VfGH V411/2020

VfGHV411/202014.7.2020

Keine Bedenken gegen §1 COVID-19-MaßnahmenG im Hinblick auf Art18 Abs2 B VG; hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für die Festlegung von Betretungsverboten für Betriebsstätten zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19; Feststellung der maßgebenden Umstände durch den zuständigen BM bei Erlassung des Betretungsverbots; Gesetzwidrigkeit des §2 Abs4 COVID-19-Maßnahmenverordnung betreffend das Betretungsverbot für bestimmte Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen, deren Kundenbereich 400 m2 übersteigt; Entscheidung des zuständigen BM aus Verordnungsakt nicht nachvollziehbar; Ungleichbehandlung von Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren 400 m² übersteigt, und insbesondere Bau- und Gartenmärkten sachlich nicht gerechtfertigt; Zulässigkeit des Individualantrags trotz Außerkrafttretens der angefochtenen Bestimmung im Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art139 Abs4
COVID-19-MaßnahmenG §1
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 idF BGBl II 151/2020 §2
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:V411.2020

 

Spruch:

I. 1. Die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in §2 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II Nr 96/2020, idF BGBl II Nr 151/2020 waren gesetzwidrig.

2. Die als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen sind nicht mehr anzuwenden.

3. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

4. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, der antragstellenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehrt die antragstellende Partei, die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie die Sätze "Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." in §2 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 als gesetzwidrig aufzuheben. Weiters stellt die antragstellende Partei zwei Eventualanträge.

II. Rechtslage

Die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (im Folgenden: COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96), BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 lautete (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.

§2. (1) §1 gilt nicht für folgende Bereiche:

1. öffentliche Apotheken

2. Lebensmittelhandel (einschließlich Verkaufsstellen von Lebensmittelproduzenten) und bäuerlichen Direktvermarktern

3.. Drogerien und Drogeriemärkte

4. Verkauf von Medizinprodukten und Sanitärartikeln, Heilbehelfen und Hilfsmitteln

5. Gesundheits- und Pflegedienstleistungen

6. Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen die von den Ländern im Rahmen der Behindertenhilfe–, Sozialhilfe–, Teilhabe– bzw Chancengleichheitsgesetze erbracht werden

7. veterinärmedizinische Dienstleistungen

8. Verkauf von Tierfutter

9. Verkauf und Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten

10. Notfall-Dienstleistungen

11. Agrarhandel einschließlich Schlachttierversteigerungen sowie der Gartenbaubetrieb und der Landesproduktenhandel mit Saatgut, Futter und Düngemittel

12. Tankstellen und angeschlossene Waschstraßen

13. Banken

14. Postdiensteanbieter einschließlich deren Postpartner, soweit diese Postpartner unter die Ausnahmen des §2 fallen sowie Postgeschäftsstellen iSd §3 Z7 PMG, welche von einer Gemeinde betrieben werden oder in Gemeinden liegen, in denen die Versorgung durch keine andere unter §2 fallende Postgeschäftsstelle erfolgen kann, jedoch ausschließlich für die Erbringung von Postdienstleistungen und die unter §2 erlaubten Tätigkeiten, und Telekommunikation.

15. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege

16. Lieferdienste

17. Öffentlicher Verkehr

18. Tabakfachgeschäfte und Zeitungskioske

19. Hygiene und Reinigungsdienstleistungen

20. Abfallentsorgungsbetriebe

21. KFZ- und Fahrradwerkstätten

22. Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte

23. Pfandleihanstalten und Handel mit Edelmetallen.

(2) Die Ausnahmen nach Abs1 Z3, 4, 8, 9, 11, 22 und 23 sowie Abs4 gelten an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(3) Die Ausnahmen nach Abs1 Z2 gilt an Werktagen von 07.40 Uhr bis längstens 19.00 Uhr, sofern es sich nicht um eine Verkaufsstelle von Lebensmittelproduzenten handelt. Restriktivere Öffnungszeitenregeln aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(4) §1 gilt unbeschadet Abs1 nicht für den Kundenbereich von sonstigen Betriebsstätten des Handels, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind Betriebstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (z. B. Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird. Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.

(5) Abs1 gilt nur, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden:

1. Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie Kunden eine den Mund- und Nasenbereich gut abdeckende mechanische Schutzvorrichtung als Barriere gegen Tröpfcheninfektion tragen; dies gilt nicht für Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr.

2. ein Abstand von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen eingehalten wird.

(6) Abs4 gilt nur, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Abs5 der Betreiber durch geeignete Maßnahmen sicherstellt, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 20 m², so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten.

(7) In den Bereichen nach Abs1 Z5 und 6 gelten

1. abweichend von Abs5 Z1 die einschlägigen berufs- und einrichtungsspezifischen Vorgaben und Empfehlungen, und

2. Abs5 Z2 und 3 nicht.

§3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) Abs1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe, welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1. Kranken-und Kuranstalten;

2. Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3. Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4. Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

(4) Abs1 gilt nicht für Campingplätze und öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw öffentlicher Verkehrsmitteln verabreicht und ausgeschenkt werden.

(5) Abs1 gilt nicht für Lieferservice.

(6) Die Abholung vorbestellter Speisen ist zulässig, sofern diese nicht vor Ort konsumiert werden und sichergestellt ist, dass gegenüber anderen Personen dabei ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten wird.

§4. (1) Das Betreten von Beherbergungsbetrieben zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung ist untersagt.

(2) Beherbergungsbetriebe sind Unterkunftsstätten, die unter der Leitung oder Aufsicht des Unterkunftgebers oder eines von diesem Beauftragten stehen und zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Unterbringung von Gästen zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmt sind. Beaufsichtigte Camping- oder Wohnwagenplätze sowie Schutzhütten gelten als Beherbergungsbetriebe.

(3) Abs1 gilt nicht für Beherbergungen

1. von Personen, die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits in Beherbergung befinden, für die im Vorfeld mit dem Beherbergungsbetrieb vereinbarte Dauer der Beherbergung,

2. zum Zweck der Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen,

3. aus beruflichen Gründen oder

4. zur Stillung eines dringenden Wohnbedürfnisses.

§5. (1) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.

(2) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 112/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(3) §4 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 130/2020 tritt mit Ablauf des 3. April 2020 in Kraft. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bestehende Verordnungen eines Landeshauptmannes oder einer Bezirksverwaltungsbehörde über Betretungsverbote von Beherbergungsbetrieben bleiben unberührt.

(4) Die §§1 bis 3 treten mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.

(5) §4 tritt mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft.

(6) Die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 treten mit Ablauf des 13. April 2020 in Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellende Partei führt in ihrem Antrag vom 29. April 2020 im Wesentlichen Folgendes aus:

1.1. Die antragstellende Partei betreibe ihren Handelsgeschäftszweig – Handel mit Waren aller Art, insbesondere Schuhhandel – an 49 Standorten in Österreich und sei seit dem 16. März 2020 von dem behördlich verordneten Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels gemäß §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 aktuell und unmittelbar betroffen.

Die in §2 Abs1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 aufgelisteten Ausnahmen träfen auf die antragstellende Partei nicht zu. Auch nach der Bestimmung des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 könne die antragstellende Partei sämtliche Betriebsstätten nicht betreiben. Ihre Filialen seien auf Grund ihres Geschäftszweiges zwar als "sonstige Betriebsstätten des Handels" im Sinne des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 zu qualifizieren und würden daher grundsätzlich unter diese Ausnahmebestimmung fallen. Da aber sämtliche Betriebsstätten – an sich oder, weil sie in Einkaufszentren gelegen sind, durch die Zusammenrechnungsregel des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 – einen Kundenbereich von über 400 m2 aufwiesen und eine Reduktion auf eine Verkaufsfläche unter 400 m2, die an vielen Standorten faktisch möglich wäre, ohne hiedurch behördliche Auflagen zu unterlaufen, nach dieser Bestimmung bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereiches, wenn sie nach dem 7. April 2020 vorgenommen würde, außer Betracht zu bleiben habe, könne die antragstellende Partei gemäß §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 sämtliche Betriebsstätten derzeit nicht betreiben.

Durch die in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 normierte Verkaufsflächenbeschränkung auf 400 m2 und die Unbeachtlichkeit von Reduktionen der Kundenbereiche auf eine zulässige Größe (also unter 400 m2) nach dem 7. April 2020 werde die unternehmerische Handlungsfreiheit der antragstellenden Partei massiv eingeschränkt und somit nachteilig, aktuell und unmittelbar in ihre subjektive Rechtssphäre eingegriffen. Ohne diese Bestimmung wäre es der antragstellenden Partei rechtlich und faktisch möglich, ihre betroffenen Standorte zu öffnen und wie gewohnt zu betreiben. Konkret werde durch die bekämpften Bestimmungen in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung, Unversehrtheit des Eigentums und insbesondere Gleichheit vor dem Gesetz eingegriffen. Zudem stehe die angefochtene Regelung in Widerspruch zu ihrer gesetzlichen Grundlage bzw sei bei der Verordnungserlassung dem zugrunde liegenden (COVID‑19-Maßnahmen‑)Gesetz ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt worden.

Ein zumutbarer anderer Weg, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bestehe nicht. Die antragstellende Partei könnte allenfalls durch Wiederöffnung ihrer Betriebsstätten ein Verwaltungsstrafverfahren provozieren – mit Strafen in Höhe von bis zu € 30.000,– pro Verstoß (für jede einzelne Betretung in jeder einzelnen Filiale) –, was aber nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes keinen zumutbaren Weg, die Rechtswidrigkeit an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, darstelle. Der Antrag der antragstellenden Partei sei daher zulässig.

1.2. Die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 verstießen in ihren Wirkungen gegen das aus Art7 Abs1 B‑VG abgeleitete Sachlichkeitsgebot und entfalteten damit aus nachstehenden Gründen gleichheitswidrige Rechtswirkungen für die antragstellende Partei.

Zum einen sei die Kundenbereichsbeschränkung auf eine Verkaufsfläche von maximal 400 m2 unverhältnismäßig. Schon aus dem Titel der in Rede stehenden Verordnung lasse sich entnehmen, dass die damit verordneten Maßnahmen die weitere Verbreitung von COVID‑19 verhindern sollten. Gemäß §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz könne der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz beim Auftreten von COVID‑19 durch Verordnung ua das Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren untersagen, "soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich" sei. Sinn und Zweck dieser Vorschrift (COVID‑19-Maßnahmengesetz) sei die Schaffung organisatorischer und rechtlicher Vorkehrungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos.

Die mit §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 eingeführte Beschränkung der Ausnahme von der Öffnungsmöglichkeit von Betriebsstätten mit einem Kundenbereich von mehr als 400 m2 sei jedoch unsachlich, überschießend, unverhältnismäßig und im Ergebnis auch nicht erforderlich, den Zweck des Infektionsschutzes bzw der Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 zu erfüllen. Diesbezüglich seien nämlich bereits mit §2 Abs5 und 6 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 ausreichende Schutzvorkehrungen zur Hintanhaltung des Infektionsrisikos bzw der Verbreitung von COVID‑19 normiert (Mund- und Nasenschutzvorrichtung für Kunden und Mitarbeiter mit Kundenkontakt; Einhaltung eines Abstands von mindestens einem Meter gegenüber anderen Personen sowie zusätzlich die Sicherstellung, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen).

