AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:W109.1439289.1.00
Spruch:
W109 1439235-1/6E
W109 1439288-1/4E
W109 1439289-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl Thomas BÜCHELE über die Beschwerden
1. des XXXX,
2. der XXXX und
3. des XXXX,
alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom XXXX, 1. Zl. XXXX, 2. Zl. XXXX und 3. Zl. XXXX beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide
behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revisionen sind gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Die Verfahren vor dem Bundesasylamt:
1. Die Verfahren vor dem Bundesasylamt:
Am 17.5.2013 stellten die drei Beschwerdeführer, afghanische Staatsangehörige und Mitglieder einer Familie, jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag). Sie sind der Volksgruppe der Tadschiken zugehörig. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gab der Erstbeschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund Folgendes an, sie hätten große Grundstücke und ein Haus gehabt. Die Taliban hätten diese beschlagnahmen wollen. Sie hätten seinen Bruder festgenommen, geschlagen und dann umgebracht. Er habe dann flüchten können. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, sie habe Afghanistan wegen der Bedrohung ihres Mannes verlassen.
Am 08.07.2013 gab der Erstbeschwerdeführer bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt zu seinem Fluchtgrund an, die Taliban hätten seine Grundstücke übernehmen wollen. Im Zuge dieser Streitigkeiten sei sein Bruder getötet worden. Er sei von den Taliban genötigt worden, die Grundstückspapiere zu übergeben. Die lokale Polizei habe dem Erstbeschwerdeführer und seinem Bruder mitgeteilt, sie seien gegen die Taliban machtlos.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer Einvernahme an, die Taliban hätten die Grundstücke ihres Mannes übernehmen wollen. Dieser sei im Zuge der Grundstücksstreitigkeiten verletzt und mit dem Tode bedroht worden. Die Taliban hätten ihren Schwager im Zuge dieser Auseinandersetzungen getötet. Die Polizei habe ihnen nicht geholfen. In ihrem Herkunftsland sei die Beschwerdeführerin weder aus rassischen, sozialen, politischen oder religiösen Gründen verfolgt worden.
Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinen persönlichen Verhältnissen zusammengefasst an, er habe in Afghanistan von der Landwirtschaft gelebt. Mit seiner Frau sei er traditionell nach muslimischem Ritus verheiratet. Seine Eltern und Großeltern seien verstorben. In Afghanistan leben nur noch Geschwister und ein Onkel. Zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er einen Deutschkurs besuche und als Gärtner arbeite. Er sei kein Mitglied eines Vereines und habe auch sonst keine Freunde, Bekannte oder Verwandte in Österreich oder der Europäischen Union.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren persönlichen Verhältnissen zusammengefasst an, sie sei in Afghanistan im Haushalt tätig gewesen. Mit ihrem Mann sei sie traditionell nach muslimischem Ritus verheiratet. Sie habe mit diesem und dessen Bruder wie auch dessen Familie in einem Haus gelebt. Ihre Eltern sowie zwei Schwestern und ein Bruder würden noch in Afghanistan leben. Sie sei kein Mitglied eines Vereines und habe auch sonst keine Freunde, Bekannte oder Verwandte in Österreich oder der Europäischen Union.
2. Die angefochtenen Bescheide des Bundesasylamtes:
Mit den angefochtenen Bescheiden wies das Bundesasylamt die Asylanträge gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005) BGBl. I Nr. 100/2005 i.d.F. BGBl. I Nr. 87/2012 (Spruchteil I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchteil II.) ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurden die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchteil III.).
Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten ihr Fluchtvorbringen nicht Glaubhaft machen können. Die belangte Behörde stützte ihre diesbezüglichen Feststellungen vor allem auf die Aussagen betreffend das Ableben des Bruders des Erstbeschwerdeführers wie auch auf die Inanspruchnahme der Polizei in diesem Zusammenhang, welche nach Ansicht des Bundesasylamts widersprüchlich seien. Auch sei für die Behörde der Eindruck entstanden, dass die Beschwerdeführer den Geschehnissen und der Zukunft der in Afghanistan verbliebenen Familienmitglieder gleichgültig gegenüber stehen, was wiederum für jede mit Ratio ausgestattete Person nicht nachvollziehbar sei. Zum Drittbeschwerdeführer wurde ausgeführt, dass dessen gesetzliche Vertretung keine eigenen Asylgründe vorgebracht habe. Ebenso sprach das Bundesasylamt der behaupteten Identität der Beschwerdeführer - mangels vorgelegter Dokumente - keine Glaubwürdigkeit zu. Als glaubwürdig erachtete das Bundesasylamt hingegen die Tatsachen, dass die Beschwerdeführer der Volksgruppe der Tadschiken angehören und sunnitische Moslems seien.
Im Falle der Rückkehr seien die Beschwerdeführer nach Ansicht des Bundesasylamtes keiner Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität und Zugehörigkeit zu einer sozialen oder politischen Gruppe ausgesetzt. Betreffend die Situation der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat stellte das Bundesasylamt das Bestehen von Erwerbsmöglichkeiten in der Landwirtschaft fest und führte im Übrigen aus, dass sich die Beschwerdeführer an zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Organisationen im In- und Ausland wenden können. Es handle sich beim Erstbeschwerdeführer insgesamt um einen gesunden, arbeitsfähigen volljährigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit an Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Die Zweitbeschwerdeführerin leide an keiner lebensbedrohliche Krankheit und könne nach einer erfolgten Rückkehr wieder den Haushalt führen. Die Sicherheitslage sei nicht so bedrohlich, dass die Gewährung von subsidiärem Schutz gerechtfertigt sei. In Bezug auf die Ausweisung wurde ausgeführt, es gebe keine Hinweise für eine Integrationsverfestigung der Beschwerdeführer. Zur Drittbeschwerdeführerin wurde ausgeführt, sie habe keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
3. Die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:
In den dagegen innerhalb offener Frist eingebrachten Beschwerden wird der Beweiswürdigung der belangten Behörde entgegengetreten und brachten einige Artikel betreffend die Situation im Herkunftsland in das Verfahren ein. Weiters brachten die Beschwerdeführer vor, dass sie im gegenständlichen Verfahren eine drohende Verfolgung nach der GFK in ihrem Herkunftsstaat glaubhaft gemacht hätten. Auch sei in der Herkunftsprovinz der Beschwerdeführer, nach dem Abzug der internationalen Truppen, mit einer Verschlechterung der Sicherheitslage zu rechnen. Die Beschwerdeführer seien im Verfahren vor dem Bundesasylamt auch dazu bereit gewesen, detailliertere Antworten zu geben. Die entstandenen Widersprüche in den Befragungen erklärten die Beschwerdeführer mit dem Umstand, die Verständigung mit dem Dolmetscher aus dem Iran sei nur unzureichend gewesen. Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass die Zweitbeschwerdeführerin schwanger sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt A:
1. Zu den Rechtsgrundlagen:
1.1. Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 1 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher das vorliegende Beschwerdeverfahren zu führen.
Gemäß § 75 Abs. 19 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht zu Ende zu führen.
Gemäß § 3 Abs. 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz können mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängige Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht weitergeführt werden, wenn die Rechtssache in diesem Zeitpunkt zur Zuständigkeit eines Senates des Asylgerichtshofes gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Senates oder des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes gehört und alle Mitglieder dieses Senates bzw. der Einzelrichter dem Senat des Asylgerichtshofes angehört haben bzw. hat; zur Zuständigkeit eines einzelnen Mitglieds des Asylgerichtshofes gehört hat, danach zur Zuständigkeit des Einzelrichters des Bundesverwaltungsgerichtes gehört und es sich um denselben Organwalter handelt.
