BVwG W194 1418143-1

BVwGW194 1418143-118.12.2014

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W194.1418143.1.01

 

Spruch:

W194 1418143-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Daniela SABETZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Februar 2011, Zl 10 05.757-BAL, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr. 122/2013, iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 144/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr. 1/1930 idF BGBl I Nr. 164/2013, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der hazarischen Volksgruppe, stellte am 1. Juli 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

In seiner Erstbefragung am 2. Juli 2010 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er aus der Provinz XXXX stamme und ledig sei.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er und seine Familie in seinem Heimatdorf ständig Probleme mit den Pashtunen gehabt hätten. Diese hätten den Beschwerdeführer und seine Familie immer beschimpft, ihnen Waren sowie Geld weggenommen und auch Personen umgebracht. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer mit einer Familie Afghanistan verlassen. Sein Vater habe entschieden, dass der Beschwerdeführer weiter nach Europa reise und die Familie im Iran bleiben solle.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte der Beschwerdeführer, von den Pashtunen umgebracht zu werden.

In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 8. Juli 2010 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, zu seinen Fluchtgründen erneut befragt, auszugsweise wortwörtlich Folgendes an:

"[...]

F: Warum haben Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen?

A: In unserer Wohngegend in Afghanistan, in XXXX, war die allgemeine Situation sehr schlecht. Die Volksgruppe der Kutschi kommen immer und nehmen uns alles was wir haben weg. Dies geht schon seit Jahren so. Die Regierung unternimmt dagegen aber nichts. Dies nervt uns. Dieses Jahr war mein Vater schon fix und fertig, als sie gekommen sind. Sie haben uns unser ganzes Getreide und auch sonst alles weggenommen. Uns blieb nichts. Mein Vater hat sich dann entschieden, dass wir in den Iran ausreisen. Die ganze Familie fuhr dann in den Iran. Im Iran war es aber auch nicht so gut. Mein Vater sagte, dass ich noch jung sei und eine gute Zukunft haben könnte und ich daher nach Europa gehen soll.

F: Gibt es noch weitere Gründe?

A: Nein, andere Gründe gibt es nicht.

[...]

F: Waren Sie persönlich je in Afghanistan irgendwelchen Bedrohungssituationen ausgesetzt?

A: Als ich noch ein kleines Kind war, haben wir immer mit den Pashtunen Probeleme gehabt. Als kleines Kind wurde ich von einem Pashtunen geschlagen und damals habe ich dann meine Stimme verloren und daran leide ich noch immer. Es ist leider so in Afghanistan. Die Pashtunen haben die Macht und die Hazare sind in der Minderheit.

F: Gab es in jüngster Vergangenheit konkret Sie betreffende Vorfälle in Afghanistan?

A: Nein. Die allgemeine Situation dort war aber schlecht. Zwei Monate haben wir in Kabul gewartet, ob sich die Situation bessert. Da sich die Situation nicht gebessert hat, sind wir in den Iran gereist.

F: Um wen handelt es sich genau bei den Kutschi?

A: Sie gehören zu den Pashtunen. Sie behaupten, ganz Afghanistan gehört nur den Pashtunen. Sie geben den Hazaren keine Rechte. Sie sagen, dass die Hazare dort nicht haben dürfen. Sie meinen, dass die Hazare keine Grundstücke haben dürfen. Sie kommen einmal oder zweimal im Jahr und nehmen uns alles weg.

[...]

F: Hatten Sie wegen Ihrer Religion oder wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme?

A: Das ist ja das große Problem. Wir sind Hazare und Schiiten. Deswegen hatten wir Probleme. Ich persönlich war auch davon betroffen, weil ich ja dort gelebt habe. Auch mein Vater wurde einmal geschlagen. Konkret nur gegen mich gerichtete Verfolgungshandlungen gab es aber nicht.

[...]"

Der Beschwerdeführer verneinte, in Afghanistan jemals Probleme mit der Polizei, dem Militär oder staatlichen Organen gehabt zu haben. Zudem negierte er, politisch tätig gewesen zu sein.

In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 11. August 2010 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Farsi, zu seinen Fluchtgründen erneut befragt, auszugsweise wortwörtlich Folgendes an:

"[...]

F.: Schildern Sie uns jetzt die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

[...]

A.: Wo wir wohnten kamen jedes Jahr einige Nomaden, die Kuchi, in unser Gebiet. Wenn sie unser Gebiet kamen zerstörten sie unsere Landwirtschaft und misshandelten sie uns. Das passierte ständig und jedes Jahr. Sie haben auch einige Leute umgebracht. Sie kamen mit Ihren Tieren auf unsere Landwirtschaft, dadurch wurde unsere Landwirtschaft zerstört. Niemand konnte sich wehren. Wenn jemand etwas dagegen machen wollte, wurde er umgebracht. Es hat sich immer wiederholt. Sie sind immer wieder gekommen. [...] In unserem Gebiet gibt es noch eine Volksgruppe, die Hazare sind und die Tol Afghan heißen. Sie arbeiten mit Paschtunen zusammen. Bei einem Streit um ein Grundstück ist mein Großvater durch einige Leute der Tol Afghan ums Leben gekommen. Mein Vater hat gegen diese Leute eine Anzeige gemacht.

[...]

Sie haben uns gedroht, dass wenn die Nomaden wieder zu uns kommen, sie unsere landwirtschaftlichen Grundstücke von uns bekommen. Wenn wir nicht einverstanden sind, dann werden sie mit Gewalt uns die Grundstücke wegnehmen. Mein Vater hat Angst gehabt, dass die Kuchi uns umbringen. Er hat mit uns darüber gesprochen. Er sagte, bevor die Kuchi zu uns kommen, müssten wir unser Gebiet verlassen, deswegen sind wir von unserer Ortschaft nach Kabul gefahren. Wir haben zwei Monate in Kabul gelebt. Wir wollten schauen, ob wir wieder in unsere Ortschaft zurückkehren können. Aber wir haben erfahren, dass die Kuchi in unserem Gebiet waren. Sie haben unser Gebiet besetzt und unsere Grundstücke weggenommen. [...]

F.: Wer sind die Tol Afghan.

A.: Die gehören zur Volksgruppe der Hazare. Diese Leute haben mit Paschtunen Kontakt. Sie arbeiten mit ihnen zusammen. Sie sind mit Paschtunen verwandt geworden.

[...]

A.: Mein Großvater wurde von einigen Leuten der Tol Afghan getötet. Einige Leute unserer Ortschaft haben als Zeuge ausgesagt, dass diese zwei Personen den Großvater getötet hätten.

[...]

F.: Ist nach der Anzeige etwas zwischen den beiden Personen der Tol Afghan und Ihnen vorgefallen.

A.: Ich weiß darüber gar nichts, ich war damals Kind. Mein Vater hat mir darüber erzählt.

[...]

F.: Erinnern Sie sich an die erste konkret gegen Sie gerichtete Handlung gegen Sie.

A.: Als ich mit meinem Vater in unserer Landwirtschaft war, wurde ich auch durch die Personen gemeinsam mit dem Vater geschlagen.

F.: Wann war das.

A.: Es war voriges Jahr, als ich mit meinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet habe.

F.: Wie ist das abgelaufen.

A.: Es waren circa vier oder fünf Personen, die zu uns kamen. Sie haben uns geschlagen.

F.: Was haben die Leute gesagt.

A.: Sie sagten, dass die Grundstücke nicht uns gehören und wir nicht auf diesen Grundstücken arbeiten dürfen.

[...]

F.: Ist sonst noch was vorgefallen.

A.: Nein.

[...]

F.: Wurden Sie von den beiden Leuten geschlagen, die inhaftiert waren.

A.: Es waren vier oder fünf Leute bei uns, von denen wir geschlagen wurden. Nachgefragt, die zwei Personen waren auch dabei.

F.: Von diesem Vorfall abgesehen, gab es noch weitere.

A.: Nein, ich hatte keinen Kontakt mehr mit diesen Personen.

[...]

F.: Warum war der Vorfall genau im Jahr 2009.

A.: Ich war mit meinem Vater in der Landwirtschaft. Auf einmal kamen die Leute zu uns und sagten, dass wir dort nicht arbeiten sollen, da diese Grundstücke ihnen gehören und auch die Ernte.

[...]

A.: Im Sommer 2008 sind sie auch zu uns gekommen. Wir haben nur miteinander Streit gehabt. Sie haben uns nicht geschlagen.

F.: Was ist genau vorgefallen.

A.: Ich weiß nicht genau, wie viele Leute vor zwei Jahren zu unserer Landwirtschaft kamen. Sie sagten uns, warum wir dort arbeiten, weil diese Grundstücke nicht uns gehören.

[...]

F.: Was war im Sommer 2006.

A.: Ich kann es nicht sagen, da ich zur Schule ging.

F.: Hat der Vater etwas erzählt.

A.: Mein Vater hat gesagt, dass Kuchi gekommen sind und ihn bedrohten. Nachgefragt, die zwei Personen, die meinen Großvater getötet haben.

F.: Wie wurde er bedroht.

A.: Mit Galaschnikovs. Nachgefragt, sie sagten dem Vater, dass die Grundstücke ihnen gehören und er soll von dort weggehen.

F.: Wie ging es weiter, nachdem sie das zu ihm sagten.

A.: Sie haben den Vater geschlagen und gingen weg. Sie haben ihn mit der Galaschnikov geschlagen.

F.: Was machte der Vater.

A.: Er kam nachhause und ging zur Polizei. Er machte bei der Polizei eine Anzeige, aber die Polizei hat ihm nicht geholfen.

[...]

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn sie in Ihr Heimatland zurückkehren müssten.

A.: Ich habe Angst vor den Kuchi.

[...]"

Der Beschwerdeführer verneinte in Afghanistan einer Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit ausgesetzt gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2011 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24. Februar 2012 (Spruchpunkt III.). Begründend führte das die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründen drohe.

Gegen Spruchpunkt I. des obgenannten Bescheides der belangten Behörde richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 4. März 2011 mit dem Begehren dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen. Der Beschwerdeführer könne zwar keinerlei Beweise in Bezug auf sein Vorbringen liefern, jedoch habe er der belangten Behörde ein plausibles Bild der Umstände, die zu seiner Flucht geführt hätten, geschildert.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. Oktober 2014 wurden der Beschwerdeführer und die belangte Behörde vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen Lage in Afghanistan verständigt. Dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde wurden in diesen Schreiben die Möglichkeit eingeräumt, hierzu innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Zudem wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gewährt, innerhalb dieser Frist bekanntzugeben, ob sich an seiner Gefährdungslage oder seiner persönlichen (privaten) Situation in Österreich bzw. allenfalls an seinem Gesundheitszustand seit Antragstellung gravierende Veränderungen ergeben haben.

Weder vom Beschwerdeführer noch von der belangten Behörde langte diesbezüglich eine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist volljährig, führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur muslimischen Glaubensrichtung. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Er ist nicht straffällig iSd § 2 Abs. 3 AsylG 2005 und hat in Österreich keine Verbrechen begangen.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz XXXX.

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan ist der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat

1.2.1. Allgemeines:

Afghanistan ist eine islamische Republik und hat schätzungsweise 24 bis 33 Millionen Einwohner. Die afghanische Verfassung sieht ein starkes Präsidialsystem mit einem Parlament vor, das aus einem Unterhaus und einem Oberhaus, deren Mitglieder von den Provinz- und Distriktsräten sowie vom Präsidenten bestellt werden, besteht (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013).

Nach mehr als 30 Jahren Konflikt und 13 Jahre nach dem Ende der Herrschaft der Taliban befindet sich Afghanistan in einem langwierigen Wiederaufbauprozess. Anstrengungen, die zur Sicherung bisheriger Stabilisierungserfolge und zur Verbesserung der Zukunftsperspektiven der Bevölkerung beitragen, werden noch lange Zeit notwendig sein (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

Am Nato-Gipfeltreffen im Mai 2012 in Chicago wurden der schrittweise Abzug der internationalen Truppen bis 2014 sowie die Grundzüge des Nachfolgeeinsatzes diskutiert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3. September 2012). Nach einer Strategie der Übergabe der Sicherheitsverantwortung ("Transition") haben die afghanischen Sicherheitskräfte schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan von den internationalen Streitkräften übernommen. Ein Abzug aller ausländischen Streitkräfte aus dem Land ist bis Ende 2014 geplant. Es wird eine Intensivierung des Konflikts zwischen regierungstreuen und feindlichen Kräften infolge des Abzugs der internationalen Truppen erwartet, sofern nicht vorher eine Friedensvereinbarung geschlossen wird (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Die afghanische Regierung ist weiterhin weit davon entfernt, ihren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, effiziente Regierungsinstitutionen, Rechtsstaatlichkeit, soziale Basisdienstleistungen und Schutz vor Menschenrechtsverletzungen bieten zu können (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Mittlerweile reklamieren die Taliban mit der systematischen Einrichtung parallelstaatlicher Strukturen in immer weiter nördlich gelegenen Gebieten den Anspruch für sich, als legitime Regierung Afghanistans betrachtet zu werden. Die regierungsähnlichen Strukturen in den von den Taliban kontrollierten Gebieten (mit Schattengouverneuren und in wichtigeren Gebieten mit verschiedenen Kommissionen z.B. für Justiz, Besteuerung, Gesundheit oder Bildung) sind relativ gut etabliert (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3. September 2012).

1.2.2 Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt unvorhersehbar, die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts (UNAMA-Midyear Report aus Juli 2013). Im Jahr 2013 stieg die Zahl der Verluste unter den Zivilisten um 14% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die steigende Zahl der Toten und Verletzten revidiert den Rückgang im Jahr 2012 und steht im Einklang mit den hohen Rekordzahlen von Zivilopfern im Jahr 2011 (UNAMA-Annual Report aus Februar 2014). Der Rückgang der Zahl der Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Jahr 2012 war als taktische Reaktion der Aufständischen auf den Rückzug der internationalen Truppen und keineswegs als Verlust an operationeller Fähigkeit interpretiert worden (ANSO Quarterly Report aus Juni 2012). Schon im Frühjahr 2013 waren die Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen im Vergleich zum Vorjahr um 47% angestiegen. Zudem nahmen militärische Konfrontationen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und afghanischen Sicherheitskräften in den ersten sechs Monaten 2013 zu (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Das Jahr 2013 wurde mittlerweile als das gewaltreichste seit 2001 bezeichnet; zuletzt stieg die Besorgnis über den drastischen Anstieg getöteter und verletzter Zivilisten, die im Kreuzfeuer bei Gefechten zwischen aufständischen und afghanischen Truppen oder aufgrund von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen, die regierungsfeindliche Gruppen gezielt platzierten, ums Leben kamen oder verletzt wurden. Der Anstieg der Gewalt wird unter anderem auch im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen gesehen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 22. Juli 2014).

