VfGH E1279/2015

VfGHE1279/20157.10.2015

Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde wegen behaupteter Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrechtmäßiger Verweigerung einer Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht; Fragen der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte - im Hinblick auf die seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 bestehende Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten zwischen Verwaltungsgerichten - dem VwGH zur Klärung überlassen

Normen

B-VG Art83 Abs2, Art133 Abs1 Z3, Art144 Abs2
VwGG §71
B-VG Art83 Abs2, Art133 Abs1 Z3, Art144 Abs2
VwGG §71

 

Spruch:

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 und 4 B‑VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde macht zunächst geltend, das Bundesverwaltungsgericht hätte zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, weil es den Inhalt der seine Zuständigkeit bestimmenden Vorschrift des Art131 B‑VG verkannt, seine Zuständigkeit damit zu Unrecht verneint und somit die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B‑VG verletzt habe. Dieses Vorbringen vermag aus folgender Überlegung keinen vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Verstoß gegen das genannte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht aufzuzeigen:

Gemäß Art133 Abs1 Z3 B‑VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsgerichten (oder über solche zwischen einem Verwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof selbst). Gemäß §71 VwGG sind im Verfahren zur Entscheidung solcher Kompetenzkonflikte die §§43 bis 46, 48, 49, 51 und 52 VfGG sinngemäß anzuwenden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe VwGH 18.2.2015, Ko 2015/03/0001; 30.6.2015, Ko 2015/03/0002) unterscheiden sich Kompetenzkonflikte nach Art133 Abs1 Z3 B‑VG allerdings von denjenigen Kompetenzstreitigkeiten, die der Verfassungsgerichtshof insbesondere nach Art138 Abs1 Z1 und Z2 B‑VG zu entscheiden hat. Bei den vom Verwaltungsgerichtshof nach Art133 Abs1 Z3 B‑VG zu entscheidenden Kompetenzkonflikten gehe es nicht – wie bei den Kompetenzkonflikten zwischen ordentlichen Gerichten und Verwaltungsbehörden, zu deren Entscheidung der Verfassungsgerichtshof zuständig ist – um die Klärung der Rechtswegzuständigkeit zwischen verschiedenen Vollzugsbereichen, die auch nicht durch eine gemeinsame Oberbehörde (bzw. ein im Instanzenzug übergeordnetes Gericht) sachlich verbunden sind. Vielmehr sei innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu klären, ob ein Verwaltungsgericht (und gegebenenfalls welches) zu Unrecht seine Zuständigkeit abgelehnt habe. Die vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit seien insoweit daher vielmehr mit jenen zu vergleichen, die sich innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ereignen. Dies entspreche auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers, wonach die mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 neu hinzugekommenen Zuständigkeiten des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten "der für die ordentliche Gerichtsbarkeit geltenden Rechtslage" (RV 1618 BlgNR 24. GP , 19) entsprechen sollten.

Davon ausgehend kommt der Verwaltungsgerichtshof – im Anschluss an die vom OGH zum Verfahren nach §47 JN entwickelte Rechtsauffassung (vgl. RIS-Justiz RS 0118692 sowie OGH 31.8.2006, 6 Nc 20/06b) – zu dem Ergebnis, dass, solange die Frage der Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes im Rahmen eines Revisionsverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof bindend beurteilt werden kann oder beurteilt wurde, es einer Entscheidung in einem Verfahren nach Art133 Abs1 Z3 B‑VG iVm §71 VwGG nicht bedarf. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass ein verneinender Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten voraussetzt, dass die betroffenen Gerichte ihre Zuständigkeit in der gemäß den §§28, 31 VwGVG vorgesehenen Form mit förmlichem Beschluss abgelehnt haben. Gegen derartige Beschlüsse könne – bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art133 Abs4 B‑VG – auch Revision erhoben werden, sodass die Frage der Zuständigkeit gegebenenfalls im Rahmen des Revisionsverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof bindend beurteilt werden könne (VwGH 18.2.2015, Ko 2015/03/0001).

Der Verfassungsgerichtshof entnimmt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser Fragen der Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichtes, die sich aus einem im bisherigen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht deutlich gewordenen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten ergeben, im Zuge einer bei ihm anhängig gemachten Revision aufgreift (und zwar unabhängig davon, ob die Verwaltungsgerichte die ordentliche Revision zugelassen haben, siehe VwGH 30.6.2015, Ko 2015/03/0002, wo gegen konkurrierende Beschlüsse von Verwaltungsgerichten außerordentliche Revision erhoben worden ist und der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich davon ausgeht, dass "auf diesem Weg eine Klärung des Kompetenzkonfliktes herbeigeführt werden kann"). Vor diesem Hintergrund geht der Verfassungsgerichtshof mit Blick auf Art133 Abs1 Z3 iVm Art83 Abs2 und Art144 Abs2 B‑VG davon aus, dass solche Fragen der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte dem Verwaltungsgerichtshof zur Klärung überlassen werden können.

Soweit die Beschwerde weiters dem Bundesverwaltungsgericht im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes eine willkürliche Vorgangsweise vorwirft, vermag sie im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes aufzuzeigen. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung den Verfahrensgegenstand unrichtig bezeichnet hat, nicht anzustellen (vgl. zur Umdeutung eines Spruches im Übrigen etwa VwGH 11.7.2014, 2012/17/0176).

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 und 4 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte