BVwG W151 2123118-1

BVwGW151 2123118-121.4.2016

AsylG 2005 §3
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8 Abs1
AsylG 2005 §3
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W151.2123118.1.00

 

Spruch:

W151 2123118-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Säumnisbeschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Peter Michael Wolf, Bahnhofplatz 6, 2340 Mödling, am 15.12.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht, im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 11.05.2015 gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Zl.: XXXX) zu Recht erkannt:

A) Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 8 Abs. 1 letzter Fall des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 und BGBl. I Nr. 82/2015, abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2014, zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 11.05.2015 stellte XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) im Rahmen einer Erstbefragung bei der LPD Burgenland einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem dieser rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist waren, er wurde am 18.05.2015 zum Verfahren zugelassen.

Am 15.12.2015 langte beim Bundesamt eine Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers ein, die im Wesentlichen darauf rekurrierte, dass die Entscheidungsfrist abgelaufen sei. Daher wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgebung der Beschwerde eine mündliche Verhandlung durchführen und in der Sache selbst erkennen.

Am 16.03.2016 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorlage des Bundesamts ein und wurde mitgeteilt, dass eine Erledigung der Rechtssache innerhalb der Frist nicht möglich sei.

Nach einer Befassung des Bundesamtes am 22.03.2016 wurde von diesem eine Stellungnahme vorgelegt und vom Bundesverwaltungsgericht amtswegig die Asylstatistiken 2014 und 2015 und Jänner 2016 eingeholt. Die Stellungnahme erfolgt am 23.03.2016.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.03.2016 wurde diese Stellungnahme und die Asylstatistiken der Verfahrenspartei zur Kenntnis gebracht und eine Stellungnahmemöglichkeit von zwei Wochen eingeräumt.

Nach zweimaliger Fristerstreckung langte am 20.04.2016 die Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, welche im Volltext wiedergegeben wird:

"Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge BF) stellte am 11.05.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag wurde der BF zu seinem Antrag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt; danach wurden von der belangten Behörde keine weiteren Verfahrensschritte durchgeführt. Da die belangte Behörde innerhalb von 6 Monaten nach Antragstellung keinen Bescheid erlassen hatte, verletze sie ihre Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG und brachte infolgedessen der BF durch seinen Vertreter am 15.12.2015 per Schriftsatz eine Säumnisbeschwerde ein. Ohne weiters wurde dann der gegenständliche Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht begann in weiterer Folge mit der Einleitung des Beweisverfahrens zur Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde. Mit Beschluss vom 22.03.2016 wurde der belangten Behörde aufgetragen, zur Verletzung der Entscheidungspflicht Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme vom 23.03.2016 brachte die belangte Behörde im Wesentlichen vor, dass eine Erledigung der Verfahren in der gesetzlich vorgesehenen Frist auf Grund einer außergewöhnlichen Arbeitsbelastung, hervorgerufen durch die explosionsartige Antragsentwicklung, nicht möglich gewesen war. Zum Beweis dafür wurden die Antragsstatistiken der Jahre 2014 und 2015 sowie die Antragsstatistik für den Monat Jänner 2016 vorgelegt; danach wurden 28.064 (+60,3% gegenüber Vorjahr), 88.912 (+ 212,50%) respektive 5.956 (+ 41,07% gegenüber dem Vorjahresmonat) Anträge gestellt. Darüber hinaus wurden auch die organisatorischen Bemühungen der belangten Behörde zur Bewältigung der gestiegenen Antragszahlen hervorgehoben. So wuchs der Personalstand von 555 Mitarbeitern (Stand 01.01.2014) auf 689 Mitarbeiter Ende 2014 (+ 24,1%) und weiter auf 895 Mitarbeiter (inkl. Verwaltungspraktikanten, Lehrlinge und Zivildiener) Ende 2015 (+29,8%). Laut Auskunft der belangten Behörde ist für das Jahr 2016 die Aufnahme von 500 weiteren Mitarbeitern geplant, aber noch nicht beschlossen. Wenn man nun die Entwicklung der Antragszahlen mit der Entwicklung der des Mitarbeiterstandes vergleicht, ist augenfällig, dass beide Entwicklungen eklatant ungleichmäßig verlaufen sind; die Antragszahlen haben sich gegenüber dem Mitarbeiterstand viel schneller erhöht. Wenn man nun aber auch bedenkt, dass im Personalstand auch Mitarbeiter wie Verwaltungspraktikanten, Lehrlinge und Zivildiener, die allesamt keine Verfahrensentscheider sind, inkludiert sind, viele Mitarbeiter auf Grund von Schulungen als Entscheider gar nicht zur Verfügung gestanden haben - in den Jahren 2014 und 2015 wurden 146 Schulungen bzw. Fortbildungsveranstaltungen mit 2.022 Teilnehmern und 3.355 Ausbildungstagen durchgeführt - und neu aufgenommene Mitarbeiter erst nach mehrmonatiger Einschulungsphase als Entscheider zur Verfügung stehen können, fällt die Diskrepanz zwischen dem Anstieg der Antragszahlen und dem des Mitarbeiterstandes noch viel größer und erschreckender aus. Hinzu kommt auch noch, dass die belangte Behörde, wie sie in ihrer Stellungnahme vorgibt, auch nicht vom Massenansturm der Antragsteller völlig überrascht sein konnte. Es gab im Vorfeld zahlreiche Berichte, die einen bevorstehenden Massenansturm, vor allem von Flüchtlingen aus dem (ehemaligen) Syrien angekündigt haben; dieses Wissen ist notorisch! Seit 2011 wird regelmäßig über den Krieg in Syrien und die Millionen Vertriebenen berichtetet. Demnach sei klar gewesen, dass ein Großteil dieser Menschen auch nach Österreich kommen werde. Doch die Behörden in Österreich haben versucht, den Kopf in den Sand zu stecken. Spätestens im September 2014 ist dann für jedermann ersichtlich gewesen, dass der Massenansturm auch in Österreich angekommen ist (siehe Asylstatistik 2014). Abschließend ist daher festzuhalten, dass sich die organisatorischen Bemühungen der belangten Behörde als völlig unzureichend und untauglich herausgestellt haben, und daher das alleinige Verschulden, oder zumindest das überwiegende Verschulden an der Verletzung der 6-monatigen Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG eindeutig bei der belangten Behörde festzumachen ist.

