Normen
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art 83 Abs2
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art140 Abs7
EMRK Art5 Abs4
PersFrSchG 1988 Art6
EpidemieG 1950 §7 Abs1a
TuberkuloseG §14, §15, §16, §17, §18, §19, §20
AbsonderungsV des Ministers des Innern vom 22.02.1915, RGBl 39/1915 idF BGBl II 21/2020 §4
VfGG §7 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2021:G380.2020
Spruch:
I. §7 Abs1a zweiter Satz Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, idF BGBl I Nr 63/2016 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III. §7 Abs1a zweiter Satz Epidemiegesetz 1950 (EpiG), BGBl Nr 186/1950, idF BGBl I Nr 63/2016 ist in der beim Verfassungsgerichtshof zu KI13/2020, E2375/2020 anhängigen Rechtssache nicht mehr anzuwenden.
IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Mit auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestütztem, zu G367/2020 protokollierten Antrag begehrt das Bezirksgericht Zell am Ziller, den zweiten Satz des §7 Abs1a Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 104/2020, in eventu den zweiten und dritten Satz leg cit, in eventu den zweiten, dritten und vierten Satz leg cit als verfassungswidrig aufzuheben sowie in eventu auszusprechen, dass diese Be-stimmungen verfassungswidrig waren.
2. Mit auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestütztem, zu G380/2020 protokollierten Antrag begehrt der Oberste Gerichtshof, §7 Abs1a Satz 2 Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a Satz 2 bis 4 Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a Satz 2 bis 4 Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 104/2020 als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Mit seinen auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten, zu G7/2021 und zu G37/2021 protokollierten Anträgen begehrt das Landesgericht Korneuburg, §7 Abs1a Satz 2 Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a Satz 2 bis 4 Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 63/2016, in eventu §7 Abs1a Satz 2 bis 4 Epidemiegesetz 1950 idF BGBl I 104/2020 als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. §7 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl 186/1950, idF BGBl I 63/2016 lautete wie folgt (der mit dem jeweiligen Hauptantrag angefochtene Satz ist hervorgehoben):
"Absonderung Kranker.
§7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.
(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.
(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.
(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.
(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.
(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint."
2. Mit Art1 Z5 BGBl I 104/2020 wurde in §7 Abs1a dritter Satz EpiG nach der Wortfolge "Jede Anhaltung" die Wortfolge ", die länger als zehn Tage aufrecht ist," befristet bis zum 31. Dezember 2021 eingefügt. Gemäß §50 Abs15 EpiG trat §7 Abs1a dritter Satz leg cit idF BGBl I 104/2020 mit 26. September 2020 in Kraft und ist auch auf alle bei Inkrafttreten aufrechten Anhaltungen nach §7 Abs1a leg cit anzuwenden. §7 des EpiG, BGBl 186/1950, idF BGBl I 104/2020 lautet nunmehr wie folgt (die jeweils mit dem zweiten Eventualantrag angefochtenen Sätze sind hervorgehoben):
"Absonderung Kranker.
§7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.
(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung, die länger als zehn Tage aufrecht ist, ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.
(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.
(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.
(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.
(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint."
3. §46 EpiG, BGBl 186/1950, idF BGBl I 62/2020 lautet (bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021) wie folgt:
"Telefonischer Bescheid
§46. (1) Bescheide gemäß §7 oder §17 dieses Bundesgesetzes können für die Dauer der Pandemie mit COVID‑19 abweichend von §62 Abs1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51/1991 in der geltenden Fassung, aufgrund eines Verdachts mit der Infektion von SARS‑CoV‑2 auch telefonisch erlassen werden.
(2) Die Absonderung endet, wenn die Behörde nicht innerhalb von 48 Stunden einen Bescheid über die Absonderung gemäß §7 dieses Bundesgesetzes wegen einer Infektion mit SARS‑CoV‑2 erlässt.
(3) Der Inhalt und die Verkündung eines telefonischen Bescheides ist zu beurkunden und der Partei zuzustellen."
4. §50a EpiG, BGBl 186/1950, idF BGBl I 76/2008 lautet wie folgt:
"§50a. Soweit dieses Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verweist, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden."
5. Die Verordnung des Ministers des Innern im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom 22. Februar 1915, betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl 39/1915, idF BGBl II 21/2020 lautet (ohne Beilage zu §9) wie folgt:
"Auf Grund der §§7, 17 und 21 des Gesetzes vom 14. April 1913, R. G. Bl. Nr. 67, betreffend die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, wird verordnet, wie folgt:
§1.
Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer anzeigepflichtigen Krankheit (§1 des Gesetzes vom 14. April 1913, R. G. Bl. Nr. 67, und Artikel I des Bundesgesetzes vom 3. Dezember 1925, B. G. Bl. Nr. 449) können gegenüber kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen Maßnahmen zum Zwecke der räumlichen Absonderung oder anderweitiger bestimmter Verkehrsbeschränkungen verfügt werden.
Als krank gelten jene Personen, bei denen die Krankheit bereits festgestellt ist, als krankheitsverdächtig solche, die Erscheinungen zeigen, die das Vorhandensein der Krankheit vermuten lassen, als ansteckungsverdächtig solche, die zwar keine Krankheitserscheinungen aufweisen, bei denen jedoch bakteriologisch nachgewiesen ist, daß sie als Träger des Krankheitskeimes anzusehen sind, oder bei denen sonst feststeht oder erfahrungsgemäß anzunehmen ist, daß sie der Ansteckung ausgesetzt waren und die Weiterverbreitung vermitteln können.
§2.
Die Absonderung oder Verkehrsbeschränkung der Kranken, Krankheitsverdäch-tigen und Ansteckungsverdächtigen hat auf die Dauer der Ansteckungsgefahr derart zu erfolgen, daß eine Weiterverbreitung der Krankheit hintangehalten wird.
Die Absonderung besteht in der Unterbringung der im Absatze 1 erwähnten Personen in gesonderten Räumen.
Unter den Verkehrsbeschränkungen können eine besondere Meldepflicht, die sanitätspolizeiliche Überwachung, die periodische ärztliche Untersuchung usw als selbständige Maßregel angeordnet werden. Der Besuch von Lehranstalten, öffentlichen Lokalen und Versammlungsorten, die Benützung öffentlicher Transportmittel u. dgl., ferner Beschäftigungen, die einen häufigen Verkehr mit anderen Personen bedingen, können verboten werden.
Durch entsprechende Vorkehrungen ist Vorsorge zu treffen, daß nicht durch die Aus- und Abscheidungen des Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen die Krankheit weiterverbreitet werde.
Auch kann angeordnet werden, daß Tiere, insbesondere Ungeziefer, Fliegen, Stechmücken u. dgl., vor allem sofern eine Weiterverbreitung der Krankheit durch diese in Betracht kommt, ferngehalten oder beseitigt werden.
Welche der vorstehenden Verfügungen zu treffen sind, ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Verordnung fallweise auf Grund des Gutachtens des zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes anzuordnen.
§3.
Die Absonderung muß in einem sanitär einwandfreien Raume erfolgen, der eine wirksame Absonderung gewährleistet. Im Absonderungsraume dürfen nur die unbedingt notwendigen Gebrauchsgegenstände vorhanden sein. Gegenstände, die eine abgesonderte Person benützt hat, dürfen vor erfolgter Desinfektion nicht aus dem Absonderungsraume entfernt werden.
Soweit die Verordnung nicht Ausnahmen gestattet, dürfen unberufene Personen den Raum, in dem eine abgesonderte Person untergebracht ist, und die hierzu gehörigen Nebenräume nicht betreten.
Falls eine zweckentsprechende Absonderung nach dem Gutachten des zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes in der Wohnung nicht möglich ist, insbesondere bei Flecktyphus, Blattern, asiatischer Cholera, Pest oder gelbem Fieber, ist die Unterbringung in einer Krankenanstalt mit entsprechenden Isoliereinrichtungen oder einem anderen geeigneten Isolierraume durchzuführen, sofern die Überführung ohne Gefährdung der abzusondernden Person erfolgen kann.
Bei Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr (Dysenterie), Flecktyphus, Blattern, asiatischer Cholera, Pest, Rückfalltyphus, Aussatz (Lepra), gelbem Fieber, Milzbrand, Rotz oder Poliomyelitis anterior acuta dürfen die zur Absonderung benützten Räume nicht mit Räumen in offener Verbindung stehen, in denen ein Gast- oder Schankgewerbe betrieben wird oder in denen Lebensmittel erzeugt, verwahrt oder verkauft werden, oder ein anderer Betrieb ausgeübt wird, durch den die Weiterverbreitung der Krankheit zu besorgen ist.
Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige sind von einander und nach Infektionskrankheiten getrennt unterzubringen.
Jedem Kranken oder Krankheitsverdächtigen muß außer einem nur für ihn bestimmten Bett ein nur für ihn bestimmtes Wasch- und Eßgerät zur Verfügung stehen.
Auch sind, nach Infektionskrankheiten getrennt, für Kranke, Krankheitsverdächtige und deren Pflegepersonal eigene Aborte zu bestimmen oder wenigstens anderweitige zweckentsprechende Einrichtungen zu treffen.
Es kann angeordnet werden, daß den für die Wartung und Pflege notwendigen Personen ein eigener, mit dem Krankenraume unmittelbar verbundener sanitär einwandfreier Schlafraum zur Verfügung stehe.
§4.
Bei Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr (Dysenterie), epidemischer Genickstarre, Flecktyphus, Blattern, asiatischer Cholera, Pest, Rückfalltyphus, gelbem Fieber, Rotz der Poliomyelitis anterior acuta, SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome),viralem hämorrhagischem Fieber oder MERS‑CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus/'neues Corona-Virus') sind die Kranken oder Krankheitsverdächtigen abzusondern und Influenzainfektion mit dem Virus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus. Bei Wochenbettfieber, Aussatz (Lepra) oder Wutkrankheit und wenn eine besondere Gefahr der Übertragung besteht, auch bei ägyptischer Augenentzündung (Trachom) oder Milzbrand, sind die Kranken abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen. Bei Masern oder Infektion mit 2019‑nCoV ('2019 neuartiges Coronavirus') sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen.
§5.
Bei Ansteckungsverdächtigen sind jene der in §2 bezeichneten Maßnahmen anzuwenden, die fallweise nach dem Gutachten des im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes erforderlich sind.
Die Maßnahmen zum Zwecke der Absonderung oder anderweitiger bestimmter Verkehrsbeschränkungen können auch auf die mit der Wartung und Pflege des Kranken, Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen betrauten und daher gleichfalls als ansteckungsverdächtig anzusehenden Familienangehörigen und Pflegepersonen Anwendung finden.
Sind in den Ausscheidungen Genesener bakteriologisch Krankheitskeime noch nachweisbar, so kann bis zum Ablaufe von zehn Wochen, vom Beginn der Erkrankung gerechnet, die Absonderung aufrechterhalten werden. Die periodische ärztliche Untersuchung sowie allfällige anderweitige Verkehrsbeschränkungen können nötigenfalls auch über diese Frist hinaus verfügt werden. Ferner kann derartigen Personen (Dauerausscheidern) eine besondere Meldepflicht auferlegt werden.
Gleichartig ist auch hinsichtlich der Bazillenträger vorzugehen.
Gegenüber Personen, die aus Gebieten kommen, in denen asiatische Cholera, Pest oder Flecktyphus herrschen oder eine Blatternepidemie besteht, kann eine sanitätspolizeiliche Überwachung ohne Verkehrsbeschränkung oder eine sanitätspolizeiliche Beobachtung angeordnet werden.
§6.
Der Zutritt zu den Abgesonderten ist außer bei Wochenbettfieber, Aussatz und ägyptischer Augenentzündung (Trachom) nur den im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden sowie den zugezogenen Ärzten, den Seelsorgern und den mit der Wartung und Pflege der Abgesonderten betrauten Familienangehörigen und Pflegepersonen gegen Einhaltung der gebotenen Vorsichtsmaßregeln gestattet.
Bei Absonderung außerhalb einer öffentlichen Krankenanstalt kann die Gemeinde nach dem fallweisen Gutachten des zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes, in dringenden Fällen letzterer selbständig den Familienangehörigen des Abgesonderten und anderen berufenen Personen den Zutritt auf kurze Zeit gegen genaue Beobachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln bewilligen; bei Flecktyphus, Blattern, asiatischer Cholera oder Pest darf aber der Zutritt zu den hievon befallenen Personen nur in Gegenwart des zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Arztes oder des zugezogenen Arztes erfolgen.
In allgemeinen öffentlichen Krankenanstalten steht die Erteilung der Bewilligung des Zutrittes zu den Abgesonderten dem Leiter der Anstalt oder dem durch besondere Vorschriften hiezu berechtigten Vorstande einer Krankenabteilung zu.
Bei Flecktyphus, Blattern, asiatischer Cholera oder Pest ist von der Erteilung der Bewilligung an die politische Bezirksbehörde – falls die Bewilligung nicht von der Gemeinde selbst erteilt wurde, im Wege der Gemeinde – die Anzeige zu erstatten.
Den Studierenden der Medizin können zum Behufe des Unterrichtes Kranke mit Abdominaltyphus, Paratyphus, Ruhr (Dysenterie), epidemischer Genickstarre, Wochenbettfieber, Rückfalltyphus, Aussatz (Lepra), ägyptischer Augenentzündung (Trachom), Milzbrand, Rotz, Wutkrankheit, Poliomyelitis anterior acuta, vorgestellt werden.
Bei Diphtherie, Flecktyphus, Blattern und asiatischer Cholera ist ihnen der Zutritt in die Absonderungsräume nur bei Einhaltung der vom Vorstande der Absonderungsabteilung angeordneten Vorsichtsmaßregeln zu gestatten. Bei Flecktyphus, Blattern und asiatischer Cholera hat hievon der Vorstand der Absonderungsabteilung fallweise die Anzeige an die politische Bezirksbehörde zu erstatten.
Bei Blattern ist der Zutritt nur solchen Studierenden gestattet, die nachgewiesenermaßen mit Erfolg geimpft und zeitgerecht wiedergeimpft sind.
§7.
Personen, die sich mit der Krankenbehandlung oder Krankenpflege beschäftigen, müssen beim Betreten eines zur Absonderung benützten Raumes alle je nach der Natur der Krankheit gebotenen Vorsichtsmaßregeln (Anziehen waschbarer Überkleider, eines eigenen Schuhwerkes, Gamaschen u. dgl.) beobachten.
Sie dürfen im Krankenraume weder essen, noch trinken, noch rauchen.
Bei Verlassen des zur Absonderung benützten Raumes haben sie das Überkleid abzulegen, allfällig auch die Schuhe zu wechseln oder wenigstens zu reinigen und die Hände, nötigenfalls auch das Gesicht, das Haupt- und gegebenenfalls das Barthaar einer genauen Reinigung oder Desinfektion (tunlichst durch ein Bad) zu unterziehen.
Mit der Behandlung und Pflege Blatternkranker dürfen sich nur Personen befassen, die nachgewiesenermaßen mit Erfolg gegen Blattern geimpft und zeitgerecht wiedergeimpft sind.
Pflegepersonen, die einen Kranken oder Krankheitsverdächtigen im Privatpflege haben, dürfen, falls nicht der im öffentlichen Sanitätsdienst stehende Arzt eine Ausnahme zuläßt, den Pflegedienst bei anderen Kranken nicht übernehmen.
Die für das Pflegepersonal angeordneten Vorschriften haben auf die mit dem Transporte Infektionskranker oder Krankheitsverdächtiger, oder mit der Desinfektion, oder mit der Wartung Ansteckungsverdächtiger betrauten Personen sinngemäße Anwendung zu finden.
§8.
Die für die Absonderung geltenden Anordnungen sind auch bei dem Transport der Kranken oder Krankheitsverdächtigen entsprechend zu beachten.
Der Transport hat nach Tunlichkeit mit ausschließlich hiezu bestimmten, leicht wasch- und desinfizierbaren Transportmitteln zu erfolgen.
Dem öffentlichen Verkehre dienende Beförderungsmittel (Mietwagen, Stell-wagen, Trambahn u. dgl.) dürfen hiezu nicht benützt werden.
Für den Transport mit der Eisenbahn oder im Schiffsverkehre gelten die bezüg-lichen besonderen Vorschriften.
§9.
Richtlinien über die Art und Weise der Absonderung bei jeder einzelnen Krankheit enthält die beiliegende Belehrung.
§10.
Die Absonderung einer Person wegen Erkrankung an Aussatz ist von der politischen Bezirksbehörde dem Bezirksgerichte des Wohnortes des Abgesonderten und, wenn dieser nicht bekannt oder im Auslande gelegen ist, dem Bezirksgericht anzuzeigen, in dessen Sprengel der Ort der Absonderung liegt. Die Anzeige ist binnen 48 Stunden nach Einleitung der Absonderung zu erstatten und soll die Feststellung veranlassen, ob Vorkehrungen zum Schutze der Interessen des Abgesonderten oder unter seiner Obhut stehender Personen notwendig sind.
§11.
Die von der politischen Bezirksbehörde auf Grund des §21 des Gesetzes verfügte Bezeichnung von Häusern oder Wohnungen hat durch Tafeln zu erfolgen, die in schwarzen, gut lesbaren Schriftzeichen, womöglich auf gelbem Grunde, den Namen der betreffenden Infektionskrankheit tragen. Die Höhe der Schriftzeichen hat mindestens 12 Zentimeter, ihre Stärke im Grundstriche mindestens 2 Zentimeter zu betragen.
Diese Tafeln sind an augenfälligen Stellen anzubringen und bei Nacht entsprechend zu beleuchten.
§12.
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft."
6. Der 2. Abschnitt des Bundesgesetzes vom 14. März 1968 zur Bekämpfung der Tuberkulose (Tuberkulosegesetz), BGBl 127/1968, idF BGBl I 63/2016 (§17 idF BGBl I 104/2020) lautet wie folgt:
"2. Abschnitt
Maßnahmen zur Vermeidung einer schweren Gesundheitsgefährdung anderer
Personen
Schutz der Persönlichkeitsrechte
§13. (1) Die Persönlichkeitsrechte an Tuberkulose erkrankter oder krankheitsverdächtiger Personen, die in einer Krankenanstalt angehalten werden, sind besonders zu schützen. Ihre Menschenwürde ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren.
(2) Beschränkungen von Persönlichkeitsrechten sind nur zulässig, soweit sie im Verfassungsrecht, in diesem Bundesgesetz oder in anderen gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen sind.
Antrag
§14. (1) Verstößt eine an Tuberkulose im Sinn des §1 Abs2 oder 3 erkrankte oder im Sinne des §1 Abs4 krankheitsverdächtige Person trotz einer Belehrung gemäß §9 Abs1 Z8 und 9 gegen die ihr obliegenden Pflichten und entsteht dadurch eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde beim Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Krankenanstalt liegt, in der die Anhaltung durchgeführt werden soll, die Feststellung der Zulässigkeit der Anhaltung in einer zur Behandlung von Tuberkulose eingerichteten Krankenanstalt zu beantragen. Dem Antrag der Bezirksverwaltungsbehörde ist ein fachärztliches Zeugnis zur Bescheinigung der Gesundheitsgefährdung anderer Personen beizulegen, in dem im Einzelnen die Gründe anzuführen sind, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Anhaltung für gegeben erachtet.
(2) Wenn das Gericht die Anhaltung für zulässig erklärt, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die anzuhaltende Person binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses in eine zur Behandlung von Tuberkulose eingerichtete Krankenanstalt einzuweisen. Wenn und solange sich die anzuhaltende Person nach Zustellung des Gerichtsbeschlusses entsprechend den ihr obliegenden Verpflichtungen verhält, darf sie auf Grund des Gerichtsbeschlusses nicht in eine Krankenanstalt eingewiesen werden.
Gerichtliches Verfahren
§15. (1) Das Gericht hat auf Grund des Antrages möglichst binnen zwei Wochen im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden, ob die Anhaltung der Person in einer Krankenanstalt zulässig ist. Die Zulässigkeit der Anhaltung ist auszusprechen, wenn die in §14 oder §20 umschriebene Gesundheitsgefährdung anderer Personen gegeben ist und andere gelindere Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefährdung nicht ausreichen.
(2) Das Gericht hat innerhalb der Frist des Abs1 eine mündliche Verhandlung abzuhalten, bei der die Person, erforderlichenfalls unter Beiziehung eines Dolmetschers, sowie der behandelnde Arzt persönlich anzuhören sind. Wenn eine Gesundheitsgefährdung des Richters und der anderen am Verfahren teilnehmenden Personen nicht ausgeschlossen werden kann, kann der Richter der Person die Teilnahme an der Verhandlung unter Verwendung geeigneter technischer Einrichtungen ermöglichen. Leistet die Person einer Ladung nicht Folge, so kann sie vorgeführt werden. Sie ist über die Verfahrenshilfe sowie über die mögliche Beiziehung eines anwaltlichen Vertreters zu belehren. Auf Verlangen der Person oder ihres Vertreters hat das Gericht die Öffentlichkeit auszuschließen.
(3) Auf Verlangen der Person sowie, wenn das Gericht es für notwendig erachtet, von Amts wegen ist zusätzlich zur Einvernahme des behandelnden Arztes ein Sachverständiger beizuziehen. Im Falle einer Tuberkuloseerkrankung nach §1 Abs3 ist zur Frage der Wahrscheinlichkeit einer Reaktivierung und der sich daraus ergebenden Fremdgefährdung jedenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.
(4) Am Schluss der mündlichen Verhandlung hat das Gericht über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden sowie den Beschluss zu verkünden, zu begründen und der Person zu erläutern. Das Gericht hat den Beschluss innerhalb von sieben Tagen schriftlich auszufertigen.
(5) Sofern das Gericht in seinem Beschluss nichts anderes anordnet, ist die Anhaltung auf unbestimmte Dauer zulässig.
Verständigungspflichten
§16. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat das Gericht insbesondere von der Durchführung der Einweisung und der Beendigung der Anhaltung (§17 Abs1) zu verständigen.
(2) Der ärztliche Leiter der Krankenanstalt hat die Bezirksverwaltungsbehörde und das Gericht unverzüglich zu verständigen, wenn sich die Person in der Krankenanstalt eingefunden hat, wenn sie entlassen worden ist oder wenn sie die Krankenanstalt eigenmächtig verlassen hat.
Beendigung der Anhaltung
§17. (1) Ist auf Grund des Verhaltens der angehaltenen Person oder anderer Umstände zu erwarten, dass durch die Erkrankung keine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen mehr besteht, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde sogleich die Anhaltung zu beenden.
(2) Ist der ärztliche Leiter der Krankenanstalt der Ansicht, dass die angehaltene Person zu entlassen ist, hat er davon sogleich die Bezirksverwaltungsbehörde zu verständigen. Vertritt die Bezirksverwaltungsbehörde entgegen dem ärztlichen Leiter die Ansicht, dass die Anhaltung nicht zu beenden ist, hat sie das Gericht zu befassen, das darüber zu entscheiden hat.
(3) Das Gericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab dem Datum des Beschlusses über die Zulässigerklärung einer Anhaltung oder der letzten Überprüfung über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen zu entscheiden; sind die Voraussetzungen weggefallen, hat es die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen. Anlässlich der Überprüfung hat das Gericht jedenfalls eine Stellungnahme des ärztlichen Leiters einzuholen. Der Beschluss ist noch innerhalb der dreimonatigen Frist schriftlich auszufertigen.
(4) Die angehaltene Person kann jederzeit bei Gericht beantragen, die Unzulässigkeit der Anhaltung auszusprechen. Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung können von einer angehaltenen Person, die nicht anwaltlich vertreten ist, nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Gericht auch mit E-Mail an die vom Gericht bekanntgegebene E-Mail-Adresse eingebracht werden. Dem Antrag ist eine Abbildung eines Identitätsnachweises sowie des die Anhaltung aussprechenden Bescheides anzuschließen.
(5) Das Gericht hat über die Zulässigkeit der Anhaltung nach Abs2 bis 4 in mündlicher Verhandlung, im Fall des Abs2 und 4 innerhalb einer Woche ab Antragstellung, zu entscheiden. Die §15 Abs2 bis 5 sind anzuwenden.
(6) Anlässlich der Beendigung der Anhaltung nach Abs1 bis 4 hat die Bezirksverwaltungsbehörde die angehaltene Person in einer ihr verständlichen Sprache über ihren gesundheitlichen Zustand und die zur Abwendung der von der Erkrankung ausgehenden ernstlichen und erheblichen Gefahr für die Gesundheit anderer Personen und die zu deren Abwendung notwendigen Maßnahmen aufzuklären und insbesondere darüber zu belehren, dass bei Verstoß gegen die ihr auferlegten Verhaltenspflichten ein neuer Antrag auf Anhaltung gestellt werden kann.
Beschränkungen der Bewegungsfreiheit
§18. (1) Zur Sicherung des Zweckes der Anhaltung und Hintanhaltung der Gesundheitsgefährdung anderer Personen kann die angehaltene Person in der Krankenanstalt auf Anordnung des ärztlichen Leiters der Krankenanstalt Beschränkungen in der Freiheit der Bewegung und des Verkehrs mit der Außenwelt unterworfen werden. Abgesehen vom persönlichen Verkehr darf die Kommunikation mit der Außenwelt nicht eingeschränkt werden.
(2) Im Allgemeinen darf die Bewegungsfreiheit der angehaltenen Person nur auf mehrere Räume oder auf bestimmte räumliche Bereiche beschränkt werden. Beschränkungen der Bewegungsfreiheit auf einen Raum sind vom behandelnden Arzt jeweils besonders anzuordnen und in der Krankengeschichte unter Angabe des Grundes zu dokumentieren.
(3) Auf Verlangen der angehaltenen Person hat das nach §14 Abs1 zuständige Gericht über die Zulässigkeit von Beschränkungen nach dieser Bestimmung nach Anhörung des ärztlichen Leiters der Krankenanstalt in mündlicher Verhandlung innerhalb einer Woche zu entscheiden. Die §15 Abs2 bis 5 sind anzuwenden.
(4) Der ärztliche Leiter der Krankenanstalt und die Bezirksverwaltungsbehörde haben sicherzustellen, dass die Persönlichkeitsrechte der angehaltenen Person in einem möglichst geringen Ausmaß beschränkt werden und diese über das Stadium der Erkrankung sowie über ihre Rechte in einer ihr verständlichen Sprache aufgeklärt wird.
Rechtsmittel
§19. (1) Gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung oder eine Beschränkung nach §18 für zulässig erklärt wird, kann die angehaltene Person innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben.
(2) Gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung für unzulässig erklärt wird, kann die Bezirksverwaltungsbehörde, gegen einen Beschluss, mit dem eine Beschränkung nach §18 für unzulässig erklärt wird, kann der ärztliche Leiter der Krankenanstalt innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung Rekurs erheben. Erklärt das Gericht die Anhaltung oder Beschränkung für unzulässig, so ist die Anhaltung sogleich zu beenden oder die Beschränkung aufzuheben, es sei denn, dass die Bezirksverwaltungsbehörde oder der ärztliche Leiter der Krankenanstalt unmittelbar nach der Verkündung erklärt, Rekurs zu erheben, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung lässt das Rekursrecht unberührt. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann kein Rekurs erhoben werden.
(3) Im Fall einer nach Abs2 zuerkannten aufschiebenden Wirkung hat das Gericht erster Instanz unmittelbar nach Einlangen des Rekurses zu prüfen, ob diesem weiterhin aufschiebende Wirkung zukommt. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann kein Rekurs erhoben werden.
(4) Das Recht zur Rekursbeantwortung kommt nur der angehaltenen Person zu. Die Rekursbeantwortung ist innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung des Rechtsmittels einzubringen.
(5) Das Gericht zweiter Instanz hat, sofern die Anhaltung noch andauert, innerhalb von 14 Tagen ab Einlangen der Akten zu entscheiden.
Soforteinweisung
§20. (1) Entsteht durch das Verhalten einer an Tuberkulose im Sinn des §1 Abs2 oder 3 erkrankten oder im Sinne des §1 Abs4 krankheitsverdächtigen und gemäß §9 Abs1 Z8 und 9 belehrten Person eine unmittelbare und akute Gefahr, dass sie eine andere Person ansteckt, und kann diese Gefahr nicht durch gelindere Maßnahmen hintangehalten werden, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Person sogleich in eine zur Behandlung von Tuberkulose eingerichtete Krankenanstalt zum Zweck der Anhaltung einzuweisen.
(2) Im Fall der Soforteinweisung gelten die Bestimmungen des 2. Abschnitts mit folgenden Besonderheiten:
1. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat unverzüglich die Feststellung der Zulässigkeit der Anhaltung beim zuständigen Bezirksgericht (§14 Abs1) zu beantragen. Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde den Antrag nicht innerhalb von drei Tagen ab der Einweisung (Abs1), so hat sie die angehaltene Person sofort zu entlassen.
2. Das Gericht hat innerhalb von einer Woche ab der Einweisung durch die Bezirksverwaltungsbehörde über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden.
3. Ist eine abschließende Entscheidung innerhalb einer Woche nicht möglich, so hat das Gericht nach Anhörung der angehaltenen Person vorläufig über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden. Dieser Beschluss ist der angehaltenen Person und der Bezirksverwaltungsbehörde sofort mündlich zu verkünden. Gelangt das Gericht nach der Anhörung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung vorliegen, so hat es diese vorläufig bis zur abschließenden Entscheidung für zulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die innerhalb von 14 Tagen nach der Verkündung der vorläufigen Entscheidung stattzufinden hat. Diese Entscheidung kann nicht selbständig angefochten werden.
