UFS RV/2507-W/12

UFSRV/2507-W/125.12.2012

Hinweis auf § 252 BAO in Rechtsmittelbelehrung von Einkommensteuerbescheiden-Bescheiden erklärt ein RM gegen den E-Bescheid nicht zu Unrecht für unzulässig

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder ADir. Silvia Gebhart, Christian Schuckert und Peter Grüner im Beisein der Schriftführerin Ingrid Pavlik über die Berufung des Dipl.-Ing. MD, vertreten durch CURA Treuhand- und Revisionsges mbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 26, diese vertreten durch Mag. Sebastian Lackner und Mag. Monica Stadler, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, betreffend Zurückweisung eines Antrags gem. § 295 Abs. 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2001 vom 5. April 2005, nach der am 28. November 2012 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2011 weist die Amtspartei den im Spruch angeführten Antrag als unzulässig zurück. Den Grund der Unzulässigkeit erblickt die Amtspartei in der verspäteten Stellung des Antrages vom 7. September 2011. Nach den die Verspätung begründenden Berechnungen ist in casu zur Einkommensteuer 2001 Verjährung eingetreten, und zwar sowohl unter Annahme der 7-jährigen Verjährungsdauer gem. § 304 lit. a BAO als auch unter Annahme der 5-jährigen Frist ab Eintritt der Rechtskraft gem. § 304 lit. b BAO. Diese Berechnung wird vom Berufungswerber (Bw) nicht bestritten.

Aufgrund des Berufungsschriftsatzes ist allein strittig, ob der im Spruch angeführte Antrag rechtzeitig iSd § 295 Abs. 4 BAO ist. Die maßgebliche Frist in gegenständlichem Fall ist jene des § 304 lit. b BAO, die mit Eintritt der formellen Rechtskraft in Gang gesetzt wird.

Im Berufungschriftsatz wird vorgetragen, dass die Rechtsmittelfrist des Einkommensteuerbescheides vom 5.4.2005 mangels formaler Rechtskraft noch gar nicht zu laufen begonnen habe, weil diesem Bescheid eine mangelhafte Rechtsmittelbelehrung anhafte. Die Wiedergabe des § 252 Abs. 1 BAO in der Rechtsmittelbelehrung des Einkommensteuerbescheides, der ausschließlich eine Gewinntangente verarbeitet hat, habe nur so verstanden werden können, dass Berufungen nur gegen den Feststellungsbescheid zulässig seien. Im Ergebnis sei dadurch ein Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid iSd § 93 Abs. 4 BAO zu Unrecht für unzulässig erklärt worden.

In der am 28. November 2012 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wird ergänzend ausgeführt:

Die Referentin trägt vor, dass der Berufungschriftsatz lediglich den zweiten Teil der im Einkommensteuerbescheid vom 5.4.2005 enthaltenen Rechtsmittelbelehrung zitiert und dass der erste Teil der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides sämtliche Tatbestandselemente einer Rechtsmittelbelehrung iSd § 93 Abs. 3 lit. b BAO enthalte und ausdrücklich durch die Worte "Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen", ein Rechtsmittel für gegen den Einkommensteuerbescheid zulässig erklärt, zumal die Rechtsmittelbelehrung für den Bescheid eine zweifelsfreien Bezeichnungsvorschlag enthält.

Die Parteienvertreterin (PV) wiederholt das Berufungsvorbringen und präzisiert, dass das als Teil der Rechtsmittelbelehrung gestaltete Zitat des § 252 Abs. 1 BAO im Ergebnis das Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid zu Unrecht als unzulässig iSd § 93 Abs. 4 BAO erklärt hat.

Die Amtsbeauftragte betont, dass gleich zu Beginn der Rechtsmittelbelehrung die Passage enthalten ist, dass gegen DIESEN Bescheid eine Berufung eingebracht werden könne. Hieraus könne daher keineswegs abgeleitet werden, dass ein Rechtsmittel zu Unrecht als unzulässig erklärt werde. Der Hinweis auf § 252 Abs. 1 BAO solle bezwecken, dass der Abgabepflichtige zu einem Zeitpunkt, wo die Rechtsmittelfrist gegen den Grundlagenbescheid regelmäßig noch offen sei, gegen den Grundlagenbescheid berufen könne.