Mittlerweile betrifft der Konflikt, der sich zuvor auf den Süden und Osten des Landes konzentrierte, die meisten Landesteile, insbesondere den Norden, aber auch Provinzen, die zuvor als die stabilsten im Land gegolten hatten. Die zwölf Provinzen mit den insgesamt meisten Sicherheitsvorfällen im Jahr 2012 waren Helmand, Kandahar und Urusgan (südliche Region), Ghazni, Paktika und Khost (südöstliche Region), Nangarhar und Kunar (östliche Region), Herat und Farah (westliche Region) und Kabul und XXXX (Zentralregion). Die südliche, die südöstliche und die östliche Region entwickelten sich zu einem zunehmend zusammenhängenden Kampfgebiet. In den Provinzen Kandahar, Kunar, Nangarhar, Logar und XXXX kam es im Jahr 2012 zu einem deutlich höheren Grad an Sicherheitsvorfällen als 2011 (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). In Kandahar und Ghazni erreichte die Zahl der Vorfälle Rekordhöhen (INSO-Report aus Jänner 2014).

1.2.2.1 Sicherheitslage im Raum Kabul:

Der Fokus des Terrors liegt nicht auf Kabul oder allgemein auf städtischen Zentren, sondern der Großteil der Gewalt passiert in ländlichen Gegenden. Dennoch verüben die Taliban (einschließlich das Haqqani-Netzwerk) in Kabul weiterhin öffentlichkeitswirksame Angriffe und demonstrieren, dass die Aufständischen überall im Land zuschlagen und selbst den "Stahlring" der afghanischen Sicherheitskräfte um die Zentren großer Städte überwinden können, was anscheinend darauf abzielt, die Aufmerksamkeit internationaler Medien und möglicher "Geldgeber" zu erregen und Unsicherheit in der afghanischen Bevölkerung, der afghanischen Regierung und den afghanischen Streitkräften zu verbreiten (Ruttig, After the "operational pause", vom 2. Juni 2013).

Am 10.6.2013 griffen Angehörige der Taliban das NATO-Hauptquartier im militärischen Teil des Flughafens in Kabul an und lieferten den afghanischen Sicherheitskräften ein rund vierstündiges Gefecht; am Tag darauf verübten Taliban einen Anschlag auf den Obersten Gerichtshof in Kabul (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Am 16.11.2013 steuerte ein vor Sicherheitskräften flüchtender Selbstmordattentäter in Kabul sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in ein Militärfahrzeug und tötete vier Zivilisten, einen Polizisten und einen Soldaten; 22 Personen wurden verletzt. Der Anschlag ereignete sich nahe des Zeltes der am 21.11.13 beginnenden Großen Stammesversammlung (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. November 2013). Am 11.12.2013 sprengte sich ein Selbstmordattentäter am Flughafen der Hauptstadt Kabul in unmittelbarer Nähe eines Bundeswehr-Konvois in die Luft (Briefing Notes des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Dezember 2013). Am 27.12.2013 wurden bei einem mutmaßlichen Selbstmordanschlag auf einen Konvoi internationaler Truppen im Osten Kabuls mindestens 3 ausländische Soldaten und weitere Zivilisten getötet (Radio Free Europe vom 27. Dezember 2013). Am 17.1.2014 töteten drei Angreifer bei einem Anschlag auf ein bei Ausländern beliebtes Lokal insgesamt 21 Menschen, darunter 13 Ausländer: Ein Attentäter sprengte sich vor dem gut gesicherten Eingang in die Luft, zwei weitere stürmten in das gut besuchte Lokal und schossen wahllos um sich (Bericht der APA vom 18. Jänner 2014).

1.2.2.2 Sicherheitslage im Südwesten, Süden und Osten des Landes:

Im Süden waren auch 2012 die meisten zivilen Opfer zu beklagen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Im Süden und Osten finden die meisten extra-legalen Hinrichtungen statt, die überdies um 107% bzw. 114% massiv anstiegen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 3. September 2012). Der Fokus der regierungsfeindlichen Gruppierungen richtete sich jedoch zunehmend auf den Osten, wo die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Folge rasant zunahmen. Insbesondere in der Provinz Nangarhar haben die regierungsfeindlichen Gruppierungen eine signifikante Eskalation zur Verstärkung ihrer Hochburg im Osten unternommen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). In Nangarhar stiegen die Zwischenfälle durch regierungsfeindliche Gruppierungen im ersten Quartal 2013 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 81% an. Ebenso wie in Laghman, wo die Zahl der Zwischenfälle um 250% anstieg, wurden in Nangarhar die größten Zuwächse an Angriffen der bewaffneten Opposition verzeichnet, die auf die Infiltrationsrouten aus Pakistan und die strategisch bedeutsamen Gebiete angrenzend an Kabul-Tokham-Highway abzielen. Die Provinz Kunar war im ersten Quartal 2013 nach Helmand "Spitzenreiter", was das Ausmaß der Angriffe anbelangt. Die Zahl der Vorfälle erhöhte sich in Kunar um 21% im Vergleichszeitraum des Vorjahres (ANSO Quarterly Report aus April 2013).

Auch in der Provinz Ghazni geht der Trend bezüglich der Sicherheitslage in Richtung einer Verschärfung: Im ersten Quartal 2013 stieg die Zahl der Vorfälle jedoch im Vergleichszeitraum des Vorjahres um 127% (ANSO Quarterly Report aus April 2013). Auch im Juli und August 2013 gab es einen Anstieg der Angriffe. Aufgrund des fast völligen Fehlens von NATO-Präsenz konnten die Taliban und al-Quaida ihre Kontrolle in Ghazni ausweiten: Die Taliban töten gewöhnliche Menschen und zwingen DorfbewohnerInnen, ihren Kämpfern Essen zu geben. Sobald die Taliban eine Gegend überrollen, gehen sie besonders aggressiv gegen die lokale Bevölkerung vor und implementierten ihre strengen Regeln und Gesetze (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014). Von der Verschlechterung der Sicherheitslage in den umliegenden Provinzen sind auch die Zufahrtsstraßen zu den (von Hazara bewohnten und an sich weniger stark von den Unruhen betroffenen) Distrikten Jaghori, Jaghatu und Malistan betroffen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11. November 2011). Ghazni stellt für die Taliban eine strategisch wichtige Provinz dar, da die Straße Kabul - Kandahar durch den überwiegend von Paschtunen besiedelten westlichen Teil Ghaznis führt. Daher stellt sich der Weg von Kabul nach Ghazni als gefährlich dar; auf dieser Route kam es zu einer Zunahme der Angriffe in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 5. August 2013). Vorfälle, wie etwa die Entführung von 20 Zivilisten auf dem Weg in die Distrikte Jaghori und Malistan, ereignen sich am häufigsten in den Distrikten Qarabagh und Gilan, wo die Taliban über Einfluss verfügen (ACCORD-Anfragebeantwortung vom 14. August 2013).