Insbesondere im Hinblick auf die "20 m2-Regelung" gemäß §2 Abs6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 sei nicht ersichtlich, weshalb die geltenden Vorgaben für geöffnete Betriebsstätten hinsichtlich des Kundenverkehrs nicht auch in großflächigen (also mit einem Kundenbereich über 400 m2) Betriebsstätten umsetzbar seien. Dazu komme, dass es bei Einhaltung der in §2 Abs6 normierten Schutzvorkehrungen gar keiner Verkaufsflächenreduzierung mehr bedürfe, um dem Normzweck – die Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 – zu entsprechen. Es mache bei Einhaltung dieser Schutzvorkehrungen diesbezüglich schlicht keinen Unterschied, ob Betriebsstätten einen Kundenbereich von unter oder über 400 m2 Fläche aufwiesen, solange sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen. Das geordnete Betreten und Verlassen der Geschäftsflächen wäre jedenfalls auch bei Kundenbereichen von mehr als 400 m2 Fläche organisatorisch zu gewährleisten, zumal pro 20 m2 Verkaufsfläche ohnedies nur ein weiterer Kunde zugelassen wäre. Vielmehr sei sogar davon auszugehen, dass die Umsetzung der in §2 Abs5 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 normierten Schutzvorkehrungen und physischen Distanzierung mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar noch einfacher und besser als in kleinen Betrieben realisierbar sei. So böten größere Betriebsstätten auf Grund ihres großzügigeren Raumangebotes von vornherein mehr Flexibilität bei der Geschäftsraumeinrichtung und mehr Ausweichmöglichkeiten für Kunden und Mitarbeiter. Weiters seien die Zugänge breiter und durchwegs mit automatischen Türen ausgestattet. Darüber hinaus seien in kleineren Betriebsstätten die Räume meist niedriger und wiesen dementsprechend weniger Luftvolumen und einen schlechteren Luftaustausch auf. Dazu komme, dass der Verordnungsgeber auch noch andere, weitaus weniger eingriffsintensive regulierende Einschränkungen (zB zeitliche Begrenzung der Öffnungszeiten) vornehmen hätte können, um die bestehende Ansteckungsgefahr entsprechend einzudämmen. Die angefochtene Verordnung gestatte es nicht einmal, vorbestellte Ware auszugeben. Es bestünden daher gelindere Mittel, um der Infektionsgefahr verlässlich und in gleicher Weise zu begegnen. Einer zusätzlichen Verkaufsflächenbeschränkung bedürfe es offenkundig nicht. Für die antragstellende Partei wäre es jedenfalls faktisch problemlos möglich, ihre Betriebsstätten unter Einhaltung der in §2 Abs5 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 normierten Schutzvorkehrungen, aber auch sämtlicher sonst bestehender öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen im Zusammenhang mit Fluchtwegen, Brandschutz und Sicherheit zu betreiben.

Jedenfalls sei eine Differenzierung nach der Verkaufsfläche nicht besser geeignet, den verfolgten Normzweck zu erreichen. Der Verordnungsgeber gehe offenbar davon aus, dass von großflächigen Betriebsstätten über 400 m2 ein höheres Infektionsrisiko für potentielle Kunden auf Grund einer möglicherweise vermuteten höheren Anziehungskraft ausgehe, wobei die diesbezüglichen Erwägungen des Verordnungsgebers nicht bekannt seien. Es liege dafür indes kein begründeter Anhaltspunkt vor. Im Gegenteil entstehe die befürchtete Infektionsgefahr wohl im gleichen (wenn nicht sogar größeren) Ausmaß dann, wenn eine Anziehungskraft von attraktiven und nah beieinanderliegenden zahlreichen "kleinen" Betriebsstätten des Einzelhandels insbesondere in Innenstadtlage ausgehe. Gerade bei diesen kleinen Betriebsstätten resultiere die Attraktivität gerade nicht aus der Verkaufsfläche, sondern aus dem jeweiligen Warenangebot.

Bei der verordneten Differenzierung anhand der Verkaufsfläche werde vom Verordnungsgeber schlicht übersehen, dass eine größere Verkaufsfläche auch durch das angebotene Warensortiment bestimmt werde. Solcherart seien etwa im Auto- und Möbelhandel sowie bei anderen Waren von erheblicher Größe großflächige Verkaufsstellen erforderlich, ohne dass von ihnen eine besondere Anziehungskraft auf eine Vielzahl potentieller Kunden ausgehe.

Umgekehrt bestehe auch kein sachlicher Grund, weshalb etwa Baumärkte, welche regelmäßig hohe (also weit über 400 m2) Verkaufsflächen aufwiesen und – wie auch medial wahrzunehmen gewesen sei – eine hohe Anziehungskraft auf potentielle Kunden ausübten, von dem behördlichen Verbot ausgenommen seien. Dass es sich bei der 400 m2-Grenze um keine aus Gründen des Gesundheitsschutzes erforderliche Maßnahme handle, sei bereits daran zu erkennen, dass diese Flächenbeschränkung weder für Supermärkte noch für Baumärkte gelte, obwohl diese Handelsbetriebe oftmals weit mehr Kunden anziehen würden. Als Zwischenergebnis sei festzuhalten, dass die Differenzierung anhand des Maßes der Verkaufsfläche gemäß §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 eine unverhältnismäßige und unsachliche Ungleichbehandlung darstelle.

Zum anderen sei die Unbeachtlichkeit einer vorgenommenen Verkaufsflächenreduktion auf unter 400 m2 unverhältnismäßig. Anders als etwa in Deutschland, wo eine Flächenreduktion erlaubt und beachtlich sei, sehe §2 Abs4 vierter Satz COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 vor, dass Veränderungen der Größe des Kundenbereiches, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen worden seien, bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereiches außer Betracht zu bleiben hätten. Auf Grund dieser Regelung werde der antragstellenden Partei die Möglichkeit genommen, durch Veränderungen der Kundenbereichsflächen die Öffnung ihrer Betriebsstätten zu bewirken und dergestalt ihre wirtschaftlichen Verluste infolge der behördlichen Betretungsverbote zu verringern.

Es sei kein öffentliches Interesse erkennbar, Inhaber größerer Betriebsstätten daran zu hindern, ihre Kundenflächen auf 400 m2 zu reduzieren. Im Gegenteil bestehe ein öffentliches Interesse daran, Kunden auf möglichst viele verschiedene Geschäfte mit jeweils reduzierter Kundenfrequenz zu verteilen. Wäre es zulässig, auch größere Betriebe mit reduziertem Kundenbereich wieder zu öffnen, stünden den Kunden insgesamt mehr Optionen zur Verfügung. Menschenansammlungen wartender Kunden vor kleinen Geschäften könnten vermieden werden.

Selbst unter der Annahme, dass eine Verkaufsflächenbeschränkung aus gesundheitspolitischen Erwägungen geeignet wäre, den verfolgten Normzweck zu erreichen, sei diese Regelung dennoch unverhältnismäßig und stelle eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Es könne zur Zielerreichung des Normzwecks schlicht keinen Unterschied machen, ob eine Betriebsstätte mit einer originären Verkaufsfläche von unter 400 m2 vorliege oder durch Reduktion der Verkaufsfläche entsprechend verkleinert werde.

Die antragstellende Partei sei jedenfalls in der Lage gewesen, beginnend mit 14. April 2020 hinsichtlich sämtlicher Betriebsstätten eine bauliche Reduktion der Verkaufsflächen auf ein zulässiges Ausmaß unter 400 m2 unter Einhaltung sämtlicher sonst bestehender öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zu bewerkstelligen. Die Öffnung der Betriebsstätten wäre außerdem unter Einhaltung der in §2 Abs5 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 normierten Schutzvorkehrungen erfolgt. Die antragstellende Partei hätte Securitypersonal organisiert, um die Einhaltung der bestehenden Abstands- und Kundenanzahlbeschränkungen zu überwachen und sicherzustellen. Die antragstellende Partei hätte weiters insbesondere hinsichtlich größerer Filialen eigene Verkaufskonzepte erstellt und für den Zeitraum der aufrechten Beschränkungen vorrangig Saisonware angeboten. Im Ergebnis bleibe festzuhalten, dass auch die Unbeachtlichkeit einer vorgenommenen Verkaufsflächenreduktion auf unter 400 m2 gemäß §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 eine unverhältnismäßige und unsachliche Ungleichbehandlung darstelle. Die angefochtenen Bestimmungen verstießen somit gegen das aus Art7 B‑VG abgeleitete Sachlichkeitsgebot.

Die Bestimmung des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 verletze auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht der Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG. Bei der Untersagung des Betriebs von Betriebsstätten des Handels, die 400 m2 Verkaufsfläche überschritten, handle es sich um einen massiven und unverhältnismäßigen Eingriff in die wirtschaftliche Dispositionsfähigkeit der antragstellenden Partei, da diese hinsichtlich ihrer Betriebsführung vollständig eingeschränkt werde. Wie bereits dargestellt, sei die Differenzierung zwischen Verkaufsstellen des Einzelhandels mit einer Verkaufsfläche bis 400 m2, die öffnen dürften, und größeren Betriebsstätten nicht geeignet und auch nicht erforderlich, die verfolgten Normzwecke umzusetzen. Die mit §2 Abs5 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 normierten Schutzvorkehrungen würden völlig ausreichen.

Die Bestimmung des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 verletze darüber hinaus auch den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutz gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK. Die von der antragstellenden Partei erlittenen Umsatzeinbußen in Höhe von 100 Prozent (im Zeitraum des und) auf Grund des behördlich verordneten Betretungsverbotes von Betriebsstätten des Handels seien zweifelsohne vom Schutzbereich des Grundrechtes auf Eigentum erfasst. Wie bereits dargestellt, bestehe kein sachlicher Grund, weshalb mit den in §2 Abs5 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 enthaltenen Schutzmechanismen aus gesundheitspolitischen Gründen nicht das Auslangen gefunden werden könne. Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten mit einem Kundenbereich bis 400 m2, die öffnen dürften, und größeren Betriebsstätten, welchen die Möglichkeit der Reduktion ihrer Verkaufsflächen versagt bleibe, sei jedenfalls als unverhältnismäßig zu betrachten und sei daher auch nicht erforderlich, um die verfolgten Normzwecke umzusetzen.

Zudem widersprächen die angefochtenen Bestimmungen ihrer gesetzlichen Grundlage. Der Verordnungsgeber habe bei der Verordnungserlassung dem den angefochtenen Bestimmungen zugrunde liegenden COVID‑19-Maßnahmengesetz auch einen verfassungswidrigen, weil gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz bezwecke die Schaffung organisatorischer und rechtlicher Vorkehrungen zur Reduzierung des Infektionsrisikos. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Grundlage hätte die Bestimmung des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 aber nicht so erlassen werden dürfen. Der Verordnungsgeber habe das ihm zustehende Verordnungsermessen mit Blick auf die von ihm getroffene Differenzierung zwischen Betriebsstätten mit einer Verkaufsfläche bis 400 m2, die öffnen dürften, und größeren Betriebsstätten, denen die Möglichkeit einer entsprechenden Flächenreduktion versagt bleibe, überschritten. Aus bereits genannten Gründen sei die Regelung unsachlich, überschießend, unverhältnismäßig und im Ergebnis schlicht nicht erforderlich, dem Zweck des Infektionsschutzes bzw der Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 ausreichend zu dienen.

2. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (im Folgenden: BMSGPK) hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der er, teilweise unter Bezugnahme auf seine in den zu den Zahlen V395/2020 und V408/2020 geführten Verordnungsprüfungsverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof erstatteten Äußerungen, den Bedenken der antragstellenden Partei wie folgt entgegentritt:

2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führt der BMSGPK wie folgt aus (ohne Hervorhebungen im Original):

"[…] Zur aktuellen und unmittelbaren Betroffenheit:

[…] Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation ist daher, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt (ständige Rechtsprechung seit VfSlg 8058/1977). Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

[…] Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz bzw die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003; 19.894/2014).

[…] Die aktuelle Betroffenheit muss dabei sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorliegen (statt vieler mwN VfSlg 14.712/1996; VfSlg 19.391/2011). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entfaltet eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung (VfSlg 9868/1983, 11.365/1987, 12.182/1989, 12.413/1990, 12.999/1992, 14.033/1995, 15.116/1998, 16.224/2001; 17.266/2004). Mit dem Außer-Kraft-Treten ist das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B‑VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, fortgefallen (vgl nur VfGH V8/00, VfGH 5. 3. 2014, G20/2013, V11/2013; vgl auch VfSlg 16.618/2002, 17.400, 17653).

[…] Das Außer-Kraft-Treten schadet im Hinblick auf die Antragslegitimation nur dann nicht, wenn die angefochtene Bestimmung auch nach dem Außer-Kraft-Treten noch eine nachteilige rechtliche Wirkung für den Antragsteller hat (s nur VfSlg 12.227/1989, VfSlg 16.229/2001), wenn also der 'Rechtsfolgenbereich' über den zeitlichen 'Bedingungsbereich' hinausreicht (vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht10 Rz 1023 und 437). Diesfalls trifft den Antragsteller eine besondere Darlegungspflicht (vgl etwa VfSlg 15.116/1998, VfSlg 12.634/1991 und 11.365/1987).