Dennoch seien Berufungen gegen Einkommensteuerbescheide keinesfalls unzulässig. Die beiden Hauptfälle, in denen sehr wohl gegen den abgeleiteten Bescheid berufen werden könne, seien diejenigen Fälle, in denen entweder der Grundlagenbescheid nichtig sei oder aber sich eine Abänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO wegen eingetretener Verjährung als rechtswidrig erweise.

Die PV hält dem entgegen, dass die einzige Änderung, die im Einkommensteuerbescheid vom 5.4.2005 vorgenommen worden sei, die Änderung aufgrund der Tangente eines nichtigen Feststellungsbescheides im Grundlagenverfahren gewesen sei, dessen Nichtigkeit sich erst nachträglich herausgestellt habe.

Die PV räumt ein, es werde keinesfalls bestritten, dass es sich beim Zitat des § 252 Abs. 1 BAO um einen Hinweis handle; die Rechtsmittelbelehrung solle allerdings erreichen, dass dem Steuerpflichtigen der rechtlich zutreffende Pfad gewiesen werde, gegen Bescheide vorzugehen. Hier sei der Steuerpflichtige durch die Angabe, dass ein Rechtsmittel nur gegen den Grundlagenbescheid eingebracht werden könne, auf den falschen Weg verwiesen worden.

Es wird auf das Erkenntnis, VwGH 16.11.1984, 83/17/0163, verwiesen, aus dem sich ergebe, dass die Verjährungsbestimmungen der §§ 207 ff BAO zu Gunsten des Abgabepflichtigen angewendet werden müssen. Eine systemkonforme Auslegung der §§ 200, 207, 208 Abs. 1 lit. d BAO verbiete es nämlich, anzunehmen, der Behörde sei nach Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist auch eine endgültige Abgabenfestsetzung zu Gunsten des Abgabenschuldners verwehrt, zumal es sich hierbei notwendigerweise um eine Herabsetzung der Abgabenschuld handle und damit im Umfang der Herabsetzung - materiell-rechtlich gesehen - keine Geltendmachung derselben im Sinne der obigen Definition vorliege.

Schließlich verweist der PV auf die UFS-Entscheidung 9.1.2012, RV/2468-W/11, aus der hervorgehe, dass ein abgeleiteter Bescheid dann nicht erlassen werden dürfe, wenn es an einem wirksamen Feststellungsbescheid fehle.

Abschließend wird ersucht, der Berufung Folge zu geben.

Nach der Beratung des Senates verkündet der Senatsvorsitzende die Entscheidung.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Perpetuierung der Rechtsmittelfrist infolge negativer Rechtsmittelbelehrung

Rechtsgrundlagen:

Gem. § 93 Abs 3 lit b BAO hat der Bescheid eine Belehrung zu enthalten, "ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254)."

Erklärt ein Bescheid zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird gemäß § 93 Abs. 4 BAO die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

Wird eine Berufung, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet ist, als nicht zulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind gem. § 295 Abs. 4 BAO, idF BGBl. I Nr. 76/2011, in Kraft getreten am 1. September 2011, auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide gem. § 295 Abs. 1 auf Antrag der Partei (§ 78) aufzuheben. Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen.

Gemäß § 304 lit. b BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.

Zu prüfen ist, ob zum Einkommensteuerbescheid 2001 vom 5.4.2005 die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt worden ist oder nicht.

Sachverhalt:

Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 18.02.2004 wird mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 5.4.2005 gem. § 295 Abs. 1 BAO abgeändert. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass die Änderung aufgrund einer bescheidmäßigen Feststellung 2001 des Feststellungsfinanzamtes (idF: F-FA) unter Angabe der Steuernummer der Mitunternehmerschaft (idF. MU) vom 21.03.2005 erfolgte.

Der Einkommensteuerbescheid 2001 wird ordnungsgemäß an die steuerliche Parteienvertreterin (idF: PV) zugestellt, die seit vielen Jahren mit der steuerlichen Vertretung des Bw betraut ist.

Der Einkommensteuerbescheid vom 5.4.2005 enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:

"Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen (zB wenn Fehler aufgetreten sind bzw. wenn Sie Positionen vergessen haben). Die Berufung muss innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Bescheides beim oben angeführten Finanzamt eingereicht oder bei der Post aufgegeben werden. In der Berufung sind der Bescheid zu bezeichnen (Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 5.4.2005) sowie die gewünschten Änderungen anzuführen und zu begründen. Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung (§ 254 BAO). Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Die Einhebung des in Streit stehenden Betrages kann auf Antrag gemäß § 212a BAO bis zur Erledigung der Berufung ausgesetzt werden. Insoweit der Berufung nicht stattgegeben wird, sind in der Folge Zinsen zu entrichten."

Wie bereits im vorangegangenen Berufungsverfahren UFS 23.04.2012, RV/2107-W/11, bekannt geworden ist, hat die PV erst durch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid vom 5.4.2005 vom Feststellungsbescheid (idF: F-Bescheid) vom 21.3.2005 Kenntnis erlangt. Die die PV ist bis zum Jahr 2000 auch PV der MU gewesen. Die PV ersucht das F-FA um Übermittlung einer Kopie des F-Bescheides vom 21.3.2005. In der Folge erhebt die PV namens des Bw nur gegen den F-Bescheid Berufung und führt ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit ins Treffen. Der Berufungsschriftsatz gegen den F-Bescheid enthält keine Ausführungen iZm der Zustellung oder dem Bescheidadressaten bzw. Nichtigkeit des F-Bescheides.

Der Bw ist für das Jahr 2001 davon ausgegangen, nicht mehr Beteiligter an der MU zu sein, sodass weder er noch seine PV an der Erstellung der Erklärung mitgewirkt haben noch Kenntnis davon hatte, dass dem Bw ein Gewinnanteil zugewiesen wird. Seinem Willen nach hat er den MU-Anteil zum Buchwert verkauft. Dem neuen Geschäftsherrn in der MU war daher auch keine entsprechende Vollmacht durch den Bw erteilt worden.

Im Grundlagenverfahren erfolgen Ermittlungen sowie die Genehmigung der als BVE bezeichneten Erledigung vom 5.12.2005 mit demselben Adressaten wie im F-Bescheid. In der Folge erlässt das F-FA die BVE vom 16.02.2006 mit zutreffendem Bescheidadressaten, der die Zustellfiktion an alle betroffenen Mitunternehmer zu bewirken vermag, und weist die Berufung des Bw als unbegründet ab. Auf Anregung des PV des Bw wird die "2. BVE" vom 6.2.2008 erlassen. Im Jahr 2010 wird die Berufung dem UFS vorgelegt, der dem F-FA mitteilt, dass der im F-Bescheid vom 21.3.2005 ausgewiesene unzutreffende Bescheidadressat ein nicht sanierbarer Mangel ist.

Mit Bescheid vom 07.12.2010 weist das F-FA die vom Bw erhobene Berufung sowie die Vorlageanträge als unzulässig zurück und hebt die Berufungsvorentscheidung vom 16.02.2006 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes auf, weil der als Bescheid bezeichneten Behördenerledigung vom 21.03.2005 keine Bescheidqualität zukomme. Dieser Bescheid erwächst unangefochten in Rechtskraft.

Der Hinweis "Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind", findet sich weiters in jedem Einkommensteuerbescheid, also auch in solchen, in denen keine Tangente aus einem F-Verfahren verarbeitet worden ist, und in Einkommensteuerbescheiden-Arbeitnehmerveranlagung sowie in Feststellungsbescheiden selbst.

rechtliche Beurteilung:

§ 93 Abs. 3 lit b BAO regelt den (Mindest-)Inhalt von Rechtsmittelbelehrungen (BAO-Kommentar, Ritz 4, § 93 Tz 199. Über den Mindestinhalt des § 93 Abs. 3 lit b BAO hinaus gehende Rechtsmittelbelehrungen stellen folglich bloß eine Serviceleistungen der Abgabenverwaltung dar und sind als Hinweis zu verstehen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn eine Rechtsmittelbelehrung über den Mindestinhalt des § 93 Abs. 3 lit B BAO hinaus Informationen für den Abgabenpflichtigen enthält.

Gemäß § 93 Abs. 3 lit. b BAO hat die Rechtsmittelbelehrung insgesamt mindestens fünf Tatbestandselemente zu enthalten, wobei diese kumulativ erfüllt sein sollen, jedoch führt das Fehlen eines dieser Tatbestandselemente zu verschiedenen Rechtsfolge. So zieht beispielsweise die Angabe einer zu kurzen Rechtsmittelfrist die Rechtsfolge des § 93 Abs. 5 BAO nach sich, wohingegen das Fehlen der Angabe einer Rechtsmittelfrist die Rechtsfolge des § 93 Abs. 4 BAO nach sich zieht.

§ 93 Abs 3 lit b BAO führt als erstes aus, dass der Bescheid eine Belehrung zu enthalten hat, ob ein Rechtsmittel zulässig ist. Mit dem ersten Satz der Rechtsmittelbelehrung laut im SV wiedergegebenen Bescheid "Sie haben das Recht, gegen diesen Bescheid Berufung einzulegen." wird ausdrücklich das Rechtsmittel der Berufung gegen DIESEN Bescheid für zulässig erklärt. In weiterer Folge wird in der Rechtsmittelbelehrung ganz konkret auf die Bezeichnungspflicht des Bescheides hingewiesen und mit den Worten "Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 5.4.2005" weiters verdeutlicht, dass in concreto mit "diesem Bescheid" nur der Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 5.4.2005 verstehen ist. Durch die Verwendung des Demonstrativpronomens "...gegen DIESEN Bescheid Berufung einzulegen" einerseits und der andererseits vorgegebenen Bezeichnung des Bescheides kommt zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides sich nur auf den Bescheid bezieht, in dem sie enthalten ist.

Die Entscheidung, ob Einwände gegen den Grundlagenbescheid oder gegen den Folgebescheid geltend zu machen sind, hat stets der Abgabepflichtige bzw. dessen Vertreter zu treffen. Das von der Amtspartei zu Recht ins Treffen geführte Beispiel der Erlassung eines gem. § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Einkommensteuerbescheides nach Eintritt der Bemessungsverjährung belastet diesen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, jedoch ist der Bescheid gültig. Seine Beseitigung aus dem Rechtsbestand kann der Abgabepflichtige mit Berufung gegen den abgeleiteten Bescheid durchsetzen, obgleich seine Erlassung aufgrund eines Feststellungsbescheides erfolgt. In diesem Fall ist aber auch der Feststellungsbescheid gültig, und - da im Feststellungsverfahren die Bemessungsverjährung nicht gilt - auch rechtskonform.

Die Entscheidung, welche Einwände gegen welchen Bescheid erhoben werden, hat danach zu erfolgen, welcher Art der Einwand ist. Im Grundlagenverfahren sind insbesondere das Ermittlungsverfahren, hier die Gewinnermittlung der gewerblich tätigen MU, und die Gewinnverteilung angesiedelt. Der Einwand der Bemessungsverjährung jedoch ist nicht Gegenstand im Grundlagenverfahren, weil im Feststellungsverfahren die Bemessungsverjährung nicht gilt. In L und RSpr wird zu vorliegender Fallkonstellation der Nichtigkeit eines Grundlagenbescheides die Rechtsansicht vertreten, dass die Nichtigkeit des Grundlagenbescheides gegen den Folgebescheid einzuwenden ist, sei es mit Berufung oder mit anderen Rechtsbehelfen (Anträge gem. § 299, 303 Abs. 1 BAO). Die Begründung für diese Rechtsanschauung liegt darin, dass dem Abgabepflichtige gegenüber der Grundlagenbescheid nicht rechtswirksam geworden ist, der abgeleitete Bescheid hingegen schon. Denkbar sind auch Fälle, in denen die Rechtsperson des F-Verfahrens dem Abgabepflichtigen unbekannt ist.

Mit Berufung können ferner nur Bescheide angefochten werden (BAO-Kommentar, Ritz 4, § 243 Tz 6; § 92, Tz 17). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass gegen einen Nichtbescheid nicht das Rechtsmittel der Berufung erhoben werden kann bzw. ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. Der Einwand der Nichtigkeit gegen den F-Bescheid könnte folglich in einem normalen Schriftsatz vorgetragen werden, lediglich die advokatorische Vorsicht empfiehlt, diesen Einwand in Form einer Berufung vorzutragen. Soweit die PV in der Senatsverhandlung vorträgt, die Rechtsmittelbelehrung des Einkommensteuerbescheides habe sie dazu verleitet, die Berufung gegen den F-Bescheid zu erheben, geht sie von einer unzutreffenden Rechtsanschauung aus. Es gibt kein "subjektives Recht auf Berufung gegen einen Nichtbescheid" und folglich kann solches nicht Gegenstand einer Rechtsmittelbelehrung sein.

