VfGH G173/2020 ua

VfGHG173/2020 ua27.11.2020

Keine Gleichheitswidrigkeit von Bestimmungen des EStG 1998 betreffend die unterschiedlichen Abzinsungssätze für Abfertigungs-, Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen mit einem Rechnungszinsfuß iHv 6% im Vergleich zum Zinssatz für langfristige Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten iHv 3,5%; höherer Rechnungszinsfuß für die dem Sozialkapital zuzurechnenden Jubiläumsgeldrückstellungen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
EStG 1988 §9 Abs1 Z3, §9 Abs5, §14 Abs6 Z6, §14 Abs12
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:G173.2020

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Anträge

1. Mit dem zu G173/2020 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht,

"1.

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003

• sowie §9 Abs5 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

2. in eventu,

• die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003;

3. in eventu,

• die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge 'oder Jubiläumsgelder' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003;

4. in eventu,

• die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge 'im Sinne des Abs1 Z3 und 4' in §9 Abs5 erster Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

5. in eventu,

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 dritter Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge 'im Sinne des Abs1 Z3 und 4' in §9 Abs5 erster Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

6. in eventu,

• die Wortfolge 'sowie Rückstellungen für Jubiläumsgelder' in §9 Abs2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z1 des Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr 28/1999

• sowie die Wortfolge ', wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003

• sowie §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z2 a und b des Abgabenänderungsgesetzes 1998, BGBl I Nr 28/1999

• sowie die Wortfolge 'oder bei Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums' in §14 Abs13 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z8 des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I Nr 106/1999"

als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Mit dem zu G174/2020 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt das Bundesfinanzgericht,

"1.

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003

• sowie §9 Abs5 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

2. in eventu,

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge ', des Abs6 Z6' in §14 Abs12 dritter Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lith des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• sowie die Wortfolge 'im Sinne des Abs1 Z3 und 4' in §9 Abs5 erster Satz des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z3 des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl I Nr 13/2014;

3. in eventu,

• §14 Abs6 Z6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art3 Z9 lita des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24/2007

• die Wortfolge 'sowie Rückstellungen für Jubiläumsgelder' in §9 Abs2 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z1 des Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl I Nr 28/1999

• sowie die Wortfolge ', wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen' in §9 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art39 Z6 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003

• sowie §14 Abs12 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z2 a und b des Abgabenänderungsgesetzes 1998, BGBl I Nr 28/1999

• sowie die Wortfolge 'oder bei Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums' in §14 Abs13 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988, BGBl Nr 400/1988) in der Fassung des Art1 Z8 des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I Nr 106/1999"

als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die in den Hauptanträgen angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. §9 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 – EStG 1988), BGBl 400, idF BGBl I 13/2014, Abs1 zuletzt geändert mit BGBl I 71/2003; Abs2 zuletzt geändert durch BGBl I 28/1999; Abs5 mit BGBl I 142/2000 eingefügt, zuletzt geändert mit BGBl I 13/2014:

"Rückstellungen

§9. (1) Rückstellungen können nur gebildet werden für

1. Anwartschaften auf Abfertigungen,

2. laufende Pensionen und Anwartschaften auf Pensionen,

3. sonstige ungewisse Verbindlichkeiten, wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen[,]

4. drohende Verluste aus schwebenden Geschäften.

(2) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z1 und 2 sowie Rückstellungen für Jubiläumsgelder sind nach §14 zu bilden.

(3) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z3 und 4 dürfen nicht pauschal gebildet werden. Die Bildung von Rückstellungen ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände nachgewiesen werden können, nach denen im jeweiligen Einzelfall mit dem Vorliegen oder dem Entstehen einer Verbindlichkeit (eines Verlustes) ernsthaft zu rechnen ist.

(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Firmenjubiläums dürfen nicht gebildet werden.

(5) Rückstellungen im Sinne des Abs1 Z3 und 4 sind mit dem Teilwert anzusetzen. Der Teilwert ist mit einem Zinssatz von 3,5% abzuzinsen, sofern die Laufzeit der Rückstellung am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate beträgt."

2. §14 EStG 1988 idF BGBl I 24/2007, Abs12 zuletzt geändert mit BGBl I 28/1999; Abs13 zuletzt geändert mit BGBl I 106/1999:

"Vorsorge für Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgelder

§14. (1) Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2001 enden, kann eine Abfertigungsrückstellung im Ausmaß bis zu 47,5%, für die folgenden Wirtschaftsjahre eine solche bis zu 45% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden. Fiktive Abfertigungsansprüche sind jene, die bei Auflösung des Dienst- bzw Anstellungsverhältnisses bezahlt werden müßten

1. an Arbeitnehmer als Abfertigung auf Grund

- gesetzlicher Anordnung oder

- eines Kollektivvertrages,

wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können,

2. an andere Personen auf Grund gesetzlicher Anordnung,

3. an Arbeitnehmer oder andere Personen auf Grund schriftlicher und rechtsverbindlicher Zusagen, wenn der Gesamtbetrag der zugesagten Abfertigung einer gesetzlichen oder dem Dienst- bzw Anstellungsverhältnis entsprechenden kollektivvertraglichen Abfertigung nachgebildet ist, wobei in beiden Fällen Beschäftigungszeiten (Vordienstzeiten) angerechnet werden können.

Die Abfertigungsrückstellung kann insoweit bis zu 60% der am Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche gebildet werden, als die Arbeitnehmer oder anderen Personen, an die die Abfertigungen bei Auflösung des Dienstverhältnisses bezahlt werden müßten, am Bilanzstichtag das 50. Lebensjahr vollendet haben.

(2) Die Rückstellung ist in der Bilanz gesondert auszuweisen.

(3) Bei erstmaliger Bildung der Rückstellung hat der Steuerpflichtige das prozentuelle Ausmaß der Rückstellung festzulegen. Dieses Ausmaß ist gleichmäßig auf fünf aufeinanderfolgende Wirtschaftsjahre verteilt zu erreichen. Eine Änderung des Ausmaßes ist unzulässig.

(4) Gehen im Falle des Unternehmerwechsels Abfertigungsverpflichtungen auf den Rechtsnachfolger über, so ist die Rückstellung beim Rechtsvorgänger insoweit nicht gewinnerhöhend aufzulösen, sondern vom Rechtsnachfolger weiterzuführen.

(5) Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß §4 Abs3 ermitteln, können für die am Schluss des Wirtschaftsjahres bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche einen Betrag steuerfrei belassen. Die Bestimmungen der Abs1, 3 und 4 sind anzuwenden. Die Begünstigung darf nur in Anspruch genommen werden, wenn die steuerfrei belassenen Beträge in einer laufend geführten Aufzeichnung ausgewiesen sind. Aus dieser Aufzeichnung muss die Berechnung der steuerfrei belassenen Beträge klar ersichtlich sein.

(6) Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß §4 Abs1 oder §5 ermitteln, können für schriftliche, rechtsverbindliche und unwiderrufliche Pensionszusagen und für direkte Leistungszusagen im Sinne des Betriebspensionsgesetzes in Rentenform Pensionsrückstellungen bilden. Für die Bildung gilt folgendes:

1. Die Pensionsrückstellung ist nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu bilden.

2. Die Pensionsrückstellung ist erstmals im Wirtschaftsjahr der Pensionszusage zu bilden, wobei Veränderungen der Pensionszusage wie neue Zusagen zu behandeln sind. Als neue Zusagen gelten auch Änderungen der Pensionsbemessungsgrundlage und Indexanpassungen von Pensionszusagen.

3. Der Rückstellung ist im jeweiligen Wirtschaftsjahr soviel zuzuführen, als bei Verteilung des Gesamtaufwandes auf die Zeit zwischen Pensionszusage und dem vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung der aktiven Arbeits- oder Werkleistung auf das einzelne Wirtschaftsjahr entfällt.

4. Soweit durch ordnungsmäßige Zuweisungen an die Pensionsrückstellung das zulässige Ausmaß der Rückstellung nicht erreicht wird, ist in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Pensionsfall eintritt, eine erhöhte Zuweisung vorzunehmen.

5. Die zugesagte Pension darf 80% des letzten laufenden Aktivbezugs nicht übersteigen. Auf diese Obergrenze sind zugesagte Leistungen aus Pensionskassen anzurechnen, soweit die Leistungen nicht vom Leistungsberechtigten getragen werden.

6. Der Bildung der Pensionsrückstellung ist ein Rechnungszinsfuß von 6 % zugrunde zu legen.

[…]

(8) Abs6 und Abs7 gilt auch für Rückstellungen, die für Zusagen von Kostenersätzen für Pensionsverpflichtungen eines Dritten gebildet werden.

(9) Wird eine Pension zugesagt, für die von einem früheren Arbeitgeber (Vertragspartner) des Leistungsberechtigten Vergütungen gewährt werden, ist bei der Bildung der Pensionsrückstellung von der Höhe dieser Vergütungen, höchstens jedoch von dem nach Abs6 ermittelten Ausmaß auszugehen.

(10) Abs6 Z5 und 6 gilt insoweit nicht, als dem Arbeitgeber die Aufgaben der gesetzlichen Pensionsversicherung übertragen sind.

(11) Abs7 sind auf Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts (§2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988) nicht anzuwenden.

(12) Für die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums gilt folgendes: Die Bildung einer Rückstellung ist nur bei kollektivvertraglicher Vereinbarung, bei Betriebsvereinbarung oder bei anderen schriftlichen, rechtsverbindlichen und unwiderruflichen Zusagen zulässig. Die Rückstellung ist unter sinngemäßer Anwendung des Abs6 Z1 bis 3, des Abs6 Z6 sowie der Abs8 und 9 zu bilden; eine Bildung nach den Regeln der Finanzmathematik ist zulässig.

(13) Werden bei Pensionsrückstellungen oder bei Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums die den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik entsprechenden biometrischen Rechnungsgrundlagen geändert, ist der dadurch bedingte Unterschiedsbetrag beginnend mit dem Wirtschaftsjahr der Änderung gleichmäßig auf drei Jahre zu verteilen. Der Unterschiedsbetrag errechnet sich aus der Differenz zwischen dem nach den bisherigen Rechnungsgrundlagen errechneten Rückstellungsbetrag und dem Rückstellungsbetrag auf der Grundlage der geänderten Rechnungsgrundlagen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Bundesfinanzgericht sind Beschwerden gegen Bescheide betreffend Einkünftefeststellung als Gruppenmitglied anhängig. Im Verfahren zu G173/2020 wurden in der Bilanz Rückstellungen für Jubiläumsgelder ausgewiesen, welche bei der Feststellung des Einkommens der beschwerdeführenden Partei berücksichtigt worden sind. Im zu G174/2020 protokollierten Verfahren wurden der Einkünftefeststellung ua auch die Änderung der Rückstellungen für Pensionen und Rückstellungen für Jubiläumsgelder zugrunde gelegt. Bei Behandlung dieser Beschwerden sind beim Bundesfinanzgericht Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit bestimmter Absätze bzw Wortfolgen der §§9 und 14 EStG 1988 entstanden.

2. Das antragstellende Gericht legt das Bedenken hinsichtlich der unterschiedlichen Abzinsungsfaktoren von 3,5% für die Bildung von langfristigen Rückstellungen nach §9 Abs5 EStG 1988 und 6% für die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen nach §14 Abs12 EStG 1988 bzw 6% für die Bildung von Pensionsrückstellungen nach §14 Abs6 Z6 EStG 1988 im Antrag zu G173/2020 wie folgt dar (der Antrag zu G174/2020 entspricht nahezu wörtlich jenem zu G173/2020 und bezieht die Bedenken auch auf den für Pensionsrückstellungen geltenden Rechnungszinsfuß):

"Das Einkommensteuergesetz 1988 sieht für langfristige Rückstellungen iSd §9 EStG 1988 einen Abzinsungsfaktor iHv 3,5 % und für schon dem Grunde nach ebenfalls langfristige Personalrückstellungen einen Abzinsungsfaktor iHv 6 % vor. Den der Beschwerde des Anlassfalles zugrundeliegenden Jubiläumsgeldrückstellungen ist die langfristige Bildung wesensimmanent.

§14 Abs12 EStG 1988 verweist zwar für die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen sinngemäß auf Regelungen zur Bildung von Pensionsrückstellungen, jedoch unterscheiden sie sich von diesen wesentlich. Jubiläumsgelder werden im Wege der Einmalzahlung als 'Treueprämie' an Arbeitnehmer gewährt, wohingegen Pensionszahlungen regelmäßig laufend nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ableben eines Arbeitnehmers zu leisten sind. In diesem Fall tritt der Vorsorgegedanke in den Vordergrund. Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen verfolgen daher sowohl unterschiedliche Zielsetzungen als auch Ausgestaltungen. So sieht das Gesetz sowohl unternehmensrechtlich (§211 UGB) als auch steuerrechtlich (§14 Abs12 EStG 1988) für Jubiläumsgeldrückstellungen eine vereinfachte finanzmathematische Ermittlung des Rückstellungsbetrages vor. Dagegen ist der Rückstellungsbetrag für Pensionen sowohl unternehmensrechtlich (§211 UGB) als auch steuerrechtlich (§14 Abs6 Z1 EStG 1988) zwingend nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu ermitteln. Unternehmensrechtlich ist die Bildung von Rückstellungen für Jubiläumsgelder in der Praxis im Wege des vereinfachten Verfahrens nach finanzmathematischen Grundsätzen vorzunehmen, "weil die Auswirkung biometrischer Faktoren im Gegensatz zur Auswirkung bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen gering ist" (vgl AFRAC-Stellungnahme 27 Personalrückstellungen [UGB] Erläuterungen zu Rz 66 und 83). Folglich unterscheiden sich Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen nicht nur hinsichtlich der Zielsetzung, sondern im Regelfall auch in der Ermittlung ihrer Bemessungsgrundlage.

[…]

Jubiläumsgeldrückstellungen nach §14 EStG 1988 werden nach dem Ansammlungsverfahren gebildet. Die Bildung von Ansammlungsrückstellungen wird jedoch entsprechend der obigen Ausführungen auch für langfristige Rückstellungen iSd §9 EStG 1988 als zulässig erachtet. Insoweit liegt keine Unterscheidung vor. Zwar regelt die Spezialnorm des §14 EStG 1988 ihrem Wesen nach langfristige Rückstellungen für Sozialkapital (Abfertigungen, Pensionen, Jubiläumsgeld), jedoch führen selbst die Gesetzesmaterialen zum Abgabenänderungsgesetz 2014 aus, dass langfristige Rückstellungen iSd §9 Abs5 EStG 1988 ebenfalls einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umfassen können (vgl ErläutRV 24 BlgNr 25. GP  3). Gerade um eine steuerliche Gleichbehandlung trotz der unterschiedlichen Rückstellungsdauer gewährleisten zu können, hat der Gesetzgeber mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 die Abzinsung langfristiger Rückstellungen eingeführt (vgl ErläutRV 24 BlgNr 25. GP  3). Eine Unterscheidung von langfristigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und jene für Jubiläumsgelder, kann somit dem Grunde nach nicht erkannt werden.

Unterschiede sieht das Gesetz hingegen hinsichtlich der Ermittlung des Rückstellungsbetrages vor. So sind Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten iSd §9 Abs1 Z3 EStG 1988 mit dem Teilwert anzusetzen; dieser entspricht dem unabgezinsten Erfüllungsbetrag (vgl Laudacher in Jakom EStG 2019, §9 Rz 20). Dieser Betrag ist folglich mit 3,5 % abzuzinsen. Dagegen sieht die Spezialnorm des §14 EStG 1988 die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen grundsätzlich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen vor. Allerdings erklärt das Gesetz die Bildung nach finanzmathematischen Grundsätzen ausdrücklich für zulässig (vgl §14 Abs12 EStG 1988); dh auch in diesem Fall ist der zum Jubiläumsstichtag zu zahlende (Erfüllungs-)Betrag lediglich abzuzinsen. Die Abzinsung erfolgt dabei mit dem Rechnungszinsfuß iHv 6 %.

Im Gegensatz zur Rechtslage in Deutschland (siehe Doralt, Pensionsrückstellungen und andere Rückstellungen: 6 % und 5,5 % Abzinsung verfassungswidrig?, FR 2018, 347) sieht das österreichische Einkommensteuergesetz ein Abweichen von 2,5-Prozentpunkten hinsichtlich der Behandlung von langfristigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten von jenen für Jubiläumsgelder vor. Da der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 09.12.1997, G403/97, bereits ausgesprochen hat, dass sich Jubiläumsgelder in nichts von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten unterscheiden, hegt das Bundesfinanzgericht Zweifel, ob eine derart beachtliche Unterscheidung hinsichtlich der Abzinsungssätze (3,5% und 6%) sachlich gerechtfertigt ist.

[…]

Da ein Zinssatz als Preis für die Möglichkeit der Nutzung von Kapital in der Zukunft naturgemäß schwierig zu bemessen ist, ist es durchaus im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips und der Verwaltungsökonomie gelegen, wenn dafür seitens des Gesetzgebers ein pauschaler Fixzinssatz bestimmt wird.

Der Gesetzgeber hat durch die §§9 und 14 EStG 1988 ein System hinsichtlich der Bildung, Bemessung und Bewertung von Rückstellungen geschaffen, welches vor allem durch die erstmalige gesetzliche Regelung von steuerrechtlichen Rückstellungen mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl Nr 818/1993, durch die mit Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I Nr 142/2000, vorgesehene Schaffung eines pauschalen Rückstellungsatzes mit 80% und die durch Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I Nr 13/2014, verpflichtende Abzinsung längerfristiger Rückstellungen mit 3,5% geprägt ist. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14.12.1978, G82/78 die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkungen des 2. Abgabenrechtsänderungsgesetz 1977, BGBl Nr 645/1977 durch Einführung eines Rechnungszinsfußes von 8% bestätigt, doch hat sich systematisch spätestens durch die Normierung einer Abzinsungsverpflichtung für langfristige Rückstellung gemäß §9 Abs5 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl I Nr 13/2014, Wesentliches verändert. In der gesetzgeberischen Ansicht ist es in Anbetracht der Gesetzesänderungen notwendig, im Falle der Langfristigkeit von Rückstellungen den Erfüllungsbetrag abzuzinsen.

Jubiläumsgeldrückstellungen sind versicherungsmathematisch bzw aufgrund von geringeren biometrischen Einflüssen vereinfacht finanzmathematisch zu bilden. Drohverlust- und Verbindlichkeitsrückstellungen sind mit dem Teilwert anzusetzen und werden auch über längere Zeiträume, die auch jenen von Jubiläumsgeldrückstellungen entsprechen können, gebildet. Hinsichtlich der Jubiläumsgeldrückstellungen hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 09.12.1997, G403/97, ausgesprochen, 'rechtsverbindlich zugesagte Jubiläumsgelder unterscheiden sich eben in nichts von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten …'.

Unterschiedliche Arten der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bzw folglich unterschiedliche Werte müssen sachlich gerechtfertigt sein. Das Bundesfinanzgericht sieht diese Rechtfertigung im Einfluss biometrischer Faktoren.

[…]

Da der Zins – bei längerfristigen Rückstellungen nach §9 Abs1 Z3 EStG 1988 wie auch bei Jubiläumsgeldrückstellungen – als Preis für die Zeit anzusehen ist, ist eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich der Abzinsung von Jubiläumsgeld- und langfristigen Rückstellungen nicht gerechtfertigt."

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den in den Anträgen erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"2.1. Zum Erkenntnis VfSlg 15.040/1997

Die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erkenntnis sah kein durchgängiges, in sich konsistentes Gesamtsystem für die Bildung von langfristigen Rückstellungen vor, weil einzig Jubiläumsgelder von der Rückstellungsbildung dem Grunde nach ausgeschlossen waren. Laut Verfassungsgerichtshof bestand '[…] kein sachlicher Grund für das ausschließliche Verbot der steuerwirksamen Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums im Vergleich mit der steuerlichen Behandlung von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten'. Ferner heißt es im besagten Erkenntnis: 'Gewährt der Gesetzgeber die Möglichkeit der Passivierung nach einem bestimmten – dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden – System, bedarf ein Abweichen von einem solchen System abermals einer sachlichen Rechtfertigung.'

Dem entgegengesetzt sieht die für das gegenständliche Verfahren relevante Rechtslage ein in sich durchgängig konsistentes Gesamtsystem vor, das auf einer 'flächendeckenden' Zulässigkeit der Rückstellungsbildung und einer 'flächendeckenden' Abzinsung für langfristige Rückstellungen gründet. Der Gesetzgeber bewegt sich damit innerhalb des von ihm geschaffenen einheitlichen Systems, auch wenn er bei der Ausgestaltung der Abzinsung langfristiger Rückstellungen im Detail Unterschiede vorsieht. Zu bedenken ist nämlich, dass sich die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs in VfSlg 15.040/1997 lediglich auf das Abweichen bei der Rückstellungsbildung dem Grunde nach beziehen und keinen Bezug zur Höhe des jeweiligen Abzinsungssatzes aufweisen.

2.2. Zum Erkenntnis VfSlg 8457/1978

Dass der Gesetzgeber unterschiedliche Abzinsungssätze für langfristige Rückstellungen vorsehen kann, lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung aus dem Erkenntnis VfSlg 8457/1978 zu Personalrückstellungen schließen.

[...]

Ganz offenbar konnte (selbst) die unterschiedliche Behandlung innerhalb der Personalrückstellungen, nämlich von Pensionsrückstellungen einerseits und Abfertigungsrückstellung andererseits (die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen war damals noch gänzlich ausgeschlossen), keine verfassungsrechtlichen Bedenken beim Verfassungsgerichtshof begründen. Wenn aber der Gesetzgeber von Verfassungs wegen offenbar nicht daran gehindert ist, innerhalb der Personalrückstellungen eine unterschiedliche Behandlung vorzusehen, müsste dies nach Ansicht der Bundesregierung im Größenschluss noch vielmehr im Verhältnis von Personalrückstellungen einerseits und sonstigen langfristigen Rückstellungen andererseits gelten.

[…]

Diese Auffassung lässt sich im Übrigen durch das Erkenntnis VfSlg 17.067/2003 stützen, in dem der Verfassungsgerichtshof die von langfristigen Rückstellungen abweichende Behandlung von Schwankungsrückstellungen gemäß §15 Abs3 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 für verfassungskonform erachtete. Damit gab der Verfassungsgerichtshof einmal mehr zu erkennen, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gerade nicht verpflichtet ist, sämtliche langfristige Rückstellungen im Hinblick auf deren Abzinsung gleich zu behandeln; vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, hinsichtlich des Abzinsungssatzes nach Art der Rückstellung zu differenzieren."

Zur sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Abzinsungssätze führt die Bundesregierung wie folgt aus (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"2.3.1. Unterschiedliche Laufzeiten bedingen unterschiedliche Abzinsungssätze

[…]

In einer Durchschnittsbetrachtung ist bei sonstigen Rückstellungen von einer Restlaufzeit von etwa 6 Jahren und bei Personalrückstellungen von etwa 15 Jahren auszugehen (so auch die angenommene Restlaufzeit von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen gemäß §253 Abs2 zweiter Satz des deutschen Handelsgesetzbuches). Die Laufzeit von Personalrückstellungen ist folglich etwa mehr als doppelt so lang wie jene von sonstigen Rückstellungen. Eine längere Restlaufzeit einer Rückstellung geht aber mit dem Ansatz eines höheren Abzinsungssatzes einher, weil der durchschnittliche Abzinsungssatz mit der Dauer der Restlaufzeit steigt. Zu bedenken ist, dass mit der Zulässigkeit der Bildung einer langfristigen Rückstellung für Steuerpflichtige ein Steuerstundungseffekt einhergeht, weil erst in Zukunft eintretende Zahlungsverpflichtungen steuerlich bereits gegenwärtig Berücksichtigung finden.

[…]

Auch die mit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 1977 vorgenommene Erhöhung der Abzinsung von Pensionsrückstellungen auf 8% begründete der Gesetzgeber in den Erläuterungen unter anderem mit den von Personalrückstellungen ausgehenden Steuerstundungseffekten: Die zeitlich vorgezogenen Aufwendungen würden den Steuerpflichtigen erst in ferner Zukunft belasten, aber bereits das laufende Steueraufkommen nicht unerheblich beeinträchtigen. Dazu hielt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 8457/1978, ausdrücklich fest, dass '[s]olcherart motivierte Regelungen (…) nicht unsachlich sind und (…) nicht zu sachlich unbegründeten Differenzierungen [führen].' Dies zeigt, dass das in Zusammenhang mit der höheren Abzinsung von Personalrückstellungen stehende Leitmotiv der Berücksichtigung der mit diesen Rückstellungen verbundenen hohen Steuerstundungseffekte und Zinsvorteile geeignet ist, gesonderte (höhere) Abzinsungssätze für diese Rückstellungen zu rechtfertigen.

2.3.2. Unterschiedliche Behandlung unterschiedlicher Kategorien langfristiger Rückstellungen

[…]

Dem Bundesfinanzgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass im Bereich der sonstigen langfristigen Rückstellungen vereinzelte Verpflichtungen auch längere, mit Personalrückstellungen vergleichbare Laufzeiten aufweisen können (vgl etwa die vom Bundesfinanzgericht angeführten 'Umweltrückstellungen', also insbesondere Rückstellungen für Rekultivierungs-, Abwrack- oder Altlastensanierungsmaßnahmen), dies stellt aber eher den Ausnahme- als den Regelfall dar. Weitaus öfters werden Garantie-, Prozesskosten oder Gewährleistungsrückstellungen gebildet, die im Vergleich zu Personalrückstellungen kurzläufig sind.

Da sohin in einer typisierenden Betrachtung die Laufzeit von sonstigen Rückstellungen vergleichsweise deutlich geringer ausfällt als im Fall von Personalrückstellungen, ist die unterschiedliche Abzinsung von sonstigen Rückstellungen einerseits und Personalrückstellungen andererseits sachlich gerechtfertigt.

2.3.3. Unterschiedliche Methodik der Rückstellungsbildung

Nach Ansicht der Bundesregierung begründen die bisherigen Ausführungen schon für sich genommen eine sachliche Rechtfertigung für unterschiedliche Abzinsungssätze. Weiters ist zu berücksichtigen, dass sich Personalrückstellungen durch die Methodik der Rückstellungsbildung, die auf versicherungsmathematischen Grundsätzen basiert, grundlegend von sonstigen langfristigen Rückstellungen unterscheiden. Dadurch wird einmal mehr deutlich, dass es sich bei Personalrückstellungen um eine besondere Kategorie von Rückstellungen handelt.

[...]"

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Das antragstellende Gericht begehrt die Aufhebung verschiedener Absätze und Wortfolgen in den §§9 und 14 EStG 1988. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesbestimmungen zweifeln ließe.

1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.3. Die Hauptanträge zu G173/2020 und zu G174/2020 erweisen sich als zulässig:

1.3.1. Mit den Hauptanträgen wendet sich das antragstellende Gericht jeweils gegen die Bestimmung des §14 Abs6 Z6 sowie die Wortfolge ", des Abs6 Z6" in §14 Abs12 EStG 1988 jeweils idF BGBl I 24/2007 und die Wortfolge ", wenn die Rückstellungen nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen" in §9 Abs1 Z3 EStG 1988 idF BGBl I 71/2003 sowie gegen §9 Abs5 EStG 1988 idF BGBl I 13/2014.

1.3.2. Das antragstellende Gericht geht in den Hauptanträgen zu G173/2020 und G174/2020 zunächst jeweils zutreffend davon aus, dass durch die Aufhebung der Z6 in §14 Abs6 EStG 1988 für die Bildung von Jubiläumsgeld- und Pensionsrückstellungen die Abzinsung mit einem Rechnungszinsfuß von 6% beseitigt würde. Durch die Aufhebung des §9 Abs5 EStG 1988 würde ferner bewirkt, dass die Bewertung von Jubiläumsgeldrückstellungen, Pensionsrückstellungen und anderen langfristigen Rückstellungen nach vergleichbaren Grundsätzen vorzunehmen wäre.

1.4. Die Hauptanträge erweisen sich somit als zulässig. Auf die Eventualanträge ist auf Grund der Zulässigkeit der Hauptanträge nicht mehr einzugehen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Soweit zulässig, sind die Anträge jedoch nicht begründet.

2.2.1. Die Bedenken des antragstellenden Gerichts richten sich gegen die Ungleichbehandlung, die darin bestehe, dass für Jubiläumsgeldrückstellungen gemäß §14 Abs12 iVm §14 Abs6 Z6 bzw für Pensionsrückstellungen gemäß §14 Abs6 Z6 EStG 1988 eine Abzinsung mit einem Rechnungszinsfuß iHv 6% vorgesehen ist, wohingegen ansonsten für langfristige Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten in §9 Abs5 EStG 1988 ein Zinssatz iHv 3,5% angeordnet ist.

2.2.2. Das antragstellende Gericht geht auf das Wesentliche zusammengefasst davon aus, dass durch die unterschiedlichen Abzinsungssätze der Gleichheitssatz des Art7 B‑VG verletzt werde. Auch wenn sich die den Beschwerden der Anlassfälle zugrunde liegenden Jubiläumsgeldrückstellungen von Pensionsrückstellungen wesentlich in der Zielsetzung und Ausgestaltung unterscheiden würden, sei ihnen die langfristige Bildung wesensimmanent. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis VfSlg 15.040/1997 ausgeführt, dass sich rechtsverbindlich zugesagte Jubiläumsgelder nicht von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten gemäß §9 Abs1 Z3 EStG 1988 unterscheiden. Dass die Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen nach dem Ansammlungsverfahren erfolge, könne die unterschiedlichen Abzinsungssätze für diese Rückstellungen und sonstige langfristige Rückstellungen nicht rechtfertigen, da sonstige langfristige Rückstellungen auch nach dem Ansammlungsverfahren gebildet werden und ebenfalls einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umfassen könnten. Der Gesetzgeber habe durch §9 und §14 EStG 1988 hinsichtlich Bildung, Bemessung und Bewertung ein System geschaffen, das durch die verpflichtende Abzinsung langfristiger Rückstellungen mit 3,5% geprägt sei. Die Abzinsung an sich sei verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Mit der Bildung der Rückstellung sei nämlich kein Geldabfluss verbunden, womit für den Betrieb die Möglichkeit bestehe, dieses Kapital unter Steuerstundung im Betrieb zu nutzen. Da der Zins als Preis für die Zeit anzusehen sei, sei eine unterschiedliche Behandlung von Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen auf der einen und sonstigen langfristigen Rückstellungen auf der anderen Seite betreffend den anzuwendenden Zinssatz unsachlich. Der Faktor Zeit sei durch einen für alle langfristigen Rückstellungen in der Höhe gleichen Zinssatz abzubilden.

2.2.3. Die Bundesregierung tritt in ihrer Äußerung diesen Bedenken entgegen. Die relevante Rechtslage sehe ein in sich durchgängiges konsistentes Gesamtsystem vor, das auf einer flächendeckenden Rückstellungsbildung und einer flächendeckenden Abzinsung langfristiger Rückstellungen gründe. Die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 15.040/1997 hätten sich lediglich auf ein Abweichen bei der Rückstellungsbildung dem Grunde nach bezogen. Auch habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 8457/1978 die Einschränkungen bei Pensionsrückstellungen durch das 2. Abgabenänderungsgesetz 1977, BGBl 645, nicht als verfassungswidrig erachtet. Zudem habe die unterschiedliche Behandlung von Abfertigungsrückstellungen in diesem Erkenntnis keine Bedenken begründet. Im Größenschluss müsste dies noch vielmehr im Verhältnis zwischen Personalrückstellungen und sonstigen langfristigen Rückstellungen gelten. Die Wahl unterschiedlicher Abzinsungssätze sei im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zulässig und bedürfe auch keiner sachlichen Begründung. Im Übrigen bestünden zwischen Personalrückstellungen und sonstigen langfristigen Rückstellungen Unterschiede im Tatsächlichen, die die Differenzierung sachlich rechtfertigen. In einer Durchschnittsbetrachtung sei die Laufzeit von Personalrückstellungen etwa mehr als doppelt so lang wie jene sonstiger Rückstellungen, was in Anbetracht der mit Personalrückstellungen einhergehenden erheblichen Steuerstundungseffekte einen höheren Abzinsungssatz für Personalrückstellungen rechtfertige. Auch bestünden Unterschiede in der Methodik der Rückstellungsbildung, da die Bildung von Personalrückstellungen auf versicherungsmathematischen Grundsätzen beruhe, während die Eintrittswahrscheinlichkeit bei sonstigen langfristigen Rückstellungen nach individuell zu beurteilendem Überwiegen erfolge.

2.2.4. Die Bedenken des antragstellenden Gerichts sind nicht begründet:

2.2.4.1. Dem antragstellenden Gericht ist einzuräumen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15.040/1997 ausgesprochen hat, dass Jubiläumsgelder, die auf einer rechtsverbindlichen Zusage beruhen, sich in nichts von sonstigen ungewissen Verbindlichkeiten gemäß §9 Abs1 Z3 EStG 1988 unterscheiden. Diese Feststellung traf der Verfassungsgerichtshof mit Blick auf die mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl 818, geschaffene Bestimmung des §9 EStG 1988, mit der der Gesetzgeber die Bildung steuerlich anzuerkennender Rückstellungen – unter ausdrücklichem Ausschluss von Rückstellungen für Dienstjubiläumsgelder in Abs4 – abschließend geregelt hat und das Ziel verfolgte, neben Aufkommenseffekten durch Einschränkungen der Rückstellungsbildung eine Objektivierung des steuerlich maßgeblichen Rückstellungsbegriffes herbeizuführen (RV 1237 BlgNR 18. GP , 50).

Begründend hielt der Verfassungsgerichtshof mit Hinweis auf sein Erkenntnis VfSlg 8457/1978 fest, dass es dem Gesetzgeber zwar freistehe, für ungewisse Verbindlichkeiten eine Passivierungspflicht oder ein Passivierungsrecht vorzusehen oder (teilweise) zu beseitigen. Gewährt der Gesetzgeber die Möglichkeit der Passivierung nach einem bestimmten System, bedarf ein Abweichen von einem solchen System abermals einer sachlichen Rechtfertigung. Eine solche konnte der Verfassungsgerichtshof für den Ausschluss von Jubiläumsgeldrückstellungen aber nicht finden, zumal durch die Regelung des §9 EStG 1988 steuerlich anerkannte Rückstellungen auf verbindlichkeitsnahe Passivposten beschränkt werden sollten und sich Rückstellungen für Jubiläumsgelder in Bezug auf ihre Verbindlichkeitsnähe nicht von Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten unterscheiden.

2.2.4.2. Die Aussagen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 15.040/1997 bezogen sich somit auf die Verbindlichkeitsnähe von Jubiläumsgeldrückstellungen, ohne weiter auf die Frage der Bewertung solcher Rückstellungen einzugehen. Aus diesen Aussagen lässt sich daher für die Frage, ob es der Gleichheitssatz gebietet, dass die Abzinsungssätze für Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen jenen für sonstige ungewisse Rückstellungen zu entsprechen hätten, nichts gewinnen.

2.2.4.3. Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts kann dem Gleichheitssatz nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber für die Abzinsung von Pensions- bzw Jubiläumsgeldrückstellungen einen Zinssatz vorzusehen hätte, der jenem für die Abzinsung sonstiger langfristiger Rückstellungen vergleichbar wäre:

Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.2.4.4. Mit BGBl I 28/1999 – also zu einem Zeitpunkt, in dem die erst mit BGBl I 142/2000 geschaffene Regelung des §9 Abs5 EStG 1988 zur Bewertung von Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten noch nicht in Geltung stand – hat der Gesetzgeber in Abs2 des §9 EStG 1988 vorgesehen, dass Rückstellungen für Jubiläumsgelder nach §14 EStG 1988 zu bilden sind, und in §14 Abs12 EStG 1988 geregelt, dass die Bildung unter sinngemäßer Anwendung einzelner für Pensionsrückstellungen geltender Ermittlungs- und Bewertungsvorschriften zulässig ist. Abs12 leg cit sieht hiebei ua die Anwendung des für Pensionsrückstellungen in §14 Abs6 Z6 EStG 1988 vorgesehenen Rechnungszinsfußes von 6% vor.

Die mit BGBl I 142/2000 iHv 20% vorgesehene pauschale Abwertung von Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten und in weiterer Folge die mit BGBl I 13/2014 angeordnete Abzinsung mit 3,5% hat der Gesetzgeber gemäß §9 Abs5 EStG 1988 für Rückstellungen iSd Abs1 Z3 angeordnet, und somit nicht für solche Rückstellungen für Abfertigungen, Pensionen und Jubiläumsgelder, die gemäß Abs2 leg cit nach §14 EStG 1988 zu bilden sind.

2.2.4.5. Eine solche Differenzierung verletzt den Gleichheitssatz schon deshalb nicht, weil es dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes freisteht, die Steuer- und Zinseffekte für sachverhaltsmäßig unterschiedliche Gruppen von langfristigen Rückstellungen je nach Einschätzung der Erheblichkeit der Beeinträchtigung von Rückstellungsbildungen für das laufende Steueraufkommen unterschiedlich zu behandeln:

Das Abzinsungsgebot für langfristige Rückstellungen bringt zum Ausdruck, dass – unabhängig davon, ob einer Verpflichtung eine Ungewissheit anhaftet – eine später zu erfüllende Verpflichtung weniger belastend ist als eine zu einem früheren Zeitpunkt zu erfüllende Verpflichtung. Durch die Abzinsung wird die Abzugsfähigkeit des betreffenden Aufwandes nicht verhindert, sondern – sofern die späteren Ausgaben mit dem geschätzten Rückstellungsbetrag übereinstimmen – lediglich in das Jahr der Ausgabe verschoben (VfSlg 17.067/2003).

In diesem Zusammenhang übersieht das antragstellende Gericht, dass der Abzinsungssatz im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung nicht nur die Zinseffekte bei der Bewertung zukünftiger Ausgaben berücksichtigt, sondern auch die aus der Rückstellungsbildung resultierende Beeinträchtigung für das laufende Steueraufkommen.

Demgemäß hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 8457/1978 ausgesprochen, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung für künftige Pensionsverpflichtungen ungeachtet einer unternehmensrechtlichen Passivierungspflicht freisteht, derartige künftige Verpflichtungen nicht oder nur teilweise als Betriebsausgaben anzuerkennen und eine Art Mischsystem vorzusehen, in dem ein Teil der Aufwendungen nicht im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verursachung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt steuerlich anerkannt wird. Dabei erkannte der Verfassungsgerichtshof eine Regelung als sachgerecht, die – durch Anordnung eines Abzinsungssatzes von 8% und einer Begrenzung mit 80% der Pensionszusage – darauf abzielte, die Abzugsfähigkeit zeitlich vorgezogener Aufwendungen, die das jeweilige Unternehmen erst nach Jahrzehnten tatsächlich belasten, auf Grund der nicht unerheblichen Beeinträchtigung des laufenden Steueraufkommens einzuschränken und auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Dem Gesetzgeber kann daher aber nicht entgegengetreten werden, wenn er vor dem Hintergrund eines in Geltung stehenden – mit Blick auf VfSlg 8457/1978 nicht unsachlich erscheinenden – Abzinsungssatzes für Sozialkapital iHv 6% mit BGBl I 28/1999 für Jubiläumsgeldrückstellungen denselben Rechnungszinsfuß vorgesehen hat und damit zum Ausdruck bringt, dass er die Zins- und Steuereffekte der langfristigen, ebenfalls dem Sozialkapital zuzurechnenden Jubiläumsgeldrückstellungen vergleichbar zu jenen von Pensionsrückstellungen einschätzt. Die unterschiedlichen Zielsetzungen dieser Rückstellungen stehen einer solchen Gleichsetzung nicht entgegen, geht es doch bei der Bildung von Pensionsrückstellungen wie auch von Jubiläumsgeldrückstellungen darum, jenen Aufwand zu ermitteln, der insoweit durch die vor Bilanzstichtag liegenden Zeiträume wirtschaftlich verursacht ist, als sie auf den von Arbeitnehmern bis zu diesem Stichtag erbrachten Leistungen beruhen (vgl VfSlg 15.040/1997).

Wenn der Gesetzgeber in weiterer Folge für langfristige Rückstellungen außerhalb des Sozialkapitals zunächst mit BGBl I 142/2000 einen pauschalen Abschlag von 20% und mit BGBl I 13/2014 anstelle des Abschlags eine Abzinsung von 3,5% vorsieht, ergibt sich entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts für den Gesetzgeber keine Verpflichtung, den für Sozialkapital vorgesehenen Rechnungszinsfuß auf 3,5% zu reduzieren. Die Differenz bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes den Effekt von Sozialkapitalrückstellungen auf das laufende Steueraufkommen offensichtlich höher einschätzt als jenen von sonstigen langfristigen Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Der Gesetzgeber schließt hiebei den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag nicht von der steuerlichen Wirksamkeit aus, sondern verschiebt die Abzugsfähigkeit insoweit lediglich auf einen späteren Zeitpunkt. Es ist für den Verfassungsgerichtshof daher nicht zu erkennen, dass eine solche unterschiedliche Behandlung unsachlich wäre.

V. Ergebnis

1. Die Anträge sind abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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