen wurden, übersteigt die Verfahrensdauer zudem nicht jenes Maß, das für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.)

Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die BF ihren Aufenthalt in Österreich nur dadurch rechtmäßig weiter verlängern konnten, indem sie der aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 folgenden Verpflichtung zur Ausreise nicht nachkamen und die hier maßgeblichen Folgeanträge stellten, welche – mangels wesentlicher Sachverhaltsänderungen – wegen entschiedener Sache zurückzuweisen waren. Insofern kann der Dauer des Aufenthalts der BF – isoliert betrachtet – keine hervorgehobene Bedeutung für einen Verbleib der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zugemessen werden.

Dass der BF1 wie die BF2 strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253). Für die Freiheit von verwaltungsbehördlichen Bestrafungen gilt dasselbe.

Die BF verfügen nach wie vor über starke Bindungen zum Herkunftsstaat: So halten sich insbesondere die Tante, Großmutter und Mutter des BF1 sowie die Eltern und Geschwister der BF2 in Herkunftsstaat auf. Zu beiden Familien halten die BF Kontakt. Diese Angehörigen leben zudem noch konkret in Tschetschenien. BF1 wie BF2 haben vor ihrer Flucht dort gelebt. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der BF1 und die BF2 nach vierjähriger Abwesenheit vom Herkunftsstaat in die dortige Gesellschaft problemlos wieder eingliedern können werden.

In der hier vorgenommenen Interessenabwägung ist zugunsten der Beschwerdeführer jedenfalls zu berücksichtigen, dass sich der BF1 und die BF2 in der Zeit ihres Aufenthalts im Bundesgebiet um ihre Integration in Österreich bemüht zeigten. Dies äußert sich zunächst in ihrem Bemühen um das Erlernen der deutschen Sprache, welches zu für grundlegende Alltagsverrichtungen ausreichenden Deutschkenntnissen des BF1 und insbesondere der BF2 führte. Ebenso ist hervorzuheben, dass die BF im sozialen Umfeld ihrer Wohnsitzgemeinde Freundschaften geschlossen und sich mehrere Bekannte mittels Unterstützungserklärungen für einen Verbleib der Familie ausgesprochen haben. Besonders positiv fällt zugunsten der BF2 ihre ehrenamtliche Arbeit für die Wohnsitzgemeinde ins Gewicht. Der BF1 geht einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nach.

Allerdings ist relativierend festzuhalten, dass der Zeitraum des Aufenthalts der Beschwerdeführer, in dem sie die angeführten Integrationsschritte setzten, mit etwa vier Jahren als nicht auffällig lang zu bewerten ist. Für diesen Zeitraum haben die Beschwerdeführer zwar gute, jedoch nicht solch außergewöhnliche Integrationsleistungen erbracht, die in Anbetracht der relativ kurzen Zeit ihres Aufenthalts im Bundesgebiet für ihren Verbleib in Österreich ausschlagen würden. So besuchten der BF1 und die BF2 zwar Deutschkurse, nahmen aber darüber hinaus keine Bildungsmaßnahmen in Anspruch. Die sozialen Bindungen in Österreich, insbesondere die Freundschaften des BF1 und der BF2, wurden zu Zeitpunkten eingegangen, in denen sie sich ihres unsicheren Aufenthaltes im Bundesgebiet bewusst sein mussten. Zudem sind sie – wie festgestellt – nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner ist zu berücksichtigen, dass – wie gezeigt – die BF ihren Aufenthalt im Bundesgebiet seit Abschluss des ersten Asylverfahrens im Juli 2016 nur durch die Stellung der Folgeanträge rechtmäßig verlängern konnten. Auch während dieser Zeit haben BF1 wie BF2 intensive Integrationsanstrengungen unternommen, berichten doch die vorgelegten Bestätigungen davon, dass beide den Kurs "Deutsch für Asylwerbende"– Niveau A1/1 von 12.07.2016 bis 20.09.2016 im Umfang von 36 Unterrichtseinheiten regelmäßig besucht hätten. Insbesondere die seit Abschluss des ersten Asylverfahrens gesetzten Integrationsleistungen erscheinen jedoch in ihrem Gewicht für die hier anzustellende Interessenabwägung besonders relativiert, weil BF1 wie BF2 während dieser Zeit nur auf Grund eines Folgeantrages in Österreich rechtmäßig verbleiben konnten und sich der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus besonders bewusst sein mussten (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0004 sowie etwa VfSlg. 18.224/2007 und 19.086/2010).

Selbst aus den vorgelegten Einstellungszusagen potentieller zukünftiger Arbeitgeber lässt sich ferner nicht ein bereits erreichter Grad an Integration in wirtschaftlicher Hinsicht ableiten, sondern bloß die noch ungewisse Möglichkeit deren künftigen Eintretens. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323, mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612, und 29.06.2010, 2010/18/0195, jeweils mwN). In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht entscheidungswesentlich darauf an, ob den BF ein "Vorwurf" im Hinblick auf eine unterlassene Integration am Arbeitsmarkt zu machen ist, sondern darum, ob sie ihnen objektiv gelungen ist oder nicht (vgl. VwGH 19.04.2012, 2010/21/0242). Zudem würde selbst der Antritt der BF1 wie BF2 zugesagten Arbeitsplätze die Selbsterhaltungsfähigkeit der Familie nicht herstellen.

Soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (vgl. EGMR 18.10.2006, Üner, Appl. 46.410/99, Z 58; 6.7.2010, Neulinger ua., Appl. 1615/07, Z 146). Maßgebliche Bedeutung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dabei den Fragen beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen und insbesondere ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter ("adaptable age"; vgl. EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie ua., Appl. 265/07, Z 66; EGMR 17.2.2009, Onur, Appl. 27.319/07, Z 60; 24.11.2009, Omojudi, Appl. 1820/08, Z 46; siehe dazu auch VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219) befinden.

Der BF3 besucht die Volksschule in Österreich, ist dort sehr gut integriert, unterhält freundschaftliche Beziehungen in Österreich und spricht sehr gut Deutsch. Die BF4 wie der BF5 besuchen den Kindergarten in Österreich. Sie sprechen gut Deutsch und unterhalten freundschaftliche Beziehungen in Österreich. Die BF6 wurde im Bundesgebiet geboren und wird zu Hause betreut. Speziell den Interessen des BF3 kommt vor diesem Hintergrund schweres Gewicht zu:

Neben der genannten tiefgreifenden Integration – die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht dadurch gemindert wird, dass der BF3 sie im Zuge der ihn treffenden Schulpflicht erwarb – hat er einen großen Teil seiner bewusst verbrachten Lebenszeit in Österreich zugebracht. Anders als bei seinen Eltern ist bei ihm auch nicht von einem Bewusstsein seines unsicheren Aufenthaltsstatus bei Eingehen seiner sozialen Bindungen im Bundesgebiet auszugehen, weil einem Kind in seinem Alter eine Ahnung über staatliche Aufenthalts- und Einreisenormen nicht unterstellt werden kann und vernünftigerweise auch nicht davon auszugehen ist, dass ihm dies seitens der Eltern während der Zeit im Aufenthaltsstaat laufend bewusst gemacht wird (vgl. auch VfSlg. 19.086/2010, 19.357/2011, 19.612/2011, 19.752/2013).

Dennoch ist festzuhalten, dass sich der Drittbeschwerdeführer in einem anpassungsfähigen Alter nach der o.a. Judikatur befindet. Trotz seiner schulischen Integration sowie seiner Freundschaften und Sprachkenntnisse stellen der BF1 und die BF2 als seine Eltern nach wie vor seine wichtigsten Bezugspersonen dar. Für seine Existenz müssen die Eltern im Herkunftsstaat ebenso Sorge tragen wie in Österreich. In Anbetracht seines Alters und erscheint die Annahme gerechtfertigt, der BF3 werde sich im Rahmen des gewohnten familiären Umfeldes an die neuen Gegebenheiten in seinem Herkunftsstaat anpassen können (VwGH 26.1.2012, 2010/21/0124; 29.2.2012, 2009/21/0251), zumal – entsprechend der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erkenntnis vom 18.07.2016 – davon auszugehen ist, dass er auch die dortige Landessprache beherrscht, weil mit Blick auf die - auch in der damals vorangegangen mündlichen Verhandlung vom 09.06.2016 wahrgenommenen Sprachkenntnisse von BF1 und BF2 nicht davon auszugehen ist, dass seine Eltern auf nur auf Deutsch mit ihm umgehen.

Für die fünfjährige BF4 gilt letztlich dasselbe.

Der vierjährige BF5 und die zweijährige BF6 befinden sich ebenso in einem Alter, in dem die Eltern ihre wichtigsten Bezugspersonen darstellen. Zudem hat ihre Sozialisation eben erst begonnen oder beginnt erst. Jedenfalls kann diese nicht als dermaßen fortgeschritten angesehen werden, dass sie nicht auch in ihrem Herkunftsstaat fortgesetzt werden könnte, zumal sie im Heimatland weiterhin in Obsorge ihrer Eltern sein werden (zur Sozialisation von Kindern etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres vgl. VwSlg. 14972 A/1998 und VwGH 19.01.2006, 2005/21/0297).

Das Bundesverwaltungsgericht vermag somit keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der BF in ihren Herkunftsstaat zu erkennen. Insbesondere führt der oben angestellte Vergleich zwischen Lebensverhältnissen der BF in Österreich mit jenen in der Russischen Föderation, genauer Tschetschenien, zu dem Schluss, dass die erwachsenen BF in ihrem Herkunftsstaat über weit mehr familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfügen, als dies in Österreich der Fall ist. Die Existenz der minderjährigen BF ist durch ihre Familie gesichert.

Das Interesse der erwachsenen Beschwerdeführer an der Aufrechterhaltung ihrer privaten Kontakte in Österreich ist – wie bereits ausgeführt – dadurch geschwächt, dass sie sich bei allen Integrationsschritten ihres unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit ihrer Integrationsschritte bewusst sein mussten: Die BF durften sich hier bisher nur auf Grund ihrer Anträge auf internationalen Schutz aufhalten, die zu keinem Zeitpunkt berechtigt waren (vgl. zB VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, Nnyanzi, Appl. 21.878/06,). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

Festzuhalten ist auch, dass es den Beschwerdeführern bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG auch nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861).

3.5.3.3. Den privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall nach den unter Pkt. II. 3.5.3.2. dargelegten Erwägungen schwerer als die Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordneten Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

3.5.4. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher ebenfalls nicht geboten.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und den Beschwerdeführern kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang gegeben.

3.6. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

3.6.1. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde für die Gefährdung des BF1, weil sein Vater gegen "die Russen" gekämpft hätte wie für jene der BF2, weil sie nunmehr einen Hijab trage, bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 rechtskräftig verneint. Weitere einschlägige Vorbringen wurden nicht erstattet; die Länderfeststellungen lassen nicht auf solche Bedrohungen schließen.

Auch den zitierten und den BF schon vom Bundesamt vorgehaltenen Länderfeststellungen zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation (insbesondere Tschetschenien), welche der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge auch im vorliegenden Fall zu beachten sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 24.05.2016, Ra 2016/21/0101), ist keine sie treffende Situation im angeführten Sinne zu entnehmen.

Zu den vorgebrachten Erkrankungen ist unter Verweis auf die aktuellen Länderfeststellungen auszuführen, dass eine flächendeckende medizinische Grundversorgung in der Russischen Föderation gewährleistet ist.

Insbesondere bestehen für die psychischen Beeinträchtigungen der BF2 entsprechende Behandlungsmöglichkeiten (vgl. das Kapitel zu "Behandlungsmöglichkeiten von psychiatrischen Krankheiten" der Länderfeststellungen); abgesehen davon weisen ihre gesundheitlichen Probleme derzeit nicht jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung erscheinen ließen. Denn im beigebrachten Befund wird eine gegenwärtige Gefahr des Suizids verneint (siehe dazu schon Pkt. II.1.1. und II.2.1.)

Auch weisen die Erkrankungen des BF5 (Tonsillenhyperplasie, Vorhautsynechie, Ohrmuscheldysplasie mit GG-Atresie links) nicht jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung erscheinen ließen. Keines der genannten Leiden ist lebensbedrohlich und grundlegende Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat sind vorhanden (vgl. das Kapitel "Medizinische Versorgung" der Länderfeststellungen)

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK eine Überstellung in die Russische Föderation dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation einträte.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat auch – aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist – vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809 bis 0812, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139 bis 0143).

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, Al-Zawatia, Appl. 50068/08; EGMR 27.05.2008, N./Vereinigtes Königreich, Appl. 26565/05, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, Goncharova & Alekseytsev, Appl. 31246/06; EGMR 07.11.2006, Ayegh, Appl. 4701/05; EGMR 04.07.2006, Karim, Appl. 24171/05; EGMR 10.11.2005, Paramsothy, Appl. 14492/03).

Eine akute lebensbedrohende Krankheit, welche eine Überstellung in die Russische Föderation gemäß der dargestellten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte verbieten würde, liegt weder bei der BF2 noch beim BF5 im konkreten Fall nicht vor. Auch wurde nicht konkret dargelegt, dass sich der Gesundheitszustand der BF2 im Falle einer Überstellung verschlechtern würde. Außerdem sind grundlegende Behandlungsmöglichkeiten für allfällige psychische Beeinträchtigungen nach Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in der Russischen Föderation gegeben. Abgesehen davon werden von der Fremdenpolizeibehörde anlässlich einer Abschiebung auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit der Betroffenen beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.

Auch der Hinweis in der Beschwerde, dass sich die Familie die künftig notwendige Operation des BF5 zur Herstellung des Hörsinnes am betroffenen Ohr nicht würde leisten können, führt nach der wiedergegebenen Judikatur nicht dazu, dass seine Abschiebung Art. 3 EMRK widersprechen würde.

Durch eine Abschiebung von BF1 wie BF2 wird Art. 3 EMRK somit nicht verletzt, zumal es ausreicht, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Zielland der Abschiebung verfügbar sind, was im Herkunftsstaat jedenfalls der Fall ist. Dass die Behandlung im Herkunftsstaat nicht den gleichen Standard wie in Österreich aufweist oder unter Umständen auch kostenintensiver ist, ist nicht relevant.

Die übrigen BF sind ohnedies gesund.

Behauptet die Beschwerde, der BF1 würde im Falle seiner Rückkehr mit Hilfe eines Heimreisezertifikates unmenschlichen Haftbedingungen im Herkunftsstaat ausgesetzt, wird damit kein Widerspruch seiner Abschiebung zu Art. 3 EMRK aufgezeigt. Denn dieses Vorbringen setzt ein Interesse des Herkunftsstaates (oder der sonstigen tschetschenischen Obrigkeit) voraus, den BF1 in Haft zu nehmen. Zunächst wurde seine Behauptung, diese Obrigkeiten würden ein Interesse wegen seines Vaters oder vermuteter Waffenverstecke an ihm haben, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 rechtskräftig als nicht glaubhaft qualifiziert. Ferner ist den Länderfeststellungen keinesfalls zu entnehmen, dass Rückkehrer schon deswegen damit zu rechnen hätten, in Haft genommen zu werden, weil sie ausreisten, sich ins Ausland begaben und dort Asylanträge stellten; auch haben Rückkehrer den Länderfeststellungen auch sonst keine maßgeblichen Repressionen zu erwarten.

Schließlich wurde festgestellt, dass die BF im Herkunftsstaat nicht in eine ausweglose Lage geraten und in der Lage sein werden, mit Blick auf die Erwerbsfähigkeit von BF1 und BF2 wie ihr dort vorhandenes familiäres Netzwerk ihr Auskommen zu sichern.

Durch eine Abschiebung der BF wird Art. 3 EMRK somit nicht verletzt; auch sonst sind keine Hinweise hervorgekommen, die Gegenteiliges nahelegen würden.

Auch lassen die Länderfeststellungen den Schluss nicht zu, dass die Sicherheitslage im Herkunftsstaat allgemein und in Tschetschenien im Besonderen dergestalt wäre, dass jedermann mit vor dem Hintergrund von Art. 2 und 3 EMRK maßgeblichen Übergriffen zu rechnen hätte. Ferner ist die Versorgungslage im Herkunftsstaat an sich gewährleistet.

3.6.2. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestünde eine innerstaatliche Fluchtalternative. Dies entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.07.2016 aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin rechtskräftig verneint. Maßgebliche Änderungen des Sachverhalts haben sich – weder in der Person der BF noch in der allgemeinen Lage in der Russischen Föderation bzw. Tschetschenien – ergeben.

3.6.3. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für die Russische Föderation nicht.

3.6.4. Die Abschiebung der BF in die Russische Föderation ist daher zulässig.

3.7. Ebenso rechtmäßig ging das Bundesamt davon aus, dass bei Zurückweisung der Anträge auf internationalen Schutz vom 25.08.2016 gemäß § 55 Abs 1a FPG 2005 keine Frist für die freiwillige Ausreise der BF festzusetzen war.

3.8. Somit waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der jeweils angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 50 und § 55 Abs. 1a FPG als unbegründet abzuweisen.

3.9. Bei diesem Ergebnis innerhalb der für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgesehenen Frist erübrigte es sich, über die Anträge der BF abzusprechen, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben (siehe insbesondere VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082, wonach auch Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 mit Rückkehrentscheidungen zu verbinden seien.). Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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