[…] Die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist mit 30. April 2020 außer Kraft getreten (§13 Abs2 Z1 Lockerungsverordnung, BGBl II Nr 197/2020). Nach diesem Zeitpunkt fortbestehende rechtliche Wirkungen der aufgehobenen Verordnung werden nicht behauptet und sind auch nicht ersichtlich. Mit Außer-Kraft-Treten der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 fielen die darin vorgesehenen Betretungsverbote weg.

[…] Nach Ansicht des BMSGPK ist der Antrag daher mangels unmittelbarer aktueller Betroffenheit zur Gänze zurückzuweisen."

2.2. In der Sache tritt der BMSGPK den Bedenken der antragstellenden Partei wie folgt entgegen (ohne Hervorhebungen im Original):

"[Anmerkung: Auszug aus Äußerung zu V408/2020] […] Zu den Bedenken hinsichtlich 'Flächenbegrenzung und Zonierungsverbot'

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art2 StGG; Art7 B‑VG):

[…]

Die Beschränkung des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 auf einen Kundenbereich im Inneren von maximal 400 m² ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Stammfassung der Verordnung zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote für Betriebsstätten von Waren- und Dienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des §1 Covid-19-Maßnahmengesetz. Gemäß §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen.

[…] Die gewählte Regelungstechnik eines zeitlich befristeten, umfassenden Verbots mit Ausnahmen gewährleistete dabei unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit (vgl §1 Covid-19-Maßnahmengesetz: 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist') eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der epidemiologischen Entwicklungen und etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit: So wurde die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 zunächst mit einer Woche befristet (§4 Abs3), mit der Verordnung BGBl II Nr 110/2020 wurde die Geltungsdauer unter Berücksichtigung des weiteren Infektionsanstiegs bis 13. April 2020 verlängert. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurde die Befristung bis 30. 4. 2020 verlängert, wobei erste Lockerungen der Betretungsverbote (im Sinne weiterer Ausnahmen) mit 14. 4. 2020 erfolgten. Die jeweiligen Maßnahmen erfolgten unter ständiger Beobachtung der epidemiologischen Situation und ermöglichten eine stets angemessene, schrittweise Reaktion auf die tatsächlichen Verhältnisse. So konnte eine stete Abwägung der Gefahren für Leben und Gesundheit mit den entgegenstehenden Grundrechtspositionen vorgenommen werden, entsprechende Einschränkungen konnten auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden.

[…] Die Ausnahme des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 für sonstige (nicht im Sinne des §2 Abs1 der Befriedigung der Grundbedürfnisse bzw der für Verrichtungen des täglichen Lebens notwendigen) Betriebsstätten des Handels wurde mit BGBl II Nr 151/2020 geschaffen. Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 151/2020 erlaubte es die epidemiologische Situation noch nicht, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder für den Kundenverkehr zu öffnen: Mit Stand 9. 4. 2020 gab es in Österreich 13.138 bestätigte Fälle (gemäß Einlangedatum) und 262 Todesfälle (ohne bestätigte Fälle mit anderer Todesursache, gemäß Einlangedatum). Die Zuordnung der Todesfälle erfolgt nach dem Todesdatum; Todesfälle aus anderem Grund als SARS-CoV-2 werden exkludiert […].

Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) unterstützt die EU-Mitgliedstaaten bei ihrer Risikoeinschätzung und damit einhergehenden Maßnahmenplanung. Österreich berücksichtigt Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und der ECDC bei der Weiterentwicklung der Strategie zur Krisenbewältigung. In die Risikobewertung des ECDC fließen verschiedene zum jeweiligen Zeitpunkt verfügbare internationale Quellen mit ein; diese geben einen Überblick zum jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft hinsichtlich der Erforschung der Erkrankung als auch hinsichtlich der Optionen zur Maßnahmensetzung.

Es ist zu betonen, dass die Situation eine dynamische ist und diese auf nationaler und internationaler Ebene ständig neu bewertet werden muss. Als Grundlage für politische Entscheidungen zur Maßnahmensetzung fließen neben Empfehlungen der WHO, der ECDC die Einschätzungen und Erkenntnisse der nationalen Expertinnen und Experten sowie die jeweils aktuelle Datenlage und Prognosen mit ein.

In der Risikobewertung des ECDC vom 8. 4. 2020 […] werden Fieber, Husten, Halsweh Abgeschlagenheit als häufigste Symptome genannt. Darüber hinaus mehrten sich weiterhin die Berichte über asymptomatische Fälle. Erste Schätzungen zur Schwere der Erkrankungen basierend auf damals vorhandenen epidemiologischen Daten aus EU/EWR-Staaten und UK ergaben:

• 32 % aller Fälle wurden hospitalisiert (Daten von 26 Ländern)

• 2,4 % aller Fälle verliefen kritisch (Daten von 16 Ländern)

• 11 % der hospitalisierten Fälle (Daten von 21 Ländern) verliefen tödlich

• Die vorhandenen Daten zeigten ein erhöhtes Risiko der Hospitalisierung für über Sechzigjährige.

• Die Anzahl der Todesfälle bei der Altersgruppe 65-79 Jahre lag bei 44 % und bei der Altersgruppe ab 80 bei 46 %.

Die ECDC Risikobewertung vom 8. 4. 2020 ergab folgende Ergebnisse:

• Das Risiko einer schweren Erkrankung im Zusammenhang mit einer COVID‑19-Infektion für Menschen in der EU / im EWR und im Vereinigten Königreich wurde für die allgemeine Bevölkerung als moderat und für ältere Erwachsene und Personen mit definierten Risikofaktoren (Bluthochdruck, Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen, chronische respiratorische Erkrankungen, Übergewicht) als sehr hoch angesehen.

• Das Risiko des zunehmenden Auftretens einer 'Community Transmission' von COVID-19 in der EU/EWR und UK wurde mit gesetzten Eindämmungsmaßnahmen als moderat, jedoch ohne Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen als sehr hoch angesehen.

• Das Risiko einer Überlastung der Gesundheits- und Sozialsysteme in der EU/EWR und UK wurde mit gesetzten Eindämmungsmaßnahmen als hoch und ohne ausreichende Implementierung von Eindämmungsmaßnahmen als sehr hoch angesehen.

Die Implementierung von strengen Maßnahmen konnte in mehreren Ländern (darunter auch Österreich) beobachtet werden, was zu einer wesentlichen Reduktion der Transmission von Covid-19 geführt hat. In der damaligen Situation sollte weiterhin ein starker Fokus auf konsequentes Testen, Überwachungsstrategien (inkl. Kontaktpersonennachverfolgung), allgemeine Maßnahmen in der Bevölkerung (physical distancing), Stärkung des Gesundheitssystemes und Information der Öffentlichkeit sowie des Gesundheitspersonales gesetzt werden.

Des Weiteren wurde festgehalten, dass solch strenge Maßnahmen gravierende gesellschaftliche Auswirkungen (ökonomisch und sozial) mit sich bringen. Laut dem Rapid Risk Assessment vom 8. 4. 2020 hätte eine frühzeitige Lockerung der Maßnahmen eine anhaltende Übertragung zur Folge gehabt. Bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs sind gewisse Maßnahmen im Bereich physical distancing für mehrere Monate notwendig, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Etwaige Lockerungen müssten behutsam und evidenzbasiert geplant werden. Die Lockerung aller Maßnahmen wurde zum damaligen Zeitpunkt als zu früh eingestuft.

[…] Angesichts der weiterbestehenden Gefährdungslage galt es, die sozialen Kontakte zum Schutz der Gesundheit einerseits nach wie vor möglichst niedrig zu halten, andererseits einen Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten insbesondere der Erwerbsfreiheit zu schaffen.

[…] Bei der Verfolgung seiner Ziele kommt dem Normsetzer ein rechtspolitischer Spielraum zu. Im Rahmen der Verfolgung des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 liegt es insbesondere bei der schrittweisen 'Lockerung' der Betretungsverbote im Wertungsspielraum des Verordnungsgebers, ob entsprechende Beschränkungen in kürzeren Zeitintervallen, aber dafür in kleinerem Ausmaß oder in längeren Zeitabständen, aber dafür in größerem Ausmaß zurückgenommen werden. Mit den Novellen zur Verordnung wurden (im Vergleich etwa mit Deutschland) Lockerung in kleineren, dafür aber häufigeren Schritten gesetzt: So wurde die Ausnahme vom Betretungsverbot gemäß §2 Abs4 mit 14. 4. 2020 normiert, also 29 Tage nach Inkrafttreten der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 am 16. 3. 2020, wobei die Verordnung insgesamt bis 30. 4. 2020 befristet war (alle übrigen Betriebsstätten des Handels durften mit 1. 5. 2020 wieder betreten werden).

[…] Vor dem Hintergrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung ist bei der Normierung schrittweiser Ausnahmen von den Betretungsverboten für sonstige, nicht in §2 Abs1 aufgezählte (versorgungskritische) Betriebsstätten des Handels das Abstellen auf die Größe des Kundenbereichs ein taugliches Differenzierungsmerkmal: Gemeinsam mit der erforderlichen Beschränkung auf 20 m² pro Kunde gewährleistet die Größenbeschränkung des §2 Abs4 der zitierten Verordnung im Hinblick auf das Ziel der Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 insgesamt eine vertretbare Kundenfrequenz.

[…] Die Festsetzung der Grenze von 400 m² liegt dabei im Wertungsspielraum des Verordnungsgebers (vgl wieder VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002): Zur Gewährleistung einer vertretbaren Kundenfrequenz sollten zunächst Klein- und Kleinstbetriebe vom Betretungsverbot ausgenommen werden. Die Grenze von 400 m² findet sich etwa in §1 Abs1 Z13 der Verordnung des BMWFW über genehmigungsfreie Arten von Betriebsanlagen (2. Genehmigungsfreistellungsverordnung) auf der gesetzlichen Grundlage des §74 Abs7 GewO (Betriebsanlagen von einzelnen Gewerbetreibenden mit einer Betriebsfläche von bis zu 400 m2, die innerhalb einer rechtkräftig genehmigten Gesamtanlage gemäß §356e Abs1 GewO 1994 gelegen sind). Auch wenn die betriebsanlagenrechtlichen Bestimmungen andere Zwecke verfolgen als die seuchenrechtlichen Maßnahmen des Covid-19-Maßnahmengesetzes und der Verordnung BGBl II Nr 96/2020, sind sie tauglicher Orientierungspunkt für die gesetzgeberische Vorstellung von kleinen Handelsgeschäften (vgl AB 761 20. GP  8; AB 1149 BlgNR 21. GP  4). Mit dem Abstellen auf die Z13 (und nicht Z1) wurde die – aus epidemiologischer Sicht erforderliche – Gleichbehandlung von Betriebsstätten in verbundenen Bauwerken erzielt, die auch im Einklang mit der Kundenbereichsregelung in §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 steht.

[…] Die Differenzierung nach der Größe ist ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels der weiteren Verhinderung der Verbreitung von Covid-19: Je größer diese Grenze vom Verordnungsgeber festgelegt wird, desto größer ist insgesamt die Zahl der sozialen Kontakte (nicht nur in oder vor der Betriebsstätte selbst, sondern insgesamt im öffentlichen Raum). Dabei steht weniger die Problematik des ausreichenden Abstands in der Betriebsstätte, sondern die damit bewirkte Erhöhung der Mobilität und damit der sozialen Kontakte insgesamt im Vordergrund. Damit wäre aber auch die von der Antragstellerin monierte Einhaltung der Hygienebestimmungen in der Betriebsstätte kein taugliches gelinderes Mittel zur Zielerreichung gewesen. Vor dem Hintergrund des gewichtigen öffentlichen Interesses des Gesundheitsschutzes und der engen zeitlichen Befristung (14. 4. bis 30. 4. 2020) wiegt im Ergebnis die Ungleichbehandlung der sonstigen Betriebsstätten des Handels untereinander im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung weniger schwer als das damit verfolgte Ziel des Gesundheitsschutzes.

[…] Auch dass bauliche Veränderungen nach dem 7. 4. 2020 nicht berücksichtigt wurden, ist sachlich gerechtfertigt: Größere Betriebsstätten ziehen mehr Kunden an als kleine; ihre Anziehungskraft verringert sich aber nicht dadurch, dass der Kundenbereich verkleinert wird: Eine solche Verkleinerungsmöglichkeit schafft für den Inhaber der Betriebsstätte zwei Möglichkeiten. Entweder er belässt sein Produktsortiment wie es ist und verkleinert nur den Kundenbereich (der restliche Bereich wäre dann zum Lagerraum umfunktioniert), oder er verkleinert sein Produktsortiment entsprechend.

Im ersten Fall kann eine derartige Verkleinerung zur unerwünschten Folge von Kundenstaus vor den Betriebsstätten und zu einer 'Nadelöhrsituation' an den Eingangsbereichen führen, die im diametralen Gegensatz zum verfolgten Ziel der Eindämmung der sozialen Kontakte steht. Im zweiten Fall ist zu bedenken, dass Kunden größere Betriebsstätten in Erwartung eines bestimmten Sortiments aufsuchen, dessen Bereitstellung bei Verkleinerung des Kundenbereichs nicht in seinem vollen Umfang gewährleistet werden kann. Auch die fehlende Vorhersehbarkeit des tatsächlich angebotenen Warenumfangs ist ein Faktor zur unnötigen Erhöhung der Kundenfrequenz, wenn die Erwartungen des Kunden an das Produktsortiment enttäuscht wird. Das Datum 7. 4. 2020 trägt dem Umstand Rechnung, dass die auf Kleinbetriebe abzielende Kundenbereichsbeschränkung von 400 m² nicht gezielt im Hinblick auf die Verordnung BGBl II Nr 151/2020 umgangen werden sollte.

[…] Aus diesen Gründen sind nach Ansicht des BMSGPK sowohl die Größenbeschränkung auf maximal 400 m² als auch die Nichtberücksichtigung baulicher Veränderungen nach dem 7. 4. 2020 in §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 sachlich gerechtfertigt.

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf die Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art6 StGG):

[…]

Bei den aus dem Betretungsverbot gemäß §1 der Verordnung BGBl Nr II 96/2020 resultierenden Beschränkungen handelt es sich um Erwerbsausübungsschranken, zumal die Antragstellerin nicht am Zugang zum Beruf gehindert wird. Der BMSGPK verkennt nicht das Gewicht der aus der fehlenden Möglichkeit des Vor-Ort-Verkaufs resultierenden Beschränkungen, dem steht jedoch das damit verfolgte gewichtige öffentliche Interesse des Gesundheitsschutzes gegenüber. Die Größenbeschränkung des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist ein geeignetes Mittel zur Erreichung des Ziels der Verhinderung der Verbreitung von Covid-19, da dadurch eine vertretbare Kundenfrequenz und damit eine vertretbare Zahl an sozialen Kontakten gewährleistet wird. Für die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird sinngemäß auf die [oben dargestellten] Ausführungen […] verwiesen. In Abwägung der gewichtigen, mit der Größenbeschränkung des §2 Abs4 verfolgten öffentlichen Interessen einerseits und den – zeitlich befristeten – Beschränkungen der Erwerbsausübungsfreiheit andererseits ist der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit nach Ansicht des BMSGPK gerechtfertigt. Die behauptete Verletzung des Art6 StGG liegt somit nicht vor. Dieselben Erwägungen gelten auch für das 'Zonierungsverbot'. […].

[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG; Art1 1. ZPEMRK):

[…]

Bei den durch das Betretungsverbot bewirkten Nutzungsbeschränkungen handelt es sich um Eigentumsbeschränkungen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zur Rechtfertigung des Eingriffs sinngemäß auf die Ausführungen zur Erwerbsfreiheit […] verwiesen."

"[Anmerkung: Auszug aus Äußerung zu V395/2020] […] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art2 StGG; Art7 B‑VG):

[…] Die Antragsteller behaupten eine unsachliche Ungleichbehandlung von Betriebsstätten des Handels im Sinne des §2 Abs1 und des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020.

[…]

Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten des Handels im Sinne des §2 Abs1 und 'sonstigen Betriebsstätten des Handels' im Sinne des §2 Abs4 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 ist vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Rechtslage seit Erlassung der Stammfassung der Verordnung zu beurteilen: Aufgrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung […] war es zum Schutz der Gesundheit und des Lebens notwendig, flächendeckende Maßnahmen zur größtmöglichen Reduktion der sozialen Kontakte zu ergreifen. Vor diesem Hintergrund normierte die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 weitreichende Betretungsverbote für Betriebsstätten von Waren- und Dienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des §1 COVID-19-Maßnahmengesetz. Gemäß §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 waren vom allgemeinen Betretungsverbot Bereiche ausgenommen, die der Aufrechterhaltung der Grundversorgung dienen.

[…] Die gewählte Regelungstechnik eines zeitlich befristeten, umfassenden Verbots mit Ausnahmen gewährleistete dabei unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit (vgl §1 COVID-19-Maßnahmengesetz: 'soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist') eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der epidemiologischen Entwicklungen und etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit: So wurde die Verordnung BGBl II Nr 96/2020 zunächst mit einer Woche befristet (§4 Abs3), mit der Verordnung BGBl II Nr 110/2020 wurde die Geltungsdauer unter Berücksichtigung des weiteren Infektionsanstiegs bis 13.4.2020 verlängert. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurde die Befristung bis 30.4.2020 verlängert, wobei erste Lockerungen der Betretungsverbote gemäß §1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 (im Sinne weiterer Ausnahmen) mit 14.4.2020 erfolgten. Die jeweiligen Maßnahmen erfolgten unter ständiger Beobachtung der epidemiologischen Situation und ermöglichten eine stets angemessene, schrittweise Reaktion auf die tatsächlichen Verhältnisse. So konnte eine stete Abwägung der Gefahren für Leben und Gesundheit mit den entgegenstehenden Grundrechtspositionen vorgenommen werden, entsprechende Einschränkungen konnten auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden.

[…] Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II Nr 151/2020 erlaubte es die epidemiologische Situation noch nicht, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder zu öffnen […]. Angesichts der weiterbestehenden Gefährdungslage galt es, die sozialen Kontakte zum Schutz der Gesundheit einerseits nach wie vor möglichst niedrig zu halten, andererseits einen Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten insbesondere der Erwerbsfreiheit zu schaffen. Mit BGBl II Nr 151/2020 wurden daher zunächst weitere Ausnahmen vom Betretungsverbot in §2 Abs1 Z22 und 23 sowie die Ausnahme des §2 Abs4 normiert.

[…] §2 Abs1 Z22 und 23 dienten der Gleichstellung mit vergleichbaren Betriebsstätten wie den bisher in §2 Abs1 der Verordnung taxativ aufgezählten: So ist das angebotene Warensortiment insbesondere der Baumärkte mit jenem der Z9 vergleichbar (Instandhaltungs- und Notfallprodukte), jenes der Baustoff-, Eisen- und Holzhandels sowie der Baumärkte diente der dringenden Versorgung des (unbeschränkt weiter ausgeübten) Bau-Nebengewerbes und trug damit der Bedeutung des Warensortiments für die weiter ungehinderte Grundversorgung Rechnung. Mit der Z22 wurde auch der Bedeutung der Gartenmärkte für Verrichtungen des täglichen Lebens Rechnung getragen. Auch §2 Abs1 Z23 diente der Gleichstellung mit vergleichbaren Leistungen der Banken (vgl §2 Abs1 Z13).

[…] Anders als die Ausnahme für sonstige Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs4 knüpfen die auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse ausgerichteten Ausnahmen des §2 Abs1 knüpfen nicht an die Größe des Kundenbereichs an und enthalten auch keine dem §2 Abs6 entsprechende Einschränkung auf 20 m² Gesamtverkaufsfläche pro Kunde. Wiewohl auch für sie besondere Vorkehrungen gelten (§2 Abs5), lässt damit der Verordnungsgeber bei Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 der Verordnung BGBl II Nr 96/2020 eine erhöhte Kundenfrequenz zu. Die sachliche Rechtfertigung dafür liegt in der Bedeutung der Waren oder Dienstleistungen für die Grundversorgung bzw für Verrichtungen des täglichen Lebens. Die Erfahrungen aus dem EU-Ausland (insbesondere aus Italien), zu Beginn der Maßnahmen aber auch in Österreich, haben gezeigt, dass es bei Einschränkungen in diesen Bereichen besonderer Vorsicht bedarf, zumal alleine die Befürchtung von Beschränkungen in der Bevölkerung den gegenteiligen Effekt eines Kundenandrangs ('Hamsterkäufe') auslöst. Eine Einschränkung der erlaubten Kundenanzahl im Bereich der kritischen Infrastruktur stünde damit aber im diametralen Gegensatz zum Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

[…] Die Differenzierung zwischen Betriebsstätten im Sinne des §2 Abs1 und 'sonstigen Betriebsstätten' des Handels ist daher nach Ansicht des BMSGPK sachlich gerechtfertigt. Sie sichert im Sinne des Ziels der Verhinderung der Verbreitung eine vertretbare Kundenfrequenz und ist insbesondere auch im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Maßnahmen verhältnismäßig."

IV. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit

1. Mit ihrem auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Partei, näher bezeichnete Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 als gesetzwidrig aufzuheben. Im Zeitpunkt der Einbringung ihres Antrages beim Verfassungsgerichtshof, dem 29. April 2020, standen die angefochtenen Bestimmungen in der Fassung BGBl II 151/2020 in Kraft. Die COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 und damit auch die angefochtenen Bestimmungen sind auf Grund des §13 Abs2 Z1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID‑19 ergriffen wurden (COVID‑19-Lockerungsverordnung), BGBl II 197/2020, mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten.

2. Die antragstellende Partei erachtet sich durch die Einschränkung in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 151/2020, derzufolge nur sonstige Betriebsstätten des Handels vom allgemeinen Betretungsverbot des §1 der Verordnung ausgenommen sind, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsfreiheit, Schutz des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Ein anderer zumutbarer Weg, die Frage der Rechtswidrigkeit der bekämpften Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, bestünde nicht, insbesondere sei es nicht zumutbar, durch Verletzung eines gesetzlichen Verbotes ein (Verwaltungs-)Strafverfahren provozieren zu müssen.

3. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist daher, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

Nach §57 Abs1 VfGG muss der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, begehren, dass entweder die Verordnung ihrem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen der Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden.

4. Der Antrag ist zulässig:

4.1. Durch die angefochtene Regelung des zweiten Halbsatzes des §2 Abs4 erster Satz der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 wird der antragstellenden Partei – anders als sonstigen Unternehmen des Handels, bei deren Betriebsstätten der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt – weiterhin, also über den Ablauf des 13. April 2020 hinaus, gemäß §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 untersagt, dass Kunden ihre Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen betreten. Dieses Verbot greift unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Partei ein und es steht ihr – im Hinblick darauf, dass §3 Abs2 COVID‑19-Maßnahmengesetz Inhaber einer Betriebsstätte, die eine verbotene Betretung nicht untersagen, mit Verwaltungsstrafe von bis zu € 30.000,– bedroht – kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die behauptete Rechtswidrigkeit des Eingriffes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

4.2. Entgegen der Auffassung des BMSGPK ist in einer Konstellation wie der vorliegenden der Antrag auch nicht deswegen mangels aktueller Betroffenheit unzulässig, weil die angefochtenen Bestimmungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes bereits außer Kraft getreten sind:

4.2.1. Aus dem Wortlaut des Art139 Abs1 Z3 B‑VG ("verletzt zu sein behauptet") ergibt sich, dass die angefochtenen Verordnungsbestimmungen zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreifen müssen (siehe statt vieler zu Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.634/1991, 13.585/1993, 14.033/1995; zu Gesetzesbestimmungen VfSlg 9096/1981, 12.447/1990, 12.870/1991, 13.214/1992, 13.397/1993).

Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Antragsteller noch entsprechend wirksam sein müssen (vgl für Verordnungsbestimmungen VfSlg 12.413/1990, 12.756/1991, 12.877/1991, 14.712/1996, 14.755/1997, 15.852/2000, 16.139/2001, 19.391/2011; für Gesetzesbestimmungen VfSlg 12.999/1992, 16.621/2002, 16.799/2003, 17.826/2006, 18.151/2007; VfGH 6.3.2019, G318/2018), was in der Regel dann nicht mehr der Fall ist, wenn die bekämpften Bestimmungen bereits außer Kraft getreten oder wesentlich geändert worden sind und damit das Ziel des Art139 Abs1 Z3 B‑VG schon erreicht ist (zB VfSlg 17.653/2005, 18.284/2007, 18.837/2009; 15.491/1999, 19.391/2011). Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch bereits außer Kraft getretene Regelungen die Rechtssphäre des Antragstellers aktuell berühren (vgl zB VfSlg 16.581/2002, 18.235/2007; 10.313/1984, 15.888/2000, 17.798/2006; allgemein auch zB 15.116/1998, 17.826/2006; 12.976/1992). Solches hat der Verfassungsgerichtshof bislang insbesondere dann angenommen, wenn es sich um einen auf einzelne Kalenderjahre bezogenen Anspruch handelt (VfSlg 16.581/2002) oder wenn die außer Kraft getretene Bestimmung die Rechtssphäre des Antragstellers weiterhin etwa in Beziehung auf privatrechtliche Verträge, die der Anfechtende während des Zeitraums der Geltung abgeschlossen hat, unmittelbar berührt (VfSlg 12.976/1992).

Insbesondere erachtet der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Wirksamkeit angefochtener Verordnungsbestimmungen und damit die Antragslegitimation ungeachtet des Umstandes, dass die Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, bei zeitraumbezogenen Regelungen für gegeben, weil diese für den entsprechenden Zeitraum weiterhin anzuwenden sind (siehe VfSlg 10.820/1986 sowie insbesondere die Rechtsprechung zu sogenannten Systemnutzungstarifen im Energierecht VfSlg 15.888/2000, 15.976/2000, 17.094/2003, 17.266/2004, 17.798/2006, 19.840/2013).

4.2.2. Wie Art139 Abs4 (und ebenso Art140 Abs4) B‑VG deutlich macht, kann bzw muss dem Rechtsschutzziel eines Antrages nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG in bestimmten Konstellationen auch durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen werden, dass die bekämpften Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren.

Die von der antragstellenden Partei bekämpften Verordnungsbestimmungen sind Teil eines gesetzlichen und verordnungsmäßigen Regelungssystems, das zur Bewältigung einer krisenhaften Situation, der Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie und ihrer Auswirkungen, dadurch gekennzeichnet ist, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen für die Verwaltung erlassen hat, auf die Verordnungen gestützt werden, die Ge- und Verbote enthalten, die unmittelbar (verfassungsgesetzlich gewährleistete) Rechte einschränken und die Nichteinhaltung dieser Anordnungen unter Strafe stellen. Anlass und Zielsetzung dieses Regelungssystems verlangen von der Vollziehung eine laufende Beobachtung und Anpassung ihrer Maßnahmen, was eine rasche Abfolge von Bestehen und Änderung einzelner Verordnungen und Verordnungsbestimmungen bewirkt.

Ein Antrag nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG soll (wie auch ein solcher nach Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG) Rechtsschutz gewährleisten, wenn dieser gegen individuelle Rechtseingriffe durch (Gesetzes- oder) Verordnungsbestimmungen sonst nicht oder nur auf unzumutbarem Weg (zur diesbezüglichen Subsidiarität des Individualantrages vgl Rohregger, Art140 B‑VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2003, Rz 163) erlangt werden kann. Insofern hat der Verfassungsgerichtshof mehrfach festgestellt, dass der Sinn des rechtsstaatlichen Prinzips darin gipfelt, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet (VfSlg 11.196/1986, 16.245/2001).

Dem Rechtsschutzinteresse der antragstellenden Partei an der Klärung, ob der durch die angefochtenen Verordnungsbestimmungen bewirkte Eingriff in ihre (Grund‑)Rechtssphäre, den zunächst hinzunehmen sie unter Strafsanktion verpflichtet ist, recht- und letztlich verfassungsmäßig erfolgte, kann angesichts des Umstandes, dass ansonsten Rechtsschutz nur bei Setzen einer strafbaren Handlung zu erlangen (gewesen) wäre, nur in einem Verfahren nach Art139 Abs1 Z3 B‑VG Rechnung getragen werden. Dieses Rechtsschutzinteresse, das insoweit über den kurzen Zeitraum hinausreicht, in dem die angefochtenen Bestimmungen in Kraft gestanden sind (vgl das von einem ähnlichen Rechtsschutzgedanken getragene System der Maßnahmenbeschwerde oder die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Versammlungsuntersagungen, zB VfSlg 20.312/2019), bewirkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtssphäre der antragstellenden Partei auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt wird, und begründet – noch (vgl VfSlg 10.819/1986, 11.365/1987) – die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen, auch wenn diese zwischenzeitig außer Kraft getreten sind.

4.3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 sind zwar mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen greifen sie dennoch unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Partei ein und beeinträchtigen ihre rechtlich geschützten Interessen auch noch aktuell. Der antragstellenden Partei steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, ihre Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

5. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat (siehe nur VfSlg 20.161/2017 mwN), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

5.1. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bilden. Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle etwa als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 17.512/2005, 19.413/2011, 20.161/2017).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, durch die seine (rechtlich geschützten) Interessen aktuell beeinträchtigt sind und die mit diesen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §57 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Vorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, durch die die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht aktuell beeinträchtigt sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Gesetzwidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden, die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen offensichtlich trennbar, führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers aktuell beeinträchtigenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (vgl VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle einer ganzen Verordnung), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

5.2. Die antragstellende Partei erhebt Bedenken gegen den zweiten Halbsatz – ", wenn der Kundenbereich im Inneren max. 400 m2 beträgt" – in §2 Abs4 erster Satz der COVID‑19‑Maßnahmenverordnung‑96. Sie bringt weiters (selbstständige) Bedenken gegen den vierten Satz des §2 Abs4 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 vor. Mit diesen Bestimmungen steht der ebenfalls angefochtene dritte Satz des §2 Abs4 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 in einem Regelungszusammenhang. Vor diesem Hintergrund erweist sich der (Haupt‑)Antrag, der sowohl den zweiten Halbsatz im ersten Satz als auch den dritten und den vierten Satz des §2 Abs4 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 erfasst, als zulässig. Damit braucht auf die Eventualanträge nicht eingegangen zu werden.

6. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag auf Aufhebung des zweiten Halbsatzes in Satz 1 und der Sätze 3 und 4 in §2 Abs4 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 als zulässig.

B. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B‑VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2. Die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 stehen in folgendem normativen Zusammenhang:

2.1. Gemäß §1 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 (COVID‑19-Maßnahmengesetz), BGBl I 12/2020, idF BGBl I 23/2020 – in Kraft getreten am 5. April 2020 (siehe §4 Abs5 COVID‑19-Maßnahmengesetz) und bis 31. Dezember 2020 befristet (siehe §4 Abs1 COVID‑19-Maßnahmengesetz) – kann der BMSGPK durch Verordnung unter anderem "das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen" untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten betreten werden dürfen. Gemäß §4 Abs3 COVID‑19-Maßnahmengesetz lassen dessen Regelungen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 unberührt. Hat der BMSGPK aber gemäß §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung (§4 Abs2 COVID‑19-Maßnahmengesetz).

Mit der auf §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz gestützten COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 hat der BMSGPK mit Wirkung vom 16. März 2020 und zunächst befristet bis zum Ablauf des 22. März 2020 (§4 Abs1 und Abs3 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 96/2020) unter anderem das Betreten des Kundenbereiches von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben untersagt. Dieses Betretungsverbot gilt zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben.

Von diesem allgemeinen Betretungsverbot legt §2 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 in der Stammfassung, BGBl II 96/2020, Bereichsausnahmen im Wesentlichen für sogenannte systemrelevante Betriebe wie öffentliche Apotheken, den Lebensmittelhandel oder Tankstellen, Banken und Post fest (siehe im Einzelnen §2 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 in der genannten Fassung). In der Folge hat der BMSGPK die COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 mehrmals abgeändert und sie – regelmäßig für kurze Zeiträume befristet (siehe §4 Abs3 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 110/2020, der das Außerkrafttreten der Verordnung von 22. März 2020 auf 13. April 2020 verschiebt; mit §4 Abs1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 112/2020 wurde das Außerkrafttreten wiederum mit Ablauf des 13. April 2020 festgelegt; mit §5 Abs4 und 5 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 130/2020 wurde das Außerkrafttreten für die §§1 bis 3 erneut mit Ablauf des 13. April 2020 sowie für §4 mit Ablauf des 24. April 2020 festgesetzt) – weiterhin in Kraft belassen. Zuletzt hat der BMSGPK mit Verordnung BGBl II 151/2020, in Kraft getreten mit Ablauf des 13. April 2020 (§5 Abs6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 151/2020), die COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 bis zum Ablauf des 30. April 2020 in Kraft gesetzt (§5 Abs1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 151/2020; die letzten Änderungen der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 162/2020 änderten die Regelungen über das Außerkrafttreten nicht). Mit der COVID‑19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, hat der BMSGPK schließlich das Außerkrafttreten der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 mit Ablauf des 30. April 2020 erneut angeordnet.

Mit der Verordnung BGBl II 151/2020 hat der BMSGPK die COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 gegenüber ihrer Stammfassung unter anderem dahingehend abgeändert, dass erstens im Kontext der Bereichsausnahmen für systemrelevante Betriebe vom allgemeinen Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels gemäß §1 dieser Verordnung nunmehr unter anderem auch Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte ausgenommen wurden (§2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96). Zweitens wurden allgemein vom Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels gemäß §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 durch einen in §2 neu eingefügten Absatz 4 sonstige Betriebsstätten des Handels ausgenommen, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt. Als sonstige Betriebsstätten des Handels sind dabei Betriebsstätten zu verstehen, die dem Verkauf, der Herstellung, der Reparatur oder der Bearbeitung von Waren dienen. Sind sonstige Betriebsstätten baulich verbunden (zB Einkaufszentren), ist der Kundenbereich der Betriebsstätten zusammenzuzählen, wenn der Kundenbereich über das Verbindungsbauwerk betreten wird (§2 Abs4 dritter Satz COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96). Veränderungen der Größe des Kundenbereiches, die nach dem 7. April 2020 – das ist zwei Tage vor Kundmachung der Verordnung BGBl II 151/2020 – vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereiches außer Betracht zu bleiben (§2 Abs4 vierter Satz COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96). Weiters wurden in §2 Abs5 und 6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 weitere Voraussetzungen vorgeschrieben, die eingehalten werden müssen, wenn Kunden unter anderem sonstige Betriebsstätten des Handels betreten. Diese weiteren Ausnahmen vom allgemeinen Betretungsverbot von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen traten gemäß §5 Abs6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96, idF BGBl II 151/2020 mit Ablauf des 13. April 2020 in Kraft.

2.2. Für die Betriebsstätten der antragstellenden Partei galt also seit dem 16. März 2020 (Inkrafttreten der Stammfassung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96, BGBl II 96/2020) ein Betretungsverbot für Kunden. Mit der Verordnung BGBl II 151/2020 änderte sich für die antragstellende Partei die Rechtslage insoweit, als mit Ablauf des 13. April 2020 Handelsbetriebe, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, vom Betretungsverbot des §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 ausgenommen wurden. Für die Betriebsstätten der antragstellenden Partei galt weiterhin – bis zum 30. April 2020 – das Betretungsverbot gemäß §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96, weil bei ihren Betriebsstätten der Kundenbereich im Inneren entweder mehr als 400 m² beträgt oder diese in Einkaufszentren liegen und daher gemäß §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 nicht vom Betretungsverbot des §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 ausgenommen sind.

3. Die antragstellende Partei erachtet die angefochtenen Regelungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 151/2020 aus folgenden Gründen für gesetz- und verfassungswidrig:

3.1. Dass nur sonstige Betriebsstätten des Handels vom allgemeinen Betretungsverbot des §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 ausgenommen sind, wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt, stelle – auch im Lichte insbesondere der Erwerbsfreiheit der antragstellenden Partei – keine zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderliche Maßnahme dar. Denn die diesem Zweck eigentlich dienenden Anforderungen – Sicherstellung des Tragens von Mund-Nasen-Schutzmasken, Einhalten eines Mindestabstands von einem Meter gegenüber anderen Personen (§2 Abs5 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96) und insbesondere, dass pro Kunde im Kundenbereich 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen (§2 Abs6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96) – ließen sich ebenso wie sämtliche sonst sinnvollen Hygienemaßnahmen in den Betriebsstätten der antragstellenden Partei zumindest ebenso gut, wenn nicht besser, sicherstellen. Das die antragstellende Partei, anders als die genannten sonstigen Betriebsstätten des Handels mit einem Kundenbereich von maximal 400 m2, weiterhin – in der Sache bis zum Ablauf des 30. April 2020 (siehe §13 Abs2 Z1 COVID‑19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020) – treffende Betretungsverbot sei daher im Lichte einer Güterabwägung jedenfalls unverhältnismäßig. Die Flächenbegrenzung sei für Zwecke des Gesundheitsschutzes überdies von vornherein ungeeignet. Wäre es zulässig, auch größere Betriebe mit entsprechend reduziertem Kundenbereich wieder aufzusperren, stünden den Kunden insgesamt mehr Optionen zur Verfügung, sodass insgesamt Menschenansammlungen vor den Geschäften vermieden werden könnten.

3.2. Jedenfalls sei es unverhältnismäßig, der antragstellenden Partei zu verwehren, ihren Kundenbereich auf 400 m2 zu reduzieren, womit für sie die gleichen Ausgangsbedingungen wie für sonstige Betriebsstätten des Handels gegeben wären.

3.3. Schließlich sei – auch im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz – kein sachlicher Grund ersichtlich, dass die Betriebsstätten der antragstellenden Partei weiterhin vom allgemeinen Betretungsverbot des §1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 erfasst sind, während Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte von diesem Betretungsverbot ab dem Inkrafttreten der Novelle BGBl II 151/2020 zur COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 ausgenommen seien, und zwar überdies, ohne dass gemäß §2 Abs6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 sichergestellt sein muss, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m2 der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen. Auch diese Regelung des §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 zeige, dass die Flächenbeschränkung des zweiten Halbsatzes des §2 Abs4 erster Satz der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 nicht den Anforderungen des Gesundheitsschutzes dienen könne, würden doch insbesondere Baumärkte oftmals weit mehr Kunden anziehen als die Betriebsstätten der antragstellenden Partei.

3.4. Aus den genannten Gründen erachtet die antragstellende Partei die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 idF BGBl II 151/2020 als insbesondere im Hinblick auf die Erwerbsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig und demzufolge für gesetzwidrig, weil nicht durch die gesetzliche Ermächtigung des §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz gedeckt. Der BMSGPK habe mit den angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 das ihm nach §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz zustehende Verordnungsermessen überschritten.

4. Der BMSGPK tritt diesen Bedenken wie folgt entgegen:

4.1. Die gewählte Regelungstechnik eines zeitlich befristeten, umfassenden Verbotes mit Ausnahmen gewährleiste unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit – der BMSGPK bezieht sich diesbezüglich ausdrücklich auf die in §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz enthaltene Regelung, dass Betretungsverbote erlassen werden können, "soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist" – eine kontinuierliche Überprüfung der Erforderlichkeit der Maßnahmen unter Berücksichtigung der epidemiologischen Entwicklungen und etwaiger neuer Erkenntnisse über die Krankheit. Die jeweiligen Maßnahmen erfolgten unter ständiger Beobachtung der epidemiologischen Situation und ermöglichten eine stets angemessene, schrittweise Reaktion auf die tatsächlichen Verhältnisse. So hätten eine stete Abwägung der Gefahren für Leben und Gesundheit mit den entgegenstehenden Grundrechtspositionen vorgenommen und entsprechende Einschränkungen auf das unbedingt erforderliche Maß reduziert werden können.

Im Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung BGBl II 151/2020 habe es die epidemiologische Situation noch nicht erlaubt, alle Betriebsstätten des Einzelhandels gleichzeitig wieder für den Kundenverkehr zu öffnen. Die Situation sei dynamisch und müsse auf nationaler und internationaler Ebene ständig neu bewertet werden. "Als Grundlage für politische Entscheidungen zur Maßnahmensetzung fließen neben Empfehlungen der WHO, de[s] ECDC die Einschätzungen und Erkenntnisse der nationalen Expertinnen und Experten sowie die jeweils aktuelle Datenlage und Prognosen mit ein."

Angesichts der zum Zeitpunkt der Verordnung BGBl II 151/2020 auf Grund insbesondere einer Risikobewertung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) vom 8. April 2020 weiter bestehenden Gefährdungslage habe es gegolten, die persönlichen Kontakte zum Schutz der Gesundheit einerseits nach wie vor möglichst niedrig zu halten, andererseits einen Ausgleich mit den entgegenstehenden Grundrechten, insbesondere der Erwerbsfreiheit, zu schaffen. Man habe sich im Rahmen des dem Verordnungsgeber zukommenden Spielraums für eine Lockerung in kleineren, dafür aber häufigeren Schritten entschieden. Mit der Verordnung BGBl II 151/2020 seien daher zunächst weitere Ausnahmen vom Betretungsverbot in §2 Abs1 Z22 und 23 sowie die Ausnahme des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 normiert worden.

4.2. Vor dem Hintergrund der epidemiologischen Situation und Risikobewertung sei bei der Normierung schrittweiser Ausnahmen von den Betretungsverboten für sonstige, nicht in §2 Abs1 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 aufgezählte (versorgungskritische) Betriebsstätten des Handels das Abstellen auf die Größe des Kundenbereiches ein taugliches Differenzierungsmerkmal. Gemeinsam mit der erforderlichen Beschränkung auf 20 m2 pro Kunde gewährleiste die Größenbeschränkung des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 im Hinblick auf das Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 insgesamt eine vertretbare Kundenfrequenz. Zur Gewährleistung einer solchen vertretbaren Kundenfrequenz sollten zunächst Klein- und Kleinstbetriebe vom Betretungsverbot ausgenommen werden. Es liege im Wertungsspielraum des Verordnungsgebers, dafür an §1 Abs1 Z13 der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung des BMWFW über genehmigungsfreie Arten von Betriebsanlagen anzuknüpfen. Auch wenn die betriebsanlagenrechtlichen Bestimmungen andere Zwecke verfolgten als die seuchenrechtlichen Maßnahmen des COVID‑19-Maßnahmengesetzes und der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96, seien sie doch ein tauglicher Orientierungspunkt für die gesetzgeberische Vorstellung von kleinen Handelsgeschäften. Mit dem Abstellen auf die Z13 (und nicht Z1) des §1 Abs1 der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung sei die – aus epidemiologischer Sicht erforderliche – Gleichbehandlung von Betriebsstätten in verbundenen Bauwerken erzielt worden.

Die Differenzierung nach der Größe sei ein geeignetes Mittel zur weiteren Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19. Je größer diese Grenze festgelegt werde, desto größer sei insgesamt die Zahl der persönlichen Kontakte (nicht nur in oder vor der Betriebsstätte selbst, sondern insgesamt im öffentlichen Raum). Dabei stehe weniger die Problematik des ausreichenden Abstands in der Betriebsstätte, sondern die damit bewirkte Erhöhung der Mobilität und damit der persönlichen Kontakte insgesamt im Vordergrund. Daher wäre auch ein Einhalten der Hygienebestimmungen in größeren Betriebsstätten allein kein taugliches gelinderes Mittel zur Zielerreichung. Vor dem Hintergrund des gewichtigen öffentlichen Interesses des Gesundheitsschutzes und der engen zeitlichen Befristung (14. April bis 30. April 2020) wiege im Ergebnis die Ungleichbehandlung der sonstigen Betriebsstätten des Handels untereinander im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung weniger schwer als das damit verfolgte Ziel.

4.3. Das angebotene Warensortiment insbesondere der Baumärkte sei mit jenem des "Verkauf[s] und [der] Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten" vergleichbar (§2 Abs1 Z9 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96), jenes des Baustoff-, Eisen- und Holzhandels sowie wiederum der Baumärkte diene auch der dringenden Versorgung des (unbeschränkt weiter ausgeübten) Baunebengewerbes und trage damit der Bedeutung des Warensortiments für die weiter ungehinderte Grundversorgung Rechnung. Mit §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 sei hinsichtlich der Gartenmärkte auch deren Bedeutung für Verrichtungen des täglichen Lebens Rechnung getragen worden.

Indem für die in §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 genannten Betriebe (Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte) weder die Größenbeschränkung von 400 m2 noch die in §2 Abs6 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 für sonstige Betriebsstätten des Handels geregelte Einschränkung auf 20 m2 Gesamtverkaufsfläche pro Kunde gelte, lasse die Verordnung bei diesen Betriebsstätten, wie bei sämtlichen des §2 Abs1 der Verordnung, eine erhöhte Kundenfrequenz zu. Die sachliche Rechtfertigung dafür liege in der Bedeutung der Waren oder Dienstleistungen für die Grundversorgung bzw für Verrichtungen des täglichen Lebens. Die Erfahrungen aus anderen EU‑Mitgliedstaaten (insbesondere aus Italien) zu Beginn der Maßnahmen, aber auch in Österreich, hätten gezeigt, dass es bei Einschränkungen in diesen Bereichen besonderer Vorsicht bedürfe, zumal alleine die Befürchtung von Beschränkungen in der Bevölkerung den gegenteiligen Effekt eines Kundenandranges ("Hamsterkäufe") auslöse. Eine Einschränkung der erlaubten Kundenzahl im Bereich der kritischen Infrastruktur stünde damit aber im diametralen Gegensatz zum Ziel der Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19.

4.4. Schließlich sei es zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 auch sachlich gerechtfertigt, dass sonstigen Betriebsstätten des Handels über 400 m2 Kundenbereich eine entsprechende bauliche Verkleinerung und damit eine Gleichstellung mit den sonstigen Betriebsstätten des Handels nicht möglich sei. Größere Betriebsstätten würden mehr Kunden anziehen als kleine. Ihre Anziehungskraft verringere sich aber nicht dadurch, dass der Kundenbereich verkleinert werde. Eine solche Verkleinerungsmöglichkeit schaffe für den Inhaber der Betriebsstätte zwei Möglichkeiten: Er könne entweder sein Produktsortiment belassen wie es ist, und nur den Kundenbereich verkleinern, oder er verkleinere sein Produktsortiment entsprechend. Im ersten Fall könne eine derartige Verkleinerung zu unerwünschten Kundenstaus vor den Betriebsstätten ("Nadelöhrsituation" an den Eingangsbereichen) führen, was im Gegensatz zum verfolgten Ziel der Eindämmung der persönlichen Kontakte stehe. Im zweiten Fall sei zu bedenken, dass Kunden größere Betriebsstätten in Erwartung eines bestimmten Sortiments aufsuchten, dessen Bereitstellung bei Verkleinerung des Kundenbereiches nicht in seinem vollen Umfang gewährleistet werde. Auch die fehlende Vorhersehbarkeit des tatsächlich angebotenen Warenumfanges sei ein Faktor zur unnötigen Erhöhung der Kundenfrequenz, wenn die Erwartungen des Kunden an das Produktsortiment enttäuscht würden.

5. Die COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 und damit die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 dieser Verordnung haben ihre Rechtsgrundlage in §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz. Diese Gesetzesbestimmung ermächtigt den BMSGPK beim Auftreten von COVID‑19 insbesondere dazu, durch Verordnung "das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten" (vgl demgegenüber §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz) zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen zu untersagen, "soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen." Der letzte Satz des §1 des COVID‑19-Maßnahmengesetzes ist dieser Bestimmung mit BGBl I 23/2020 (in Kraft getreten am 5. April 2020, siehe §4 Abs5 COVID‑19-Maßnahmengesetz, idF BGBl I 23/2020) angefügt worden.

Diese Verordnungsermächtigung determiniert den BMSGPK als verordnungserlassende Behörde in mehrfacher Hinsicht:

5.1. Das COVID‑19-Maßnahmengesetz ist eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine krisenhafte Situation durch das Auftreten des Coronavirus SARS-CoV-2 und die dadurch ausgelöste Coronavirus-Krankheit COVID‑19. Betretungsverbote für Betriebsstätten nach §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz haben – gemeinsam mit einer Reihe weiterer staatlicher Maßnahmen in unterschiedlichen Rechtsformen und auf unterschiedlichen Ebenen – den Gesundheitsschutz durch Schutz der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur zum Ziel.

Krisenhafte Situationen wie die vorliegende sind dadurch gekennzeichnet, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Ursache, Auswirkungen und Verbreitung der Krankheit unter erheblichem Zeitdruck und insofern unter Unsicherheitsbedingungen getroffen werden müssen, als Wissen darüber zu einem großen Teil erst nach und nach gewonnen werden kann und Auswirkungen wie Verbreitung von COVID‑19 notwendig einer Prognose unterliegen.

Auch in solchen Situationen leitet, wie sonst, die Bundesverfassung Gesetzgebung und Verwaltung bei Maßnahmen zu ihrer Bewältigung insbesondere durch das Legalitätsprinzip des Art18 B‑VG sowie die durch ein System verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte gebildete Grundrechtsordnung. Das Legalitätsprinzip stellt Anforderungen an die gesetzliche Bindung der Verwaltung bei ihren Maßnahmen zur Krisenbekämpfung. Die Grundrechtsordnung gewährleistet, dass in den notwendigen Abwägungsprozessen mit öffentlichen Interessen die in einer liberalen Verfassungsordnung wesentlichen Interessen des Einzelnen berücksichtigt und die beteiligten Interessen angemessen ausgeglichen werden, auch wenn, wie in der vorliegenden Situation, die öffentlichen Interessen auf grundrechtlich geschützten Interessen basieren, die den Staat auch zum Handeln verpflichten.

5.2. Nach Art18 Abs2 B‑VG kann der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber Abwägungs- und Prognosespielräume einräumen und, solange die wesentlichen Zielsetzungen, die das Verwaltungshandeln leiten sollen, der Verordnungsermächtigung in ihrem Gesamtzusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sind, die situationsbezogene Konkretisierung des Gesetzes dem Verordnungsgeber überlassen (vgl VfSlg 15.765/2000). Es kommt auf die zu regelnde Sache und den Regelungszusammenhang an, welche Determinierungsanforderungen die Verfassung an den Gesetzgeber stellt (VfSlg 19.899/2014 mwN). In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof auch mehrfach ausgesprochen, dass der Grundsatz der Vorherbestimmung verwaltungsbehördlichen Handelns nicht in Fällen überspannt werden darf, in denen ein rascher Zugriff und die Berücksichtigung vielfältiger örtlicher und zeitlicher Verschiedenheiten für eine sinnvolle und wirksame Regelung wesensnotwendig sind, womit auch eine zweckbezogene Determinierung des Verordnungsgebers durch unbestimmte Gesetzesbegriffe und generalklauselartige Regelungen zulässig ist (vgl VfSlg 17.348/2004 mwN). Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass in einschlägigen Konstellationen der Normzweck auch gebieten kann, dass eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung dringend erforderliche – unter Umständen unter erleichterten Voraussetzungen zustande gekommene – Maßnahme dann rechtswidrig wird und aufzuheben ist, wenn der Grund für die Erlassung fortfällt (siehe VfSlg 15.765/2000).

Überlässt der Gesetzgeber im Hinblick auf bestimmte tatsächliche Entwicklungen dem Verordnungsgeber die Entscheidung, welche aus einer Reihe möglicher, unterschiedlich weit gehender, aber jeweils Grundrechte auch intensiv einschränkender Maßnahmen er seiner Prognose zufolge und in Abwägung der betroffenen Interessen für erforderlich hält, hat der Verordnungsgeber seine Entscheidung auf dem in der konkreten Situation zeitlich und sachlich möglichen (vgl VfSlg 15.765/2000) und zumutbaren Informationsstand über die relevanten Umstände, auf die das Gesetz maßgeblich abstellt, und nach Durchführung der gebotenen Interessenabwägung zu treffen. Dabei muss er diese Umstände ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren entsprechend festhalten, um eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu gewährleisten (darauf hat der Verfassungsgerichtshof bereits in mehrfachem Zusammenhang abgestellt, vgl VfSlg 11.972/1989, 17.161/2004, 20.095/2016). Determiniert das Gesetz die Verordnung inhaltlich nicht so, dass der Verordnungsinhalt im Wesentlichen aus dem Gesetz folgt, sondern öffnet die Spielräume für die Verwaltung so weit, dass ganz unterschiedliche Verordnungsinhalte aus dem Gesetz folgen können, muss der Verordnungsgeber die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände entsprechend ermitteln und dies im Verordnungserlassungsverfahren auch nachvollziehbar festhalten, sodass nachgeprüft werden kann, ob die konkrete Verordnungsregelung dem Gesetz in der konkreten Situation entspricht (das ist der Kern der Judikatur, derzufolge das Gesetz in einem Ausmaß bestimmt sein muss, "daß jeglicher Vollziehungsakt am Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit hin gemessen werden kann", siehe zB VfSlg 12.133/1989). Insofern unterscheiden sich demokratische Gesetzgebung und generell abstrakte Rechtssetzung durch die Verwaltung im Wege von Verordnungen nach Art18 Abs2 B‑VG. Die Determinierungswirkungen und damit die rechtsstaatliche und demokratische Bestimmung des Verordnungsgebers durch Art18 Abs2 B‑VG zielen auf eine entsprechende Bindung bei der konkreten Verordnungserlassung ab.

5.3. Vor diesem Hintergrund hegt der Verfassungsgerichtshof angesichts des Anlasses und des Kontextes, in dem der Gesetzgeber diese Regelung getroffen hat, keine Bedenken gegen §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz im Hinblick auf Art18 Abs2 B‑VG:

Aus dem Regelungszusammenhang insbesondere mit §2 COVID‑19-Maßnahmengesetz geht die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzgebers hervor, durch Betretungsverbote für Betriebsstätten die persönlichen Kontakte von Menschen einzudämmen, die damit verbunden sind, wenn Menschen die Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen aufsuchen. Damit gibt das Gesetz den Zweck der Betretungsverbote konkret vor. Weiters ordnet das Gesetz an, dass der Verordnungsgeber diese Betretungsverbote im Hinblick auf den Zweck der Maßnahme nach Art und Ausmaß differenziert auszugestalten hat, je nachdem, inwieweit er es in einer Gesamtabwägung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 für erforderlich hält, das Betreten von Betriebsstätten oder nur von bestimmten Betriebsstätten zu untersagen, oder deren Betreten unter bestimmte Voraussetzungen oder Auflagen zu stellen. Damit überträgt der Gesetzgeber dem BMSGPK einen Einschätzungs- und Prognosespielraum, ob und wieweit er zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 auch erhebliche Grundrechtsbeschränkungen für erforderlich hält, womit der Verordnungsgeber seine Entscheidung als Ergebnis einer Abwägung mit den einschlägigen grundrechtlich geschützten Interessen der betroffenen Unternehmen, ihrer Arbeitnehmer und Kunden zu treffen hat. Der Verordnungsgeber muss also in Ansehung des Standes und der Ausbreitung von COVID‑19 notwendig prognosehaft beurteilen, inwieweit in Aussicht genommene Betretungsverbote oder Betretungsbeschränkungen von Betriebsstätten zur Verhinderung der Verbreitung von COVID‑19 geeignete (der Zielerreichung dienliche) erforderliche (gegenläufige Interessen weniger beschränkend und zugleich weniger effektiv nicht mögliche) und insgesamt angemessene (nicht hinnehmbare Grundrechtseinschränkungen ausschließende) Maßnahmen darstellen.

Der Einschätzungs- und Prognosespielraum des Verordnungsgebers umfasst insoweit auch die zeitliche Dimension dahingehend, dass ein schrittweises, nicht vollständig abschätzbare Auswirkungen beobachtendes und entsprechend wiederum durch neue Maßnahmen reagierendes Vorgehen von der gesetzlichen Ermächtigung des §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz vorgesehen und auch gefordert ist.

Angesichts der damit inhaltlich weitreichenden Ermächtigung des Verordnungsgebers verpflichtet §1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz vor dem Hintergrund des Art18 Abs2 B‑VG den Verordnungsgeber im einschlägigen Zusammenhang auch, die Wahrnehmung seines Entscheidungsspielraums im Lichte der gesetzlichen Zielsetzungen insoweit nachvollziehbar zu machen, als er im Verordnungserlassungsverfahren festhält, auf welcher Informationsbasis über die nach dem Gesetz maßgeblichen Umstände die Verordnungsentscheidung fußt und die gesetzlich vorgegebene Abwägungsentscheidung erfolgt ist. Die diesbezüglichen Anforderungen dürfen naturgemäß nicht überspannt werden, sie bestimmen sich maßgeblich danach, was in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist. Auch in diesem Zusammenhang kommt dem Zeitfaktor entsprechende Bedeutung zu.

All dies hat der Verfassungsgerichtshof bei seiner Prüfung, ob der Bundesminister den gesetzlichen Vorgaben bei Erlassung der angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19‑Maßnahmenverordnung‑96 entsprochen hat, zu berücksichtigen. Damit ist für die Beurteilung des Verfassungsgerichtshofes insoweit der Zeitpunkt der Erlassung der entsprechenden Verordnungsbestimmungen und die diesen zugrunde liegende aktenmäßige Dokumentation maßgeblich.

Dass es damit dafür, ob die angefochtenen Verordnungsbestimmungen mit den Zielsetzungen des §1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz im Einklang stehen, auch auf die Einhaltung bestimmter Anforderungen der aktenmäßigen Dokumentation im Verfahren der Verordnungserlassung ankommt, ist kein Selbstzweck. Auch in Situationen, die deswegen krisenhaft sind, weil für ihre Bewältigung entsprechende Routinen fehlen, und in denen der Verwaltung zur Abwehr der Gefahr gesetzlich erhebliche Spielräume eingeräumt sind, kommt solchen Anforderungen eine wichtige, die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns sichernde Funktion zu.

6. Als Grundlagen für die Erlassung (unter anderem) der angefochtenen Bestimmungen der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 finden sich in den – vom BMSGPK in den zu den Zahlen V350-354/2020 geführten Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegten und ausdrücklich auch für das vorliegende Verfahren für maßgeblich erklärten – Verordnungsakten nachstehende Unterlagen und Angaben:

In dem vom BMSGPK vorgelegten Verwaltungsakt, der der Erlassung der (Stammfassung der) COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96, BGBl II 96/2020 vom 15. März 2020, zugrunde liegt, wird unter der Rubrik "Sachverhalt" ausgeführt: "Die BReg hat auf Grund der aktuellen Situ[at]ion beschlossen, das Betreten von Geschäften ab MO 16.3. (mit Ausnahmen) zu verbieten, und den Betrieb von GastroUnternehmen mit 17.3.2020". Darüber hinaus finden sich in diesem Verwaltungsakt keine weiteren, im Hinblick auf die gesetzliche Grundlage des §1 COVID‑19‑Maßnahmengesetz relevanten Ausführungen oder Unterlagen.

In dem vom BMSGPK vorgelegten Verwaltungsakt, der der Änderung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 mit der Verordnung BGBl II 151/2020 (vom 9. April 2020) zugrunde liegt, erliegt zunächst ein dreiseitiges "Briefing-Papier PK 6.4.2020", das unter der Überschrift "Weiterer Fahrplan Corona‑Krise" allgemein schlagwortartig "Regelungen und Vorgehen bis Ostern" auflistet. Unter der Überschrift "Handel und Dienstleistungen" finden sich in diesem Papier – teilweise ergänzt durch kurze handschriftliche Anmerkungen – folgende Angaben (ohne Hervorhebungen im Original):

"• Ab 14.4. können kleine Geschäftslokale für den Verkauf von Waren und Handwerksbetriebe wieder unter den folgenden Bedingungen öffnen:

o Max. 400m2 Verkaufsfläche

o Nur 1 Kunde pro 20 m2

o Sicherstellen der maximalen Kapazität durch Einlasskontrolle

o Kunden und Mitarbeiter müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen

o Regelmäßiges Desinfizieren muss sichergestellt werden

• Bau- und Gartenmärkte können auch bereits ab 14.4. aufsperren unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche – die weiteren Auflagen gelten selbstverständlich auch in diesem Bereich

• Die 400 m2 Grenze gilt für die gesamte Fläche von Einkaufszentren

• Ab 1. Mai können alle Geschäfte für den Verkauf von Waren sowie Friseure unter strengen Auflagen öffnen.

• Alle anderen Dienstleistungsbereiche inkl. Hotels und Gastronomie werden bis Ende April evaluiert mit dem Ziel ab Mitte Mai eine stufenweise Öffnung zu ermöglichen."

Es folgen vergleichbare Angaben zum "Bildungsbereich", zu "Veranstaltungen", zu "Begleitende[n] Maßnahmen", zu "Ausgangsbeschränkungen", zur "Ausweitung der 'Maskenpflicht'", zur "Containment‑Strategie" und zum "Besondere[n] Schutz der Risikogruppen".

In der Folge enthält der Verordnungsakt unter der Rubrik "Sachverhalt" und dem Betreff "Änderung der VO 96/2020 (vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID 19[)]" folgenden Eintrag:

"Auf Basis dieses Briefing‑Papiers wurde am 7.4.2020 unter Beteiligung des BMI‑SKKM‑S7, Verfassungsdienstes […] sowie […] eine Fassung ausgearbeitet, die der regierungsinternen Koordinierung zugeführt wird.

Nach Einarbeitung der Anmerkungen wäre nunmehr überarbeitete[r] Entwurf der Unterfertigung durch HBM und der Kundmachung zuzuleiten."

Daran schließen sich drei Entwürfe (vom 6. April 2020, vom 8. April 2020 und vom 9. April 2020) und ein finaler Entwurf (ebenfalls vom 9. April 2020) für die Verordnung zur Änderung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96. Aus den im Änderungsmodus kenntlich gemachten Änderungen in den Verordnungsentwürfen ist Folgendes ersichtlich: Ursprünglich (Entwürfe vom 6. April 2020 und vom 8. April 2020) hatte der geplante §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 einen Inhalt, demzufolge für sämtliche Betriebe, also sowohl diejenigen nach §2 Abs1 (systemrelevante Betriebe) als auch sonstige Handelsbetriebe gemäß §2 Abs4 der Verordnung, die Beschränkung auf einen Kunden pro 20 m2 gelten sollte. Im Entwurf vom 9. April 2020 (und im finalen Entwurf) findet sich dann die kundgemachte Fassung, derzufolge diese Regelung nur für sonstige Betriebsstätten des Handels nach §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 gilt.

Erstmals im Entwurf vom 9. April 2020 ist auch vorgesehen, dass nicht nur – wie nach dem Entwurf vom 8. April 2020 – "Bau- und Gartenmärkte" nach §2 Abs1 der Verordnung ausgenommen sein sollen, sondern "Bau-, Baustoff-, Eisen-, Hartwaren-, Holz- und Gartenmärkte" bzw in der finalen Fassung "Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte".

Auf den Stand oder mögliche Entwicklungsszenarien von COVID‑19 bezugnehmende und die (in Aussicht genommenen) Maßnahmen dazu und zu den sonstigen zu berücksichtigenden Interessen in Beziehung setzende Unterlagen oder Angaben finden sich, mit Ausnahme des Hinweises auf die "Koordinierung", nicht.

7. Damit genügen die angefochtenen Bestimmungen des §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 den Vorgaben des §1 COVID‑19-Maßnahmengesetz zunächst schon aus diesem Grund nicht:

Die Entscheidungsgrundlagen, die im Verordnungsakt zur Änderung der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 mit BGBl II 151/2020 dokumentiert sind, beschränken sich auf ein Papier zum "Weitere[n] Fahrplan Corona-Krise", das schlagwortartig eine Reihe zu treffender Maßnahmen aufzählt und dabei auch die hier in Rede stehenden Maßnahmen erwähnt. Unterlagen oder Hinweise, die die Umstände der zu erlassenden Regelungen betreffen, fehlen im Verordnungsakt gänzlich. Es ist aus dem Verordnungsakt nicht ersichtlich, welche Umstände im Hinblick auf welche möglichen Entwicklungen von COVID‑19 den Verordnungsgeber insbesondere bei seiner Entscheidung hinsichtlich der 400 m2-Grenze oder der unterschiedlichen Voraussetzungen für das Betreten sonstiger Handelsstätten und der in §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 genannten Bereiche geleitet haben.

8. Zu dem Vorstehenden tritt hinzu, dass die angefochtenen Regelungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 weiters deswegen gegen §1 COVID-19-Maßnahmengesetz verstoßen, weil eine sachliche Rechtfertigung dafür fehlt, das Betretungsverbot für Betriebsstätten, deren Kundenbereich über 400 m2 beträgt, aufrechtzuerhalten, wenn gleichzeitig durch §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl II 151/2020 vergleichbare Betriebsstätten vom Betretungsverbot des §1 der Verordnung ausgenommen werden, und zwar noch dazu ohne die in §2 Abs6 der Verordnung genannten Maßnahmen zur Hintanhaltung persönlicher Kontakte der Kunden im Kundenbereich auch für diese Betriebsstätten vorzusehen:

8.1. Nach §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung-96 gilt das Betretungsverbot für den Kundenbereich von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen gemäß §1 der Verordnung nicht für die Bereiche der "Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Bau- und Gartenmärkte". Deren Betriebsstätten sind vom Betretungsverbot ausgenommen, ungeachtet der Größe ihres Kundenbereiches im Inneren (wobei im Verfahren unbestritten geblieben ist, dass typischerweise insbesondere Bau- und Gartenmärkte einen Kundenbereich über der im zweiten Halbsatz des §2 Abs4 erster Satz der Verordnung genannten Grenze von 400 m² aufweisen) und ohne dass der Betreiber – wie das nach §2 Abs6 der Verordnung für Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren maximal 400 m² beträgt, vorgesehen ist – durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen hätte, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m² der Gesamtverkaufsfläche zur Verfügung stehen (wobei dann, wenn der Kundenbereich kleiner als 20 m² ist, jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten dürfte).

Auch wenn es grundsätzlich, worauf der BMSGPK in seiner Äußerung hinweist, im Zuge einer schrittweisen Lockerung angesichts einer bestimmten Entwicklung der Verbreitung von COVID‑19 mit §1 COVID-19-Maßnahmengesetz durchaus vereinbar sein mag, Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren über 400 m² beträgt, deswegen, anders als solche Betriebsstätten mit einem Kundenbereich unter 400 m², (noch) nicht vom Betretungsverbot auszunehmen, weil es auch auf das Verkehrsaufkommen durch Menschen ankommt, die derartige Betriebsstätten aufsuchen, so besteht doch keine sachliche Rechtfertigung dafür, diesen Aspekt für in dieser Hinsicht vergleichbare Betriebsstätten insbesondere von Bau- und Gartenmärkten außer Acht zu lassen und diese damit anders zu behandeln. Wenn der BMSGPK auf die Zulieferfunktion für das Baunebengewerbe und damit auf wesentliche Infrastrukturbereiche verweist, so ist ihm entgegenzuhalten, dass §2 Abs1 Z22 COVID‑19-Maßnahmenverordnung-96 selbst zwischen Baustoff-, Eisen- und Holzhandel und Baumärkten, die typischerweise vor allem auf Endverbraucher abzielen, differenziert. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch nicht zu erkennen, dass etwa Gartenmärkte für Verrichtungen des täglichen Lebens eine vergleichbare Bedeutung hätten, wie sie, worauf der BMSGPK verweist, die in §2 Abs1 Z9 der Verordnung genannten Bereiche des Verkaufs und der Wartung von Sicherheits- und Notfallprodukten haben. Schließlich sind auch keine Umstände ersichtlich, dass – anders, als dies für zur Grundversorgung bzw für Verrichtungen des täglichen Lebens erforderliche Waren und Dienstleistungen etwa der Z2 (Lebensmittelhandel) und 3 (Drogerien und Drogeriemärkte) des §2 Abs1 der COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 der Fall sein mag – für die in §2 Abs1 Z22 der Verordnung genannten Bau- und Gartenmärkte allenfalls angeordnete Betretungsbeschränkungen zur Sicherstellung eines Abstandsgebotes, wie sie §2 Abs6 der Verordnung vorsieht, in der Bevölkerung geradezu den gegenteiligen Effekt eines Kundenandranges auslösen würden.

8.2. Die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 erweisen sich daher auch deswegen, weil sie ihrer gesetzlichen Grundlage einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen, als verfassungs- und damit gesetzwidrig.

9. Die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 verstoßen also gegen §1 COVID-19-Maßnahmengesetz, weil es erstens der Verordnungsgeber gänzlich unterlassen hat, jene Umstände, die ihn bei der Verordnungserlassung bestimmt haben, so festzuhalten, dass entsprechend nachvollziehbar ist, warum der Verordnungsgeber die mit dieser Regelung getroffenen Maßnahmen für erforderlich gehalten hat. Die angefochtenen Regelungen verstoßen zweitens auch deswegen gegen §1 COVID-19-Maßnahmengesetz, weil sie zwischen Betriebsstätten des Handels, deren Kundenbereich im Inneren über 400 m² beträgt, und insbesondere Bau- und Gartenmärkten im Sinne des §2 Abs1 Z22 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 unsachlich differenzieren. Es ist daher festzustellen, dass die angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 gesetzwidrig waren.

10. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Die Gesetzwidrigkeit trifft in den angefochtenen Bestimmungen den zweiten Halbsatz des ersten Satzes und den vierten Satz des §2 Abs4 der COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96. Mit der Feststellung, dass diese Bestimmungen gesetzwidrig waren, ist dem Anbringen der antragstellenden Partei Rechnung getragen, sodass sich der Verfassungsgerichtshof auf einen dahingehenden Ausspruch beschränken kann. Der dritte Satz verbleibt mit dem ersten Halbsatz in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 als weder völlig veränderte noch inhaltsleere Regelungseinheit. Angesichts des Entstehungs- und Regelungszusammenhanges der als gesetzwidrig festgestellten Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 im Gesamtkontext der Verordnung BGBl II 151/2020 wird dem Verordnungsgeber durch die Feststellung, dass die konkret angefochtenen Bestimmungen in §2 Abs4 COVID‑19-Maßnahmenverordnung‑96 gesetzwidrig waren, auch kein unvertretbarer oder ihm nicht zusinnbarer (verbleibender) Regelungsinhalt unterstellt.

V. Ergebnis

1. §2 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 ist durch §13 Abs2 Z1 COVID‑19-Lockerungsverordnung, BGBl II 197/2020, mit Ablauf des 30. April 2020 außer Kraft getreten. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher gemäß Art139 Abs4 B‑VG auf die Feststellung zu beschränken, dass die Wortfolge ", wenn der Kundenbereich im Inneren maximal 400 m2 beträgt" sowie der vierte Satz – "Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben." – in §2 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl II 96/2020, idF BGBl II 151/2020 gesetzwidrig waren.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

2. Der Ausspruch, dass die unter Punkt 1. genannte Wortfolge sowie der vierte Satz in §2 Abs4 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht mehr anzuwenden sind, stützt sich auf Art139 Abs6 zweiter Satz B‑VG.

3. Die Verpflichtung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B‑VG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VfGG. Da die antragstellende Partei mit ihrem Begehren im Wesentlichen obsiegt hat, war ihr der Pauschalsatz in voller Höhe zuzusprechen (vgl VfSlg 16.733/2002). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,– enthalten.

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