1. Rechtzeitigkeit eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens 2. Antrag auf Erlassung eines gemäß § 295 BAO geänderten Bescheides
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 680/09 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 23.02.2010 abgelehnt.
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0064 eingebracht. Mit Erk. v. 26.2.2013 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., vertreten durch Zobl, Bauer & Partner Wirtschaftsprüfung GmbH, 5020 Salzburg, Mildenburggasse 6, gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt betreffend
● Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 1989 vom 7. August 2008
● Zurückweisung des Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides nach § 295 BAO betreffend Einkommensteuer 1989 vom 22. Jänner 2009
entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 1. August 2008 beantragte der Berufungswerber (Bw.) die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO für den gem. § 295 abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989. Begründend führte er aus, es sei mit Bescheid vom 7. Mai 2008 festgestellt worden, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO vom 10. Februar 1997 mangels gültigem Bescheidadressaten keinen Bescheidcharakter habe und dieser somit keine normative Kraft entfalten könne. Es handle sich um einen Nichtbescheid (VwGH 29.9.1997, 93/17/0042).
Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt gewesen sei, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so könne diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten. Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. Oktober 2005 geteilt. Weiters wies der Bw. darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führe.
Der Bw. führte weiters aus, dass der strittige Feststellungsbescheid vom 10. Februar 1997 zuerst mit Berufung und dann am 12. Dezember 2002 mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft worden sei. Diese Beschwerde sei mit Beschluss zurückgewiesen worden (VwGH 27.2.2008, 2002/13/0225). Daraufhin habe das Finanzamt Wien 6/7/15 den Grundlagenbescheid vom 10. Februar 1997 mangels gültigem Bescheidadressaten zu einem Nichtbescheid erklärt und die Berufung dagegen als unzulässig zurückgewiesen. Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gem. § 295 BAO vom 11. März 1998 bzw. 9. April 1998 sei auf Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen.
Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom 7. August 2008 zurück und begründete dies damit, dass bereits Verjährung eingetreten sei und auch die Frist des § 304 lit. b BAO abgelaufen sei.
In der dagegen eingebrachten Berufung vom 10. September 2008 wandte sich der Bw. mit folgender Begründung gegen diese Rechtsansicht: Er habe sich im Jahr 1989 an der X-AG beteiligt. Hinsichtlich der Einkünfte für 1989 sei am 27. September 1990 eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung abgegeben worden, über die am 24. Mai 1991 erklärungsgemäß abgesprochen worden sei.
Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei dieser Bescheid durch den - schon oben beschriebenen - Feststellungsbescheid vom 10. Februar 1997 ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom 7. Mai 2008 (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden sei, dass er nichtig gewesen sei. Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere seien in dem einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbene Personen angeführt worden. Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch in dem (Erst)Bescheid vom 24. Mai 1991 bereits verstorbene Personen angeführt worden seien. Somit sei auch dieser Bescheid als Nichtbescheid zu qualifizieren, womit über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Damit sei gem. § 209a Abs. 2 BAO Verjährung für 1989 noch nicht eingetreten, weil die Einkommensteuerveranlagung des Bw. mittelbar von der Erledigung der Feststellungserklärung abhänge.
Mit gleichem Schriftsatz brachte der Bw. weiters einen Antrag auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO ein. Auf Grund der Zurückweisungsbescheide müsste die Behörde gemäß § 295 BAO einen neuen abgeleiteten Bescheid erlassen, weil sie den abgeleiteten Bescheid ja rechtswidrig auf Grund eines Nichtbescheides erlassen habe. Als zwingendes Ergebnis des Rechtsmittelverfahrens gegen die nichtigen Bescheide wären somit neue abgeleitete Bescheide zu erlassen. Auch aus diesem Grund könne gemäß § 209a BAO keine Verjährung eingetreten sein, weil der Einkommensteuerbescheid 1989 somit indirekt von der Erledigung einer Berufung abhängig sei. Es werde somit ausdrücklich die Erlassung eines abgeleiteten Bescheides beantragt, der den Rechtszustand wiederherstelle, der vor Erlassung des rechtswidrig abgeleiteten Bescheides bestanden habe.
Mit Bescheid vom 22. Jänner 2009 wies das Finanzamt auch diesen Antrag zurück und führte begründend aus, dass § 295 Abs 1 BAO kein Antragsrecht für den Abgabepflichtigen vorsehe, sondern diese Maßnahme sei ausdrücklich als eine "von Amts wegen" vorzunehmende normiert. Einer amtswegigen Maßnahme gemäß § 295 BAO stünde jedoch die eingetretene absolute Verjährung der Einkommensteuer 1989 entgegen.
Auch aus § 209a BAO könne nichts für die Sache des Bw. gewonnen werden. Denn die Festsetzung der Einkommensteuer 1989 habe nicht von der Erledigung der Berufung gegen den Feststellungsbescheid abgehängt. Denn bei diesem habe es sich um einen rechtlich nicht existenten Bescheid (Nichtbescheid) gehandelt; die Berufungserledigung sei daher nur als Formalentscheidung (Zurückweisung) erfolgt, die somit aber keinen Inhalt iSd § 188 Abs 1 oder Abs 3 BAO gehabt hätte.
Gegen diesen Zurückweisungsbescheid richtet sich die (weitere) Berufung vom 20. Februar 2009 mit folgender Begründung:
Die nachträgliche bescheidmäßige Erledigung, dass der Grundlagenbescheid, der zur Abänderung des Einkommensteuerbescheides geführt habe, in Wahrheit ein Nichtbescheid gewesen sei, sei einer Aufhebung des Grundlagenbescheides gleichzusetzen. Es könne nicht sein, dass "der von einem Nichtbescheid abgeleitete Einkommensteuerbescheid zwar rechtswidrig ergangen ist, dieser aber dann nicht gemäß § 295 wieder aufzuheben ist (vgl. VwGH 24.11.1980, Zl 93/14/0203)." Diese Auslegung würde dem Zweck des § 295 BAO zuwiderlaufen. Denn hätte der Bw. damals gegen den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid berufen, wäre die Berufung gemäß § 252 BAO abgewiesen worden. Auch aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes könne in verfassungskonformer Interpretation § 295 BAO nur derart ausgelegt werden, dass er auch im gegenständlichen Fall anzuwenden sei.
Hinsichtlich Verjährung und Anwendbarkeit des § 209a BAO werde betont, dass auf Ebene des Einkünftefeststellungsverfahrens nicht alleine die Berufung gegen den Nichtbescheid erhoben worden sei, sondern auch die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung aus dem Jahr 1990 noch unerledigt sei und als Antrag im Sinne des § 85 BAO die Verjährung hemme.
Die rechtswidrige Änderung des Einkommensteuerbescheides 1989 aufgrund eines Nichtbescheides könne auch durch einen etwaigen zukünftigen gleichlautenden einheitlichen und gesonderten Feststellungsbescheid nicht saniert werden. Festzuhalten sei noch, dass das zu diesem Thema ergangene VwGH-Erkenntnis 2006/13/0115 vom 19.12.2007 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da noch immer kein rechtsgültiger Feststellungsbescheid für das Jahr 1989 vorliege. Auch sei zu betonen, dass neben den Einkünften auch die Aspekte Verjährung und Aussetzungszinsen zu beachten seien, sodass eine bloße Gleichschaltung der abgeleiteten Bescheide mit den Grundlagenbescheiden zu kurz greife. Es sei ganz einfach nicht akzeptabel, dass rechtswidrige Bescheide für einen Steuerpflichtigen negative materielle Auswirkungen hätten.
Damit seien die Voraussetzungen des § 295 BAO gegeben. Die gebotene amtswegige Änderung des gegenständlichen Einkommensteuerbescheides habe auch dann zu erfolgen, wenn sie sich zu Gunsten des Bw. auswirken würde.
Beide Berufungen wurden vom Finanzamt ohne Erlassung von Berufungsvorentscheidungen dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Sachverhalt:
Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt, der den Akten des Finanzamtes sowie des Unabhängigen Finanzsenats zu entnehmen ist, ist nicht strittig.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gründet auf der Feststellung des Finanzamtes Wien 6/7/15, das mit Bescheid vom 7. Mai 2008 aussprach, dass dem Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte der X-AG für 1989 vom 10. Februar 1997 mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehlt und dieser somit keine normative Kraft entfalten konnte. Dieser Ausspruch des Finanzamtes wurde nicht näher begründet. Dieser Bescheid erging - wie vom Berufungswerber selbst dargestellt - offenbar als Reaktion auf den Beschluss des VwGH vom 27. Februar 2008, 2002/13/0225. Mit diesem sprach das Höchstgericht zur Adressierung der Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Oktober 2002 aus, dass diese Erledigung deshalb kein Bescheid sei, weil sie sich unter anderem an nicht mehr existierende Personen gerichtet hatte.
Die vom Berufungswerber selbst zitierte Beschwerde (VwGH Zl. 2002/13/0225) wurde von insgesamt 976 Beschwerdeführern eingebracht. Der Berufungswerber scheint darin als Beschwerdeführer Nr. xx auf. Dieses Schriftstück wurde am 12. Dezember 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Auf den Seiten 26 bis 30 dieses Schriftstückes wird ausführlich dargestellt, dass unter anderem der Feststellungsbescheid 1989 vom 10. Februar 1997 falsch adressiert gewesen sei. So weist etwa der zusammenfassende Punkt 1.4.1 unter der Überschrift "Nicht-Bescheide 1997" die folgende Textierung auf:
Wie oben nachgewiesen, sind die Feststellungsbescheide [...], die infolge der Betriebsprüfung [...] erlassen wurden, nicht rechtswirksam ergangen, da die Voraussetzungen [...] hinsichtlich der korrekten Benennung des Bescheidadressaten nicht erfüllt sind.
Damit bestehen keine Zweifel daran, dass das Finanzamt mit der nunmehrigen Zurückweisung vom 7. Mai 2008 nur einen Mangel bestätigte, der dem Bw. selbst (bzw. seinem Berater) schon spätestens im Dezember 2002 bekannt und bewusst gewesen ist.
In der Zwischenzeit erging ein weiterer mit 3. Dezember 2008 datierter Bescheid, in dem der Ausspruch des am 7. Mai 2008 erlassenen Schriftstückes wiederholt wurde, dass es sich beim Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO für 1989 vom 10. Februar 1997 um einen "Nichtbescheid" gehandelt habe. Dieser neuerliche Ausspruch wurde zusätzlich mit dem Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 4 BAO versehen, der im ersten Bescheid nicht enthalten war.
Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:
1) Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens:
a) Rechtzeitigkeit im Hinblick auf die 3-Monatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen (§ 303 Abs. 2 BAO).
Diese Frist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen. Sie ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO³, § 303 Tz 27f unter Verweis auf VwGH 3.10.1984, 83/13/0067). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (vgl. VwGH 12.8.1994, 91/14/0018). Ein verspäteter Wiederaufnahmeantrag ist zurückzuweisen (VwGH 22.2.1994, 91/14/0069).
Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich der Bw. ausdrücklich darauf, die Qualifizierung des Grundlagenbescheides sei eine neu hervorgekommene Tatsache. Dazu hat das Höchstgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 26.4.1994, 91/14/0129) ausgesprochen, Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO seien ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände. Das sind Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen. Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta), kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe.
Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt weder eine neue Tatsache (vgl. VwGH 17.9.1990, 90/15/0118 mwN), noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln (vgl. VwGH 21.2.1985, 83/16/0027).
Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass im Rahmen des Neuerungstatbestandes nicht - wie vom Bw. ins Treffen geführt - die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung vom 7. Mai 2008, sondern ausschließlich die Tatsachen und Beweismittel zu beurteilen sind, die zu dieser Entscheidung geführt haben (vgl. UFS 21.5.2008, RV/1339-L/07). Die Entscheidung selbst kann schon deshalb nicht herangezogen werden, weil es sich bei ihr um ein nach Erlassung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides neu entstandenes Faktum (nova producta) handelt.
Die Tatsache sowie die Gründe der Falschadressierung des Feststellungsbescheides vom 10. Februar 1997 wurden vom Berufungswerber selbst am 12. Dezember 2002 in einer VwGH-Beschwerde vorgebracht, bei der er selbst als Beschwerdeführer (Nr. xx) einschritt. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren dem Berufungswerber bzw. seinem Vertreter damit spätestens an diesem Tag bekannt und bewusst.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens datiert mit 1. August 2008 und wurde damit erst mehr als fünf Jahre nach der nachweislichen Kenntniserlangung der dafür behaupteten Gründe gestellt, womit dieses Anbringen aus Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls außerhalb der 3-Monatsfrist und damit verspätet war. Der Wiederaufnahmeantrag wurde vom Finanzamt deshalb auch aus diesem Blickwinkel zu Recht zurückgewiesen.
b) Rechtzeitigkeit im Hinblick auf die Fristen des § 304 BAO
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Gemäß § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liegt, der entweder innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre, eingebracht wurde (lit a) oder der vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebracht wurde (lit b).
Zunächst ist also zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 nach den allgemeinen Regeln - unter Annahme der Verlängerung der Verjährungsfrist auf sieben Jahre - bereits eingetreten wäre. Dabei ist zu beachten, dass die absolute Verjährungsfrist auch die Frist des § 304 lit a BAO begrenzt (vgl. Ritz, BAO³, § 304 Tz 5 unter Hinweis auf Ellinger ua., BAO³, § 209 Anm 20 und § 304 Anm 2). Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches im Sinne des § 4 BAO (absolute Verjährung). Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Damit ist die absolute Verjährung mit Ablauf des Jahres 1999 und somit jedenfalls vor dem Jahr 2008 eingetreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Frist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005 (BGBl. I 2004/57) von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde. Selbst nach Maßgabe dieser längeren Frist wäre die absolute Verjährung mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten.
Der hier zu beurteilende Wiederaufnahmsantrag vom 1. August 2008 wurde damit jedenfalls nach Eintritt der absoluten Verjährung gestellt, was nach § 304 lit a BAO nicht zulässig ist.
Das Gesetz erachtet einen Wiederaufnahmsantrag trotz Eintrittes der absoluten Verjährung als zulässig, wenn dieser innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebracht wird (§ 304 lit b BAO). Unter Rechtskraft ist dabei die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm 5).
Im gegenständlichen Fall ist es unbestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1989 vom 11. März 1998 bzw. vom 9. April 1998 jedenfalls im Jahr 1998 eingetreten ist und dass damit zusätzlich diese Fünfjahresfrist spätestens 2003 abgelaufen war. Somit ist aber der Wiederaufnahmeantrag auch unter diesem Aspekt nicht mehr zulässig.
c) Wirkungsweise des § 209a BAO
Dem Einwand des Bw., dass nach Maßgabe des § 209a BAO die Verjährung nicht eingetreten sei, ist entgegenzuhalten: § 209a BAO lautet: (1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.
(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde.
(3) Sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden ist, darf in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten ist, vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden.
Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht in die Verjährungs- oder Wiederaufnahmebestimmungen eingreifen wollte. Er wollte nur erlauben, dass eine Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen "trotz des Eintrittes der Verjährung" erfolgen kann. § 209a BAO verhindert somit nicht den Eintritt der Verjährung.
Für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag kommt § 209a Abs. 2 BAO nicht zur Anwendung, weil dieser nicht vor Eintritt der Verjährung eingebracht wurde. Der Umstand, dass allenfalls die Abgabenfestsetzung noch auf Grund anderer noch nicht erledigter Anträge trotz Eintritts der Verjährung zulässig sein könnte, bedeutet noch nicht, dass die Abgabenfestsetzung auf Grund des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages zulässig sein muss. Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist lediglich die Frage der Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages vom 1. August 2008.
Die im vom Berufungswerber zitierten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom 28. Oktober 2005 vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, wird vom Unabhängigen Finanzsenat nicht geteilt. Nach § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat (BGBl. I Nr. 97/2002; kurz UFSG) sind die Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates bei Besorgung der ihnen nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 BAO) zukommenden Aufgaben weisungsfrei. Aus diesem Grunde hat die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen, die nur die eben dargestellte Auslegung zulassen.
Die vom Finanzamt verfügte Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages erfolgte deshalb im Ergebnis zu Recht. Der Antrag war unzulässig, weil bei dessen Einbringung sowohl die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO wie auch die Fristen des § 304 BAO bereits abgelaufen waren. Die dagegen eingebrachte Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
2) Zum Antrag auf Erlassung eines gemäß § 295 BAO abgeleiteten Bescheides:
Die auf § 295 BAO gestützte Erlassung eines Bescheides ist eine amtswegige Maßnahme. § 295 Abs. 1 BAO normiert ausdrücklich "von Amts wegen"; § 295 Abs. 2 BAO macht Abs. 1 "sinngemäß" anwendbar und § 295 Abs 3 BAO baut auf Abs. 1 auf (arg: "auch ansonsten").
Ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme ist nicht zulässig, weshalb er zurückzuweisen ist (vgl UFS 12.9.2008, RV/2574-W/08). Die denkbare Ausnahme, dass ein Antrag auf eine amtswegige Maßnahme gestellt würde und die Behörde tatsächlich die Maßnahme von Amts wegen vornähme, sodass der Antrag in der amtswegigen Maßnahme auch seine Erledigung fände (vgl Stoll, BAO, 2999f), liegt hier nicht vor, denn das Finanzamt hat eben nicht den vom Bw. gewünschten geänderten (neuen) Einkommensteuerbescheid 1989 erlassen.
§ 295 BAO sieht - anders etwa als §§ 201 und 299 BAO - kein Antragsrecht neben der Vorgangsweise von Amts wegen vor. Ein solches Antragsrecht wäre auch überflüssig, weil § 295 BAO keinen Ermessensspielraum lässt und es folglich durch § 311 Abs. 2 BAO ohnehin ein Rechtsmittel gibt, das den Abgabepflichtigen vor Untätigkeit des Finanzamtes, wenn dieses von Amts wegen tätig zu werden hätte, schützt (vgl auch Ellinger ua, BAO³, § 295 Anm 12, § 311 Anm 18). Deshalb stellt die Unzulässigkeit eines Antrages auf Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 295 BAO auch kein denkunmögliches Interpretationsergebnis dar.
Im übrigen setzt die Maßnahme des § 295 BAO die rechtliche Existenz eines Grundlagenbescheides voraus. Dieser muss nachträglich (somit nach Zustellung des abgeleiteten Bescheides) erlassen oder abgeändert worden sein (Ritz, BAO³, § 295 Tz. 3). Da ein solcher rechtsgültiger Grundlagenbescheid - wie der Bw. selbst ausführt - bis zum hier zu beurteilenden Antrag nicht ergangen ist, kommt eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheides des Bw. auch aus diesem Grund nicht in Betracht.
Die Zurückweisung des Antrages vom 10. September 2008 durch das Finanzamt ist daher zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung abzuweisen.
Salzburg, am 13. Mai 2009