BVwG W187 2113572-1

BVwGW187 2113572-111.9.2015

ABGB §879
BVergG §12 Abs1 Z2
BVergG §12 Abs3
BVergG §19
BVergG §2 Z8
BVergG §292 Abs1
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs2
BVergG §320 Abs1
BVergG §328 Abs1
BVergG §328 Abs2
BVergG §329 Abs1
BVergG §329 Abs3
BVergG §329 Abs4
BVergG §6
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ABGB §879
BVergG §12 Abs1 Z2
BVergG §12 Abs3
BVergG §19
BVergG §2 Z8
BVergG §292 Abs1
BVergG §3 Abs1 Z2
BVergG §312 Abs2
BVergG §320 Abs1
BVergG §328 Abs1
BVergG §328 Abs2
BVergG §329 Abs1
BVergG §329 Abs3
BVergG §329 Abs4
BVergG §6
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W187.2113572.1.00

 

Spruch:

W187 2113572-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER über den Antrag der XXXX , vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG, Kaiserin Elisabeth-Straße 2, 2340 Mödling, betreffend das Vergabeverfahren "Mautaufsicht, Service- und Kontrolldienst Region Wien-Nord" der Auftraggeberin ASFINAG Mautservice GmbH, Alpenstraße 99, 5020 Salzburg, vom 2. September 2015 beschlossen:

A)

Das Bundesverwaltungsgericht gibt den Anträgen, "das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 328 BVergG 2006 eine einstweilige Verfügung dahingehend erlassen, dass das gesamte Vergabeverfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlage/Nichtigerklärung von einzelnen Ausschreibungsbestimmungen/auf Aufhebung der Ausschreibungsunterlagen/von Ausschreibungsbestimmungen vorübergehend ausgesetzt wird bzw. sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden, dass seitens der Auftraggeberin die Öffnung von allfälligen auf Basis der derzeitigen Ausschreibungsunterlagen gelegten Angeboten nicht erfolgen und weiters eine allfällige Zuschlagserteilung auf Grundlage gelegter Angebote nicht vorgenommen werden kann;"

teilweise statt.

Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Auftraggeberin ASFINAG Mautservice GmbH im Vergabeverfahren "Mautaufsicht, Service- und Kontrolldienst Region Wien-Nord" gemäß §§ 328 Abs 1 und 329 Abs 1, 3 und 4 BVergG für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Angebote zu öffnen und weist die übrigen Anträge ab.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG

I. Verfahrensgang

1 Am 2. September 2015 beantragte die XXXX , vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG, Kaiserin Elisabeth-Straße 2, 2340 Mödling, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibungsunterlagen in dem Vergabeverfahren "Mautaufsicht, Service- und Kontrolldienst Region Wien-Nord" der Auftraggeberin ASFINAG Mautservice GmbH, Alpenstraße 99, 5020 Salzburg, in eventu die Nichtigerklärung der in Punkt 7.3 des Nachprüfungsantrags genannten Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen und den Ersatz der Pauschalgebühr sowie die die Erlassung der im Spruchpunkt A wiedergegebenen einstweiligen Verfügung.

1.1 Zur Begründung führte die Antragstellerin nach Angaben zur Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrags, Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, Darstellung des Sachverhalts sowie Darlegung des Interesses am Vertragsabschluss und des drohenden Schadens aus, dass in ihren Rechten auf Durchführung eines rechtskonformen Vergabeverfahrens gemäß den Bestimmungen des BVergG 2006 sowie insbesondere in ihrem Recht auf Einhaltung des Sachlichkeitsgebotes und des Transparenzgebotes gemäß § 19 BVergG verletzt erachtet.

1.2 Die Antragstellerin führte als Gründe der Rechtswidrigkeit im Wesentlichen aus, dass sie gezwungen sei, ein ohne zusätzliche Informationen der Auftraggeberin unkalkulierbares und auch zwingenden gesetzlichen Vorschriften widersprechendes Angebot zu legen. Die zu erbringende Leistung sei nicht als "Bewachungsdienstleistung" sondern als "Arbeitskräfteüberlassung" iSd GewO zu qualifizieren. Die zu erbringende Leistung hätte daher nicht als nicht prioritäre Dienstleistung des Bewachungsgewerbes sondern als prioritäre Dienstleistung der Arbeitskräfteüberlassung ausgeschrieben werden müssen. In weiterer Folge beantragt die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Punkte D.3, 3.3.1.3 über die Auswahl der einzusetzenden Organe, D.3, 3.3.1.6 über die Tragepflicht von Uniformen der Auftraggeberin, D.3, 3.4.1 und 3.4.2 über die zwingende Verwendung von Kontrollfahrzeugen und Hilfsmitteln der Auftraggeberin, D.3, 3.4.3 über die Beistellung der zu tragenden Uniformen durch die Auftraggeberin, D.3, 3.5.3 über die Verwendung der Einsatzstützpunkte der Auftraggeberin, D.3, 3.6 über die Eingliederung der Auftragnehmerin in die Strukturen der Auftraggeberin, D.3, 3.7 über die Eingliederung in den Rahmenterminplan, D.4, 4.1.10 über den Beginn und das Ende der Leistung, D.4, 4.1.12 über eine von der Auftraggeberin angeordnete entschädigungslose Unterbrechung der Leistungserbringung, D.4.

4.1.21 über die Geheimhaltungspflicht über des Ende des Auftrags hinaus, D.4.2, 4.2.1 und D.5, 5.2.2.1 über die Anpassung der Preise und der Basisvergütung anhand eines Index, D.4.2, 4.2.3 über die Umkehr der Beweislast im Schadensfall, D.4.2, 4.2.10 über ein Werbeverbot, D.4.2, 4.2.12 über die Deckelung der Vertragsstrafe mit 20 % der Auftragssumme sowie des Endes der Angebotsfrist am Deckblatt und auf Seite 1 des Angebots. Diese Bestimmungen führten zum Teil zur Qualifikation des Auftrags als Arbeitskräfteüberlassung, überwälzten zu einem anderen Teil ein nicht kalkulierbares Risiko und seien zum Teil sittenwidrig iSd § 879 ABGB.

1.3 Die Antragstellerin erhob ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag zum Vorbringen zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und führte im Wesentlichen aus, dass ihr mangels Kalkulierbarkeit derzeit keine Angebotslegung möglich sei. Sie begehre, das gesamte Vergabeverfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen vorübergehend auszusetzen bzw eine sonst geeignete Maßnahme anzuordnen, dass seitens der Auftraggeberin vor Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen/von einzelnen Bestimmungen der Ausschreibung die Öffnung allfällig auf Basis der bisherigen Ausschreibungsunterlagen gelegter Angebote nicht erfolgen könne. Würde eine solche Maßnahme nicht erlassen werden, wäre die Antragstellerin in ihren Rechten auf Legung eines einer sachlichen Ausschreibung entsprechend kalkulierbaren Angebots sowie auf Gewährleistung eines Vergabeverfahrens unter Beachtung des Diskriminierungsverbots, sowie Einhaltung der Grundsätze des freien, fairen und lauteren Wettbewerbs gemäß § 19 BVergG 2006 unter Gleichbehandlung aller Bieter, massiv verletzt. Den Interessen der Antragstellerin stünden keine besonderen Interessen der Auftraggeberin oder der Öffentlichkeit gegenüber, da die Auftraggeberin ohnehin auch über eigene Mitarbeiter verfüge, mit denen die ausschreibungsgegenständlichen Tätigkeiten ausgeübt werden könnten. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des VfGH davon auszugehen, dass dem öffentlichen Interesse an einer möglichst raschen Auftragsvergabe bereist durch eine zeitgerechte und etwaige Verzögerung und berücksichtigende Ausschreibung Rechnung zu tragen sei und vielmehr ein wesentliches öffentliches Interesse in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter, der in der Folge als zukünftiger Auftragnehmer auch eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Leistungserbringung durchführen können solle, liege.

2 Am 7. September 2015 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte, sah von einer Stellungnahme zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Stellung ab und beantragte die Ausnahme näher bezeichneter Aktenteile von der Akteneinsicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1. Die ASFINAG Mautservice GmbH führt unter der Bezeichnung "Mautaufsicht, Service- und Kontrolldienst Region Wien-Nord" ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip durch. Die CPV-Codes sind 63712000 - Hilfstätigkeiten für den Straßenverkehr, 79710000 - Dienstleistungen von Sicherheitsdiensten, 79714000 - Überwachungsdienste, 79715000 - Streifendienste und 79700000 - Personaleinstellung. Es handelt sich um einen Dienstleistungsauftrag. Dazu veröffentlichte die Auftraggeberin im Supplement zum Amtsblatt der EU vom 5. April 2015 und im Amtlichen Lieferungsanzeiger vom 5. April 2015 eine Bekanntmachung. Das Vergabeverfahren befindet sich in der zweiten Stufe des Verhandlungsverfahrens. Den für die zweite Stufe ausgewählten Bietern übermittelte die Auftraggeberin am 5. August 2015 die Ausschreibungsunterlagen. Darin war das Ende der Angebotsfrist mit 10. September 2015 festgelegt. Die Auftraggeberin erstreckte die Angebotsfrist mit Telefax vom 3. September 2015 auf den 14. Oktober 2015. Die Auftraggeberin hat bisher weder eine Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben, einen Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen. (Auskünfte der Auftraggeberin)

2. Die Antragstellerin bezahlte € 769,50 an Pauschalgebühren. (gegenständlicher Verfahrensakt)

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den jeweils in Klammern genannten Quellen. Diese sind Veröffentlichungen und die Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie Auskünfte, die nur die Auftraggeberin erteilen kann. Die herangezogenen Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche traten nicht auf.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Anzuwendendes Recht

3.1.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 292 Abs 1 BVergG ist im Anwendungsbereich des BVergG grundsätzlich die Entscheidung durch Senate vorgesehen. Einstweilige Verfügungen und verfahrensleitende Beschlüsse sind davon ausgenommen. Die Entscheidung ist daher durch einen Einzelrichter zu treffen.

3.1.2 Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.1.3 Gemäß § 311 BVergG sind in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neben dem BVergG die Bestimmungen des VwGVG und des AVG anzuwenden.

Gemäß § 328 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 329 Abs 1 BVergG hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 329 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Gemäß § 329 Abs 4 BVergG ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

3.2 Zu A) - Einstweilige Verfügung

3.2.1 Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

3.2.1.1 Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die ASFINAG Mautservice GmbH. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs 1 Z 2 BVergG (st Rspr, zB BVA 6. 7. 2009, F/0005-BVA/11/2008-24). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG um einen Dienstleistungsauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 Z 2 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs 3 BVergG ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.

3.2.1.2 Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 312 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit d B-VG ist sohin gegeben.

3.2.1.3 Da darüber hinaus laut Stellungnahme des Auftraggebers das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 312 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

3.2.1.4 Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 320 BVergG nicht offensichtlich fehlen.

3.2.1.5 Im Ergebnis ist daher vorläufig davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 328 Abs 1 BVergG zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 328 Abs 2 BVergG vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde bezahlt.

3.2.2 Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.2.2.1 Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 329 Abs 1 BVergG sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten des Auftraggebers die Durchführung von Verhandlungen beabsichtigt ist, ohne die Antragstellerin einzubeziehen. Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin relevierten Rechtswidrigkeiten zutreffen und sie daher an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen wird können, wodurch ihr auf Grund der behaupteten Rechtswidrigkeiten der Entgang des Auftrages mit allen daraus erwachsenden Nachteilen droht. Mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung müssen daher - bei Nichtüberwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 329 Abs 1 BVergG - Maßnahmen getroffen werden, die eine spätere den Grundprinzipien des Vergaberechts entsprechende Teilnahme am Vergabeverfahren über die ausgeschriebenen Leistungen und eine Zuschlagserteilung ermöglicht. Zur wirksamen Sicherung dieser möglicherweise bestehenden Ansprüche muss daher das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesvergabeamt in einem Stand gehalten werden, der eine allfällige spätere Teilnahme und Zuschlagserteilung an die Antragstellerin ermöglicht.

