Normen
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt B wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 18. September 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 22. September 1998 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Oktober 1998 und am 1. März 1999 begründete er seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass er wegen einer Auseinandersetzung um den Grundbesitz seines Vaters vom König eines Nachbardorfes, der sich diesen Grundbesitz widerrechtlich aneignen wolle, mit dem Tod bedroht werde. Die Polizei sei zwar bei Kämpfen zwischen dem Vater des Beschwerdeführers, der bei diesen Auseinandersetzungen ums Leben gekommen sei, und dem König des Nachbardorfes im September 1998 eingeschritten und habe mehrere Personen auf beiden Seiten festgenommen, um zu verhindern, dass noch mehr Menschen getötet würden. Gegen den König des Nachbardorfes selbst sei die Polizei aber nicht eingeschritten. Die Polizei wisse, dass dieser König im Geheimen Menschen töte, und unternehme nichts dagegen. Den Beschwerdeführer würde in Afrika der Tod erwarten. Der König wäre bereit, jeden Betrag zu zahlen, wenn er wüsste, dass der Beschwerdeführer noch in Afrika wäre.
Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 6. Juli 1999 gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria sei zulässig. In der Begründung wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen einerseits als "nicht plausibel", andererseits aber "bedingt als glaubhaft" bezeichnet und der rechtlichen Würdigung des Falles zu Grunde gelegt.
In seiner Berufung gegen diese Entscheidung wiederholte der Beschwerdeführer, er werde "auf Grund einer Auseinandersetzung um Grundbesitz" seines Vaters vom König des Nachbardorfes mit dem Tod bedroht. Zur Frage staatlicher Schutzgewährung und einer inländischen Fluchtalternative brachte er vor, die Polizei schreite zwar bei "öffentlichen Auseinandersetzungen" ein, das "weitere Vorgehen der Staatsorgane" werde aber "von traditionellen politischen Strukturen einerseits und Korruption andererseits bestimmt". Die staatlichen Behörden seien "nicht gewillt und nicht in der Lage", den Beschwerdeführer vor der Verfolgung durch den König des Nachbardorfes zu schützen. Die traditionellen Machtstrukturen seien "Teil der politischen Struktur Nigerias". Da das Interesse des Königs des Nachbardorfes am Tod des Beschwerdeführers auf Grund des Wertes des Grundstückes "beträchtlich" sei, sei damit zu rechnen, dass er seine politischen Beziehungen und seinen Einfluss dafür verwenden werde, sein Ziel - den Tod des Beschwerdeführers - zu erreichen. Der Beschwerdeführer könne daher "in keinem Teil Nigerias" sicher sein. Darüber hinaus wandte sich der Beschwerdeführer in der Berufung im Einzelnen gegen die Ansicht des Bundesasylamtes, seine Angaben zum Fluchtweg seien offensichtlich falsch und er sei älter als von ihm angegeben.
Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 2 AsylG ab (Spruchpunkt A) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria sei zulässig (Spruchpunkt B). In der Begründung dieser Entscheidung ging die belangte Behörde nicht davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen ganz oder teilweise unglaubwürdig seien. Sie stellte als entscheidungswesentlichen Sachverhalt (ausdrücklich) allerdings nur fest, der Beschwerdeführer sei "auf Grund von Auseinandersetzungen um das Farmland seines Vaters, auf das der König des Nachbardorfes Anspruch erhob, geflüchtet", er habe "Angst, von diesem König ebenfalls getötet zu werden", und bei dem Kampf im September 1998, bei dem der Vater des Beschwerdeführers getötet worden sei, habe die Polizei einige Leute auf beiden Seiten festgenommen.
In der rechtlichen Beurteilung des Asylbegehrens des Beschwerdeführers hob die belangte Behörde u.a. hervor, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich nicht, dass die Bedrohung vom Staat ausgehe oder von diesem "zwingend gebilligt" würde. Die Bedrohung beruhe weiters auf keinem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, dass ihm kein staatlicher Schutz vor der geltend gemachten Verfolgung zuteil würde, sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer gar nicht versucht habe, sich unter staatlichen Schutz zu stellen. Selbst wenn sein diesbezügliches Vorbringen den Tatsachen entspräche, ergebe sich daraus aber nicht, dass der Heimatstaat des Beschwerdeführers "generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt" nicht in der Lage sei, derartige Verfolgungshandlungen zu verhindern, oder dass die Behörden die dem Beschwerdeführer allenfalls drohenden Übergriffe "dulden würden". "Absoluter Schutz" des Lebens und der Sicherheit sei auch in einem hoch entwickelten Staat nicht möglich.