Die Provinz XXXX liegt strategisch günstig beim westlichen Zugang zu Kabul und wird von regierungsfeindlichen Gruppen als Tor für Angriffe auf die Provinz Kabul genützt (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014). Im ersten Quartal haben sich die Vorfälle in XXXX um 187% im Vergleich zum Vorjahr erhöht (ANSO Quarterly Report aus April 2013). Auch in der Provinz Helmand, wo die Taliban in das soziale Gefüge eingebettet sind, und in der Provinz Kandahar, der traditionellen Hochburg der Taliban, nahm die Zahl der Vorfälle zu (ANSO Quarterly Report aus April 2013); Helmand und Kandahar sind die Provinzen, wo mit Abstand die meisten Opfer von Bombenanschlägen zu beklagen sind (UNAMA-Annual Report aus Februar 2014).

1.2.2.3 Sicherheitslage im Westen und Norden des Landes:

Die Anschläge sind in den westlichen Provinzen des Landes im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um 72% in die Höhe geschnellt. In den westlichen Grenzprovinzen konnte beobachtet werden, wie es regierungsfeindlichen Gruppierungen gelungen ist, die entstehende Lücke der abziehenden internationalen Truppen zu füllen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Im Norden sind enge Verstrickungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen, lokalen Machthabern und Kräften der organisierten Kriminalität bedeutsam. Während die Aktivitäten regierungsfeindlicher Gruppierungen 2012 mit Ausnahme der Provinzen Baghlan und Faryab abnahmen, wurde im ersten Quartal 2013 in den meisten Provinzen des Nordens eine Verschlechterung der Sicherheitslage verzeichnet. Grund dafür sind zahlreiche militärische Operationen der internationalen Truppen, zunehmende Anschläge regierungsfeindlicher Gruppierungen sowie die Aktivitäten lokaler Milizen. Die regierungsfeindlichen Gruppierungen sind im Begriff, neben dem Süden und Osten des Landes eine dritte Front vom Norden Richtung Süden zu schaffen (Faryab-Badhis-Ghor-Farah-Helmand). In der bisher als ruhig geltenden Provinz Badakhshan gewannen die regierungsfeindlichen Gruppierungen nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte ebenfalls an Einfluss. Ende September 2013 brachten die Taliban den Distrikt Keranwa-Monjan der Provinz Badakhshan unter ihre Kontrolle (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Auch die Zahl der Vorfälle in Ghor und Herat erhöhten sich vergleichsweise (Länderinformation der Staatendokumentation vom 28. Jänner 2014). Die Sicherheitslage in Kunduz ist angespannt und hat sich in den vergangenen Monaten verschlechtert (Abzug aus Afghanistan, Der Spiegel vom 6. Oktober 2013).

1.2.3 Menschenrechte:

Was Repressionen Dritter anbelangt, geht die größte Bedrohung der Menschenrechte von lokalen Machthabern und Kommandeuren aus. Es handelt sich hierbei meist um Anführer von Milizen, die nicht mit staatlichen Befugnissen, aber mit faktischer Macht ausgestattet sind. Die Zentralregierung hat auf viele dieser Urheber von Menschenrechtsverletzungen praktisch keinen Einfluss und kann sie weder kontrollieren noch ihre Taten untersuchen oder verurteilen. Wegen des desolaten Zustands des Verwaltungs- und Rechtswesens bleiben Menschenrechtsverletzungen daher häufig ohne Sanktionen. Immer wieder kommt es zu Entführungen, die entweder politisch oder finanziell motiviert sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

Regierungsfeindliche Kräfte greifen systematisch und gezielt Zivilisten an, die tatsächlich oder vermeintlich die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft in Afghanistan, einschließlich der internationalen Streitkräfte und internationalen humanitären Hilfs- und Entwicklungsakteure unterstützen bzw. mit diesen verbunden sind. Zu den primären Zielen solcher Anschläge zählen u.a. politische Führungskräfte, Lehrer und andere Staatsbedienstete, ehemalige Polizisten und Zivilisten, die der Spionage für regierungstreue Kräfte bezichtigt werden. Auch afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, werden von Taliban bedroht und angegriffen. In einigen Fällen wurden Zivilisten, darunter Kinder, Berichten zufolge Ziele von Angriffen aufgrund des Verdachts, dass ein Familienmitglied für die afghanischen nationalen Sicherheitskräfte arbeitet (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Familienangehörige von Personen, die wegen einer beruflichen Tätigkeit für ausländische oder staatliche Einrichtungen von den Taliban getötet wurden, werden aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit von den Taliban nicht verfolgt. Die Taliban verfolgen auch nur aktive Mitarbeiter internationaler oder staatlicher Behörden, nicht jedoch ehemalige Mitarbeiter, wenn sie (aus der Sicht der Taliban) keinen "Schaden" verursacht haben und keine Gefahr für die Taliban mehr darstellen (Gutachten zum Erkenntnis des Asylgerichtshofs, Zl. C15 410319-1/2009/8E vom 28. September 2012).

In Gebieten, die ihrer tatsächlichen Kontrolle unterliegen, nutzen regierungsfeindliche Kräfte Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Rekrutierungsmaßnahmen auf der Grundlage von Zwang. Personen, die sich einer Rekrutierung widersetzen, sind gefährdet, der Spionage für die Regierung angeklagt und getötet oder bestraft zu werden (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Personen, denen Verstöße gegen die Scharia - wie Apostasie, Blasphemie, freiwillige, gleich-geschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch - vorgeworfen werden, sind nicht nur der Gefahr ihrer Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt. Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte, bedrohte oder verfolgte Personen hängen maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab. Die größeren Städte bieten aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleine Städte oder Dorfgemeinschaften (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014). UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist. Wenn die Verfolgung von regierungsfeindlichen Akteuren ausgeht, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius der regierungsfeindlichen Kräfte existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine sinnvolle interne Schutzalternative. Es sei insbesondere darauf hingewiesen, dass die Taliban, das Haqqani-Netzwerk und die Hezb-e-Islami Hekmatyar sowie andere bewaffnete Gruppierungen die operativen Kapazitäten haben, Angriffe in allen Teilen des Landes auszuführen, darunter auch in solchen Gebieten, die nicht von den regierungsfeindlichen Kräften kontrolliert werden, wie anhand des Beispiels von öffentlichkeitswirksamen Anschlägen in urbanen Gebieten, die sich unter der Kontrolle regierungsfreundlicher Kräfte befinden, ersichtlich wird (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

1.2.4. Meinungs- und Pressefreiheit sowie Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit:

Art. 34 der afghanischen Verfassung gestattet die Meinungs- und Pressefreiheit. Jedoch werden diese Rechte in der Praxis von der Regierung eingeschränkt (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013).

In den vergangenen Jahren galt die afghanische Medienlandschaft als Vorzeigesektor: diversifiziert, unabhängig und im Wachstum- und Professionalisierungsprozess begriffen. Die Präsidentschaftswahlen, eine konservative Medienpolitik und der allgemeine Islamvorbehalt schränken die Medienfreiheit jedoch deutlich ein. Auch über den Islamvorbehalt hinaus ist Medienfreiheit in Afghanistan noch keine Wirklichkeit. Immer wieder werden Journalisten zum Ziel von Morddrohungen und tätlichen Übergriffen. Journalisten, die sich einer Einflussnahme durch Aufständische oder durch die Regierung widersetzen, geraten unter Druck. Andere fliehen in die Selbstzensur. Immer wieder verlassen Journalisten das Land, weil sie ihre persönliche Sicherheit in Afghanistan nicht gewährleistet sehen. Morde an Journalisten werden kaum staatsanwaltlich verfolgt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

Was das (in der afghanischen Verfassung garantierte) Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit anbelangt, gibt es regelmäßig - genehmigte wie spontane - Demonstrationen, v.a. gegen soziale Missstände, gegen die Tötung von Zivilisten durch NATO-Truppen, gegen (geplante) Koranverbrennungen oder gegen im Ausland verbreitete Karikaturen des Propheten Mohammed. Die Kundgebungen verlaufen in den meisten Fällen friedlich, eskalieren aber teilweise oder werden von Einzelpersonen gezielt genutzt, um gewaltsame Ausschreitungen anzustacheln. Die afghanische Regierung ruft die Bevölkerung bei Demonstrationen regelmäßig auf, diese friedlich abzuhalten. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind grundsätzlich gewährleistet (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

1.2.5 Religionsfreiheit:

Die Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert. Dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger anderer Religionen als dem Islam. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen. Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Nach offiziellen Schätzungen sind 84% der Bevölkerung sunnitische Muslime und 15% schiitische Muslime. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus und Christen machen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, werden weiterhin durch das geltende Recht diskriminiert (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Hindus und Sikhs werden auch im Alltag diskriminiert und bei der Ausübung ihrer religiösen Zeremonien bedroht oder angegriffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013). Christen und Angehörige der Baha'i vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Die afghanische Regierung schützt religiöse Minderheiten vor Übergriffen nicht (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Die Situation der größten religiösen Minderheit des Landes, der afghanischen schiitisch-muslimischen Gemeinde, hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert, ist jedoch noch immer mit gesellschaftlichen Diskriminierungen konfrontiert, wobei die Beziehungen zur sunnitischen Mehrheit sich verschlechtert hat (International Religious Freedom Report 2012 des U.S. Department of State vom 20. Mai 2013).

1.2.6. Ethnische Minderheiten:

Afghanistan ist ein Vielvölkerstaat, über den es aufgrund der seit Jahrzehnten schwierigen Sicherheitslage kaum gesicherte statistische Daten gibt (ÖIF-Länderinfo aus Februar 2010). Der Anteil der Volksgruppen im Vielvölkerstaat wird auf ca. 38% Paschtunen, ca. 25%, Tadschiken, ca. 19% Hazara, ca. 6% Usbeken sowie zahlreiche kleinere ethnische Gruppen (Aimak, Turkmenen, Baluchi, Nuristani u. a.) geschätzt. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen dort ein offizieller Status eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser anderen Sprache spricht.

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten (mehrheitlich schiitischen) Hazara hat sich die Lage deutlich verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung zwar nach wie vor unterrepräsentiert, aber es erscheint unklar, ob dies eher eine Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014). In diesem Sinne sind Angehörige der Hazara weiterhin gesellschaftlich diskriminiert und Berichten zufolge Opfer von Schikanierung, Einschüchterung und Tötungen durch die Taliban sowie andere regierungsfeindliche Kräfte (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Andererseits verbessert sich die Minderheit der Hazara ökonomisch und politisch durch Bildung: Viele Hazara schließen Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in den Bereichen Informationstechnologie oder Medizin ein (Congressional Research Service vom 22. November 2013).

In der Provinz Ghazni errangen Vertreter der Ethnie der Hazara sämtliche Sitze, die im Unterhaus für diese Provinz reserviert waren, was jedoch u.a. auch auf die niedrige Wahlbeteiligung in den paschtunisch besiedelten Distrikten aufgrund der prekären Sicherheitslage zurückzuführen war (D-A-CH-Bericht zur Sicherheitslage aus März 2011). In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Kuchi-Nomaden, die unter ungeklärten Boden- und Wasserrechten in besonderem Maße leiden. De facto kommt es immer wieder zu einer Diskriminierung dieser Gruppe, da sie aufgrund ihres nomadischen Lebensstils als Außenseiter gelten und so die Gefahr laufen, Opfer einer diskriminierenden Verwaltungspraxis oder strafrechtlicher Sanktionierung zu werden. Immer wieder werden Nomaden rasch einer Straftat bezichtigt und verhaftet, wenngleich sie oft auch genauso schnell wieder auf freiem Fuß sind (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

Hazara

Neben ihrer ethnischen Zugehörigkeit unterscheidet sie [die Minderheit der Hazara] sich auch in der Konfession von der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung, da ihre Angehörigen mehrheitlich Schiiten sind (ÖIF-Länderinfo: Minderheiten in Afghanistan - Hazara aus Februar 2010). Die Situation der ethnischen Minderheiten hat sich seit dem Ende der Taliban-Herrschaft besonders für die traditionell diskriminierten Hazara verbessert, obwohl die hergebrachten Spannungen in lokal unterschiedlicher Intensität fortbestehen und gelegentlich wieder aufleben. Die Hazara sind in der öffentlichen Verwaltung zwar noch immer stark unterrepräsentiert, aber dies scheint eher eine Folge der früheren Marginalisierung zu sein als eine gezielte Benachteiligung neueren Datums (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes aus 2012). Soziale Diskriminierung gegenüber den schiitischen Hazara bestand weiterhin (U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan vom 24. Mai 2012). Die Volksgruppe der Hazara ist trotz nennenswerter Bestrebungen der Regierung, gegen historische ethnische Spannungen vorzugehen, weiterhin einem gewissen Grad an Diskriminierung ausgesetzt (UNHCR-Richtlinien vom 24. März 2011). Einige hazarische Gemeinden oder Kommandanten verbündeten sich mit den Taliban, aber es gab keine Hinweise auf eine direkte Rekrutierung von Individuen, die der hazarischen Ethnie angehörten (European Asylum Support Office: Afghanistan: Taliban Strategies - Recruitment aus Juli 2012).

Kuchi

Die ethnisch zu den Paschtunen gehörenden Kuchi stellen eine marginalisierte Gruppe dar. Seit dem Ende des Taliban-Regimes im Jahr 2001 weisen Indikatoren für menschliche Entwicklung eine mangelhafte Entwicklung der Kuchi im Vergleich zu anderen ethnischen Gruppen aus. Die Kuchi gehören zu den ärmsten Menschen in Afghanistan. Die Kuchi sind traditionell eine nomadisch lebende Gruppe, jedoch lebt die Mehrheit mittlerweile in Städten oder Dörfern. Die Verfassung sieht vor, dass der Staat Maßnahmen für die Verbesserung der Lebensgrundlagen von Nomaden ergreifen und ihren Zugang zu Bildung verbessern soll (Artikel 44). Die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission (AIHRC) berichtet jedoch, dass die Regierung selten ihre Versprechen umgesetzt hat, mobile Schulen und Kliniken für die Kuchi zu bauen. Folglich gehört die Alphabethisierungsrate unter den nomadisch lebenden Kuchi zu den niedrigsten weltweit. Kuchi haben außerdem sehr beschränkten Zugang zu Einrichtungen des Gesundheitswesens (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Im Unterhaus des Parlaments sind zehn Sitze für die Minderheit der Kuchi reserviert (U.S. Department of State: 2011 Human Rights Report - Afghanistan vom 24. Mai 2012). In einer besonderen Lage befinden sich die ca. eine Million Nomaden (Kuchi), die mehrheitlich Paschtunen sind, da sie in besonderem Maße unter den ungeklärten Boden- und Wasserrechten leiden (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes aus Jänner 2012).

Konflikt Hazara - Kuchi

Ein Spezifikum in der Provinz XXXX stellt der Konflikt zwischen den Kuchi und den Hazara dar (Österreichischer Integrationsfonds [Martin Schmidt]: Minderheiten in Afghanistan: die Hazara aus Februar 2010). Es komm alljährlich zu Konflikten zwischen den nomadischen Kuchi und den sesshaften Hazara. Bei den Auseinandersetzungen geht es i.d.R. um Land- und Weiderechte. Dieser Konflikt betrifft im Gegensatz zu den Taliban-Aktivitäten hauptsächlich den Osten der Provinz XXXX (v. a. die beiden Behsud-Distrikte) und damit die mehrheitlich hazarischen Gebiete. 2007 gab es Berichte über Überfälle und Fluchtbewegungen von über 4.000 Menschen. 2008 kam es zu Protesten der Hazara in Kabul und in Folge dessen zur Einsetzung einer Kommission, die Lösungen für den Konflikt ausarbeiten sollte (Cooperation for Peace and Unity - Sonya Merkova, Christian Dennis, Idrees Zaman, Conflict Analysis: Chak and Sayedabad districts, XXXX province aus April 2009). Die alljährlich in den Sommermonaten wiederkehrende Migration von Kuchi in fruchtbare Weidegebiete der sesshaften Hazara in der Provinz XXXX führte 2008 und 2010 zu bewaffneten Auseinandersetzungen, die mitunter auch mit schweren Waffen ausgetragen wurden (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes aus Jänner 2012).

1.2.7. Justiz und (Sicherheits‑)Verwaltung:

Verwaltung und Justiz funktionieren nur sehr eingeschränkt. Neben der fehlenden Einheitlichkeit in der Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht), werden auch rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien nicht regelmäßig eingehalten. Einflussnahme und Zahlung von Bestechungsgeldern durch mächtige Akteure verhindern Entscheidungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen in weiten Teilen des Justizsystems (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

Richterinnen und Richter sind Bestechungsversuchen und Drohungen sowohl seitens lokaler Machthaber, Beamten aber auch Familienangehörigen, Stammesältesten und Angehöriger regierungsfeindlicher Gruppierungen ausgesetzt, was ihre Unabhängigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. Die Urteile zahlreicher Gerichte basieren auf einem Gemisch von kodifiziertem Recht, Schari'a, lokalen Gebräuchen und Stammesgesetzen. Gerichtsprozesse entsprechen in keiner Weise den internationalen Standards für faire Verfahren. Die Haftbedingungen liegen weiterhin unter den internationalen Standards; sanitäre Einrichtungen, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Decken sind mangelhaft, ansteckende Krankheiten verbreitet (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die systematisch nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht festzustellen. Fälle von Sippenhaft sind allerdings nicht auszuschließen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014). Blutfehden können zu lang anhaltenden Kreisläufen aus Gewalt und Vergeltung führen. Nach dem Pashtunwali muss die Rache sich grundsätzlich gegen den Täter selbst richten, unter bestimmten Umständen kann aber auch der Bruder des Täters oder ein anderer Verwandter, der aus der väterlichen Linie stammt, zum Ziel der Rache werden. Im Allgemeinen werden Racheakte nicht an Frauen und Kinder verübt. Wenn die Familie des Opfers nicht in der Lage ist, sich zu rächen, dann kann die Blutfehde ruhen, bis die Familie des Opfers sich in der Lage sieht, Racheakte auszuüben. Daher kann sich die Rache Jahre oder sogar Generationen nach dem eigentlichen Vergehen ereignen. Die Bestrafung des Täters durch das formale Rechtssystem schließt gewaltsame Racheakte durch die Familie des Opfers nicht notwendigerweise aus (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013).

Die Taliban haben in den von ihnen kontrollierten Gebieten ihre eigenen parallelstaatlichen Justizsysteme eingerichtet. Ihre Rechtsprechung basiert auf einer äußerst strikt ausgelegten Interpretation der Shari'a; die von ihnen ausgeführten Bestrafungen umfassen auch Hinrichtungen und körperliche Verstümmelungen und werden von UNAMA teilweise als Kriegsverbrechen eingestuft (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Innerhalb der Polizei sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung - ebenso wie in der Justiz - endemisch (Richtlinien des UNHCR vom 6. August 2013). Die Afghanische Nationale Polizei (ANP) gilt als korrupt und verfügt bei der afghanischen Bevölkerung kaum über Vertrauen. Die afghanischen Sicherheitskräfte, die inzwischen praktisch im ganzen Land an vorderster Front kämpfen, werden auch künftig auf internationale Unterstützung sowie Beratung und Ausbildung angewiesen sein. Ein weiteres schwerwiegendes Problem stellt die hohe Ausfallquote dar: Rund 35% der Angehörigen der Afghanischen Sicherheitskräfte schreiben sich jedes Jahr nicht mehr in den Dienst ein. Die Desertionsrate in der Armee wird nur noch von jener der ANP übertroffen (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

1.2.8. Versorgungslage:

Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Für Rückkehrer gilt dies naturgemäß verstärkt. Eine hohe Arbeitslosigkeit wird verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiert das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Auch der Norden des Landes ist extremen Natureinflüssen wie Trockenheiten, Überschwemmungen und Erdverschiebungen ausgesetzt. Außerhalb der Hauptstadt Kabul und der Provinzhauptstädte fehlt es an vielen Orten an grundlegender Infrastruktur für Transport, Energie und Trinkwasser.

Die medizinische Versorgung ist trotz erkennbarer Verbesserungen landesweit aufgrund un-genügender Verfügbarkeit von Medikamenten, Ausstattung der Kliniken, Ärzten und Ärztinnen sowie mangels gut qualifizierten Assistenzpersonals (v.a. Hebammen) immer noch unzureichend. Die Behandlung psychischer Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet (abgesehen von einzelnen Pilotprojekten) nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

1.2.9. Rückkehrfragen:

Die Fähigkeit Afghanistans, Rückkehrer aufzunehmen, bleibt gering (Country Report des U.S. Department of State vom 19. April 2013). Gemäß UNHCR waren rund 40% der Rückkehrenden nicht in der Lage, sich in ihren Heimatgemeinden wieder zu integrieren, was zu einer signifikanten zweiten Vertreibung geführt hat. Bis zu 60% der Rückkehrenden kämpfen mit Schwierigkeiten, sich in Afghanistan wieder einzugliedern. Erschwert wird die Wiedereingliederung durch die anhaltend prekäre Sicherheitslage, den Verlust der Lebensgrundlage, den fehlenden Zugang zu Gesundheits- und Bildungseinrichtungen sowie durch die Herausforderungen bei der Einforderung von Land und Besitz (Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 30. September 2013).

Bei der Rückkehr von Frauen, Kindern, alten Menschen oder Alleinerziehenden stellt die Reintegration in ein religiöses und sozial traditionelles Umfeld oft eine Herausforderung dar (Bericht von IOM vom Oktober 2012). Rückkehrer können auf Schwierigkeiten gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Art vor allem dann stoßen, wenn sie außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit aus dem (westlich geprägten) Ausland zurückkehren und ihnen ein soziales oder familiäres Netzwerk sowie aktuelle Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen (Bericht des Deutschen Auswärtigen Amtes vom 31. März 2014).

UNHCR spricht sich gegen eine Rückkehr von Personen an einen Ort aus, der weder dem Herkunftsort noch früheren Wohnorten entspricht, wo keine tatsächlichen Familien- oder Stammesstrukturen und entsprechende Unterstützung bestehen (Anfragebeantwortung des UNHCR vom 11. November 2011).

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und vor der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die im Wege des schriftlichen Parteiengehörs übermittelten Länderberichte.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Identität, Volljährigkeit, Sprachkenntnissen sowie Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Seine strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 15. Dezember 2014.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Ob die Feststellungen der belangten Behörde in Hinblick auf das Nichtvorliegen von Fluchtgründen in Bezug auf den Beschwerdeführer und die diesbezügliche Beweiswürdigung zutreffen, kann insoweit dahinstehen, als das Bundesverwaltungsgericht auch dann, wenn es die Angaben des Beschwerdeführers den Feststellungen zugrunde legen würde, in rechtlicher Hinsicht zu keinem anderen Ergebnis als die belangte Behörde gelangen würde (vgl. Punkt II. 3. A 1. dieses Erkenntnisses; zur "Wahrunterstellung" vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 13. November 2008, Zl 2006/01/0191; vom 17. März 2009, Zl 2007/19/0459; vom 26. Mai 2009, Zl 2007/01/0077; vom 26. Juni 2009, Zl 2008/23/0865, sowie vom 10. Dezember 2009, Zl 2008/19/1204). Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf die Ausführungen in der Beschwerde, soweit sich diese auf die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe beziehen.

Abgesehen davon hält die Beschwerde der die Fluchtgründe betreffenden substantiierten und schlüssigen Beweiswürdigung der belangten Behörde nichts entgegen, zumal auch gar nicht versucht wird, der Beweiswürdigung der belangten Behörde außer durch die Wiederholung von Teilen des Vorbringens und Aufstellen von allgemeinen Behauptungen, die weder begründet noch näher ausgeführt wurden, entgegenzutreten.

2.3. Zum Herkunftsstaat

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen, wie zB der ANSO oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch wurde den dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen weder durch den Beschwerdeführer noch durch die belangte Behörde entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes

Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG legt fest, dass die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit erkennen.

Bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 war der Asylgerichtshof gemäß Art 129c B-VG in der bis dahin geltenden Fassung, zuständig, nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen - das war bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 das Bundesasylamt - zu erkennen.

Gemäß Art 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1. Jänner 2014 zum Bundesverwaltungsgericht. Dieses hat gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren (nach Maßgabe des § 75 Abs. 20 AsylG 2005) zu Ende zu führen. Das gegenständliche Verfahren war mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängig, somit ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr für die Erledigung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Nach § 1 des Bundesgesetzes über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G), BGBl I Nr. 87/2012 idF BGBl I Nr. 68/2013, besteht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) als eine dem Bundesminister für Inneres unmittelbar nachgeordnete Behörde mit bundesweiter Zuständigkeit.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BFA-G obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des AsylG 2005.

Art 131 Abs. 2 B-VG legt fest, dass das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG in Rechtsachen in den Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, erkennt.

Die konkrete Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes im gegenständlichen Fall ergibt sich daher aus Art 131 Abs. 2 B-VG iVm §§ 1 und 3 Abs. 1 Z 2 BFA-G.

3.2. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idF BGBl I Nr. 161/2013, mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (vgl. insbesondere § 1 BFA-VG).

§ 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I Nr. 87/2012 idF BGBl I Nr. 144/2013, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt.

§§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Mit 1. Jänner 2006 ist das AsylG 2005 in Kraft getreten, welches auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz in seiner jeweils geltenden Fassung, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden ist.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer einschlägigen anderslautenden Regelung unterliegt der Beschwerdefall somit der Einzelrichterzuständigkeit.

3.3. Prüfungsumfang und Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang fest und beschränkt diesen insoweit, als das Verwaltungsgericht (bei Bescheidbeschwerden) prinzipiell (Ausnahme: Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde) an das Beschwerdevorbringen gebunden ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 1 zu § 27 VwGVG). Konkret normiert die zitierte Bestimmung:

"Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen."

Die zentrale Regelung zur Frage der Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte bildet § 28 VwGVG. Die vorliegend relevanten Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[...]."

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest (vgl. zuvor II. 1.). Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Nach § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist -, ungeachtet eines Parteiantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl I Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S, widerspricht.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art 6 EMRK kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR vom 12. November 2002, 28.394/95, Döry/Sweden; EGMR vom 8. Februar 2005, 55.853/00, Miller/Sweden). Der Verfassungsgerichtshof hat in Anlehnung an diese Judikatur zu der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft gewesenen Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG (ex § 41 Abs. 7 AsylG 2005) unter Berücksichtigung des Art 47 iVm Art 52 GRC ausgesprochen, dass eine mündliche Verhandlung auch regelmäßig unterbleiben kann, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt. Zudem steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren in Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im erstbehördlichen Verfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 14. März 2012, Zl U 466/11).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2014, Zlen Ra 2014/20/0017 und 0018) sind für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wortfolge "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien maßgeblich: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Sowohl gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch unter Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 24 Abs. 4 VwGVG iVm 21 Abs. 7 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben:

Der Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung nachgekommen, der Sachverhalt ist nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt worden, die erstbehördliche Beweiswürdigung wurde in der Rechtsmittelschrift nicht substantiiert bekämpft, und in der Beschwerde wurde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet. Es ergaben sich daher keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgebenden Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern. Schließlich wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer auch gar nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt A):

Zu Spruchpunkt I. (Asylantrag)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 6. Oktober 1999, Zl 99/01/0279).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 19. Oktober 2000, Zl 98/20/0233).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich jedoch, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung, anknüpft.

Der Beschwerdeführer brachte als fluchtauslösende Ereignisse im Wesentlichen vor, er habe Afghanistan aus Angst vor den Kuchi (vgl. AS 79) und dem damit in Zusammenhang stehenden Tod seines Großvaters (vgl. AS 67) verlassen.

Soweit der Beschwerdeführer daher vorbringt, er sei im Jahr 2009 von ca. vier oder fünf Personen aufgrund von Streitigkeiten in Hinblick auf ein Grundstück von Angehörigen der Kuchi mit Füßen getreten und geschlagen worden (vgl. AS 71), ist auszuführen, dass es in Afghanistan in früheren Jahren wiederholt zu gewalttätigen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem (pashtunischen) Nomadenvolk der Kuchi und der Volksgruppe der Hazara gekommen war. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr, nämlich die Angst vor den Kuchi, steht jedoch in keinem kausalen Zusammenhang mit einem der in der GFK abschließend genannten Verfolgungsgründe (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und politische Gesinnung). Die Überfälle der Kuchi sind nicht bzw. nicht wesentlich auf einen Konventionsgrund zurückzuführen, sondern haben ihren wesentlichen Grund vielmehr in der allgemein schlechten Wirtschafts- und Versorgungslage sowie in den ungeklärten Boden- und Wasserverhältnissen in Afghanistan, zumal sich die Überfälle bzw. Übergriffe der Kuchi wegen des von ihnen begehrten Weidelandes potenziell gegen alle Bewohner dieser Region ohne Unterscheidung ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Gesinnung richten. Aus den zur Lage in Afghanistan vorliegenden und diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Erkenntnisquellen (denen auch vom Beschwerdeführer nicht entgegengetreten wurde) ergibt sich im Ergebnis übereinstimmend, dass der maßgebliche Grund für die Überfälle der Kuchi auf im zentralafghanischen Hochland lebende Hazara der (keinem Konventionsgrund zuordenbare) Konflikt über Boden und Weiderechte ist. Der Beschwerdeführer selbst führte in seiner Beschwerde aus, dass die Kuchi Nomaden seien, die jedes Jahr mit ihren Tieren durch das Heimatgebiet des Beschwerdeführers ziehen und dieses für sich beanspruchen möchten.

Wenn der Beschwerdeführer nun vermeint, man könne "sehen, dass Grundstücksstreitigkeiten oft Ausgangspunkt von jahrelangen Fehden sind, dass die Kuchi nicht verhandlungsbereit sind und sich der Staat nicht willens und in der Lage ist einzugreifen" und darin eine asylrechtlich relevante Verfolgung begründet sieht, ist dem Beschwerdeführer diesbezüglich entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 26. Februar 2002, Zl 99/20/0571, und vom 14. Jänner 2003, Zl 2001/01/0432, ausdrücklich das Vorliegen eines Konventionsgrundes im Zusammenhang mit Erbschafts- und/oder Grundstücksstreitigkeiten verneinte.

Vor allem aus den herkunftsstaatsbezogenen Informationsquellen (welchen vom Beschwerdeführer nicht entgegengetreten wurde) ergeben sich keine geeigneten Anhaltspunkte dafür, dass das geltend gemachte Bedrohungsszenario über diesen Konflikt hinaus zu einem wesentlichen Teil auch auf andere Umstände (etwa auf die Zugehörigkeit der Dorfbewohner zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Religionsgruppe der Schiiten) zurückzuführen sein könnte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die wiederkehrende Wanderung von Nomaden in fruchtbare Weidegebiete der Hazara mitunter auch mit schweren Waffen ausgetragene Auseinandersetzungen mit sich bringen (vgl. dazu die Erkenntnisse vom AsylGH vom 14. Juli 2011, Zl C10 411667-1/2010/2E; vom 18. Februar 2010, Zl C18 406530-1/2009/5E; vom 15. Oktober 2009, Zl C17 405246-1/2009/4E; vom 23. März 2009, Zl C2 400504-1/2008/2E, sowie vom 16. April 2012, Zl C9 410761-1/2009/4E).

Wenn der Beschwerdeführer nun vermeint, dass er aufgrund seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan "Probleme" gehabt habe (vgl. AS 39: "F: Hatten Sie wegen Ihrer Religion oder wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in Ihrem Herkunftsstaat je Probleme? - A: Das ist ja das große Problem. Wir sind Hazare und Schiiten. Deswegen hatten wir Probleme. Ich persönlich war auch davon betroffen, weil ich ja dort gelebt habe. Auch mein Vater wurde einmal geschlagen. Konkret nur gegen mich gerichtete Verfolgungshandlungen gab es aber nicht.") ist ihm entgegenzuhalten, dass eine schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft im Heimatland eines Asylwerbers - für sich alleine - nicht geeignet ist, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. So kann zB die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden und das alevitische Religionsbekenntnis noch keinen ausreichenden Grund für eine Asylgewährung bilden (vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl 2000/20/0358). Auch gemäß ständiger Judikatur sowohl des Asylgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse vom 4. August 2010, Zl C2 413686-1/2010; vom 8. August 2011, Zl C5 314794-1/2008; vom 18. August 2011, Zl C13 420219-1/2011, sowie vom 29. September 2011, Zl C10 401601-1/2008) als auch des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. die Erkenntnisse vom 12. Juni 2014, Zl W110 1435887-1/12E; vom 4. März 2014, Zl W219 1423803-1/6E, sowie vom 2. Juni 2014, Zl W148 1423987-1/7E) scheidet die Annahme einer asylrelevanten Verfolgung allein aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Ethnie der Hazara mangels einer systematischen Verfolgung dieser Volksgruppe in Afghanistan aus. Folglich beinhaltete das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers keine asylrechtlich relevante Verfolgung iSd GFK.

Auch mit dem Vorbringen einer allfälligen sich auf den Beschwerdeführer durchschlagenden Bedrohungssituation in Bezug auf dessen Großvater (der aufgrund eines Streites um ein Grundstück getötet worden sei), vermag der Beschwerdeführer jedoch nichts zu gewinnen und ist ihm diesbezüglich Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 19. Dezember 2001, Zl 98/20/0330, sowie vom 24. Juni 2004, Zl 2002/20/0165) können Verfolgungshandlungen gegen Verwandte eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden. Diese Form der "stellvertretenden" (oder - in anderen Fällen - zusätzlichen) Inanspruchnahme für ein Familienmitglied entspricht dem Modell des - oft als "Sippenhaftung" bezeichneten - "Durchschlagens" der Verfolgung eines Angehörigen auf den Asylwerber. Die entsprechende Asylrelevanz wird aus dem Verfolgungsgrund der "sozialen Gruppe" abgeleitet.

Ein solches Durchschlagen der einen Angehörigen treffenden Verfolgung kann jedoch nur dann asylrelevant sein, wenn solche Gründe (wenigstens) in der Person des Angehörigen des Beschwerdeführers vorliegen (vgl. die Erkenntnisse des VwGH vom 11. Oktober 2000, Zl 2000/01/0172; vom 21. September 2000, Zl 98/20/0439, vom 20. Jänner 1993, Zl 92/01/0794, sowie vom 5. November 1992, Zl 92/01/0792). Aus den Behauptungen des Beschwerdeführers kann hierfür jedoch kein hinreichend konkreter Anhaltspunkt abgeleitet werden, da er kein Vorbringen erstattet hat, welchem in der Person dessen Großvaters gelegene Konventionsgründe zu entnehmen gewesen wären, zumal der Beschwerdeführer selbst ausführte, dass sein Großvater bei einem Streit um ein Grundstück ums Leben gekommen sei (vgl. AS 67), Grundstücksstreitigkeiten - wie bereits erwähnt gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - keine Asylrelevanz begründen und eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung keine ist, die den in der GFK genannten Gründen zugeordnet werden kann (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 11. Dezember 1997, Zl 96/20/0045).

Schlussendlich muss davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um keine von staatlicher, sondern eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung handelt, zumal der Beschwerdeführer doch Verfolgungshandlungen seitens des Staates ausdrücklich verneinte (vgl. AS 39). Unbedingte Voraussetzung der Annahme einer asylrelevanten Verfolgung im Lichte der GFK durch Dritte im Falle einer etwaigen Schutzunwilligkeit und Schutzunfähigkeit des Heimatstaates ist demnach das Vorliegen der Anknüpfung an einen in der GFK normierten Verfolgungsgrund. Im konkreten Fall könnte ein asylrelevanter Anknüpfungspunkt an die GFK daher lediglich auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe gestützt werden. Da ein solcher asylrelevanter Anknüpfungspunkt aber wie gezeigt nicht dargetan werden konnte, vermochte der Beschwerdeführer auch mit diesem Vorbringen keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung aufzuzeigen.

Eine darüber hinaus gehende Verfolgung wurde von Seiten des Beschwerdeführers nicht substantiiert behauptet und war für das Bundesverwaltungsgericht auch nicht erkennbar.

Da somit die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht vorliegt und daher die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde abzuweisen.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl Nr. 10/1985 idF BGBl I Nr. 122/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die oben zitierte Judikatur des VwGH), weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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