VwGH 2007/10/0096

VwGH2007/10/009621.10.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der S Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Johannes Liebmann, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Gartengasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 10. April 2007, Zl. FA11A-32.1-193/06-4, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §73 Abs2 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 3. Mai 2005 erfolgte eine "anonyme Geburt" eines Säuglings im Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz.

Die beschwerdeführende Partei stellte am 19. Juli 2005 einen Antrag auf Spitalskostenrückersatz beim Magistrat Graz betreffend die Kosten des stationären Aufenthaltes des Säuglings im Zeitraum vom 3. Mai bis zum 15. Juni 2005.

Am 28. September 2006 beantragte die beschwerdeführende Partei den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Steiermärkische Landesregierung, weil der Bescheid bis zu diesem Zeitpunkt nicht erlassen worden war.

Diesen Antrag wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend wurde ausgeführt, zur Problematik der Übernahme der zusätzlichen Kosten bei langen stationären Aufenthalten der Neugeborenen anonymer Geburten aus medizinischen Gründen habe es mehrere Gespräche und "runde Tische" mit Vertretern der Steiermärkischen Landesregierung, der beschwerdeführenden Partei und der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gegeben, doch habe bis dato diesbezüglich keine Regelung bzw. Vereinbarung getroffen werden können. Der Magistrat Graz habe zugewartet, ob es eventuell zu einer Einigung über die Kostenübernahme zwischen Jugendwohlfahrtsträger, Steiermärkischer Gebietskrankenkasse und dem Träger der Krankenanstalt komme, weil gemäß der seinerzeitigen Vereinbarung im Jahr 2001 die Fachabteilung 6A der Steiermärkischen Landesregierung die Kostenübernahme für den Aufenthalt der Mütter und Neugeborenen aus anonymen Geburten zugesagt habe.

Die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde habe daher innerhalb der vorgegebenen Frist von sechs Monaten keinen Bescheid erstellt. Es liege somit kein überwiegendes Verschulden der erstinstanzlichen Behörde vor und gehe die Zuständigkeit zur Entscheidung im vorliegenden Fall nicht an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet, erstattete aber keine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (...) über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (...) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die belangte Behörde hat den Devolutionsantrag im Hinblick auf ihre Auffassung abgewiesen, dass die Verzögerung der Entscheidung nicht auf das überwiegende Verschulden der erstinstanzlichen Behörde zurückzuführen sei, weil diese zugewartet habe, ob es zwischen Sozialversicherungs-, Jugendwohlfahrts- und Sozialhilfeträger und der beschwerdeführenden Partei zu einer Einigung beziehungsweise einer einheitlichen Regelung komme.

Nach § 73 Abs. 2 AVG in der Fassung der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, genügt ein "überwiegendes Verschulden" der Behörde an der Verzögerung; es ist somit - gegebenenfalls - das Verschulden der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde abzuwägen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2004, Zl. 2002/10/0153).

Der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG ist nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2005, Zl. 2004/10/0218).

Im angefochtenen Bescheid werden keine Umstände dargelegt, aus denen ein Verschulden der beschwerdeführenden Partei an der Verzögerung ersichtlich wäre. Daraus folgt, dass die Abweisung des Devolutionsantrages nur dann dem Gesetz entspräche, wenn die Behörde erster Instanz an der Verzögerung keinerlei Verschulden träfe. Dies wäre dann der Fall, wenn der Entscheidung der Behörde erster Instanz bis zur Einbringung des Devolutionsantrages "unüberwindliche Hindernisse" entgegengestanden wären (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 31. Jänner 2005, mwN).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde stellt ein Zuwarten, ob eine Einigung hinsichtlich der Kostentragung unter den in Frage kommenden Kostenträgern - auch bei immer wieder stattfindenden Verhandlungen hierüber - erzielt wird, kein unüberwindliches Hindernis dar. Die belangte Behörde war nicht gehindert, eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Spitalskostenrückersatz vom 19. Juli 2005 zu treffen.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid durch die Abweisung des Devolutionsantrages daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 21. Oktober 2010

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