§ 295 Abs. 1 BAO räumt kein Antragsrecht ein; Zurückweisung mangels Antragslegitimation
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des verstorbenen Bw, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, betreffend Abweisung eines Antrages auf Abänderung des Bescheides bezüglich Einkommensteuer 1989 gemäß § 295 Abs. 1 BAO, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag zurückgewiesen wird.
Entscheidungsgründe
Vorliegender Berufungsfall gehört zu jenen Fällen, zu denen der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis VwGH 26.02.2013, 2010/15/0064, eine Grundsatzentscheidung getroffen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit diesem Erkenntnis zu Recht erkannt hat, dass mit Berufungsentscheidung UFS 13.05.2009, RV/0058-S/09, miterledigt RV/0189-S/09, die Berufungen gegen einen Bescheid, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer 1989 gemäß § 303 Abs 1 BAO, und gegen einen Bescheid, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Änderung des Bescheides Einkommensteuer 1989 gem. § 295 Abs. 1 BAO, zu Recht als unbegründet abgewiesen worden waren.
Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfragen, ob die Qualifikation als Nichtbescheid im Grundlagenverfahren durch den VwGH im abgeleiteten Einkommensteuerverfahren als eine neue Tatsache gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO anzusehen ist, wozu das BMF eine bejahende Rechtsauskunft erteilt hatte, ob die Frist des § 303 Abs. 2 BAO gewahrt bzw. zu welchem Zeitpunkt sie in Lauf gesetzt wurde und ob § 295 Abs. 1 BAO eine Antragslegitimation einräumt, beantwortet. Nicht Gegenstand der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsfrage, ob absolute Verjährung gemäß § 304 BAO iVm § 209a BAO eingetreten ist.
Der Beschwerdeführer des genannten Erkenntnisses und der Berufungswerber (Bw) gegenständlichen Berufungsverfahrens waren im Jahr 1989 als unechte stille Gesellschafter Mitunternehmer an der MU.
In gegenständlichem Berufungsfall interessiert nur die Entscheidung über den auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Antrag.
Der Bw verstirbt im Mai 2011. Nach dem Einantwortungsbeschluss vom 14.Oktober 2011 wird die Verlassenschaft nach Abgabe einer unbedingten Erbantrittserklärung der erblichen Witwe, X, zur Gänze eingeantwortet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach dem Parteienvorbringen und der Aktenlage steht folgender Sachverhalt fest:
Der gem. § 188 BAO erlassene Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von gewerblichen Einkünften für das Jahr 1989 vom 28. März 1991 war zunächst erklärungskonform erlassen worden und wurde in der Folge im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen durch den neuen Feststellungsbescheid 1989 vom 10. Februar 1997 ersetzt.
Aufgrund des neuen Feststellungsbescheides 1989 änderte die Amtspartei den zuletzt gültigen Einkommensteuerbescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO mit Bescheid vom 24. April 1997 ab, der unangefochten in Rechtskraft erwuchs.
Gegen den neuen Feststellungsbescheid wurde zunächst Berufung an die zuständige Finanzlandesdirektion, die den angefochtenen Bescheid bestätigt hat, und sodann Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. Mit Beschluss des VwGH 27.02.2008, 2002/13/0224, wurde die Beschwerde zurückgewiesen. Der VwGH folgte mit dem Beschluss dem Beschwerdevorbringen, dass der neu erlassene Feststellungsbescheid 1989 vom 10.02.1997 mangels gültigen Bescheidadressaten (insbes. Nennung verstorbener Beteiligter) nicht rechtswirksam erlassen worden war und damit nicht Bescheidqualität erlangt hat. Diesem Erkenntnis folgend wurde die gegen den neuen F-Bescheid gerichtete Berufung vom für das F-Verfahren zuständigen Finanzamt zurückgewiesen. Der Einwand der Nichtigkeit aus diesem Grund war bereits Berufungsbegehren.
Es hat sich also rückwirkend herausgestellt, dass dem formell rechtskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid vom 24. April 1997 im Grundlagenverfahren ein Nichtbescheid zu Grunde gelegt worden war.
Der Bw begehrt zunächst die Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer 1989 gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO. Die gegen den diesbezüglich ergangenen Zurückweisungsbescheid mit Schriftsatz vom 7. Oktober erhobene Berufung 2008 wird wegen Versäumnis der Rechtsmittelfrist bescheidmäßig zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober.2008 wird auch ein Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO eingebracht, der mit Bescheid vom 9. Jänner 2009 als unbegründet abgewiesen wird. Gegen diesen Bescheid beruft der Bw mit Schriftsatz vom 27. Jänner 2009 und geht darin ebenfalls auf die Sache ein.
Rechtsgrundlagen:
1. Gesamtrechtsnachfolge:
Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) liegt insbesondere bei Erbfolge (§ 547 ABGB) vor. Wer Erbe ist, ergibt sich aus den Feststellungen in der Einantwortungsurkunde, die für die Abgabenbehörden in Bezug auf die Feststellung der Erbenqualität bindend ist. Der unbedingt erbserklärte Erbe kann nach Einantwortung grundsätzlich unbeschränkt für Abgabenschulden des Erblassers in Anspruch genommen werden (Ritz, BAO4, § 19, Tz4, 9. und 10, mwN).
Aufgrund des vorgelegten Einantwortungsbeschlusses setzt die erbliche Witwe im Wege der Gesamtrechtnachfolge die Rechtsperson des verstorbenen Bw fort, weshalb der Bescheid an sie als Erbin nach dem verstorbenen Bw zu adressieren ist.