3.2.2.2 Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens, der Möglichkeit der Teilnahme an einem gesetzmäßigen Vergabeverfahren, der Möglichkeit der Angebotslegung ohne Übernahme von unkalkulierbaren Risiken und im Erhalt des Auftrags.

Die Auftraggeberin brachte keine grundsätzlich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung sprechenden eigenen und öffentlichen Interessen vor.

Bei der Interessenabwägung ist schließlich auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVA 14. 5. 2010, N/0038-BVA/10/2010-EV19), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich dass gemäß § 329 Abs 1 BVergG von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVA 5. 2. 2010, N/0007-BVA/10/2010-EV12).

Öffentliche Interessen, die eine sofortige Vergabe des Auftrags erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich.

3.2.2.3 Stellt man daher im vorliegenden Fall die Interessen der Antragstellerin den öffentlichen Interessen sowie den Interessen des Auftraggebers gegenüber, ergibt sich, dass im gegenständlichen Fall vom grundsätzlichen Überwiegen der für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen auszugehen ist. Dem Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes, nämlich der Ermöglichung der Teilnahme an einem rechtskonformen Vergabeverfahren und einer Auftragserteilung an die allenfalls obsiegende Antragstellerin ist durch eine entsprechende Maßnahme Genüge zu leisten.

3.2.2.4 Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es demnach, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 329 Abs 3 BVergG die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.

3.2.2.5 Die unter in erster Linie beantragte Aussetzung des Vergabeverfahrens würde bedeuten, dass die Auftraggeberin keinerlei weitere Schritte in dem Vergabeverfahren unternehmen kann. Eine Berichtigung der Ausschreibung kann auch dazu verwendet werden, dem Begehren der Antragstellerin Rechnung zu tragen und damit das Vergabekontrollverfahren und das Vergabeverfahren zu beschleunigen. Schließlich müsste die Auftraggeberin einer allfälligen Nichtigerklärung einzelner Festlegungen der Ausschreibung dadurch Rechnung tragen, dass sie die Ausschreibung berichtigt. Da somit der Auftraggeberin die Möglichkeit zur Berichtigung der Ausschreibung offen bleiben muss, erweist sich die Aussetzung der Ausschreibung als überschießend (BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E), weil sie die Möglichkeiten der Auftraggeberin über Gebühr beschränkt. Sie stellt somit nicht das nötige und gelindeste Mittel dar. (BVwG 9. 10. 2014, W139 2012408-1/3E). Daher muss das Bundesverwaltungsgericht den unter 2. Gestellten Eventualantrag behandeln (BVwG 25. 7. 2014, W187 2008585-2/14E).

3.2.2.6 Bei der bevorstehenden Angebotsabgabe ist dieses nötige und gelindeste Mittel gemäß § 329 Abs 3 BVergG die vorläufige Untersagung der Angebotsöffnung (zB BVwG 16. 6. 2014, W187 2008561-1/9E). Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; BVA 17. 5. 2011, N/0036-BVA/10/2011-EV23).

3.2.2.7 Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 329 Abs 4 BVergG verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Der Auftraggeber ist durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; BVA 9. 9. 2011, N/0084-BVA/10/2011-EV14; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054).

3.3 Zu B) Unzulässigkeit der Revision

3.3.1 Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2 Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 6. 11. 2002, 2002/04/0138;

30. 6. 2004, 2004/04/0028; 1. 2. 2005, 2005/04/0004; 29. 6. 2005, 2005/04/0024; 1. 3. 2007, 2005/04/0239; 27. 6. 2007, 2005/04/0254;

29. 2. 2008, 2008/04/0019; 14. 1. 2009, 2008/04/0143; 14. 4. 2011, 2008/04/0065; 29. 9. 2011, 2011/04/0153) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte