Normen
B-VG Art18 Abs1, Art83 Abs2
WaffenG 1996 §5, §44, §48
Kriegsmaterial-V, BGBl 624/1977 §1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2017:G46.2017
Spruch:
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit den vorliegenden, ausdrücklich bzw. der Sache nach auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §44 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Waffenpolizei, BGBl I 12/1997, idF BGBl I 120/2016 (Waffengesetz 1996 – WaffG), als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die §§5, 44 und 48 des Bundesgesetzes über die Waffenpolizei (Waffengesetz 1996 – WaffG), BGBl I 12/1997, idF BGBl I 120/2016, lauten wie folgt (die angefochtene Gesetzesbestimmung ist hervorgehoben):
"Kriegsmaterial
§5. (1) Kriegsmaterial sind die auf Grund des §2 des Bundesgesetzes über die Ein‑, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial, BGBl Nr 540/1977, durch Verordnung bestimmten Waffen, Munitions- und Ausrüstungsgegenstände.
(2) Abweichend von Abs1 sind nicht Kriegsmaterial im Sinne dieses Bundesgesetzes
1. Kartuschen verschossener Munition und
2. Läufe und Verschlüsse gemäß §1 ArtI Z1 litc der Verordnung betreffend Kriegsmaterial, die jeweils gemäß §42b deaktiviert worden sind.
[…]
Bestimmung von Schußwaffen
§44. Die Behörde stellt auf Antrag fest, welcher Kategorie eine bestimmte Schußwaffe zuzuordnen ist und gegebenenfalls ob nur bestimmte Regelungen dieses Bundesgesetzes (§45) auf sie anzuwenden sind. Im Falle von Schusswaffen, die Kriegsmaterial sind, trifft diese Feststellung der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport.
[…]
Zuständigkeit
§48. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion.
(2) Die örtliche Zuständigkeit richtet sich, sofern nicht anderes bestimmt ist, nach dem Hauptwohnsitz des Betroffenen, in Ermangelung eines Hauptwohnsitzes nach seinem Wohnsitz.
(3) Die örtliche Zuständigkeit für einschlägige Gewerbetreibende im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit richtet sich nach dem Sitz oder in Ermangelung eines solchen nach dem Standort."
2. §1 der Verordnung der Bundesregierung vom 22. November 1977 betreffend Kriegsmaterial BGBl 624/1977 (im Folgenden: Kriegsmaterial-VO) lautet in seiner in Geltung stehenden Stammfassung wie folgt:
"§1. Als Kriegsmaterial sind anzusehen:
I. Waffen, Munition und Geräte
1. a) Halbautomatische Karabiner und Gewehre, ausgenommen Jagd- und Sportgewehre; vollautomatische Gewehre, Maschinenpistolen, Maschinenkarabiner und Maschinengewehre.
b) Maschinenkanonen, Panzerbüchsen, Panzerabwehrrohre oder ähnliche Panzerabwehrwaffen.
c) Läufe, Verschlüsse und Lafetten für Kriegsmaterial der lita und b.
d) Gewehrpatronen mit Vollmantelspitz- oder Vollmantelhalbspitzgeschoß, Kaliber .308 (7,62 X 51 mm) und Kaliber .223; sonstige Gewehrpatronen mit Vollmantelgeschoß, ausgenommen Jagd- und Sportpatronen; Munition mit Leuchtspur-, Rauch-, Markierungs-, Hartkern-, Brand- und Treibspiegelgeschoß sowie Gewehrgranaten für Kriegsmaterial der lita, ausgenommen Knallpatronen; Munition für Kriegsmaterial der litb.
2. a) Raketen (gelenkt oder ungelenkt) und andere Flugkörper mit Waffenwirkung.
b) Startanlagen (Abschußrampen, Abschußrohre, elektrische und mechanische Abschußvorrichtungen) sowie Kontroll- und Lenkeinrichtungen für Kriegsmaterial der lita; Raketenwerfer.
c) Gefechtsköpfe, Zielsuchköpfe, Sprengköpfe, Zünder, Antriebsaggregate, Treibladungen und Treibsätze für Kriegsmaterial der lita.
3. a) Haubitzen, Mörser und Kanonen aller Art
b) Rohre, Verschlüsse und Lafetten für Kriegsmaterial der lita.
c) Munition, insbesondere Granatpatronen, Geschoßpatronen und Granaten, für Kriegsmaterial der lita.
d) Kartuschen (ausgenommen Knallkartuschen), Geschosse, Treibladungen und Treibsätze, Zünder und Zündladungen für Kriegsmaterial der litc.
4. a) Granat-, Minen-, Nebel- und Flammenwerfer; Granatgewehre.
b) Rohre, Verschlüsse, Bodenplatten, Zweibeine und Gestelle für Kriegsmaterial der lita.
c) Munition, insbesondere Wurfgranaten, Wurfminen, Nebelwurfkörper und Flammöl, für Kriegsmaterial der lita sowie Handgranaten.
d) Zünder, Treibladungen und Treibsätze für Kriegsmaterial der litc.
5. a) Minen, Bomben und Torpedos.
b) Zünder, Gefechtsköpfe, Zielsuchköpfe, Antriebsaggregate und Treibsätze für Kriegsmaterial der lita.
c) Minenverlegegeräte, einschließlich Vorrichtungen zum Verschießen oder Abwerfen von Minen und Minenräumgeräte; Torpedoabschußrohre und Verschlüsse für diese.
6. a) Pioniersprengmittel, wie Pioniersprengkörper, Pioniersprengbüchsen, Hohlladungen, Prismenladungen (Schneidladungen), Sprengrohre und Minenräumbänder, sofern sie ausschließlich für den Kampfeinsatz bestimmt sind.
b) Zünder für Kriegsmaterial der lita.
7. a) Radioaktive, biologische und chemische Kampfstoffe und -mittel.
b) Anlagen, Vorrichtungen und Geräte zur Verbreitung von Kriegsmaterial der lita.
8. Für den militärischen Gebrauch speziell entwickelte und gefertigte elektronische oder optronische Geräte zur Nachrichtenübermittlung, Zielerfassung, Zielbeleuchtung, Zielmarkierung, Zielverfolgung, Feuerleitung, Aufklärung, Beobachtung und Überwachung.
II. Kriegslandfahrzeuge
a) Kampfpanzer und sonstige militärische Kraftfahrzeuge, die durch Bewaffnung, Panzerung oder sonstige Vorrichtungen für den unmittelbaren Kampfeinsatz besonders gebaut und ausgerüstet sind.
b) Türme und Wannen für Kriegsmaterial der lita.
III. Kriegsluftfahrzeuge
a) Luft- und Raumfahrzeuge, die durch Bewaffnung, Ausrüstung oder sonstige Vorrichtungen für den unmittelbaren Kampfeinsatz besonders gebaut und ausgerüstet sind.
b) Zellen und Triebwerke für Kriegsmaterial der lita.
IV. Kriegswasserfahrzeuge
a) Oberwasserkriegsschiffe, Unterseeboote und sonstige Wasserfahrzeuge, die durch Bewaffnung, Panzerung oder sonstige Vorrichtungen für den unmittelbaren Kampfeinsatz besonders gebaut und ausgerüstet sind.
b) Rümpfe, Türme, Brücken und atomare Antriebsaggregate für Kriegsmaterial der lita.
V. Maschinen und Anlagen
Maschinen und Anlagen, die ausschließlich zur Erzeugung von Kriegsmaterial geeignet sind."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Den Anträgen liegen Verfahren zugrunde, in denen der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport jeweils mit Bescheid festgestellt hatte, dass bestimmte halbautomatische Schusswaffen als Kriegsmaterial anzusehen seien. Die Adressaten dieser Bescheide erhoben dagegen jeweils Beschwerde an das antragstellende Bundesverwaltungsgericht.
2. Die Bedenken, die das Bundesverwaltungsgericht zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, legt es – in allen Anträgen nahezu wortgleich – im Wesentlichen wie folgt dar (Zitat aus dem zu G46/2017 protokollierten Antrag, ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Verfassungswidrigkeit wegen Verstoß[es] gegen Art18 iVm Art83 Abs2 B‑VG:
Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bezieht sich das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ua. auch auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen Behörden des Bundes und der Länder und bindet insofern auch den Gesetzgeber, indem damit ein subjektives Recht auf Schaffung und Einhaltung präziser einfachgesetzlicher Zuständigkeitsregelungen gewährleistet wird.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes ist dieses Recht durch die mit der Waffengesetz-Novelle 2010 geschaffenen Zuständigkeitsverteilung[,] wonach die Feststellung einer Schusswaffe als Kriegsmaterial durch den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu erfolgen hat, verletzt.
Wie oben […] angeführt, ist eine halbautomatische Schusswaffe — sofern sie nicht Kriegsmaterial ist — grundsätzlich eine Waffe der Kategorie B. Nach der Kriegsmaterialverordnung sind halbautomatische Gewehre und Karabiner mit Ausnahme von Jagd- und Sportgewehren als Kriegsmaterial anzusehen. Dies bedeutet, dass ein halbautomatisches Gewehr entweder Kriegsmaterial und somit eine Schusswaffe der Kategorie A oder eine Schusswaffe der Kategorie B ist, je nachdem, ob es sich dabei nach Ansicht der für die waffenrechtlichen Bestimmung zuständigen Behörde um ein Jagd- oder Sportgewehr handelt. Nachdem jedoch für die Feststellung einer als Kriegsmaterial anzusehenden Schusswaffe eine andere Behörde zuständig ist als für die sonstige schusswaffenrechtliche Bestimmung, erfordert die Beurteilung, welche Behörde für die gemäß §44 WaffG einen entsprechenden Parteienantrag voraussetzende waffenrechtliche Bestimmung zuständig ist, eine durch den Antragsteller vorweggenommene waffenrechtliche Beurteilung. Anders ausgedrückt: die Zuständigkeit der jeweiligen Behörde ergibt sich erst durch die von ihr mit Bescheid vorzunehmende Kategorisierung der Schusswaffe.
Nachdem hinsichtlich der waffenrechtlichen Bestimmung nach §44 WaffG auch keine Einvernehmensherstellung zwischen den zuständigen Behörden, wie zB in §18 Abs1 WaffG obligatorisch vorgesehen, enthalten ist, wäre es nach der dargestellten Zuständigkeitsbestimmung möglich, dass dasselbe halbautomatische Gewehr bei Antragstellung sowohl bei der Bezirksverwaltungsbehörde als auch beim Bundesminister für Landesverteidigung und Sport einmal als Waffe der Kategorie B und einmal als Kriegsmaterial und somit Waffe der Kategorie A eingestuft wird, sofern die Behörden die Frage, ob es sich bei der Waffe um ein Jagd- oder Sportgewehr handelt, unterschiedlich beurteilen. Ebenso wäre es möglich, dass beide Behörde[n] unzuständig für eine Entscheidung nach §44 WaffG sind, da diese Regelung ihrem Wortlaut nach wohl nicht die Erlassung eines 'negativen' Feststellungsbescheides — also die Feststellung[,] zu welcher Waffenkategorie eine Waffe nicht gehört – zulässt. Vermeint nämlich die Bezirksverwaltungsbehörde, dass es sich bei einer halbautomatischen Waffe um Kriegsmaterial handelt, kommt ihr keine Berechtigung zu, dies festzustellen. Umgekehrt darf der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport nur die Kriegsmaterialeigenschaft einer Schusswaffe feststellen. Würde diese Behörde allerdings die Annahme vertreten, dass es sich bei einer halbautomatischen Waffe um ein Jagd- oder Sportgewehr handelt, wäre dieser Behörde mangels Zuständigkeit eine Einstufung als Kategorie B-Waffe verwehrt.
Der Umstand, dass die behördliche Zuständigkeitsabgrenzung zur Einstufung einer halbautomatischen Schusswaffe keineswegs klar und damit wie dargelegt problematisch geregelt ist, wird auch im Waffenrecht-Runderlass des Bundesministeriums für Inneres (GZBMI-VA 1900/0133-II/3/2015[)] deutlich. Dieser 'empfiehlt' zu §44 WaffG nämlich, dass die Behörde Anträge zur Einstufung einer halbautomatischen Schusswaffe zur Vermeidung unterschiedlicher Einstufung zuständigkeitshalber an das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport weiterleitet.
Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass der Gesetzgeber die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien, exakt, klar und eindeutig festlegen muss. Die Regelung hat präzise zu erfolgen und einem strengen Prüfungsmaßstab standzuhalten. Insbesondere darf die Zuständigkeit auch nicht von Umständen abhängen, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine willkürliche Änderung der Zuständigkeit ermöglichen.
Durch die mit der Waffengesetznovelle 2010 vorgenommene Änderung des §44 betreffend die Bestimmung von Schusswaffen, die im Übrigen in den Materialien nicht erläutert wurde (RV 744, BIgNR 755, XXIV GP), hat der Gesetzgeber die Zuständigkeit für eine bestimmte Art von Schusswaffen, nämlich halbautomatische Gewehre, genau so geregelt, dass es für die Antragsteller keineswegs klar ist, wer für die Einstufung einer derartigen Waffe zuständig ist bzw. bei unterschiedlicher Rechtsauffassung der Behörden entweder beide oder keine zuständig ist.
Nachdem bis zur angeführten Novellierung des Waffengesetzes 1996 nur die Waffenbehörde nach §48 WaffG für die Einstufung von Schusswaffen ausdrücklich für alle Kategorien von Waffen zuständig war, somit die behördliche Zuständigkeit eindeutig geregelt war, erschiene durch die Aufhebung des §44 zweiter Satz [WaffG] ('Im Falle von Schusswaffen, die Kriegsmaterial sind, trifft diese Feststellung der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport') ein verfassungskonformer Zustand (wieder)hergestellt."
3. Die Bundesregierung erstattete zu den zu G46/2017 und G47/2017 protokollierten Anträgen eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit dieser Anträge bestreitet, da unklar sei, "auf welchen Artikel des B‑VG die Anträge jeweils tatsächlich gestützt sein sollen", und den Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegentritt:
"Nach dem klaren Wortlaut des §44 erster Satz WaffG kommt die Zuständigkeit zur Feststellung, dass eine Schusswaffe der Kategorie B, C oder D oder als verbotene Schusswaffe der Kategorie A angehört, der Bezirksverwaltungsbehörde bzw. der Landespolizeidirektion zu; die Zuständigkeit zur Feststellung, dass eine Schusswaffe Kriegsmaterial ist, weist §44 zweiter Satz WaffG demgegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu.
Für den Regelungsadressaten ist damit eindeutig erkennbar, dass hinsichtlich von Schusswaffen, die Kriegsmaterial sind, der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zur Feststellung zuständig ist, hinsichtlich aller anderen Schusswaffen jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Landespolizeidirektion. Bei der zuständigen Behörde ist auch der Feststellungsantrag einzubringen (§13 Abs1 AVG).
[…] Wenn das Bundesverwaltungsgericht gegen die Bestimmung Bedenken aus dem Grund hegt, dass §44 WaffG eine durch den Antragsteller erfolgende vorweggenommene waffenrechtliche Beurteilung fordere, ist ihm zu entgegen, dass es der Rechtsordnung keineswegs fremd ist, sondern im Gegenteil den Regelfall darstellt, dass sie den Regelungsadressaten zunächst die Beurteilung darüber aufträgt, ob und wenn ja an welche Behörde er sich zu wenden hat. Wer etwa eine gewerbsmäßige Tätigkeit auszuüben beabsichtigt, muss zunächst selbst beurteilen, ob es sich dabei um ein Gewerbe iSd. GewO 1994 handelt – sodass die Anmeldung bei der Gewerbebehörde zu erfolgen hat – oder ob eine gewerbsmäßige Tätigkeit vorliegt, die vom Anwendungsbereich der GewO 1994 ausgenommen ist – und daher allenfalls nach einem anderen Bundes- oder Landesgesetz anmelde- oder bewilligungspflichtig ist, wofür allenfalls eine andere als die Gewerbebehörde zuständig ist. Wer ein Waffengewerbe ausüben will, muss zunächst selbst beurteilen, ob für die Erteilung der Gewerbeberechtigung die Bezirksverwaltungsbehörde (gemäß §333 Abs1 GewO 1994 für Waffengewerbe iSd. §139 Abs1 Z1 GewO 1994) oder der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (gemäß §148 GewO 1994 für Waffengewerbe iSd. §139 Abs1 Z2 GewO 1994) (mit-)zuständig ist.
Dass die Rechtsordnung bei Feststellungsbescheiden betreffend die Anwendbarkeit unterschiedlicher Regelungen bzw. die Zuordnung zu unterschiedlichen Rechtsbereichen in aller Regel die Zuständigkeit lediglich einer einzigen Behörde vorsieht, macht eine Regelung, die je nach der gesetzlichen Qualifikation die Zuständigkeit verschiedener Behörden vorsieht, noch nicht verfassungswidrig.
[…] Die Rechtsordnung trifft auch für den Fall Vorkehrung, dass der Antragsteller bei seiner Beurteilung irrt und seinen Antrag an die falsche Behörde richtet: Gemäß §6 AVG hat jede Behörde ihre (sachliche und örtliche) Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, hat sie diese an die zuständige Behörde weiterzuleiten oder den Antragsteller an die zuständige Behörde zu verweisen. Ist die (Un-) Zuständigkeit dagegen zweifelhaft oder beharrt der Antragsteller auf der Zuständigkeit der angerufenen Behörde, hat diese das Anbringen zurückzuweisen […].
Vor diesem Hintergrund gehen auch die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts ins Leere, dass sich bei Antragstellung sowohl bei der Bezirksverwaltungsbehörde als auch beim Bundesminister für Landesverteidigung und Sport beide Behörden als unzuständig erachten könnten, jedoch keine Behörde die Möglichkeit habe, dies festzustellen und daher eine Einstufung nicht erfolgen könnte: In einem solchen Fall könne der Antragsteller jeweils auf die Zuständigkeit der angerufenen Behörde beharren sowie den zurückweisenden Bescheid jeweils mit Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht bekämpfen und die Zuständigkeit solcherart einer Klärung zuführen, um im Anschluss von der zuständigen Behörde eine Entscheidung in der Sache zu erlangen.
Dass insoweit auch hinsichtlich des §44 WaffG keine Besonderheiten bestehen, belegen die beiden Anlassfälle, in denen die Anträge jeweils von einer Sicherheitsbehörde an das zuständige Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport weitergeleitet wurden.
[…] Soweit das Bundesverwaltungsgericht schließlich Bedenken dahingehend hegt, dass dieselbe Waffe bei Antragstellung sowohl bei der Bezirksverwaltungsbehörde als auch beim Bundesminister für Landesverteidigung und Sport jeweils unterschiedlich eingestuft werden könnte, übersieht es, dass auch eine solche Konstellation der Rechtsordnung keineswegs fremd ist. Der Antragsteller könnte einander widersprechende [Bescheide] wiederum jeweils mit Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht bekämpfen."
IV. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:
1. Zur Zulässigkeit der Anträge
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der bekämpften Bestimmung in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zweifeln ließe.
1.2. Der Zulässigkeit der zu G46/2017 und G47/2017 protokollierten Anträge steht – im Gegensatz zur Auffassung der Bundesregierung – auch nicht entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Antragsberechtigung eingangs fälschlicherweise nicht auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG, sondern auf Art139 Abs1 Z1 B‑VG stützt, da es sich hiebei um ein offenkundiges Versehen handelt (vgl. auch den der Geschäftszahl G242/2017 zugrunde liegenden Antrag).
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Die Bedenken des antragstellenden Bundesverwaltungsgerichtes richten sich gegen die in §44 WaffG getroffenen Regelungen.
§44 WaffG ordnet an, welche Behörde zuständig ist, auf Antrag festzustellen, welcher Kategorie eine bestimmte Schusswaffe zuzuordnen ist und gegebenenfalls ob nur bestimmte Regelungen des WaffG auf sie anzuwenden sind. Im Falle von Schusswaffen, die Kriegsmaterial sind, ist das gemäß §44 zweiter Satz WaffG der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport, in sonstigen Fällen gemäß §44 erster Satz WaffG die jeweilige Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Landespolizeidirektion (vgl. §48 WaffG).
Das Bundesverwaltungsgericht vertritt nun die Ansicht, dass §44 zweiter Satz WaffG gegen das durch Art83 Abs2 B‑VG gewährleistete Recht auf einen gesetzlichen Richter im Zusammenhang mit dem in Art18 B‑VG statuierten Bestimmtheitsgebot verstoße, da aus dieser Rechtsvorschrift die Behördenzuständigkeit für die Zuordnung bestimmter Schusswaffen zu einer Waffenkategorie nicht klar hervorgehe. Bei unterschiedlichen Rechtsauffassungen könnten sich beide in Betracht kommende Behörden jeweils für zuständig oder unzuständig erklären.
2.3. Das Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B‑VG verpflichtet den Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg 9937/1984, 10.311/1984, 13.029/1992, 13.816/1994, 16.794/2003, 17.086/2003, 18.639/2008) gerade in Bezug auf die Behörden- und Gerichtszuständigkeit zu einer präzisen, strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden Regelung. Eine Zuständigkeitsfestlegung muss klar und unmissverständlich sein (VfSlg 19.965/2015), und zwar derart, dass es keiner subtilen und komplizierten Auslegung (mehr) bedarf, um die vom Gesetzgeber gewollte Kompetenz der Behörden ermitteln zu können. Im Interesse der Rechtsschutz suchenden Bevölkerung sind Regelungstechniken, die besondere Unsicherheit in der Frage nach der zuständigen Behörde entstehen lassen, verfassungsgesetzlich verpönt (zB VfSlg 9937/1984, 12.883/1991, 18.639/2008).
2.4. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die in §44 WaffG getroffenen Regelungen:
2.4.1. Die Zuständigkeit entweder des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport oder der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Landespolizeidirektion richtet sich allein danach, ob es sich bei der zuzuordnenden Schusswaffe um Kriegsmaterial handelt oder nicht. Was als Kriegsmaterial anzusehen ist, wird – entsprechend den Vorgaben des Art18 B‑VG – durch §5 WaffG und der darauf beruhenden, diesbezüglich unbedenklichen Kriegsmaterial-VO, insbesondere deren §1, abschließend definiert. Überschneidungen der jeweiligen Zuständigkeitsbereiche sieht §44 WaffG nicht vor.
2.4.2. Soweit das antragstellende Bundesverwaltungsgericht bemängelt, dass durch §44 zweiter Satz WaffG im Vergleich zur alten Rechtslage neben der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Landespolizeidirektion nunmehr auch eine Zuständigkeit des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport vorgesehen ist und dies zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen ob der (Nicht‑)Zuständigkeit führen könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass für diese Fälle das Verfahren gemäß Art133 Abs1 Z3 B‑VG vorgesehen ist.
V. Ergebnis
1. Die vom Bundesverwaltungsgericht geäußerten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §44 zweiter Satz WaffG treffen nicht zu. Die Anträge sind daher abzuweisen.
2. Da der zu G242/2017 protokollierte Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes den zu G46/2017 und G47/2017 protokollierten Anträgen gleicht, hat der Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs3 Z4 VfGG davon abgesehen, ein weiteres Verfahren in dieser Rechtssache durchzuführen. Dies erfolgt im Hinblick darauf, dass die im Verfahren über den zu G242/2017 protokollierten Antrag aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Entscheidung über die sonstigen Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes bereits geklärt sind.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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