Zu Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde - im Anschluss an eine Darstellung anderer allgemeiner Kriterien für die nach § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 FrG zu treffende Entscheidung - aus, § 57 FrG setze "voraus, dass die dort umschriebene Gefahr für den Fremden vom Staat ausgeht. Eine Bedrohung, die ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von Privatpersonen ausgeht, fällt nicht darunter". Die konkreten Gründe dafür, weshalb dem Beschwerdeführer (insbesondere) kein Abschiebungsschutz zu gewähren sei, lauteten daran anschließend wie folgt:
"Im vorliegenden Fall ist es dem Asylwerber nicht gelungen, eine seine Person betreffende konkrete Gefährdung glaubhaft zu machen und war es dem Antragsteller nicht möglich, im durchgeführten Ermittlungsverfahren Indizien aufzuzeigen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass er Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat für den Fall seiner Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Die von ihm geschilderten Stammesfehden und die Angst, vom König des verfeindeten Dorfes wegen des Grundstückes" (wohl zu ergänzen: getötet zu werden,) "stellen keinen hinreichenden Grund für die Annahme einer Gefährdung bzw. Bedrohung i.S.d. § 57 Abs. 1 FrG dar.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Auch die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfolgungsgefahr auf einen der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen sei. Da das Nichtvorliegen solcher Gründe nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch offensichtlich ist und das Verfahren keine sonstigen Hinweise auf die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers in Nigeria ergeben hat, ist der belangten Behörde in der Beurteilung des Asylantrages in Spruchpunkt A des angefochtenen Bescheides im Ergebnis nicht entgegen zu treten. Dass die belangte Behörde sich dabei in Bezug auf die mangelnde Staatlichkeit der Verfolgung auch auf andere, zum Teil nicht der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechende und im Zusammenhang mit § 6 Z 2 AsylG von vornherein nicht tragfähige Argumente gestützt hat, ändert an diesem Ergebnis nichts.
In Bezug auf die für den Ausspruch nach § 8 AsylG zu prüfende Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Beschwerdeführer in seinem Heimatland damit rechnen müsste, dort einem Mörder, dessen Treiben von staatlichen Behörden geduldet werde, zum Opfer zu fallen, entbehrt der angefochtene Bescheid aber einer nachvollziehbaren Begründung. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist der Einfluss des mit ihm verfeindeten Königs in Nigeria so groß, dass der Beschwerdeführer in keinem Teil Nigerias sicher sein könnte. Wegen des bestimmenden Einflusses der traditionellen politischen Strukturen und der in Nigeria herrschenden Korruption habe der Beschwerdeführer keinen staatlichen Schutz zu erwarten. Die Polizei wisse, dass dieser König im Geheimen Menschen töte, und unternehme nichts dagegen. Die Ermordung des Beschwerdeführers sei dem König des Nachbardorfes so wichtig, dass er "jeden Betrag" zahlen würde, um den Beschwerdeführer nicht nur in Nigeria, sondern offenbar überall "in Afrika" töten zu lassen. Über dieses Vorbringen hat sich die belangte Behörde hinweg gesetzt, statt sich - angesichts des Fehlens einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und der Ergänzung des Vorbringens in der Berufung des Beschwerdeführers - nach Durchführung der im Gesetz vorgeschriebenen mündlichen Berufungsverhandlung mit der Frage der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und der objektiven Wahrscheinlichkeit der von ihm behaupteten Bedrohung konkret auseinander zu setzen.
Davon abgesehen hat die belangte Behörde - gestützt auf ältere Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zum Fremdengesetz und unter Übergehung des Vorbringens des Beschwerdeführers, der Staat sei auch "nicht gewillt", ihn zu schützen - mit der Annahme, die hier maßgebliche Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG dürfe nicht ohne "Billigung" durch staatliche Stellen "nur von Privatpersonen" ausgehen, aber auch die Rechtslage verkannt (vgl. dazu - zum Teil mit Hinweisen auch auf neuere Entscheidungen zum Fremdengesetz - die Erkenntnisse vom 8. Juni 2000, Zl. 99/20/0203, Zlen. 99/20/0111 bis 0113 und Zl. 2000/20/0141, vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0557, vom 21. Dezember 2000, Zl. 2000/01/0225, zuletzt insbesondere vom 21. August 2001, Zl. 2000/01/0443, und darauf verweisend vom 13. November 2001, Zl. 2000/01/0453; vgl. auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/20/0509).
Es war daher Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 26. Februar 2002
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