4. Erklärt das Gericht bereits nach der Anhörung die Anhaltung für unzulässig, hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Rekurs innerhalb von drei Tagen auszuführen."
7. §57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl 51/1991, lautet wie folgt:
"§57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.
(2) Gegen einen nach Abs1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Zum Antrag des Obersten Gerichtshofes (G380/2020)
1.1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis trug dem Antragsteller des Anlassverfahrens mit Bescheid vom 1. April 2020 auf, bis einschließlich 11. April 2020 unter größtmöglicher Vermeidung von Kontakten mit anderen Personen in seiner Wohnung zu verbleiben. Der Antragsteller sei auf Grund eines Kontakts zu einer SARS‑CoV‑2-infizierten Person als "Kontaktperson mit Hoch-Risiko-Exposition" einzustufen. Es sei zwar noch kein Nachweis des Virus erfolgt, dennoch sei auf Grund der Risikobeurteilung im Zusammenhang mit dem Kontakt zu einer infizierten Person ein Auftreten der Infektion innerhalb der Inkubationszeit von 14 Tagen nicht auszuschließen. Wegen der Möglichkeit einer Weiterverbreitung der Krankheitskeime sei im Interesse des öffentlichen Wohls der Bescheid als unaufschiebbare Maßnahme gemäß §57 Abs1 AVG ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Die Rechtsmittelbelehrung verwies darauf, dass gegen den Bescheid binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich bei der Behörde Vorstellung erhoben werden könne, der keine aufschiebende Wirkung zukomme. Aus dem Akteninhalt ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Antragsteller des Anlassverfahrens eine Vorstellung erhoben hat.
Mit Antrag vom 21. April 2020 begehrte der Antragsteller beim Bezirksgericht Ried im Innkreis die Überprüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung. Das Bezirksgericht Ried im Innkreis wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, dass im EpiG und im Tuberkulosegesetz eine nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung nicht vorgesehen sei; die Rechtsprechung, wonach auch noch nach Aufhebung der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen dem in seinen Rechten Beeinträchtigten ein rechtliches Interesse an der Feststellung, ob die Anhaltung zu Recht erfolgte, zugebilligt werde, orientiere sich nur am Unterbringungsgesetz und am Heimaufenthaltsgesetz und sei auf Grund der geringen Eingriffsintensität in die Freiheit des Antragstellers auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Sowohl das EpiG als auch das Tuberkulosegesetz enthielten keine Bestimmungen, welche die nachträgliche Überprüfung der Zulässigkeit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ermöglichen würden. Der noch in Ministerialentwurf enthaltene Passus betreffend die sinngemäße Anwendung der §§38 bis 38a, 39 Unterbringungsgesetz sei weder in der Regierungsvorlage enthalten, noch habe er Eingang in die geltende Fassung des §18 Tuberkulosegesetz gefunden. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, verschiedene Rechtsinstitute und Verwaltungsmaterien gleichartig zu regeln. Das Unterbringungsgesetz und das Heimaufenthaltsgesetz hätten ganz andere Zielsetzungen als das EpiG und das Tuberkulosegesetz, insbesondere eine unterschiedliche Eingriffsintensität der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Überprüfung der Zulässigkeit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nur während aufrechter Anhaltung sei mit Art47 GRC und mit Art6 PersFrSchG vereinbar.
Gegen diese Entscheidung erhob der Antragsteller des Anlassverfahrens (ordentlichen und zulässigen) Revisionsrekurs mit dem Antrag, dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen, hilfsweise in der Sache selbst die Unzulässigkeit der Anhaltung festzustellen.
1.2. Aus Anlass dieses Revisionsrekursverfahrens stellt der Oberste Gerichtshof den vorliegenden, zu G380/2020 protokollierten Gesetzesprüfungsantrag. Der Oberste Gerichtshof legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):
"1. Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B‑VG)
1.1. Bis zum Inkrafttreten der Novelle durch BGBl I 2012/51 am 1. 1. 2014 war in Art94 B‑VG ausschließlich statuiert, dass die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt ist.
1.2. Die damalige Rechtslage verwehrte es jedoch nicht, sukzessive Zuständigkeiten von Verwaltungsbehörden und Gerichten zu schaffen, wenn diese Vollziehungsbehörden nicht durch eine instanzenmäßige Gliederung verbunden waren (VfSlg 10.452/1985, 20.163/2017). Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs begegnete es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das ordentliche Gericht nach der Entscheidung der Verwaltungsbehörde angerufen werden konnte, sofern die verwaltungsbehördliche Entscheidung mit der Anrufung des Gerichts außer Kraft trat und keine Wirkungen mehr äußerte. In diesem Fall war die Anrufung des Gerichts nicht einem Rechtsmittel gleichzusetzen, sodass es zu keiner Verletzung des Trennungsgrundsatzes kam (VfGH G56/10 = VfSlg 19.446). Das angerufene Gericht überprüfte nicht die Entscheidung der Behörde — etwa im Hinblick auf die Richtigkeit der Feststellungen zum Sachverhalt oder der rechtlichen Würdigung —, sondern führte ein neues Verfahren durch und entschied in der Sache neu (etwa VfGH E404/2017).
1.3. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 BGBl I 2012/51 wurde Art94 B‑VG ein neuer Abs2 angefügt, wonach durch Bundes- oder Landesgesetz in einzelnen Angelegenheiten anstelle der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorgesehen werden kann.
Gleichzeitig wurde in Art130 Abs5 B‑VG festgelegt, dass von der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte Rechtssachen ausgeschlossen sind, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte oder des Verfassungsgerichtshofs gehören.
1.4. Nach den ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 11 lässt Art94 Abs2 Satz 1 B‑VG in einzelnen Angelegenheiten Ausnahmen vom Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung — und damit der grundsätzlichen Allzuständigkeit der Verwaltungsgerichte — zu. Eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, dass mit der Anrufung des Gerichts der Bescheid außer Kraft tritt, soll nach der neuen Rechtslage nicht (mehr) erforderlich sein.
1.5. Der Gesetzgeber hat diese Ermächtigung auch aufgegriffen und ua im Disziplinarrecht der Notare (§167 Notariatsordnung idF BGBl I 2013/190) und der Rechtsanwälte (§46 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter idF BGBl I 2013/190) im Übernahmerecht (§30a Übernahmegesetz idF BGBl I 2013/190) und im Patentrecht (§138 Abs1 Patentgesetz 1970 idF BGBl I 2013/126) einen Instanzenzug iSd Art94 Abs2 B‑VG vorgesehen (VfGH E4233/2019).
So ist gegen Beschlüsse der Notariatskammer binnen 14 Tagen nach der Zustellung des anzufechtenden Bescheids Berufung an das Oberlandesgericht möglich oder können die Beschlüsse der Technischen Abteilung und der Rechtsabteilung des Patentamts durch Rekurs an das Oberlandesgericht Wien angefochten werden. §30a Abs1 ÜbernahmeG räumt direkt einen Rekurs an den Obersten Gerichtshof ein und normiert ausdrücklich, dass die Erhebung einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht unzulässig ist.
1.6. Da sich diese verfassungsgesetzliche Ermächtigung des einfachen Bundes- oder Landesgesetzgebers zur Schaffung eines Instanzenzugs von der Verwaltungsbehörde zu den ordentlichen Gerichten nicht auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon bisher bestehender sukzessiver Kompetenzen auswirkt (vgl AB 1771 BlgNR 24. GP 8; VfGH E404/2017 = VfSlg 20.163), existieren nunmehr beide nach Art94 B‑VG zulässige Formen nebeneinander.
1.7. §7 Abs1a Satz 2 EpiG wird nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs keiner der beiden Formen gerecht:
Dass der Gesetzgeber damit eine sukzessive Zuständigkeit alter Prägung schaffen wollte, ist nicht anzunehmen, weil das Gesetz weder anordnet, dass der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Anrufung des Gerichts außer Kraft tritt, noch ein derartiges Außerkrafttreten in sachlicher Hinsicht mit der weiter bestehenden Gefährdung anderer Personen durch die Erkrankung bzw den Krankheitsverdacht vereinbar wäre.
Gegen einen sukzessiven Instanzenzug nach Art94 Abs2 B‑VG, den Hiersche/Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts, Fünfter Teil [2020] Pkt 5.2.5. Fn 649, hier vorliegend erachten, sprechen folgende Gründe:
§7 Abs1a Satz 2 EpiG räumt kein Rechtsmittel an das Gericht ein, sondern sieht einen Antrag vor.
Der VfGH kam in seinem Erkenntnis E4233/2019 in Anbetracht des Wortlauts der Bestimmungen des §132 Abs2 GWG 2011 iVm §12 Abs4 E‑ControlG, wonach von einem 'Anhängigmachen' der 'Sache' bei Gericht, nicht aber von einem 'Bekämpfen' oder 'Anfechten' des 'Bescheides' vor Gericht oder von einem 'Rechtsmittel' an dieses die Rede war, zum Ergebnis, dass der Gesetzgeber mit den dort zu beurteilenden Bestimmungen keinen 'Instanzenzug' im Sinne des Art94 Abs2 B‑VG vorsehen wollte. Der Gesetzgeber habe damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass die ordentlichen Gerichte als Rechtsmittelinstanz zur Überprüfung des Verwaltungshandelns berufen sein sollen.
1.8. Gleiches gilt hier. Den ErläutRV (1187 BlgNR 25. GP 2, 16) ist zu entnehmen, dass es sich um eine gerichtliche Überprüfung der verfügten Maßnahme handeln soll. Das Gesetz und auch die Erläuterungen sprechen gleichermaßen von einer Überprüfung der Maßnahme und gerade nicht von einer Überprüfung des Bescheids, sodass sich daraus kein ausreichender Hinweis auf eine beabsichtigte Schaffung eines Instanzenzugs von der Verwaltungsbehörde zum Gericht ergibt. Der in §7 Abs1a Satz 2 EpiG vorgesehene Antrag richtet sich überdies nicht an ein üblicherweise mit Rechtsmittelsachen befasstes Gericht höherer Instanz, sondern an das Bezirksgericht, was eher als Auftrag zur 'Neudurchführung des Verfahrens' zu verstehen ist, wogegen aber die oben erwähnten Bedenken sprechen. Wäre die Anrufung des Bezirksgerichts tatsächlich als Rechtsschutzinstanz gegen die verwaltungsbehördliche Entscheidung im Sinn eines Rechtsmittels anzusehen, ergebe sich sogar ein 4‑gliedriger Instanzenzug (Verwaltungsbehörde, Bezirksgericht, Landesgericht, Oberster Gerichtshof).
1.9. Die Materialien zur Einführung des §7 Abs1a EpiG mit BGBl I 2016/63 sprechen von einem Beschwerderecht an das Landesverwaltungsgericht nach der geltenden Rechtslage und einem zukünftigen Rekursrecht der Bezirksverwaltungsbehörden gegen gerichtliche Entscheidungen (vgl 1187 BlgNR 25. GP , 16), ohne dass die Parteistellung der Verwaltungsbehörde im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren geregelt würde. Der allgemeine Verweis auf das TuberkuloseG, insbesondere dessen §17, führt in diesem Zusammenhang zu keiner Klarstellung, weil dort ein — nach dem Verfahrensaufbau des EpiG nicht möglicher — Antrag der Bezirksverwaltungsbehörde an das Gericht, und damit deren Parteistellung, vorgesehen ist.
1.10. Weiters bestimmt das Gesetz auch keine Frist innerhalb derer der Antrag beim Gericht eingebracht werden muss und kein Ereignis (mündliche Bescheiderlassung oder Zustellung der schriftlichen Ausfertigung), das den Fristbeginn auslösen würde. Auch lässt die Regelung nicht erkennen, ob – wovon offenbar die Bezirksverwaltungsbehörde ausging – gegen den Mandatsbescheid dennoch die Vorstellung nach §57 AVG erhoben werden kann und erst danach der Antrag an das Gericht zulässig sein soll oder ob dieser Rechtsbehelf entfallen soll.
1.11. Insgesamt hegt der Oberste Gerichtshof daher Bedenken gegen die Vereinbarkeit des §7 Abs1a Satz 2 EpiG mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung nach Art94 B‑VG.
2. Legalitätsprinzip:
2.1. Nach Art18 Abs1 B‑VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden. Mit dieser Bestimmung wird der Grundsatz der Gesetzesbindung, das Legalitätsprinzip effektuiert: Das Gesetz ist demnach sowohl Voraussetzung (Vorbehalt des Gesetzes) wie auch Schranke (Vorrang des Gesetzes) der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit (Grabenwarter/Frank, B‑VG Art18 Rz 2).
2.2. Das Gesetz muss das Verhalten der Behörden ausreichend vorherbestimmen (VfGH G178/2019) und bereits die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns so umschreiben, dass die Übereinstimmung des behördlichen Handelns mit dem Gesetz überprüft werden bzw der Rechtsunterworfene das verwaltungsbehördliche Vorgehen vorhersehen kann (vgl Rill in Kneihs/Lienbacher, Rill/Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht Art18 B‑VG Rz 54).
Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher und verordnungsrechtlicher Regelungen sein können, ist jedoch ganz allgemein davon auszugehen, dass Art18 B‑VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (VfGH G179/2019 mwN), wobei bei der Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden auszuschöpfen sind (VfGH G146/2019 mwN).
2.3. Die sachliche Zuständigkeit einer Behörde muss allerdings im Gesetz selbst festgelegt sein. Art18 iVm Art83 Abs2 B‑VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer — strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden — präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (VfGH G233/2014 = VfSlg 19.991/2015 mwN; VfGH G46/2017 = VfSlg 20.221/2017) und zwar derart, dass es keiner subtilen und komplizierten Auslegung (mehr) bedarf, um die vom Gesetzgeber gewollte Kompetenz der Behörden ermitteln zu können. Im Interesse der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung sind Regelungstechniken, die besondere Unsicherheit in der Frage nach der zuständigen Behörde entstehen lassen, verfassungsgesetzlich verpönt (vgl VfGH G84/08 = VfSlg 18.639/2008).
2.4. §7 Abs1a Satz 2 EpiG enthält keine solche präzise Regelung der Behördenzuständigkeit. Es ist unklar, unter welchen Voraussetzungen das Gericht angerufen werden kann.
Dies betrifft die bereits zu Art94 B‑VG dargelegten Umstände, dass das Gesetz keine Frist, zur Anrufung des Gerichts enthält, und nicht klar ist, ob der verwaltungsbehördliche Instanzenzug, zumindest durch Erhebung einer Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid, ausgeschöpft werden muss. Dadurch bleibt offen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang ein gerichtlicher Überprüfungsauftrag besteht.
Weitere Unklarheiten ergeben sich auch aus dem pauschalen Verweis des §7 Abs1a Satz 2 EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes, der — wie oben dargestellt — ein völlig anderes Verfahren anordnet, indem es grundsätzlich vor einer Anhaltung in einer Krankenanstalt eine verpflichtende ex ante Prüfung durch das Gericht über Antrag der Verwaltungsbehörde vorsieht, während nach dem EpiG die Verwaltungsbehörde selbst die Absonderung im häuslichen Bereich anordnet und das Gericht diese Maßnahme nur auf Antrag der angehaltenen Person bzw von Amts wegen frühestens nach drei Monaten überprüfen soll.
Es ist nicht ausreichend erkennbar, welche konkreten gesetzlichen Vorgaben für die gerichtliche Überprüfung nach dem EpiG gelten sollen.
2.5. Die Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen §7 Abs1a Satz 2 EpiG gehen daher in Bezug auf Art18 B‑VG zusammenfassend dahin, dass derart undeutliche Elemente einer Norm, die nicht durch einfache Auslegung bereinigt werden können, einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darstellen (vgl auch VfSlg 12.420/1990 ['Denksporterkenntnis').
1.3. Die Bundesregierung hat zu diesem (hinsichtlich des Hauptantrages als zulässig erachteten) Gesetzesprüfungsantrag des Obersten Gerichtshofes eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
"1. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art94 B‑VG:
1.1. Der Oberste Gerichtshof hegt zusammengefasst Bedenken gegen die Vereinbarkeit des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung gemäß Art94 B‑VG.
Es könne nicht angenommen werden, dass mit §7 Abs1a zweiter Satz EpiG eine 'sukzessive Zuständigkeit alter Prägung' geschaffen werden sollte, weil das Gesetz weder anordne, dass der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Anrufung des Gerichts außer Kraft tritt, noch ein derartiges Außerkrafttreten in sachlicher Hinsicht mit der weiter bestehenden Gefährdung anderer Personen durch die Erkrankung bzw den Krankheitsverdacht vereinbar wäre.
Auch ein sukzessiver Instanzenzug gemäß Art94 Abs2 B‑VG liege nicht vor, zumal sowohl das Gesetz als auch die Erläuterungen von einer Überprüfung der Maßnahme und gerade nicht von einer Überprüfung des Bescheids sprechen, sodass sich daraus kein Hinweis auf eine beabsichtigte Schaffung eines Instanzenzugs von der Verwaltungsbehörde zum Gericht ergebe. Der in §7 Abs1a zweiter Satz EpiG vorgesehene Antrag richte sich überdies nicht an ein üblicherweise mit Rechtsmittelsachen befasstes Gericht höherer Instanz, sondern an das Bezirksgericht, was eher als Auftrag zur 'Neudurchführung des Verfahrens' zu verstehen sei, wogegen aber die zum sukzessiven Instanzenzug alter Prägung erwähnten Bedenken sprächen.
Die Materialien zur Einführung des §7 Abs1a EpiG durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 63/2016 würden von einem Beschwerderecht beim Landesverwaltungsgericht nach der geltenden Rechtslage und einem zukünftigen Rekursrecht der Bezirksverwaltungsbehörden gegen gerichtliche Entscheidungen sprechen, ohne dass die Parteistellung der Verwaltungsbehörde im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren geregelt würde.
Weiters bestimme das Gesetz auch keine Frist, innerhalb deren der Antrag beim Gericht eingebracht werden müsse, und kein Ereignis, das den Fristbeginn auslösen würde. Auch lasse die Regelung nicht erkennen, ob gegen den Mandatsbescheid dennoch die Vorstellung nach §57 AVG erhoben werden könne und erst danach der Antrag an das Gericht zulässig sein oder ob dieser Rechtsbehelf entfallen solle.
1.2. Gemäß Art94 Abs1 B‑VG ist die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt. Die Lehre und die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leiten aus dem Grundsatz der Gewaltentrennung mehrere Verbotsgehalte ab: Unzulässig sind demnach Mischbehörden, Parallelzuständigkeiten, wechselseitige Instanzenzüge sowie Weisungszusammenhänge und sonstige verfahrensrechtliche Verflechtungen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (vgl Berka, Verfassungsrecht6 Rz 389; Khakzadeh-Leiler, in Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht [12. Lfg 2013] Art94 B‑VG 13 mwN). Nach Ansicht der Bundesregierung verstößt §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG gegen keine der Art94 Abs1 B‑VG immanenten Verbotsgehalte.
1.3. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012 wurde mit der Einführung des Art94 Abs2 B‑VG die Möglichkeit geschaffen, durch Bundes- oder Landesgesetz in einzelnen Angelegenheiten anstelle der Erhebung einer Beschwerde beim Verwaltungsgericht einen Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde an die ordentlichen Gerichte vorzusehen. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass mit §7 Abs1a zweiter Satz EpiG kein Instanzenzug im Sinne des Art94 Abs2 B‑VG eingerichtet werden sollte (vgl hingegen LVwG Tirol 20.10.2020, LVwG‑2020/15/1935‑2; 23.10.2020, LVwG‑2020/37/1936‑2 sowie Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts unter besonderer Berücksichtigung der Regelungen betreffend COVID‑19 [2020] 115 FN 649, die von einer Einrichtung eines Instanzenzugs gemäß Art94 Abs2 B‑VG ausgehen). Dies erschließt sich unter anderem auch daraus, dass die aufgrund des Vorliegens einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung gemäß Art102 Abs1 B‑VG erforderliche Zustimmung der Länder gemäß Art94 Abs2 zweiter Satz B‑VG nicht eingeholt wurde.
1.4. Nach den Gesetzesmaterialien sollte sich die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Art94 Abs2 B‑VG zur Schaffung eines Instanzenzugs von einer Verwaltungsbehörde zu den ordentlichen Gerichten nicht auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon bisher bestehender sukzessiver Kompetenzen (etwa im Enteignungs- oder Sozialrecht) auswirken (vgl AB 1771 BlgNR 24. GP 8; VfSlg 20.163/2017). Zum einen bleiben daher bestehende Konstellationen von sukzessiven Zuständigkeiten 'alter Prägung' weiterhin zulässig, zum anderen steht es der einfachen Gesetzgebung frei, weiterhin derartige sukzessive Gerichtszuständigkeiten vorzusehen (vgl Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 B‑VG Rz 46).
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs könne jedoch nicht angenommen werden, dass mit §7 Abs1a zweiter Satz EpiG eine sukzessive Zuständigkeit alter Prägung geschaffen werden sollte, weil das Gesetz weder anordne, dass der Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Anrufung des Gerichts außer Kraft tritt, noch ein derartiges Außerkrafttreten in sachlicher Hinsicht mit der weiter bestehenden Gefährdung anderer Personen durch die Erkrankung bzw den Krankheitsverdacht vereinbar wäre.
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung: Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist im Gesetz, das eine sukzessive Gerichtszuständigkeit (gestützt auf Art94 Abs1 B‑VG) vorsieht, ausdrücklich anzuordnen, dass der Bescheid ex lege außer Kraft tritt (vgl zu Art94 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung VfSlg 10.452/1985) und kann nicht implizit aus Bestimmungen, die eine Gerichtszuständigkeit in – untechnisch gesprochen – Verwaltungsangelegenheiten vorsehen, erschlossen werden. Eine solche Anordnung enthält §7 Abs1a EpiG nicht. Nach Ansicht der Bundesregierung ist daher im Zweifel nicht anzunehmen, dass die angefochtene Bestimmung in unzulässiger Weise eine solche sukzessive Gerichtszuständigkeit vorsieht.
1.5. §7 Abs1a EpiG ermöglicht eine Anhaltung oder eine Beschränkung im Verkehr mit der Außenwelt von kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen zur Verhütung der Weiterverbreitung einer durch Verordnung angeführten anzeigepflichtigen Krankheit. Hinsichtlich einer Infektion mit '2019 neuartiges Coronavirus' sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen (vgl §4 der Verordnung betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl Nr 39/1915). Kann eine zweckentsprechende Absonderung in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist gemäß §7 Abs2 EpiG die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raum durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann. Mit den genannten Maßnahmen kann potenziell ein Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit einhergehen, der verfassungsrechtlich in Art2 Abs1 Z5 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit – PersFrG, BGBl Nr 684/1988 und Art5 Abs1 lite EMRK Deckung findet. Ob auch die (bloße) Absonderung im eigenen privaten Wohnbereich gemäß §7 Abs1a EpiG oder sonstige Beschränkung gemäß den §§17 und 24 EpiG einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, wird von der Bundesregierung – mangels Relevanz für die abstrakte Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der angefochtenen Bestimmung – ausdrücklich offen gelassen.
Ein Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit setzt ein wirksames und leicht zugängliches Rechtsschutzverfahren voraus, das den Anforderungen des Art5 Abs4 EMRK und des Art6 PersFrG gerecht wird und eine (zumindest nachprüfende) unabhängige Kontrolle von Freiheitsentziehungen gewährleistet (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, PersFrG Art6 Rz 5 f). Gemäß Art6 Abs1 PersFrG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Gegenstand dieser 'Haftprüfung' sind sämtliche Freiheitsentziehungen im Sinne des Art2 PersFrG (AB 667 BlgNR 17. GP 3; Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 10) und somit auch Freiheitsentziehungen auf Grundlage des Art2 Abs1 Z5 PersFrG.
Die im EpiG vorgesehenen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen können je nach Dringlichkeit der Maßnahme durch Anordnung mittels Bescheid oder durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – allenfalls unter Assistenz der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß §28a EpiG – erfolgen (vgl ErläutRV 1187 BlgNR 16 ). Zwar besteht die Möglichkeit, dass gegen solche Maßnahmen gemäß Art130 Abs1 Z1 und 2 B‑VG Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben wird. Es besteht aber nicht die Möglichkeit, allen Rechtsschutz, den das PersFrG erfordert, bei den Verwaltungsgerichten anzusiedeln: Gemäß Art6 Abs2 PersFrG ist für Anhaltungen von unbestimmter Dauer eine Anhaltung in angemessener Dauer von Amts wegen (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 60) zu überprüfen. Eine solche amtswegige Überprüfung durch Verwaltungsgerichte scheidet jedoch von Verfassung wegen aus, da gemäß Art130 Abs2 Z4 B‑VG eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nur zur Entscheidung über 'Beschwerden, Streitigkeiten oder Anträge' begründet werden könnte.
Die periodische Überprüfung von Anhaltungen auf unbestimmte Dauer kann demnach lediglich ordentlichen Gerichten oder unabhängigen Behörden zugewiesen werden. Schon daraus, dass – der in Verfassungsrang stehende – Art6 Abs2 PersFrG neben den Behörden auch die Gerichte nennt, ist aber der Schluss zu ziehen, dass solche Gerichtszuständigkeiten unter dem Blickwinkel des Art94 B‑VG grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen (vgl VwSlg 13.994 A/1994; Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 8).
1.6. Dem verfassungsrechtlichen Gebot der Überprüfung der Anhaltung im Sinne des Art6 PersFrG wurde mit Einführung des §7 Abs1a EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 Rechnung getragen (vgl Berka/Binder/Kneihs, Die Grundrechte2 [2019] 341). Die angehaltene Person kann gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 beim Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes beantragen. Mit diesem Antragsrecht gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG wurde den Anforderungen an die Überprüfung der Anhaltung gemäß Art6 Abs1 PersFrG und Art5 Abs4 EMRK im Fall von Anhaltungen von bestimmter Dauer vollumfänglich entsprochen (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 34, wonach weder Art5 Abs4 EMRK noch Art6 Abs1 PersFrG eine 'automatische' amtswegige Kontrolle des Freiheitsentzugs verlangen).
Gemäß §7 Abs1a dritter Satz EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 ist jede Anhaltung dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Nach dieser Fassung, die mit 1. Jänner 2022 wieder in Kraft tritt (§50 Abs15 EpiG; zwar bezieht sich diese Bestimmung auf §7 Abs1a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 103/2020, doch wurde §7 Abs1a durch dieses Bundesgesetz nicht geändert, sondern wurde durch dieses Bundesgesetz die vormals letzte Änderung des EpiG bewirkt), ist jede Anhaltung dem Bezirksgericht anzuzeigen, unabhängig davon, ob die Anhaltung befristet oder unbefristet ist (vgl IA 826/A 27. GP 7). Diese Anzeigepflicht gewährleistet bei Anhaltungen von unbestimmter Dauer die Initiierung einer periodischen Überprüfung durch das Bezirksgericht gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG iVm §17 des Tuberkulosegesetzes in Entsprechung der Anforderungen des Art6 Abs2 PersFrG. Mit §7 Abs1a dritter Satz EpiG wird jedoch auch für Anhaltungen von bestimmter Dauer eine zusätzliche spezielle verfahrensrechtliche und eine das Antragsverfahren gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG flankierende Garantie geschaffen, die ein effektives Verfahren der Überprüfung von Anhaltungen für vulnerable Personen gewährleistet (zum Erfordernis von speziellen verfahrenstechnischen Vorkehrungen zur Einleitung eines Überprüfungsverfahrens bei krankheitsbedingten Beeinträchtigungen siehe Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 35). Mit BGBl I Nr 104/2020 wurde die amtswegige Anzeigepflicht von befristeten Anhaltungen aus verwaltungsökonomischen Gründen bis 31. Dezember 2021 auf Anhaltungen eingeschränkt, 'die länger als zehn Tage aufrecht' sind (vgl zur Begründung IA 826/A 27. GP 7). Davon unberührt bleibt das Antragsrecht nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, das sowohl bei befristeten als auch bei Anhaltungen mit unbestimmter Dauer gewährleistet wird (vgl IA 826/A 27. GP 7). In diesem Fall hat das Bezirksgericht nach Maßgabe des zweiten Abschnittes des Tuberkulosegesetzes binnen einer Woche zu entscheiden (§7 Abs1a zweiter Satz EpiG iVm §17 Abs5 des Tuberkulosegesetzes; vgl IA 826/A 27. GP 7).
Gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 63/2016 hat das Bezirksgericht von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde. Mit dieser Bestimmung soll die für Anhaltungen von unbestimmter Dauer verfassungsgesetzlich vorgesehene periodische Überprüfung gemäß Art6 Abs2 PersFrG gewährleistet werden. 'Unbestimmt' im Sinne des Art6 Abs2 PersFrG sind nicht nur zeitlich unbefristete Anhaltungen, sondern auch zeitlich befristete Anhaltungen, deren Fortbestand jedoch von 'dynamischen' Bedingungen (zB ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen; Vorliegen einer anzeigepflichtigen ansteckenden Krankheit) abhängt und deren Rechtmäßigkeit daher nur durch eine periodische Überprüfung gewährleistet werden kann (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 55 mwN).
1.7. Nach Auffassung der Bundesregierung bleibt die Möglichkeit, gegen eine Absonderungsmaßnahme gemäß Art130 Abs1 Z1 und 2 B‑VG Beschwerde beim Verwaltungsgericht zu erheben, vom Überprüfungsverfahren gemäß §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG unberührt.
Für diese Auffassung lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in vergleichbaren Konstellationen ins Treffen führen, nämlich insbesondere jene zu §11 Abs2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr 75/1954 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 190/1990, und §5a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr 75/1954 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 21/1991, wonach in der Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion zur Entscheidung über Berufungen gegen Schubhaftbescheide einerseits und in der Zuständigkeit der unabhängigen Verwaltungssenate als 'Haftprüfungsinstanz' über Beschwerden wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung andererseits keine Zuständigkeitskonkurrenz erkannt wurde.
In seinem Erk. VfSlg 13.039/1992 führt der Verfassungsgerichtshof (auszugsweise) aus:
'Ein Beschwerderecht nach §5a Abs1 FrPolG steht (nur) jenen Personen zu, die – tatsächlich – in Schubhaft genommen und angehalten werden. Diese einfachgesetzliche Regelung entspricht der Verfassungsvorschrift des Art6 Abs1 PersFrG, die jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, somit allen bereits festgenommenen oder angehaltenen Personen (nicht aber in Freiheit befindlichen Adressaten eines Schubhaftbescheides), die Anrufung eines Gerichtes oder einer anderen unabhängigen Behörde garantiert. Die Befugnis, den unabhängigen Verwaltungssenat mit Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid anzurufen, räumt §5a FrPolG seinem klaren Wortlaut nach dem Bescheidadressaten nicht ein. Gegenstand einer Beschwerde nach §5a Abs1 FrPolG ist daher nicht ein derartiger Schubhaftbescheid – ihn zu überprüfen obliegt gemäß §11 Abs2 und 3 FrPolG allein der Sicherheitsdirektion als Berufungsinstanz –, sondern die Festnahme und Anhaltung (des Fremden) selbst. Der Verfassungsgerichtshof ist aus den von der Bundesregierung hiezu eingehend dargelegten Gründen der Auffassung, daß der unabhängige Verwaltungssenat – als Haftprüfungsinstanz – nach §5a FrPolG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung (in die jede – tatsächliche – Inhaftnahme für wenn auch noch so kurze Zeit mündet) im Zeitpunkt seiner Entscheidung – so aber die Haft schon früher endete: in dem unmittelbar vor der Freilassung liegenden Zeitpunkt – zu befinden hat. Der Prüfungsmaßstab, den der mit Beschwerde angerufene unabhängige Verwaltungssenat seiner Kontrolle zugrundelegen muß, kann angesichts des Gesetzeswortlautes und unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Art6 PersFrG nicht zweifelhaft sein: §5a FrPolG gibt dem Schubhäftling das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat als Beschwerdeinstanz mit der Behauptung der "Rechtswidrigkeit" der Festnahme/Anhaltung anzurufen. Demgemäß hat dieser Senat die Frage der (formellen wie materiellen) Rechtmäßigkeit der Anhaltung (im Zeitpunkt seiner Entscheidung, gegebenenfalls im Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung) nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht etwa nur qualifiziert rechtswidriges behördliches Handeln, festzustellen und aufzugreifen, wie die Bundesregierung der Sache nach richtig dartut. Daß der Inhaftnahme des Fremden die Erlassung eines Schubhaftbescheides (der vollstreckbar wurde) vorausgegangen sein und zugrundeliegen muß, ist dabei nur eine der mehreren gesetzlichen Voraussetzungen der (fortdauernden) Haftanhaltung, deren Zutreffen der unabhängige Verwaltungssenat in Behandlung einer Beschwerde nach §5a Abs1 FrPolG voll zu prüfen hat. […]
Da der unabhängige Verwaltungssenat nach dem Gesagten nicht – neben der Sicherheitsdirektion – zur Überprüfung eines der Inhaftnahme (des Fremden) zugrundeliegenden Schubhaftbescheides zuständig ist, sondern – davon unabhängig – zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Haftfortdauer, kann auch von einer verfassungsgesetzlich unzulässigen Zuständigkeitskonkurrenz, wie sie der Verwaltungsgerichtshof gegeben sieht, ebensowenig gesprochen werden wie von einem Verstoß des §11 Abs2 FrPolG gegen die Art129 und 130 ff B‑VG:
Der Bundesgesetzgeber, der nach dem schon Gesagten in Befolgung des Verfassungsauftrags (Art6 PersFrG) jedem verwaltungsbehördlich in Schubhaft genommenen Fremden das Recht zur Erhebung einer Beschwerde sogleich an eine unabhängige Behörde – mit dem Ziel der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges – einräumte (§5a Abs1 FrPolG), war verfassungsgesetzlich nicht dazu verpflichtet, das dieser Haft kraft der Bestimmungen des FrPolG vorgeschaltete Administrativverfahren umzugestalten oder auf ein derartiges, die Betroffenen vor verfahrensfreier Inhaftnahme schützendes Verfahren überhaupt zu verzichten. Vielmehr durfte er sich, ohne daß der Verfassungsgerichtshof die Zweckmäßigkeit dieser Rechtslage zu beurteilen hätte, auch darauf beschränken, ein erst mit dem tatsächlichen Freiheitsentzug einsetzendes neues Kontrollregime einzurichten, das einem bereits Festgenommenen – und nur ihm – das Recht auf eine unmittelbare (Haft‑)Beschwerde an einen unabhängigen Verwaltungssenat gewährt. Macht der Festgenommene von diesem Beschwerderecht Gebrauch und entscheidet daraufhin der unabhängige Verwaltungssenat über die Rechtmäßigkeit der Haft, wirkt die Senatsentscheidung als neuer (Titel‑)Bescheid, der im Fall der Beschwerdestattgebung die Haftaufhebung, im Fall der – mit der Feststellung der Rechtmäßigkeit der Haft verbundenen – Abweisung der Beschwerde aber die Haftfortdauer zur Folge hat und den Schubhaftbescheid notwendig gegenstandslos werden läßt.'
Der Verfassungsgerichtshof hielt zur Schubhaft weiter fest, dass '[…] im Falle der Feststellung, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, die weitere Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des UVS selbst dann legitimiert [wurde], wenn die vorangehende Anhaltung als rechtswidrig erkannt wurde […]. Insofern hängt die im Hinblick auf Art6 Abs1 BVG persFr. entscheidende Frage, ob der Freiheitsentzug aufrechterhalten werden darf oder nicht, ausschließlich von der Feststellung betreffend die Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft, nicht aber von der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides und der Schubhaft ab, die vor der Entscheidung des UVS liegt.' (VfSlg 14.193/1995; 19.970/2015; vgl auch VwGH 23.9.1994, 94/02/0142).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war der unabhängige Verwaltungssenat nicht nur ermächtigt, einen weiteren bzw neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsanspruch verpflichtet (VwGH 15.12.2011, 2010/21/0292; 19.3.2013, 2011/21/0246). Die dem unabhängigen Verwaltungssenat aus dem angenommenen Fortsetzungsanspruch auferlegte Verpflichtung hatte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Auswirkungen auf die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde: Diese war bei der Erhebung einer Schubhaftbeschwerde auf den unabhängigen Verwaltungssenat übergegangen; eine Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörden war in einem solchen Fall ausgeschlossen (VwGH 31.3.2000, 2000/02/0007; 19.3.2013, 2011/21/0246; vgl VfSlg 19.970/2015).
1.8. Nach Ansicht der Bundesregierung lassen sich die aus den Erkenntnissen zur Schubhaft gezogenen Schlüsse auch auf das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren übertragen. Mit dem Antragsrecht gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG können Personen, die tatsächlich angehalten werden, beim Bezirksgericht des Anhaltungsorts 'die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes' beantragen. Prüfgegenstand dieses Überprüfungsverfahrens vor dem Bezirksgericht ist damit ausschließlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Freiheitsbeschränkung, nicht hingegen die Überprüfung eines dieser Anhaltung zu Grunde liegenden verwaltungsbehördlichen Rechtsaktes. Zwar ist die (formelle wie materielle) Rechtmäßigkeit der Anhaltung nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes 'nach jeder Richtung hin selbständig zu untersuchen und jedwede unterlaufene Gesetzwidrigkeit, also nicht etwa nur qualifiziert rechtswidriges behördliches Handeln, festzustellen und aufzugreifen' (VfSlg 13.039/1992; 13.776/1994; 13.806/1994), was auch die Prüfung eines Verwaltungsrechtsakts einschließt, der einer Anhaltung vorausgegangen ist (vgl zur Schubhaft VfSlg 13.037/1992; 13.039/1992; 13.050/1992; 19.970/2015). Wie auch der Oberste Gerichtshof in seinem Antrag richtig ausführt, bezweckt §7 Abs1a zweiter Satz EpiG aber die gerichtliche Überprüfung der verfügten Maßnahme, nicht jedoch eine Überprüfung des (dieser Maßnahme zu Grunde liegenden) Bescheids, sodass keine Einrichtung eines Instanzenzuges von einer Verwaltungsbehörde zum Gericht geschaffen wird (vgl Punkt 1.8. des Antrags des Obersten Gerichtshofs).
Das Bezirksgericht hat über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung und damit auch über das (weitere) Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung zu entscheiden. Hinsichtlich des Prüfzeitpunkts ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Prüfungsinstanz, bei bereits beendeter Freiheitsentziehung auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung abzustellen (vgl VfSlg 13.037/1992; 13.039/1992; 13.806/1994). Das zur Überprüfung berufene Gericht hat bei seiner Entscheidung alle Änderungen der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl Äußerung der Bundesregierung im Verfahren, das dem Erk. VfSlg 19.970/2015 zu Grunde liegt). Demnach hat das Bezirksgericht anhand der zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sach- und Rechtslage die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung zu überprüfen und im Fall einer noch andauernden Anhaltung über das (weitere) Vorliegen der Voraussetzungen zu entscheiden. Sind die Voraussetzungen der Anhaltung weggefallen, hat das Gericht die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen. Die Entscheidung ergeht als nicht vollstreckbarer Feststellungsbeschluss (vgl ErläutRV 1187 BlgNR 25. GP 7), mit dem über das Vorliegen eines (strittigen) Rechtsverhältnisses verbindlich abgesprochen wird (vgl zu §22a Abs3 BFA‑VG die Äußerung der Bundesregierung im Verfahren, das dem Erk. VfSlg 19.970/2015 zu Grunde liegt). Eine die Unzulässigkeit der Anhaltung feststellende Entscheidung wird den Anforderungen des Art6 Abs1 PersFrG gerecht, wenn sich daran die Pflicht der Behörde zur Freilassung knüpft (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 55 mwN). Eine solche Verpflichtung zur 'Folgenbeseitigung' (vgl Äußerung der Bundesregierung zu VfSlg 19.970/2015) wird durch §7 Abs1a EpiG iVm §19 Abs2 des Tuberkulosegesetzes gesetzlich konkretisiert: Erklärt das Gericht die Anhaltung für unzulässig, so ist die Anhaltung sogleich zu beenden, es sei denn, dass die Bezirksverwaltungsbehörde unmittelbar nach der Verkündung erklärt, Rekurs zu erheben, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Rekurs im Fall eines Antrags gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG innerhalb von drei Tagen auszuführen (§20 Abs2 Z4 des Tuberkulosegesetzes).
Dass nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auch die 'Aufhebung' der Freiheitsbeschränkung beantragt werden kann, ist einem Redaktionsversehen geschuldet: Nach den einschlägigen Bestimmungen des Tuberkulosegesetzes, auf die §7 Abs1a EpiG verweist, ist – im Gegensatz zum Ministerialentwurf (194/ME 25. GP §17 Abs4) – keine Entscheidung des Gerichts über die Beendigung der Anhaltung vorgesehen. Die Beendigung der Anhaltung bedarf keines Rechtsakts in Form eines actus contrarius, sondern hat die Behörde vielmehr die Anhaltung zu beenden, wenn die Voraussetzungen für die Anhaltung weggefallen sind (vgl die Äußerung der Bundesregierung im Verfahren, das dem Erk. VfSlg 13.039/1992 zu Grunde liegt).
1.9. Das Bezirksgericht ist somit lediglich zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung einer angehaltenen Person zuständig. Weder das EpiG noch das Tuberkulosegesetz übertragen die Zuständigkeit zur Überprüfung eines der Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsakts den ordentlichen Gerichten, sodass die Zuständigkeit zur Überprüfung eines der Anhaltung zu Grunde liegenden Bescheides oder Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt weiterhin den Verwaltungsgerichten gemäß Art130 Abs1 Z1 und 2 B‑VG obliegt (vgl VfSlg 13.039/1992).
Nach Auffassung der Bundesregierung sieht das EpiG – im Gegensatz zum Unterbringungsgesetz – UbG, BGBl Nr 155/1990 (vgl VwSlg 13.994/A) – auch keine umfassende Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Prüfung der Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen vor, die eine Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte bewirken würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum UbG sind die Vorführung zum Polizeiarzt und die 'Verbringung' in ein Krankenhaus der Kontrolle durch den unabhängigen Verwaltungssenat zugänglich (vgl 14.706 A/1997), wohingegen für die Überprüfung von Maßnahmen der Krankanstalt während der Unterbringung grundsätzlich kein Raum bleibt (vgl VwSlg 13.994 A/1994; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts3 [2012] Rz 310, 766). Da das EpiG in §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz bei der Überprüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung ausschließlich auf eine 'Anhaltung' abstellt, wird für die Überprüfung von sonstigen Freiheitsbeschränkungen, wie insbesondere eine Beschränkung im Verkehr mit der Außenwelt (vgl §7 Abs1a erster Satz, §§17, 24 EpiG) eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ebenso wenig begründet wie für eine Überprüfung des einer Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsaktes (vgl Mokrejs-Weinhappel, Die gerichtliche Überprüfung von Anhaltungen wegen COVID‑19 nach dem Epidemiegesetz – Ein Überblick, iFamZ 2020, 84 [85]; Heissenberger, 105 Jahre 'Epidemiegesetz' – Ein Gesetz im Wandel! JMG 2018, 163 [167]; Pixner, N@HZ 2020 SN, 20 [22]). Nach Auffassung der Bundesregierung bleibt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Überprüfung von verwaltungsbehördlichen Rechtsakten durch das Überprüfungsverfahren gemäß §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG unberührt.
1.10. Der Verfassungsgerichtshof stellte zur Schubhaft fest, dass 'dem durch §5a FrPolG idF BGBl 21/1991 geschaffenen Rechtsschutzsystem verschiedene Beschwerdegegenstände zugrunde gelegen sind (vgl VfSlg 13.039/1992)' und sich '[e]ine Beschwerde gemäß §22a Abs1 BFA‑VG gegen das Verwaltungshandeln im Rahmen einer Schubhaft – Schubhaftbescheid, Festnahme und Anhaltung – […] gegen drei mögliche Beschwerdegegenstände richten [kann], wovon jeder einem Beschwerdegegenstand des Art130 Abs1 und Abs2 Z1 B‑VG entspricht' (VfSlg 19.970/2015). In diesem Erk. hielt der Verfassungsgerichtshof sein noch im Prüfungsbeschluss vorläufig geäußertes Bedenken in Bezug auf Art130 B‑VG gegen das Konzept eines einheitlichen Rechtsmittels in Form einer 'Gesamtbeschwerde', die mehrere verschiedene Beschwerdegegenstände (Schubhaftbescheid, Festnahme und Anhaltung) durch prozessuale Verbindung in einem einheitlichen Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht überträgt, nicht aufrecht (vgl VfSlg 19.970/2015).
Nach Auffassung der Bundesregierung liegt es jedoch innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums, darüber zu entscheiden, ob verschiedene Beschwerdegegenstände einem einzigen und einheitlichen Rechtsschutzverfahren zugeführt werden, oder ob unterschiedliche Rechtsschutzverfahren für unterschiedliche Beschwerdegegenstände (Mandatsbescheid, Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher und Befehlsgewalt sowie Zulässigkeit der Anhaltung nach EpiG) bestehen sollen. Verschiedene verfassungsrechtliche Rechtsschutzansprüche erfordern auf einfachgesetzlicher Ebene nicht zwingend eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzsystems (vgl Kopetzki in Korinek/Holoubek, PersFrG Art6 Rz 7), lassen aber eine solche Ausgestaltung durchaus zu, sofern die Zuständigkeit der jeweilig zur Überprüfung der unterschiedlichen Beschwerdegegenstände berufenen Stellen klar und präzise geregelt sind (vgl VfSlg 19.970/2015). Nach Auffassung der Bundesregierung wird das in §7 Abs1a EpiG vorgesehene Rechtsschutzsystem zur Überprüfung der Zulässigkeit von Anhaltungen den verfassungsgesetzlichen Anforderungen an ein effektives Überprüfungsverfahren gerecht. Für die Überprüfung eines der Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsaktes (Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) sind die Verwaltungsgerichte unter Anwendung der allgemeinen Verwaltungsverfahrensvorschriften (weiterhin) zuständig. Bei Vorliegen eines Mandatsbescheides kann gemäß §57 Abs2 AVG Vorstellung bei jener Behörde erhoben werden, die den Bescheid erlassen hat.
Würde man hingegen – zu Unrecht – davon ausgehen, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG eine ausschließliche und die Verwaltungsgerichte verdrängende Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte normiere (vgl die Rechtsprechung der Landesverwaltungsgerichte Vorarlberg 23.4.2020, LVwG‑408‑2/2020‑R16; Tirol 20.10.2020, LVwG‑2020/15/1935‑2; 23.10.2020, LVwG‑2020/37/1936‑2; Niederösterreich 29.5.2020, LVwG‑AV‑453/001‑2020; 28.10.2010, LVwG‑AV‑1050/001‑2020), würde damit eine Einschränkung des Rechtsschutzes gegen Verwaltungsrechtsakte einhergehen, der durch die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht kompensiert werden kann. So würde nämlich ein Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG zur Überprüfung einer bereits aufgehobenen Anhaltung unzulässig sein (und daraus folgend jegliche Überprüfung des der Anhaltung zu Grunde liegenden Rechtsaktes ausscheiden), da dieser Antrag an das Bezirksgericht eine aufrechte Anhaltung voraussetzt (vgl §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, der das Antragsrecht lediglich einer 'angehaltenen Person' einräumt; Mokrejs-Weinhappel, iFamZ 2020, 84 [85]).
1.11. Dieser 'parallel' bestehende Rechtsschutz zur Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung durch ordentliche Gerichte einerseits und der Überprüfung des einer Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsaktes durch Verwaltungsbehörden (Mandatsbescheid) bzw Verwaltungsgerichten (Bescheid, Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) andererseits, begegnet auch vor dem Hintergrund des aus Art94 Abs1 B‑VG resultierenden Verbots von Parallelzuständigkeiten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Art94 Abs1 B‑VG gebietet, eine Angelegenheit zur Vollziehung entweder den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen und objektiv erfassbare Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung vorzusehen (vgl Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 Rz 26 und 30 f mwN). Zulässig ist demnach, einen Lebenssachverhalt in mehrere Aspekte aufzuspalten, wobei in ein und derselben Angelegenheit der Verwaltungsbehörde die bescheidmäßige Feststellung des Vorliegens eines Tatbestandselements, dem Gericht dagegen die Feststellung des Vorliegens anderer Voraussetzungen übertragen werden (vgl Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 Rz 32; Wiederin, In allen Instanzen getrennt – Zum Verhältnis von Justiz und Verwaltung am Beispiel des strafprozessualen Vorverfahrens, ÖJZ 2011, 351 [352]; VfSlg 3121/1956; 4455/1963; 5983/1969; 6936/1972; 10.476/1985; 16.195/2001; 16.772/2002). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es vor dem Hintergrund des Art94 B‑VG auch zulässig, wenn in zwei verschiedenen Verfahren dieselbe Rechtsfrage je nach ihrem Zusammenhang einmal von einem Gericht und einmal von einer Verwaltungsbehörde beurteilt wird: Entscheidend ist ausschließlich, dass nicht über 'dieselbe (konkrete) Rechtssache' entschieden wird, sondern unter Beantwortung 'gleicher (abstrakter) Rechtsfragen' über unterschiedliche Rechtssachen (VfSlg 10.476/1985; 16.772/2002; 16.797/2003; 17.083/2003; 20.314/2019) (Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Art94 Rz 33).
Nach Auffassung der Bundesregierung lässt sich diese Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch auf das gegenständliche Gesetzesprüfungsverfahren übertragen: Gegenstand des Überprüfungsverfahrens gemäß §7 Abs1a EpiG können zwar die gleichen abstrakten Rechtsfragen sein, die auch im Rahmen einer Bescheidbeschwerde oder Maßnahmenbeschwerde nach Art130 Abs1 Z1 bzw Z2 B‑VG zu beantworten sind (zB Vorliegen einer ernstlichen und erheblichen Gefahr für die Gesundheit anderer Personen durch das Vorliegen einer anzeigepflichtigen Krankheit). Die jeweiligen Verfahren werden jedoch über unterschiedliche 'Sachen' (Verfahrensgegenstände) in einem prozessualen Sinne geführt (Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung im Hinblick auf die Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des EpiG; Beschwerde gegen einen Bescheid oder Maßnahmenbeschwerde gegen einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Überprüfung auf Konformität mit der dem Rechtsakt zu Grunde liegenden Rechtsgrundlage). Die Verwaltungsbehörde bzw Verwaltungsgerichte und die ordentlichen Gerichte entscheiden somit zwar teilweise über dieselben abstrakten Rechtsfragen, nicht jedoch über dieselbe Sache (VfSlg 20.314/2018).
Ein solches Nebeneinander ist für sich genommen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (vgl VfSlg 10.476/1985). Keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes gemäß Art94 Abs1 B‑VG wurde vor diesem Hintergrund etwa bei der parallelen Zuständigkeit der Regulierungsbehörde und der ordentlichen Gerichte zur Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Energieversorgern erblickt (VfSlg 20.314/2019). Eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes in der österreichischen Rechtsordnung wird etwa auch in Angelegenheiten des Datenschutzrechtes anerkannt (vgl OGH 6 Ob 91/19d jusIT 2019, 161 [Jahnel/Thiele] = VbR 2020, 160 [Schmidl]; OGH 6 Ob 131/18k ecolex 2019, 346 [Zemann] = jusIT 2019, 85 [Thiele] = jusIT 2019, 123 [Jahnel] = RZ 2019, 91 [Spenling] = VbR 2020, 160 [Schmidl]). Demnach können Ansprüche nach der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO, ABl L 2016/119, 1, sowohl bei der Datenschutzbehörde als auch bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht, wobei der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Vorrang des Unionsrechts ausführt, dass der 'Umstand, dass dem Kläger gegebenenfalls mehrere Rechtsschutzmöglichkeiten bei verschiedenen innerstaatlichen Stellen offenstehen, wobei jedoch jeweils eine nachprüfende Kontrolle der Entscheidung durch unabhängige Gerichte gewährleistet ist, jedenfalls keine Verletzung eines […] unverzichtbaren Kerns des österreichischen Verfassungsrechts' darstellt (OGH 6 Ob 91/19d; vgl Schwamberger, Parallelität und Bindungswirkung von Zivil- und Verwaltungsverfahren nach der DSGVO, in Jahnel [Hrsg.], Jahrbuch Datenschutzrecht 2019, 259 [266]).
1.12. Entgegen den Bedenken des Obersten Gerichtshofes ist dem §7 Abs1a zweiter Satz EpiG in Verbindung mit dem 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes auch eine hinreichend präzise Zuständigkeitsabgrenzung zu entnehmen. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf die nachstehenden Ausführungen.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip:
2.1. Der Oberste Gerichtshof hegt Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip gemäß Art18 Abs1 B‑VG, da §7 Abs1a zweiter Satz EpiG keine präzise Regelung der Behördenzuständigkeit enthalte und unklar sei, unter welchen Voraussetzungen das Gericht angerufen werden könne. Dies betreffe auch die zu Art94 B‑VG dargelegten Umstände, wonach das Gesetz keine Frist zur Anrufung des Gerichts enthalte und nicht klar sei, ob der verwaltungsbehördliche Instanzenzug, zumindest durch Erhebung einer Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid, ausgeschöpft werden müsse. Dadurch bleibe offen, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang ein gerichtlicher Überprüfungsauftrag bestehe.
Weitere Unklarheiten würden sich auch aus dem pauschalen Verweis des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes ergeben, der jedoch ein völlig anderes Verfahren regle, indem es grundsätzlich vor einer Anhaltung in einer Krankenanstalt eine verpflichtende ex ante Prüfung durch das Gericht über Antrag der Verwaltungsbehörde gebe, während nach dem EpiG die Verwaltungsbehörde selbst die Absonderung anordnet und das Gericht diese Maßnahme nur auf Antrag der angehaltenen Person bzw von Amts wegen frühestens nach drei Monaten überprüfen soll. Daher sei nicht ausreichend erkennbar, welche konkreten gesetzlichen Vorgaben für die gerichtliche Überprüfung nach dem EpiG gelten sollen.
2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet Art18 iVm Art83 Abs2 B‑VG die Gesetzgebung zu einer präzisen und eindeutigen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl VfSlg 9937/1984, 12.883/1991, 13.029/1992, 18.639/2008; VfGH 1.12.2017, G242/2017 ua jeweils mwN). Eine Regelung entspricht dann den Bestimmtheitsanforderungen des Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B‑VG, wenn der Rechtsunterworfene dem Gesetz die konkrete Zuständigkeit – allenfalls im Wege der Auslegung – eindeutig entnehmen kann.
Der Verfassungsgerichtshof hat diesem Grundsatz folgend etwa eine Regelung als verfassungswidrig erkannt, welche die Zuständigkeit von sich ständig ändernden und zudem von der Behörde beeinflussbaren Umständen abhängig gemacht hat und nach der die konkrete Zuständigkeit dem Rechtsunterworfenen nicht erkennbar war (vgl VfSlg 13.029/1992). Des Weiteren erkannte er eine Regelung als verfassungswidrig, welche die Behördenzusammensetzung von gewissen Umständen abhängig machte (Zweckwidmung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks zum Wohnbau), ohne dass dem Gesetz eindeutig zu entnehmen war, welche Prämissen (hinsichtlich der in Rede stehenden Zweckwidmung) jeweils konkret erfüllt sein mussten, damit diese Umstände als erfüllt anzusehen waren (vgl VfSlg 18.639/2008).
Demgegenüber hat der Verfassungsgerichtshof eine Regelung, die für eine – seltene – Fallgestaltung keine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung enthielt, als verfassungskonform erachtet, da sich die planwidrige (Regelungs‑)Lücke anhand der vom Gesetz selbst gegebenen Hinweise völlig zwanglos durch Analogie schließen ließ (vgl VfSlg 12.883/1991).
Das Kriterium für die Beurteilung, ob eine Norm ausreichend bestimmt ist, ist die Frage, ob die getroffene Entscheidung auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann. Dabei sind in Ermittlung des Inhalts des Gesetzes alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmöglichkeiten auszuschöpfen: Ob eine Norm dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, richtet sich nicht nur nach ihrem Wortlaut, sondern auch nach ihrer Entstehungsgeschichte, dem Gegenstand und dem Zweck der Regelung (vgl VfSlg 8209/1977, 9883/1983 und 12.947/1991). Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verstößt die Norm gegen die in Art18 B‑VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 11.859/1988, 18.738/2009, VfGH 20.9.2012, B783/12).
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg 14.606/1996 einen erst im Wege der Nachzeichnung einer Verweisungskette eindeutig zu ermittelnden Normgehalt einer Rechtsvorschrift als ausreichend bestimmt erachtet: Dieses Vorgehen wäre zwar für den Normunterworfenen mühsam, erfordere aber keinen derartigen Aufwand, dass die Rechtsvorschrift im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur hinreichenden Bestimmtheit (von Strafvorschriften) mit Verfassungswidrigkeit belastet sei (vgl auch VfSlg 20.039/2016).
2.3. Nach Auffassung der Bundesregierung ist dem §7 Abs1a zweiter Satz EpiG in Verbindung mit dem 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes eine hinreichend präzise Regelung über die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zu entnehmen.
Der Oberste Gerichtshof führt in seinem Antrag aus, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG keine Frist enthalte, innerhalb deren der Antrag beim Gericht eingebracht werden müsste und auch kein Ereignis (mündliche Bescheiderlassung oder Zulassung der schriftlichen Ausfertigung) bestimme, das den Fristbeginn auslösen würde.
Dem Obersten Gerichtshof ist zunächst zuzustimmen, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG keine Frist normiert, innerhalb deren ein Antrag bei Gericht eingebracht werden kann. Nicht geteilt werden kann hingegen die Auffassung, dass daraus Bedenken im Hinblick auf Art18 Abs1 B‑VG resultieren würden. Dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG an kein fristauslösendes Ereignis anknüpft, ist schlicht der Ausgestaltung als 'Antragsrecht' geschuldet, das sich insofern wesentlich von einem fristgebundenen Rechtsmittel unterscheidet. Die Nichtanordnung einer Frist zur Einbringung eines Antrags ist darüber hinaus auch geboten, um aufgrund eines potenziellen Eingriffs in das Recht auf persönliche Freiheit den Anforderungen eines Überprüfungsverfahrens gemäß Art5 Abs4 EMRK und Art6 Abs1 PersFrG gerecht zu werden. Eine Befristung des Antragsrechts bei noch aufrechter Anhaltung würde Art6 Abs1 PersFrG entgegenstehen.
Das Antragsrecht gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG steht als Ausgestaltung eines Überprüfungsverfahrens grundsätzlich (nur) jenen Personen zu, die tatsächlich angehalten werden (zur Schubhaft vgl VfSlg 13.039/1992; VwSlg 14.121 A/1994). Dies erschließt sich auch unmissverständlich aus dem Wortlaut und der gegenwartsbezogenen Formulierung des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, wonach '[d]ie angehaltene Person' die Überprüfung der Zulässigkeit (und Aufhebung) der Freiheitsbeschränkung beantragen kann. Die einzige zeitliche 'Befristung' des Antragsrechts nach §7 Abs1a zweiter Satz EpiG liegt daher in der aufrechten Anhaltung zum Zeitpunkt der Antragstellung. Eine spätere Aufhebung der Anhaltung beseitigt den Anspruch auf eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Anhaltung bis ihrer Aufhebung hingegen nicht.
2.4. Der Oberste Gerichtshof hegt Bedenken, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG nicht erkennen lasse, ob gegen den eine Absonderung anordnenden Mandatsbescheid dennoch die Vorstellung nach §57 AVG erhoben werden könne und erst danach der Antrag an das Gericht zulässig sein oder ob dieser Rechtsbehelf entfallen solle.
Die Bundesregierung hat bereits zu Punkt 1. ausgeführt, dass sich das Antragsrecht des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG lediglich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung und nicht auch auf die dieser Anhaltung zu Grunde liegenden Verwaltungsrechtsakte bezieht. Die Möglichkeit zur Erhebung einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid gemäß §57 Abs2 AVG bleibt vom Antragsrecht des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG ebenso unberührt wie die Möglichkeit zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde gemäß Art130 Abs1 Z1 B‑VG gegen den der Anhaltung zu Grunde liegenden (Absonderungs‑)Bescheid oder zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde gemäß Art130 Abs1 Z2 B‑VG gegen einen Akt der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt. Mangels Einrichtung eines 'Instanzenzuges' ist eine 'Ausschöpfung' eines solchen – nicht existenten – Instanzenzuges weder erforderlich noch möglich. Die Annahme, dass vor Einbringung eines Antrags gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG zunächst der einer Freiheitsentziehung zu Grunde liegende Rechtsakt im Verwaltungsrechtsweg bekämpft werden muss, würde darüber hinaus Art6 Abs1 PersFrG widersprechen. Der Antragsteller muss daher kein verwaltungsrechtliches Rechtsmittel ergreifen, sondern kann sich unmittelbar mit einem Antrag auf Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung an das Bezirksgericht wenden.
2.5. Der Oberste Gerichtshof führt in seinem Antrag aus, dass sich weitere Unklarheiten aus dem pauschalen Verweis des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes ergeben, der jedoch ein völlig anderes Verfahren regle, da das Tuberkuloserecht vor einer Anhaltung in einer Krankenanstalt eine verpflichtende ex ante Prüfung durch das Gericht über Antrag der Verwaltungsbehörde vorsehe, während nach dem EpiG die Verwaltungsbehörde selbst die Absonderung im häuslichen Bereich anordne und das Gericht diese Maßnahme nur auf Antrag der angehaltenen Person bzw von Amts wegen frühestens nach drei Monaten überprüfen solle.
Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Anordnung, wonach das Überprüfungsverfahren 'nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes' durchzuführen ist, hinreichend bestimmt. Auch wenn das EpiG – im Gegensatz zum Tuberkulosegesetz (§§14, 15) – keine ex ante Prüfung durch das Gericht vorsieht und Anhaltungen auf Grundlage des §7 Abs1a EpiG unmittelbar und ohne Zwischenschaltung eines Gerichtes durch die Behörde angeordnet und – allenfalls unter Assistenz der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß §28a EpiG – vollzogen werden können, lässt sich das für diese Anhaltungen anzuwendende Verfahrensrecht hinreichend klar ableiten:
Für Anhaltungen nach dem EpiG uneingeschränkt anwendbar ist §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes, der ein dem §7 Abs1a zweiter Satz EpiG entsprechendes Antragsrecht der angehaltenen Person an das Gericht vorsieht. Demnach kann '[d]ie angehaltene Person […] jederzeit bei Gericht beantragen, die Unzulässigkeit der Anhaltung auszusprechen'.
Die Entscheidung des Gerichts hat im außerstreitigen Verfahren zu erfolgen (§15 Abs1 des Tuberkulosegesetzes), sodass die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes – AußStrG, BGBl I Nr 111/2003, zur Anwendung gelangen. Im Hinblick auf die Einbringung des Antrags ist daher §10 AußStrG anzuwenden, wonach Anträge bei Gericht entweder schriftlich eingebracht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden können (vgl Mokrejs-Weinhappel, iFamZ 2020, 84 [86]).
Im Zuge der Pandemie wurde mit §1 Abs1 der 1. COVID‑19 Ziviljustiz‑VO, BGBl II Nr 163/2020, eine verfahrensrechtliche Sonderbestimmung für Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung auf Grund von COVID‑19 gemäß §7 Abs1a EpiG geschaffen, die erleichterte Bedingungen für die Einbringung des Antrags per E‑Mail normierte. Mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr 104/2020 wurde diese spezifisch für COVID‑19 geschaffene privilegierte Antragseinbringung aus Gründen der Gleichbehandlung auch für Tuberkulose und andere anzeigepflichtige Krankheiten gemäß §7 Abs1 EpiG in §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes – und damit in das 'Dauerrecht' – überführt (vgl IA 826/A 27. GP 8). Gemäß §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes können Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer aufrechten Freiheitsbeschränkung von einer angehaltenen Person, die nicht anwaltlich vertreten ist, nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme mit dem Gericht auch mit E‑Mail an die vom Gericht bekanntgegebene E‑Mail-Adresse eingebracht werden. Dem Antrag ist eine Abbildung eines Identitätsnachweises sowie des die Anhaltung aussprechenden Bescheides anzuschließen. Da diese Bestimmung für alle anzeigepflichtigen Krankheiten – und somit auch für COVID‑19 – gilt, trat §1 Abs1 der 1. COVID‑19 Ziviljustiz‑VO mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
Das Gericht hat über einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG iVm §17 Abs4 des Tuberkulosegesetzes in mündlicher Verhandlung innerhalb einer Woche ab Antragstellung zu entscheiden (§17 Abs5 des Tuberkulosegesetzes). Diese Bestimmung entspricht den Anforderungen eines Überprüfungsverfahrens gemäß Art6 Abs1 PersFrG.
Das Tuberkulosegesetz sieht in §20 die Möglichkeit der 'Soforteinweisung' durch die Bezirksverwaltungsbehörde mit einer bloß nachträglichen gerichtlichen Kontrolle vor und weist daher Parallelen zu Anhaltungen nach §7 Abs1a EpiG auf. Daher ist für Anträge gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auch §20 des Tuberkulosegesetzes maßgeblich (vgl auch Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts 115). Gemäß §20 Abs2 des Tuberkulosegesetzes gelten im Fall der Soforteinweisung die Bestimmungen des 2. Abschnitts mit den Besonderheiten der Ziffern 1 bis 4. Für das Verfahren über einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG sind – aufgrund der fehlenden Antragsbedürftigkeit von Anhaltungen nach §7 Abs1a EpiG – lediglich §20 Abs2 Z3 und 4 des Tuberkulosegesetzes einschlägig.
§20 Abs2 Z3 des Tuberkulosegesetzes sieht Vorkehrungen für den Fall vor, dass eine abschließende Entscheidung innerhalb einer Woche nicht möglich ist, und ist auch für Verfahren über einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG maßgeblich. Demnach hat das Gericht nach Anhörung der angehaltenen Person vorläufig über die Zulässigkeit der Anhaltung zu entscheiden. Dieser Beschluss ist der angehaltenen Person und der Bezirksverwaltungsbehörde sofort mündlich zu verkünden. Gelangt das Gericht nach der Anhörung zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung vorliegen, so hat es diese vorläufig bis zur abschließenden Entscheidung für zulässig zu erklären und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die innerhalb von 14 Tagen nach der Verkündung der vorläufigen Entscheidung stattzufinden hat. Diese Entscheidung kann nicht selbstständig angefochten werden.
Gemäß §20 Abs2 Z4 des Tuberkulosegesetzes hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Rekurs innerhalb von drei Tagen auszuführen, wenn das Gericht bereits nach der Anhörung die Anhaltung für unzulässig erklärt. Nach den Gesetzesmaterialien zu §7 Abs1a EpiG sollte der Bezirksverwaltungsbehörde ein Rekursrecht gegen eine gerichtliche Entscheidung, mit der eine Absonderung für nicht zulässig erklärt wird, eingeräumt werden (vgl ErläutRV 1187 BlgNR 25. GP 16), sodass auch diese Bestimmung für Verfahren über Anträge gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG anzuwenden ist.
Das Rekursrecht der Bezirksverwaltungsbehörde wird abseits der in §20 Abs2 enthaltenen besonderen Bestimmungen allgemein in §19 Abs2 des Tuberkulosegesetzes geregelt. Die Frist zur Erhebung eines Rekurses durch die Bezirksverwaltungsbehörde resultiert allerdings aus §20 Abs2 Z4 des Tuberkulosegesetzes (Ausführung des Rekurses binnen drei Tagen), der dem §19 Abs2 des Tuberkulosegesetzes als lex specialis vorgeht.
Erklärt das Gericht die Anhaltung für unzulässig, so ist die Anhaltung sogleich zu beenden, es sei denn, dass die Bezirksverwaltungsbehörde unmittelbar nach der Verkündung erklärt, Rekurs zu erheben, und das Gericht diesem Rekurs sogleich aufschiebende Wirkung zuerkennt (vgl §19 Abs2 zweiter Satz des Tuberkulosegesetzes). Die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung lässt das Rekursrecht unberührt. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung kann kein Rekurs erhoben werden. Dies gilt uneingeschränkt auch für das Verfahren auf Grundlage eines Antrages gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG.
Das Rekursrecht der angehaltenen Person wird in §19 Abs1 des Tuberkulosegesetzes geregelt und gilt auch für einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG. Die angehaltene Person kann demnach gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung für zulässig erklärt wird, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung Rekurs erheben.
Entgegen den Bedenken des Obersten Gerichtshofes lassen sich aus der Formulierung 'nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes' die für einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG anzuwendenden Verfahrensvorschriften im Ergebnis hinreichend klar und präzise bestimmen, sodass nach Auffassung der Bundesregierung keine Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip bestehen.
2.6. Dies gilt auch für §7 Abs1a vierter Satz EpiG, wonach '[d]as Bezirksgericht […] von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen [hat], sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde'. Die für eine amtswegige Überprüfung erforderliche Kenntnis über die Anhaltung erhält das Gericht über die in §7 Abs1a dritter Satz EpiG vorgesehene Anzeige durch die Bezirksverwaltungsbehörde.
Der Verweis auf eine 'sinngemäße' Anwendung einer Bestimmung führt – wie bereits dargelegt – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht schon deshalb zu einer Unbestimmtheit dieser Regelung (vgl VfSlg 6355/1971).
Unter Berücksichtigung der fehlenden Antragsbedürftigkeit der Anhaltung im EpiG ist auf das gerichtliche Überprüfungsverfahren gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG der §17 Abs3 des Tuberkulosegesetzes sinngemäß anzuwenden. §17 Abs3 des Tuberkulosegesetzes unterscheidet sich nur insofern von §7 Abs1a vierter Satz EpiG, als die bisherige Anhaltung auf einer gerichtlichen Entscheidung und nicht auf einem Rechtsakt einer Verwaltungsbehörde (insbesondere Absonderungsbescheid) beruht. Das Gericht hat demnach von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung über das weitere Vorliegen der Voraussetzungen der Anhaltung zu entscheiden; sind die Voraussetzungen weggefallen, hat es die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen. Bei einer Anhaltung in einer Krankenanstalt hat das Gericht anlässlich der Überprüfung jedenfalls eine Stellungnahme des ärztlichen Leiters einzuholen. Der Beschluss ist noch innerhalb der dreimonatigen Frist schriftlich auszufertigen (§17 Abs3 des Tuberkulosegesetzes). Das Gericht hat über die Zulässigkeit der Anhaltung in mündlicher Verhandlung zu entscheiden, wobei §15 Abs2 bis 5 des Tuberkulosegesetzes dabei nicht anzuwenden ist (§17 Abs5 des Tuberkulosegesetzes).
Die Zuständigkeit für einen Antrag gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG und für eine amtswegige Überprüfung gemäß §7 Abs1a vierter Satz EpiG sowie das dafür maßgeblich anzuwendende Verfahrensrecht erschließen sich nach Auffassung der Bundesregierung hinreichend bestimmt aus den Bestimmungen des §7 Abs1a EpiG und des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes.
[…]"
2. Zum Antrag des Bezirksgerichts Zell am Ziller (G367/2020)
2.1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz ordnete mit Mandatsbescheid vom 26. Oktober 2020 gemäß §7 EpiG mit sofortiger Wirkung bis einschließlich 1. November 2020 die Absonderung der minderjährigen Antragstellerin im Anlassverfahren zu G367/2020 in einer näher bezeichneten Unterkunft unter Vorschreibung weiterer Anordnungen und Verkehrsbeschränkungen an. Die Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides wies auf die Möglichkeit einer Vorstellung nach §57 Abs2 AVG hin. Weiters enthielt der Bescheid einen Hinweis, wonach die angehaltene Person beim zuständigen Bezirksgericht die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung beantragen könne.
Mit am 5. November 2020 beim Bezirksgericht Schwaz eingebrachtem Antrag begehrte die Antragstellerin des Anlassverfahrens zu G367/2020 die Feststellung der Unrechtmäßigkeit der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 26. Oktober 2020 angeordneten Anhaltung. Das Bezirksgericht Schwaz sprach mit Beschluss vom 6. November 2020 seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Sache gemäß §44 JN dem zuständigen Bezirksgericht Zell am Ziller, bei dem der Antrag am 11. November 2020 einlangte. Noch vor Einlangen dieses Antrages langte beim Bezirksgericht Zell am Ziller ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Schwaz ein, mit dem die von der Antragstellerin (weiters) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 26. Oktober 2020 eingebrachte Vorstellung (mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol [Erkenntnis vom 20.10.2020, LVwG‑2020/15/1935‑2]) "zuständigkeitshalber an das Bezirksgericht Zell am Ziller weitergeleitet wird".
2.2. Aus Anlass dieser Verfahren stellt das Bezirksgericht Zell am Ziller den vorliegenden, zu G367/2020 protokollierten Gesetzesprüfungsantrag und führt als sein Bedenken mit näherer Begründung aus, dass §7 Abs1a zweiter Satz EpiG gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 Abs1 B‑VG) verstoße, weil dem Gesetz nicht die genaue Art der bezirksgerichtlichen Entscheidungsbefugnis entnommen werden könne.
2.3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie im Wesentlichen auf ihre im Verfahren zu G380/2020 erstattete Äußerung verweist und diese auch zu ihrer Äußerung in diesem Verfahren erhebt.
2.4. Die Antragstellerin des Anlassverfahrens hat als beteiligte Partei eine Stellungnahme abgegeben, in der sie den Bedenken des antragstellenden Bezirksgerichtes Zell am Ziller beitritt.
3. Zu den Anträgen des Landesgerichtes Korneuburg (G7/2021 und G37/2021)
3.1. Den Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
3.1.1. In dem G7/2021 zugrunde liegenden Verfahren ordnete die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg mit Bescheid vom 21. Oktober 2020 die Absonderung der minderjährigen Antragstellerin auf Grund hohen Infektionsrisikos mit COVID‑19 ab 21. Oktober 2020 an ihrer Wohnadresse an. Die Maßnahme wurde bis einschließlich zehn Tage nach dem letzten kontagiösen Kontakt am 13. Oktober 2020 angeordnet und war bis 23. Oktober 2020 aufrecht. Die minderjährige Antragstellerin beantragte beim Bezirksgericht Korneuburg, dieses möge die Unzulässigkeit der verhängten Absonderung aussprechen. Mit Beschluss vom 6. November 2020 wies das Bezirksgericht Korneuburg diesen Antrag mit der Begründung zurück, das EpiG sehe eine nachträgliche Überprüfung einer bekämpften Maßnahme nicht vor. Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin Rekurs an das Landesgericht Korneuburg mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Unzulässigkeit der verhängten Absonderung ausgesprochen werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
3.1.2. In dem G37/2021 zugrunde liegenden Verfahren ordnete die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg mit Bescheid vom 20. November 2020 die Absonderung der minderjährigen Antragstellerin auf Grund hohen Infektionsrisikos mit COVID‑19 ab 16. November 2020 in ihrer Wohnung an. Die Maßnahme wurde bis einschließlich 26. November 2020 angeordnet und war bis zu diesem Tag aufrecht.
Die minderjährige Antragstellerin beantragte beim Bezirksgericht Korneuburg, dieses möge die Unzulässigkeit der verhängten Absonderung aussprechen. Mit Beschluss vom 26. November 2020 wies das Bezirksgericht Korneuburg diesen Antrag mit der Begründung zurück, das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen sei über die Individualinteressen der ansteckungsverdächtigen Antragstellerin zu stellen. Gegen diesen Beschluss erhob die Antragstellerin Rekurs an das Landesgericht Korneuburg mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Unzulässigkeit der verhängten Absonderung ausgesprochen werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.
3.2. Aus Anlass dieser Rekursverfahren stellt das Landesgericht Korneuburg die vorliegenden, zu G7/2021 und zu G37/2021 protokollierten Gesetzesprüfungsanträge und bringt Bedenken vor, die wörtlich mit jenen des Obersten Gerichtshofes im zu G380/2020 protokollierten Verfahren übereinstimmen.
3.3. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat im Verfahren zu G7/2020 auf die von der Bundesregierung im zu G380/2020 protokollierten Verfahren erstattete Äußerung verwiesen, wonach diese Äußerung auch für alle künftigen Verfahren zur Prüfung derselben Bestimmungen gelte. Da der Antrag zu G37/2021 den Anträgen zu G380/2020 und G7/2021 entspricht, hat der Verfassungsgerichtshof auf die Durchführung eines Vorverfahrens verzichtet.
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Zur Zulässigkeit der Anträge
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die antragstellenden Gerichte haben in den bei ihnen anhängigen Verfahren §7 Abs1a zweiter Satz EpiG (nicht jedoch dessen dritten und vierten Satz) anzuwenden. Mangels untrennbaren Zusammenhangs des zweiten mit dem dritten und vierten Satz dieser Bestimmung mussten die letztgenannten Sätze auch nicht mitangefochten werden.
Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die jeweils auf die Aufhebung von §7 Abs1a zweiter Satz EpiG, der auf BGBl I 63/2016 zurückgeht und durch BGBl I 104/2020 nicht geändert worden ist, gerichteten Hauptanträge als zulässig, weshalb sich ein Eingehen auf die Eventualanträge erübrigt.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Zur Rechtslage:
2.2.1. Gemäß §7 Abs1 EpiG werden durch Verordnung jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können. Gemäß §4 der Verordnung des Ministers des Innern im Einvernehmen mit dem Minister für Kultus und Unterricht vom 22. Februar 1915, betreffend die Absonderung Kranker, Krankheitsverdächtiger und Ansteckungsverdächtiger und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen, RGBl 39/1915, idF BGBl II 21/2020 sind bei Infektion mit 2019‑nCoV ("2019 neuartiges Coronavirus") die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern. Für Ansteckungsverdächtige sieht §5 dieser Verordnung die Absonderung vor, wenn sie "fallweise" nach dem Gutachten des im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arztes erforderlich ist.
2.2.2. Gemäß §7 Abs1a EpiG kann die Bezirksverwaltungsbehörde (§43 Abs4 EpiG) zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach §7 Abs1 leg cit angeführten anzeigepflichtigen Krankheit kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen anhalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränken, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die in §7 Abs1a erster Satz EpiG vorgesehenen Eingriffe können mit Bescheid (Mandatsbescheid) oder – bei Gefahr im Verzug – durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt getroffen werden (vgl ErlRV 1187 BlgNR 25. GP , 16). Demnach kann eine (faktische) Anhaltung nach §7 Abs1a EpiG entweder als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (wenn kein Bescheid ergangen ist oder die in einem Bescheid vorgesehenen Maßnahmen überschritten werden) oder als schlichte Vollziehung eines zuvor ergangenen Bescheides (und damit diesfalls nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) zu qualifizieren sein (vgl VfSlg 19.970/2015).
2.2.3. Gemäß Art5 Abs4 EMRK hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht ehetunlich über die Rechtmäßigkeit der Haft entschieden und im Fall der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Gemäß Art6 Abs1 PersFrSchG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten wird, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Falle der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet. Gemäß Art6 Abs2 PersFrSchG ist im Fall einer Anhaltung von unbestimmter Dauer deren Notwendigkeit in angemessenen Abständen durch ein Gericht oder durch eine andere unabhängige Behörde zu überprüfen.
2.2.4. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund sieht §7 Abs1a zweiter bis vierter Satz EpiG ein zweifaches Rechtsschutzssystem vor, das einerseits auf Antrag (§7 Abs1a zweiter Satz EpiG) und anderseits von Amts wegen (§7 Abs1a dritter und vierter Satz EpiG) eröffnet wird:
2.2.4.1. Gemäß §7 Abs1a zweiter Satz EpiG kann die "angehaltene" Person bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der "Anhaltungsort" liegt, die "Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung" und zwar "nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes" beantragen.
2.2.4.2. Nach §7 Abs1a vierter Satz EpiG hat das Bezirksgericht von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der "Anhaltung" in "sinngemäßer" Anwendung des §17 Tuberkulosegesetz zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde. Zu diesem Zweck muss die die Anhaltung verfügende Bezirksverwaltungsbehörde jede "Anhaltung", die länger als zehn Tage aufrecht ist, dem Bezirksgericht anzeigen.
2.2.5. Während eine angehaltene Person die Überprüfung und Aufhebung einer Freiheitsbeschränkung (– nach den ErlRV 1187 BlgNR 25. GP , 16: "sinngemäß" –) "nach Maßgabe des 2. Abschnittes des Tuberkulosegesetzes" beantragen kann (§7 Abs1a zweiter Satz EpiG), erfolgt die amtswegige Überprüfung einer Anhaltung (§7 Abs1a vierter Satz EpiG) "in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes" (siehe zu beiden Varianten auch §50a EpiG).
2.2.5.1. Der 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes regelt unter dem Titel "Maßnahmen zur Vermeidung einer schweren Gesundheitsgefährdung anderer Personen" Freiheitsbeschränkungen tuberkulosekranker oder krankheitsverdächtiger Personen in verschiedengestaltiger Weise; im Wesentlichen gilt – im hier interessierenden Zusammenhang – Folgendes:
Unter näher benannten Voraussetzungen hat die Bezirksverwaltungsbehörde beim Bezirksgericht die Feststellung der Zulässigkeit der Anhaltung in einer geeigneten Krankenanstalt zu beantragen (§14 Abs1 Tuberkulosegesetz). Das Bezirksgericht hat dann die Anhaltung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im außerstreitigen Verfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – grundsätzlich auf unbestimmte Dauer – mit "Feststellungsbeschluss" (ErlRV 1187 BlgNR 25. GP , 7) für zulässig zu erklären (näher §15 Tuberkulosegesetz).
Wenn das Bezirksgericht die Anhaltung für zulässig erklärt, hat die Bezirksverwaltungsbehörde die anzuhaltende Person binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses in eine geeignete Krankenanstalt "einzuweisen", es sei denn, die anzuhaltende Person verhält sich nach Zustellung des Gerichtsbeschlusses pflichtgemäß (§14 Abs2 Tuberkulosegesetz). Die Gesetzesmaterialien (ErlRV 1187 BlgNR 25. GP , 7) deuten diese Einweisung als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Erfolgt binnen drei Monaten keine Einweisung, müsste – so die ErlRV 1187 BlgNR XXV. GP , 7 – gegebenenfalls erneut ein Beschluss des Bezirksgerichtes erwirkt werden. Die Bezirksverwaltungsbehörde muss das Bezirksgericht von der Durchführung der Einweisung verständigen (§16 Abs1 Tuberkulosegesetz). Weitergehende Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in der Krankenanstalt regelt §18 Tuberkulosegesetz. Unter den Voraussetzungen des §17 Abs1 Tuberkulosegesetz hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Anhaltung zu beenden.
Gemäß §17 Abs3 Tuberkulosegesetz hat das Bezirksgericht von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab dem Datum seines Feststellungsbeschlusses oder der letzten Überprüfung über das weitere Vorliegen der Anhaltungsvoraussetzungen zu entscheiden; sind die Voraussetzungen weggefallen, hat es die Unzulässigkeit der weiteren Anhaltung auszusprechen.
Gemäß §17 Abs4 Tuberkulosegesetz kann die angehaltene Person jederzeit bei Gericht beantragen, die Unzulässigkeit der Anhaltung auszusprechen. Über diesen Antrag ist binnen einer Woche zu entscheiden (§17 Abs5 leg cit).
§20 Tuberkulosegesetz ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörde bei Gefahr im Verzug zur "Soforteinweisung" in eine entsprechende Krankenanstalt, also ohne vorherige Befassung des Bezirksgerichts. Diesfalls hat die Bezirksverwaltungsbehörde (nachträglich) unverzüglich das Bezirksgericht zu befassen (§20 Abs2 Z1 Tuberkulosegesetz), welches innerhalb einer Woche ab der Einweisung über die Zulässigkeit der Anhaltung endgültig (§20 Abs2 Z2 leg cit) oder zumindest vorläufig (§20 Abs2 Z3 leg cit) zu entscheiden hat.
§19 Tuberkulosegesetz regelt Rechtsmittel gegen Beschlüsse des Bezirksgerichts. Gegen einen Beschluss, mit dem eine Anhaltung für unzulässig erklärt wird, kann die Bezirksverwaltungsbehörde innerhalb von sieben Tagen ab Zustellung Rekurs erheben, dem aufschiebende Wirkung nur bei Zuerkennung durch das Gericht zukommt (näher §19 Abs2 Tuberkulosegesetz). Im Fall einer "Soforteinweisung" (§20 Tuberkulosegesetz) verringert sich die Rekursfrist auf drei Tage (§20 Abs2 Z4 leg cit).
2.3. Die Anträge sind im Ergebnis begründet:
2.3.1. Die antragstellenden Gerichte bringen der Sache nach unter anderem vor, dass dem Verweis des §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes nicht hinreichend klar entnommen werden könne, worüber und nach welchen verfahrensrechtlichen Regeln die Bezirksgerichte nach dieser Bestimmung konkret zu entscheiden haben.
2.3.2. Die Bundesregierung hält dem entgegen, dass ein die Absonderung verfügender Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde nicht Gegenstand der Kontrolle durch die Bezirksgerichte sei und dass sich das Verfahren der Bezirksgerichte im Übrigen nach §17 Abs4 und 5 iVm §20 Abs2 Z3 und Z4 Tuberkulosegesetz richte.
2.3.3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet Art18 (iVm Art83 Abs2 B‑VG) den Gesetzgeber zu einer – strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden – präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl zB VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=3994&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=5698&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=9937&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=10311&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=13029&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=13816&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=16794&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=17086&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=18639&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , 19.970/2015). Dies bedingt auch eine klare Regelung hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrensrechts (VfSlg 19.970/2015), jedenfalls dann, wenn dieses die Zuständigkeit mitbestimmt.
2.3.3.1. §7 Abs1a zweiter Satz EpiG verweist (im Unterschied zu dessen viertem Satz) hinsichtlich der Überprüfung der Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung durch das Bezirksgericht auf die "Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes" insgesamt. Der 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes sieht aber nicht bloß ein anderes System zur Verfügung und Kontrolle von Freiheitsbeschränkungen, sondern in diesem System wiederum unterschiedliche Verfahrensarten vor. Der Verfassungsgerichtshof vermag angesichts des pauschalen Verweises in §7 Abs1a zweiter Satz EpiG auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes schon nicht mit der für die Festlegung von Behördenzuständigkeiten erforderlichen Deutlichkeit zu erkennen, worin der Prüfungsgegenstand des Bezirksgerichts – und damit dessen Zuständigkeitsumfang – genau liegen soll, insbesondere, ob sich die Prüfung des Bezirksgerichts auch auf einen allfälligen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde oder lediglich auf eine nachfolgende Anhaltung zu beziehen hat und gegebenenfalls in welchem Verhältnis die Kognitionsbefugnis des Bezirksgerichts zu einer allenfalls verbleibenden Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte steht.
2.3.3.2. Selbst wenn man mit der Bundesregierung den Verweis auf den 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes bloß als Verweis auf das Verfahren nach §17 Abs4 Tuberkulosegesetz und die daran anknüpfenden Regeln beziehen wollte (wobei unklar bliebe, warum dies – im Unterschied zu §7 Abs1a vierter Satz EpiG – durch einen Verweis auf den gesamten 2. Abschnitt des Tuberkulosegesetzes angeordnet werden sollte), wäre der genaue Prüfungsgegenstand nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar; weiters bliebe unklar, ob die Sondervorschriften des §20 Tuberkulosegesetz (wie die Bundesregierung meint) allgemein oder aber nur in Fällen von Freiheitsentziehungen in Form der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zur Anwendung kommen sollten.
2.3.4. Schon aus diesen Gründen widerspricht §7 Abs1a zweiter Satz EpiG dem Bestimmtheitsgebot des Art18 (iVm Art83 Abs2) B‑VG. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die weiteren Bedenken der antragstellenden Gerichte einzugehen.
V. Ergebnis
1. §7 Abs1a zweiter Satz EpiG idF BGBl I 63/2016 ist daher wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B‑VG als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B‑VG.
3. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B‑VG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen und die Anlassfallwirkung auch auf die beim Verfassungsgerichtshof zu KI13/2020, E2375/2020 anhängige Rechtssache auszudehnen (vgl zB VfSlg https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=11455&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Vfgh&Sammlungsnummer=19526&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True , 19.887/2014).
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B‑VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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