Dies trifft auf die Verfahren der Beschwerdeführer zu.
1.2. Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer in Verwaltungsstrafsachen) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Sachverhalt feststeht oder wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Die Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung ist das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen.
1.3. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat. Zur Abweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist das Bundesasylamt nur berechtigt, wenn keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft gemacht werden.
Nach § 18 AsylG 2005 hat das Bundesasylamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Nach den Erläuterungen zur Stammfassung zu dieser Bestimmung - wie auch schon im AsylG 1997 - wird damit das Prinzip der materiellen Wahrheit und der Grundsatz der Offizialmaxime für das Verfahren festgeschrieben. Das Bundesasylamt hat somit den entscheidungsrelevanten Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, insbesondere in Bezug auf entscheidungsrelevante Umstände, die auch ohne entsprechende (initiative) Angaben des Asylwerbers oder der Asylwerberin erschlossen werden können. Das entspricht auch der GFK, nach der ein verfolgter Mensch bereits mit Verlassen seines Herkunftsstaates Flüchtling ist. Sind daher Umstände augenscheinlich, die die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nahelegen, sind diese auch von Amts wegen zu erforschen, selbst wenn diesbezüglich kein initiatives Vorbringen seitens der Partei erstattet wird, da dieses insbesondere deshalb unterbleiben könnte, weil der jeweiligen Partei die Relevanz des unterbliebenen Vorbringens nicht bewusst sein könnte. Daher sind die relevanten Umstände durch entsprechende Fragestellungen zu klären, so die Angaben - selbst auf Nachfrage hin - nach den vorliegenden Umständen nicht hinreichend für eine Entscheidung sind. Um einen Antrag abweisen zu können, reicht der Hinweis, die Beschwerdeführerin habe eigene Ausführungen zu einem augenscheinlich naheliegenden Umstand, der die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten begründen könnte, unterlassen, nicht aus. Der Verfassungsgerichtshof hat zuletzt mit Erkenntnis VfSlg. 19.646/2012 ausgeführt, die Prüfung einer asylrelevanten geschlechtsspezifischen Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der afghanischen Frauen habe auch dann zu erfolgen, wenn kein diesbezügliches Vorbringen erstattet worden ist.
Die Asylbehörde hat bereits den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Diese Anordnungen würden aber unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren im Administrativverfahren unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor das Bundesverwaltungsgericht verlagert würde, sodass die Einrichtung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsinstanz zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es die Behörde ablehnen würde, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es das Bundesverwaltungsgericht ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach mit Aufhebung der bekämpften Entscheidung und Zurückverweisung zur Asylbehörde vorzugehen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; VwGH 30.09.2004, 2001/20/0135).
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Situation der afghanischen Frauen unter der Herrschaft der Taliban festgehalten (VwGH 16.04.2002, 99/20/0483):
"Betrachtet man die [...] Eingriffe der Taliban in die Lebensbedingungen der afghanischen Frauen in ihrer Gesamtheit, so kann [...] kein Zweifel bestehen, dass hier einer der Fälle vorliegt, in denen eine Summe von Vorschriften gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in Verbindung mit der Art ihrer Durchsetzung von insgesamt so extremer Natur ist, dass die Diskriminierung das Ausmaß einer Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention erreicht. In dieser Hinsicht ist abgesehen von anderen bizarren Aspekten des von den Taliban errichteten - und in der Praxis als Grundlage für willkürliche Gewaltanwendung benützten - Regelwerks vor allem auf die systematische Behinderung der medizinischen Versorgung hinzuweisen, die zumindest im Umkreis der zuvor auch der weiblichen Bevölkerung zugänglichen Einrichtungen eine unmittelbare Bedrohung des Lebens bedeutete. Schon das Fehlen der auch nur den Mindestanforderungen der Menschlichkeit entsprechenden Ausnahmen von den verordneten Regeln in Bezug auf den jederzeit möglichen Bedarf nach einer ärztlichen Behandlung kennzeichnet den Verfolgungscharakter dieser Form von Repression. Der zusätzlichen Betroffenheit etwa infolge fehlender Mittel zum Unterhalt oder durch das Fehlen männlicher Angehöriger, um sich ‚ausführen' lassen zu können oder Lebensmittel ins Haus zu bringen, bedarf es dazu nicht mehr. Erreichen die diskriminierenden Regeln selbst die asylrechtlich erforderliche Verfolgungsintensität, so kommt es auch auf zusätzliche Unverhältnismäßigkeiten im Falle des Zuwiderhandelns und mithin darauf, ob vom konkret betroffenen Asylwerber ein Zuwiderhandeln zu erwarten wäre, nicht an [...]."
Davon ausgehend haben der unabhängige Bundesasylsenat und der Asylgerichtshof als Vorgängergericht in überwiegender Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass die Situation der afghanischen Frauen auch nach dem Sturz der Taliban als Verfolgung iSd GFK zu beurteilen ist. Diese Entscheidungspraxis war bereits beim Bundesasylamt zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide notorisch. So heißt es beispielsweise im Erkenntnis AsylGH 19.12.2008, C6 267.439-0/2008:
"Am Beispiel der die Frauen und Mädchen betreffenden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit [...] wird anschaulich, dass afghanische Frauen de facto einer Verletzung in grundlegenden Rechten ausgesetzt sind. Den Feststellungen zu Folge bestehen nach wie vor gesellschaftliche Normen dahingehend, dass Frauen sich nur bei Vorliegen bestimmter Gründe alleine außerhalb ihres Wohnraumes bewegen sollen. Widrigenfalls haben Frauen mit Beschimpfungen und Bedrohungen zu rechnen bzw. sind der Gefahr willkürlicher Übergriffe ausgesetzt. Einer afghanischen Frau ist es daher auch derzeit nicht möglich, sich ungehindert und sicher in der Öffentlichkeit zu bewegen. Hinsichtlich des [...] Zugangs zu bestmöglicher Gesundheitsversorgung ist auszuführen, dass - den Feststellungen zu Folge - derzeit selbst eine lediglich minimale Gesundheitsversorgung den afghanischen Frauen nach wie vor de facto dadurch vorenthalten ist, dass Frauen durch männliche Ärzte nicht behandelt werden dürfen und es nicht ausreichend Ärztinnen in Afghanistan gibt, so dass gerade im Bereich der Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein Gesundheitsproblem von besonders schwerwiegendem Ausmaß besteht."
Dies entsprach auch der Judikatur des vormaligen Asylgerichtshofes (vgl. 20.12.2012, B11 428.389-1/2012; 31.05.2013, B14 431.861-1/2013; 20.12.2012, C6 425.068-1/2012; 16.05.2013, C10 427887-1/2012; 21.05.2013, C17 417.707-1/2011; jeweils mit weiteren Hinweisen). In dieselbe Richtung geht auch die zuletzt ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. 23.09.2009, 2007/01/0284; 04.03.2010, 2006/20/0832 mwN) bzw. des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 18.916/2009 mwN in Bezug auf Zwangsverheiratung). Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Wesentlichen ausgeführt (20.07.2010, App. 23.505/09, N. gegen Schweden), dass für Frauen in Afghanistan eine besondere Gefahr bestehen würde, misshandelt zu werden, wenn sie sich nicht in die ihnen von der Gesellschaft, der Tradition und dem Rechtssystem zugewiesene Geschlechterrolle einfügen würden. Hätten sich Frauen einem weniger konservativen Leben verschrieben, würde dies - so der EGMR unter Berufung auf den UNHCR - weiterhin als Verstoß gegen soziale und religiöse Normen aufgefasst werden und könnte zu häuslicher Gewalt oder anderen Formen der Bestrafung, etwa Isolation, führen. Verstöße gegen soziale Verhaltensregeln, so der Gerichtshof in Bezug auf den von ihm entschiedenen Fall, würden sich nicht nur auf den Bereich der Familie oder Gemeinschaft, sondern auch auf die sexuelle Orientierung, die Verfolgung einer beruflichen Karriere oder einfach auf Zweifel an der Form des Familienlebens beziehen. Schon ein langer Aufenthalt im Ausland - im Anlassfall beim EGMR in der Länge von etwa sechs Jahren - könnte bewirken, dass eine Afghanin nicht der ihr zugewiesenen Geschlechterrolle entsprechen würde; bedeutender im Fall der dortigen Beschwerdeführerin vor dem EGMR wäre aber der Umstand gewesen, dass diese ihre Scheidung - wenn auch nicht erfolgreich - betrieben hätte.
Zur "westlichen Gesinnung" hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.01.2008, 2006/19/0182, ausgeführt:
"Nach der Stellungnahme des UNHCR vom Juli 2003 sollten unter anderem afghanische Frauen, von denen angenommen werde, dass sie soziale Normen verletzen (oder die dies tatsächlich tun), bei einer Rückkehr nach Afghanistan als gefährdet angesehen werden. Diese Kategorie könnte Frauen einschließen, die westliches Verhalten oder westliche Lebensführung angenommen haben, was als Verletzung der sozialen Normen angesehen werde und ein solch wesentlicher Bestandteil der Identität dieser Frauen geworden sei, dass es für diese eine Verfolgung bedeuten würde, dieses Verhalten unterdrücken zu müssen (zur Indizwirkung entsprechender Empfehlungen internationaler Organisationen vgl. das hg. E vom 20. April 2006, Zl. 2005/01/0556 mwN; zur gebotenen Heranziehung weiterer Erkenntnisquellen auch bei Einholung eines Gutachtens vgl. das hg. E vom 1. April 2004, Zl. 2002/20/0440). Diese Stellungnahme geht also nicht nur bei Ambition zu öffentlichem Auftreten von einer Gefährdung aus, sondern bereits dann, wenn lediglich angenommen werde, eine Frau verletze soziale Normen."
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine solche Verletzung der sozialen Normen insbesondere vor, wenn die Beschwerdeführerin in Österreich alltägliche (altersgemäße) Erledigungen gewohnheitsmäßig alleine und in eigener Verantwortung (und nicht etwa über Auftrag eines männlichen Verwandten) erledigt, sich (schon) gewohnheitsmäßig westlich kleidet oder eigenverantwortlich soziale Kontakte außerhalb der Familie zu anderen, nicht der afghanischen Gemeinschaft in Österreich angehörigen Menschen, insbesondere Männern ihres Alters pflegt. Eine diesbezügliche Verfolgung droht insbesondere dann, wenn diese Kontakte etwa anderen, traditionellen Afghanen bekannt werden.
Weiters ist in Bezug auf die besondere Situation afghanischer Frauen und Mädchen - unabhängig von ihrem Familienstand - von Amts wegen zu klären, ob bei der Beschwerdeführerin in Afghanistan ein hinreichend klar artikulierter Wunsch nach Beginn einer Ausbildung oder einer beruflichen Tätigkeit vorliegt oder eine solche bereits begonnen wurde.
2. Daraus ergibt sich zu den - zulässigen - Beschwerden:
2.1. In Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin hat es das Bundesasylamt unterlassen, sich mit ihren allfälligen frauenspezifischen Problemen in Afghanistan zu beschäftigen bzw. Ermittlungen zur Lage der Frauen in Afghanistan im Allgemeinen und in ihrer Herkunftsregion im Besonderen durchzuführen. Dies ergibt sich einerseits aus dem Umstand, dass das Bundesasylamt im Verfahren zur Zweitbeschwerdeführerin keine tiefergehenden Feststellungen zur Situation von Frauen in Afghanistan getroffen hat. Das Verfahren zur Zweitbeschwerdeführerin ist daher in Bezug auf Frauen aus ihrer Herkunftsregion bzw. auf ihre Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der afghanischen Frauen ergänzungsbedürftig.
So ist in Bezug auf die besondere Situation afghanischer Frauen und Mädchen - unabhängig vom Familienstand - von Amts wegen in jedem Verfahren (und hier insbesondere der Zweitbeschwerdeführerin) zu klären:
die Wohnsituation in Afghanistan;
die Absicht, eine Ausbildung oder berufliche Tätigkeit zu beginnen;
bestehende Ausbildung oder berufliche Situation;
die westliche Orientierung der Beschwerdeführerin;
Situation des männlichen Haushaltsvorstandes und seine Möglichkeit, die Beschwerdeführerin vor einer allenfalls drohenden Verfolgung zu schützen;
ob es gegen die Beschwerdeführerin in Afghanistan regelmäßig zu strafbaren Handlungen kommen könnte, die in Österreich als strafbare Taten zu qualifizieren wären (etwa §§ 83 ff, 105 ff, 201 ff StGB);
Versorgungsgrad der medizinischen Versorgung der Beschwerdeführerin - insbesondere in gynäkologischer Hinsicht;
steht der Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen.
Die Behörde hat die Zweitbeschwerdeführerin dazu näher zu befragen und abzuklären, inwieweit sich inzwischen ihr Leben in Österreich vom Leben in Afghanistan unterscheidet und ob eine oder mehrere Verletzungen afghanischer sozialer Normen im obigen Sinn vorliegen. Weiters ist im Hinblick auf ihren Aufenthalt in Österreich festzustellen, inwieweit die neuen Rechte für die Beschwerdeführerin bereits zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden sind, sodass deren Unterdrückung im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur asylrelevant wäre. Auch ist bei der Frage des Vorliegens einer "westlichen Gesinnung" und deren Verinnerlichung die Verweildauer durch ihren Aufenthalt in Österreich und die Gewöhnung an den westlichen Lebensstil in die Entscheidung einzubeziehen.
Dem Bundesasylamt war aufgrund der oben zitierten regelmäßigen Judikatur des Asylgerichthofes bzw. der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekannt, dass die Situation der Mädchen und Frauen in Afghanistan unter den genannten Umständen asylrelevant sein kann und nach § 18 AsylG 2005 diesbezügliche Ermittlungen zu tätigen sind.
2.2. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Vorgangsweise § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor.
2.2.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur der hier maßgeblichen Vorgängerbestimmung des § 66 Abs. 2 AVG (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; 30.09.2004, 2001/20/0135) ausgeführt hat, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I Nr. 100/2005). In diesem Verfahren hatte bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es war gemäß § 27 Abs. 1 Asylgesetz 1997 BGBl. I Nr. 76 (in der Folge: AsylG 1997) grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber - so die Rechtsprechung zu dieser Rechtslage - unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde - den unabhängigen Bundesasylsenat - verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und - so die Beispiele der Rechtsprechung - brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen bzw. dazu rechtliches Gehör nach § 45 Abs. 3 AVG einzuräumen.
Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es die Berufungsbehörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich enden, sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Dies konnte auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 21.11.2002, 2000/20/0020, mwN) widersprach es dem Gesetz, wenn die Behörde erster Instanz sich in Bezug auf wesentliche Aspekte des Sachverhaltes mit unbegründeten, objektiv falschen Behauptungen begnügte und eine Prüfung der tatsächlichen Lage im Herkunftsstaat des Asylwerbers erst im Berufungsverfahren stattfand. Ein solches Vorgehen habe zur Folge, dass sich das Verfahren zum Nachteil des Asylwerbers einem eininstanzlichen Verfahren annähere und die Rechtsmittelbehörde den vom Gesetzgeber mit ihrer Einrichtung bezweckten Qualitätsgewinn für das Asylverfahren nur unter erschwerten Bedingungen gewährleisten könne.
Wenn sich auch § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG von der Regelung des § 66 Abs. 2 AVG in mancher Hinsicht unterscheidet - die letztere Bestimmung setzt im Unterschied zur ersteren ausdrücklich die Notwendigkeit einer persönlichen Einvernahme voraus -, so wohnt beiden Vorschriften im Kern der gleiche Regelungsgehalt inne, nämlich dass eine umfassende Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts im verwaltungsbehördlichen Verfahren und nicht erst im Rechtsmittelverfahren, das primär der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens dient, stattzufinden hat.
Das Bundesverwaltungsgericht sieht daher keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die (mit Inkrafttreten der B-VG-Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 sowie des BVwGG geänderte) neue Rechtslage übertragen ließe, zumal es keiner Erörterung bedarf, dass die mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 etablierten Verwaltungsgerichte erster Instanz nicht an die Stelle der Verwaltungsbehörde treten und deren Aufgaben übernehmen sollen, sondern die Kontrolle der Verwaltung (in Unterordnung unter dem Verwaltungsgerichtshof) sicherzustellen haben. Es liegt daher weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Verwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Verwaltungsgericht beginnen und - bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zugleich enden.
2.2.2. Aufgrund des augenscheinlich mangelnden Ermittlungsverfahrens des Bundesasylamtes in Bezug auf das Verfahren zu Spruchpunkt I. der Zweitbeschwerdeführerin - fehlende Feststellungen zur Situation von Frauen aus der Herkunftsregion bzw. ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen in Afghanistan und die darauf aufbauend qualifiziert unschlüssige Beweiswürdigung - hat dieses jedenfalls diesbezüglich eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen.
Das verstößt gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten des Bundesasylamtes. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidungen erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm. § 39 Abs. 2 leg.cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde ist, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat das Bundesasylamt in diesem Verfahren missachtet.
Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes in Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin und das diesem zugrunde liegende Verfahren in Bezug auf die Frage der Asylgewährung im Ergebnis so mangelhaft, dass ergänzende Befragungen unvermeidlich erscheint. Der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde (in den hier noch zu prüfenden Asylsachen) ist nicht ausreichend geklärt. Sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Behörde durchzuführen sind, wären demnach durch das Bundesverwaltungsgericht zu tätigen, sohin verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten eine Heranziehung des § 28 Abs. 2 VwGVG.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht der Zweitbeschwerdeführerin gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Es kann auch nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde. Es war gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde vorzugehen.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG sowie auch Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 26 ff); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch VwGH 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde - sofern sie noch einmal eine abweisende Entscheidungen gemäß § 3 Abs. 1 AsylG treffen will - das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.
2.3. Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 sind Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers unter einem zu führen und erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Familienangehöriger ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Bei diesem Ergebnis sind auch die Bescheide der übrigen Beschwerdeführer (des Erst- und des Drittbeschwerdeführers) im Familienverfahren nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 aufzuheben.
2.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass die mit den Beschwerden angefochtenen Bescheide aufzuheben sind.
Zu Spruchpunkt B:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die vorliegende Entscheidung betrifft eine Aufhebung von Bescheiden und Zurückverweisung der Angelegenheiten an die Behörde wegen mangelnder behördlicher Ermittlungstätigkeit und folgt dabei den Vorgaben der Bestimmung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, wobei die genannte Norm die Voraussetzungen einer Aufhebung und Zurückverweisung eindeutig regelt, sowie auch der - im Teilbereich übertragbaren (siehe dazu oben unter I.2.1. und I.2.2.) - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, die vorliegende (und oben referierte) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der sonst zu lösenden Rechtsfragen vor. Denn trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (vgl. mutatis mutandis OGH zu § 502 ZPO 22.03.1992, Zl. 5Ob105/90, zuletzt: 17.12.2013, 4Ob200/13k).
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