2. Antrag auf Bescheidabänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO
Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er gemäß § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. [...].
rechtliche Beurteilung:
§ 295 Abs 1 BAO räumt dem Abgabepflichtigen kein subjektives Recht zur Stellung eines Antrages ein (arg. von Amts wegen). Leg. cit. bindet ausschließlich die Abgabenbehörde. Ein auf diese Norm gestützter Antrag ist folglich mangels Antragslegitimation zurückzuweisen. Die Unzulässigkeit eines solchen Antrages besteht unabhängig vom Eintritt der (absoluten) Verjährung. Ein amtswegiges Verfahren gem. § 295 Abs. 1 BAO kann auf Parteieninitiative durch einen Devolutionsantrag in Gang gesetzt werden (UFS 23.04.2012, RV/2107-W/11), wodurch Rechtsschutz gewahrt ist.
Diese Rechtsansicht hat auch der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis VwGH26.02.2013, 2010/15/0064, geteilt.
Da Unzulässigkeitsgründe vorrangig wahrzunehmen sind, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den im angefochtenen Bescheid angeführten Abweisungsgründungen und dem dazu ins Treffen geführten Berufungsbegehren. Diese Rechtsfrage wäre in einem amtswegigen Verfahren gem. § 295 Abs. 1 BAO Prozessgegenstand (s.o. zum Devolutionsantrag).
Gemäß § 289 Abs. 2 BAO ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz in Fällen, in denen sie in der Sache selbst entscheidet, berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Der Unabhängige Finanzsenat setzt auf Grundlage des § 289 Abs. 2 BAO hinsichtlich Spruch und Begründung die Anschauung, dass § 295 Abs. 1 BAO dem Bw keine Antragslegitimation einräumt und sich folglich der Antrag vom 15.09.2008 auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 Abs. 1 BAO als unzulässig erweist.
Hinweis:
Darüber hinaus ist zu bemerken, dass § 295 Abs. 1 Abs. BAO die nachträgliche (also nach Erlassung des abgeleiteten Bescheides) Abänderung, Aufhebung oder Erlassung eines Grundlagenbescheids zur Voraussetzung hat. Dass ein solcher Bescheid ergangen wäre, wird in der Berufung nicht vorgetragen; vorgetragen wird vielmehr, dass es im Grundlagenverfahren gar keinen Feststellungsbescheid gebe.
Die im Schriftsatz vom 7.10.2008 vertretene Rechtsansicht, im Grundlagenverfahren sei die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO nie bescheidmäßig erledigt worden, erscheint angesichts des weiteren Berufungsbegehrens unschlüssig, denn im Wiederaufnahmsantrag nennt der Bw einen Grundlagenbescheid für das Jahr 1989 vom 28.03.1991, sodann wird von Betriebsprüfung und Bescheiden bezüglich Wiederaufnahme und neuem Grundlagenbescheid im Jahr 1997 gesprochen.
Unter der wahrscheinlichsten Annahme, dass der die Wiederaufnahme des Grundlagenbescheides vom 28.03.1991 verfügende Bescheid aus dem Jahr 1997 dieselben unheilbaren Mängel im Bescheidadressaten hatte wie der neue Sachbescheid, wird auch der Wiederaufnahmebescheid als ein Nichtbescheid zu beurteilen sein und wird daher dieser die Aufhebung des Grundlagenbescheides 1989 vom 28.03.1991 nicht rechtswirksam verfügt haben können. Damit wäre der Grundlagenbescheid 1989 vom 28.03.1991 niemals aufgehoben worden und gehörte folglich immer dem Rechtsbestand an. Folglich würde der Grundlagenbescheid 1989 vom 28.03.1991 über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften 1989 gem. § 188 BAO bescheidmäßig absprechen.
Wäre die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften 1989 gem. § 188 BAO tatsächlich unerledigt, könnte die neue Rechtslage des § 209a Abs. 4 BAO, id ab 1.9.2011 geltenden Fassung AbgÄG 2011, BGBl. I 2011/764, weiterhelfen.
Weiters entspricht die im Berufungsschriftsatz vom 27.01.2009 vertretene Rechtsansicht, eine Berufung gegen den neu erlassenen Einkommensteuerbescheid wäre bei Nichtigkeit des Grundlagenbescheides gemäß § 252 BAO abgewiesen worden, nicht herrschender Lehre und Rechtsprechung, wozu bereits der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 26.02.2013, 2010/15/0064, Judikate ins Treffen führt, auf die verwiesen werden kann.
Auch der Unabhängige Finanzsenat hat diese Rechtsfrage in UFS 05.12.2012, RV/2507-W/12, ausführlich behandelt. In der Konstellation von Bescheiden niederer und höherer Ordnung ist nicht jede im Grundlagenbescheid wurzelnde Rechtsverletzung Berufungsgegenstand im Grundlagenverfahren. Die Nichtigkeit des Grundlagenbescheides ist in der Berufung gegen den von dem nichtigen Grundlagenbescheid irrtümlich abgeleiteten Bescheid innerhalb dessen Berufungsfrist geltend zu machen. Ebenso ist der Einwand der Verjährung der mit abgeleitetem Bescheid festsetzten Abgaben mit Berufung gegen diesen Bescheid geltend zu machen, und nicht mit Berufung gegen den rechtsgültigen Grundlagenbescheid.
Weiters zeigen auch die vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis 2010/15/0064 angestellten rechtlichen Überlegungen bezüglich § 303 Abs. 1 lit. b iVm § 303 Abs. 2 BAO, dass ein Tätigwerden im abgeleiteten Verfahren im Zeitpunkt der Kenntnis von Tatsachen, dass im Grundlagenverfahren ein Nichtbescheid vorliegt, geboten ist.
Wien, am 10. April 2013
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 19 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 26.02.2013, 2010/15/0064 |