Es wird daher der Antrag gestellt, festzustellen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl das alleinige, oder zumindest das überwiegende Verschulden an der Verletzung der Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 1 AVG trifft und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu beauftragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen zu erlassen."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die beschwerdeführende Partei hat am 11.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde am 18.05.2015 zum Asylverfahren zugelassen.

Die beschwerdeführende Partei hat am 15.12.2015 eine Säumnisbeschwerde eingebracht, der oben genannte Antrag der beschwerdeführenden Partei war bis zu diesem Zeitpunkt nicht erledigt.

Die Verzögerung in der Erledigung des Antrages ist nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, sondern auf vom Bundesamt unbeeinflussbare und unüberwindliche Hindernisse zurückzuführen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich der Stellung und Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz sowie der Stellung der Säumnisbeschwerde und Nichterledigung des Antrages auf internationalen Schutz zum Zeitpunkt der Stellung der Säumnisbeschwerde ergibt sich aus der Aktenlage.

Einleitend ist zu bemerken, dass das Bundesamt neben seiner behördlichen Funktion im Asyl- und Fremdenpolizeiverfahren auch Behörde nach dem Bundesgesetz, mit dem die Grundversorgung von Asylwerbern im Zulassungsverfahren und bestimmten anderen Fremden geregelt wird, BGBl. Nr. 405/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 ist.

Es stellt sich in den vorliegenden Fällen die Tatsachenfrage, ob das Bundesamt ein überwiegendes Verschulden an den objektiv festzustellenden Verfahrensverzögerungen trifft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein überwiegendes Verschulden der Behörde etwa dann vor, wenn diese die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (VwGH E vom 18.12.2014, 2012/07/0087), wenn behördeninterne Besprechungen über Sachverhalte außerhalb des Verfahrensinhaltes abgehalten werden (VwGH E vom 28.05.2014, 2013/07/0282), wenn die Behörde erst nach Verstreichen von mehr als zwei Drittel der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungspflicht erstmals zielführende Verfahrensschritte setzt (VwGH E vom 06.07.2010, 2009/05/0306).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Behörde kein überwiegendes Verschulden vorzuwerfen, wenn sie bemüht war, das Verfahren zügig zu betreiben, insbesondere nicht grundlos zugewartet, sondern etwa durchgehend mit den Sachverständigen und der beschwerdeführenden Partei in Kontakt ist, auf die Dringlichkeit des Verfahrens hinweist und Stellungnahmen urgiert, organisatorische Vorkehrungen für die Abwicklung dieses Verfahrens trifft, indem sie konkrete Aufträge an die Amtssachverständigen zur Erstellung von für die Entscheidung notwendigen Stellungnahmen erteilt und mit den Sachverständigen sachlich begründete Termine vereinbart (VwGH E vom 18.12.2014, 2012/07/0087).

Der Begriff des behördlichen Verschuldens nach § 73 Abs. 2 AVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs also objektiv zu verstehen (siehe auch: VwGH E vom 18.1.2005, 2004/05/0120). Ein solches Verschulden ist dann anzunehmen, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde. Zur Feststellung, ob ein überwiegendes behördliches Verschulden vorliegt, ist das Verschulden der Partei an der Verzögerung des Verfahrens gegen jenes der Behörde abzuwägen (VwGH E vom 31.1.2005, 2004/10/0218, E vom 26.09.2011, 2009/10/0266). Mit anderen Worten: Die Unmöglichkeit, über den Antrag spätestens sechs Monate nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen, ist in allen jenen Fällen ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, in denen sie weder durch ein Verschulden der Partei noch durch ein unüberwindliches Hindernis daran gehindert war, die Beweise rasch aufzunehmen und der Partei ohne unnötigen Aufschub Gelegenheit zu geben, das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen (VwGH E vom 12.10.1983, 82/09/0151)

Grundsätzlich ist festzustellen, dass im Normalfall eine zu geringe personelle Besetzung einer Behörde gewöhnlich das Verschulden an der Verzögerung in der Verfahrensführung nicht ausschließt.

Zur Frage der "unüberwindlichen Hindernisse" hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Umstand allein, dass es sich um eine komplexe Materie handelt, nicht ausreicht, um vom Vorliegen eines unüberwindlichen Hindernisses auszugehen (VwGH E vom 18.12.2014, 2012/07/0087); ebenso wenig stellt ein Zuwarten, ob eine Einigung hinsichtlich der Kostentragung unter den in Frage kommenden Kostenträgern - auch bei immer wieder stattfindenden Verhandlungen hierüber - erzielt wird, kein unüberwindliches Hindernis dar (VwGH E vom 21.10.2010, 2007/10/0096). Auch die Tatsache, dass Sachverständigengutachten und Ermittlungsergebnisse erst nach längerer Zeit abgeliefert werden, ist für sich allein nicht geeignet, das Vorliegen eines unüberwindbaren Hindernisses zu begründen. Es ist Aufgabe der Behörde, mit Sachverständigen und anderen in das Verfahren Involvierten sachlich begründete Termine zu vereinbaren, deren Einhaltung zu überwachen und bei Nichteinhaltung entsprechende Schritte zu setzen (VwGH E vom 21.09.2007, 2006/05/0145).

Aus den den Parteien vorgelegten Beweismittel ergibt sich:

In Österreich ist es auf Grund der erheblich erhöhten Antragszahlen im Bereich des Asylrechts - im Jahr 2013 haben 17.503, im Jahr 2014 haben 28.064 Fremde in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, im Jahr 2015 waren es bis Ende November 81.127, das sind um 240,00 % mehr als im Jahr 2014, das selbst um 60,3 % mehr Anträge als das Jahr 2013 gesehen hat - zu einer erheblichen Mehrbelastung des Bundesamtes gekommen; diese Mehrbelastung hat zu erheblichen - auch in anderen Verfahren zu beobachtenden - Verzögerungen geführt.

Wie aus der Asylstatistik Dezember 2015, Seite 5, ersichtlich, kommt es seit 2012 zu einer erheblichen Steigerung der Asylantragszahlen; das Bundesamt hatte bereits im Jahr 2014 27.163 asylrechtliche und sonstige, rechtskräftige Entscheidungen getroffen; dieses Entscheidungsvolumen ist im Hinblick auf die Antragszahlen vor der Einrichtung des Bundesamtes mit 01.01.2014 nachvollziehbar und hinreichend. Auch kam es durch das Bundesamt bereits zu Beginn der 2. Jahreshälfte 2014 zur Beantragung einer Personalaufstockung und wurden noch 2014 erste Personalerweiterungsmaßnahmen gesetzt. Trotz einer über den Berechnungen liegenden Anzahl an Statusentscheidungen im Jahr 2014 (18.200 statt 15.700) baute sich allerdings schon 2014 ein Rückstau von 12.000 Asylverfahren auf; da sich die Antragszahlen 2015 weiter erhöhten, wurde ein weiterer Antrag auf Personalaufstockung gestellt und werden dem Bundesamt ab 2016 weitere 125 Planstellen zugewiesen sowie 75 Arbeitsplätze eingerichtet. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass in einem so sensiblen Bereich wie dem Fremden- und Asylwesen nicht ungeschulte Mitarbeiter einsetzbar sind bzw. die eingesetzten Mitarbeiter einer besonderen Schulung bedürfen, sodass etwa auch von anderen Behörden übernommene Mitarbeiter erst nach intensiven Schulungen einsetzbar sind; immerhin ist das Fremden- und Asylwesen eine erheblich eingriffsintenive und menschenrechtsrelevante Materie.

Dem Vorbringen des BF, wonach die Behörde unzureichende organisatorische Maßnahmen getroffen habe und daher ein Verschulden an der Verzögerung vorliege, kann daher nicht gefolgt werden. Eine Beendigung der Verfahren war aufgrund der von der Behörde dargelegten Umstände nicht möglich.

Aus einer Zusammenschau der - in dieser Höhe nicht zu erwartenden - Steigerung der Asylantragszahlen sowie der nachvollziehbaren und an die bisherige Situation hinreichend angepassten Organisation des Bundesamtes ist zu schließen, dass die bereits seit 2012 ansteigenden Antragszahlen und der etwa seit September 2014 im Wesentlichen andauernde, erhebliche Zustrom von Asylwerbern, die das Bundesamt nicht nur administrativ zu betreuen hat und hatte, sondern auch im Rahmen der Grundversorgung unterzubringen hat, ein unbeeinflussbares und unüberwindliches Hindernis darstellt, dass die Sachverhaltsfeststellungen in einer Anzahl von Verfahren verhindert hat. Das Bundesamt trifft daher an der Verzögerung der Erledigung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz kein überwiegendes Verschulden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2014 (in Folge: B-VG), erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 1. Satz B-VG erkennt das Bundesverwaltungsgericht - soweit sich aus Abs. 3, der die hier nicht relevante Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes regelt - nicht anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Die beschwerdeführende Partei hat am 15.12.2015 in einem Verfahren nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 (in Folge: AsylG), Säumnisbeschwerde gestellt, über diese Beschwerde wird nach dem eben Ausgeführtem - Verfahren nach dem AsylG werden durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als in unmittelbarer Bundesvollziehung tätig werdende Bundesbehörde vollzogen - das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden haben.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist; eine solche Senatszuständigkeit ist in den hier einschlägigen Materiengesetzen nicht vorgesehen, daher besteht Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 und BGBl. I Nr. 82/2015 (in Folge: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Angelegenheiten des AsylG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013 (in Folge: AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

2. Gemäß § 73 Abs. 1 1. Satz 1. Fall AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Da auch in den einschlägigen verfahrensrechtlichen Bestimmungen - weder das AsylG noch das Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 und BGBl. I Nr. 84/2015 (in Folge: BFA-VG), kennen in Bezug auf eine Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz wie im gegenständlichen Verfahren ("Normalverfahren") Sonderfristen - keine andere hier anzuwendende Entscheidungsfrist vorzufinden ist, ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verpflichtet, in einem durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleiteten Verfahren binnen sechs Monate nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen; gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung - hier dem Antrag auf internationalen Schutz - bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Diese Frist ist im gegenständlichen Verfahren abgelaufen und die Säumnisbeschwerde daher zulässig.

Allerdings ist die Beschwerde gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im vorliegenden Fall trifft das Bundesamt, das im Übrigen auch Verfahrensschritte gesetzt hat, kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung, diese ist im Wesentlichen auf unbeeinflussbare und unüberwindbare Hindernisse zurückzuführen.

Daher ist die Säumnisbeschwerde abzuweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Frage, ob die Behörde in einem konkreten Fall ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Verfahrenserledigung im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG trifft, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 133 Abs. 4 B-VG betrifft (VwGH B vom 22.01.2015, Ra 2014/06/0057), jedoch erscheint die Frage, ob eine Massenfluchtbewegung für das Bundesamt eine Grundlage darstellt, davon auszugehen, dass dieses kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Verfahrenserledigung trifft, eine größere Anzahl von Verfahren zu betreffen. Da hiezu eine Rechtsprechung nicht aufzufinden war, erachtet das Bundesverwaltungsgericht die Revision für zulässig.

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