Im Berufungsschriftsatz wird ausgeführt, dass die PV auf eine allfällige Berufung gegen den F-Bescheid verweisen worden ist, was "sich im Licht der nachträglich hervorgekommenen Nichtigkeit der angeblichen behördlichen Erledigung vom 21.3.2005 als irreführender Fehler erwiesen hat."

Mit diesem Vorbringen bestätigt die PV den festgestellten Sachverhalt, dass sie zum damaligen Zeitpunkt die Nichtigkeit des F-Bescheides nicht erkannt hat. Hätte die PV namens des Bw den Einkommensteuerbescheid vom 5.4.2005 mit der ausschließlich materiellen Begründung, die sie im Berufungsschriftsatz gegen den F-Bescheid vom 21.3.2005 erhoben hat, angefochten, so wäre die Berufung unter Hinweis auf § 252 Abs. 1 BAO zu Recht vom Wohnsitzfinanzamt als unbegründet abgewiesen worden. Im Grundlagenverfahren hat dieses materielle Berufungsvorbringen das wahre Rechtsproblem der Nichtigkeit mangels gültigem Bescheidadressaten überlagert.

Die Rechtsordnung sieht den Bescheid einer Verwaltungsbehörde als individuelle Norm an, deren normativer Inhalt sich aus dem Spruch ergibt. Das rechtsstaatliche Prinzip als Grundsatz des B-VG verlangt u.a., dass Bescheide als individuelle Normen vom Rechtsunterworfenen in einem gegen den Staat geführten Prozess bekämpfbar sein müssen. Der einfache Gesetzgeber richtet daher Rechtsmittelverfahren ein, in dem die Rechtsrichtigkeit eines Bescheides auf dem Prüfstand steht.

Damit der Rechtsunterworfene überhaupt von einem Bescheid betroffen sein kann, sind Bescheide im Sinne des rechtsstaatlichen Prinzips demjenigen, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind, kundzutun. Bescheide werden dem Bescheidadressaten mit Bekanntgabe (§ 97 BAO) kundgetan. Die Bekanntgabe schriftlicher Bescheide erfolgt von Ausnahmen abgesehen durch Zustellung; vor Bekanntgabe entfaltet ein Bescheid keinerlei Rechtswirkung. Ein Bescheid gehört erst mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an (BAO-Kommentar, Ritz 4, § 97 Tz 1). Die Bekanntgabe von Bescheiden ist Obliegenheit der Behörde. Es besteht keine Pflicht für den Abgabepflichtigen, sich den Bescheid zu beschaffen.

Der Hinweis auf § 252 Abs. 1 BAO in der Rechtsmittelbelehrung in einem gem. § 295 Abs. 1 BAO abgeleiteten Bescheid ist aufgrund obiger Ausführungen nicht geeignet, als Aufforderung zur Unterlassung einer Berufungserhebung gegen den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid verstanden zu werden. Folglich hat die Rechtsmittelbelehrung des Einkommensteuerbescheides 5.4.2005 ein Rechtsmittel nicht zu Unrecht für unzulässig erklärt. Da dieser Bescheid nicht angefochten wurde, ist seine formale Rechtskraft im Mai 2005 eingetreten. Der Eintritt der formalen Rechtskraft hat die Frist des § 304 lit. b BAO in Gang gesetzt. Der Antrag gem. § 295 Abs. 4 BAO vom 7.9.2011 wurde im angefochtenen Bescheid daher zu Recht als verspätet angesehen.

Erkenntnis VwGH 16.11.1984, 83/17/0163 , und Berufungsentscheidung UFS 9.1.2012, RV/2468-W/11

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO, idF BGBl. I Nr. 144/2001, werden die Einkünfte aus Gewerbetrieb einheitlich und gesondert festgestellt. Gegenstand dieser Feststellung ist gem. Abs. 3 leg. cit. auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.

In einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, werden gemäß § 192 BAO diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.

Abgabenbescheide haben gem. § 198 Abs. 2 BAO im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten.

§ 209a Abs. 2 BAO, idF BGBl. I 2004/57, lautet: "Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde."

Gem. § 209a Abs. 4 BAO, id ab 1.9.2011 geltenden Fassung AbgÄG 2011, BGBl. I 2011/764, gelten Abgabenerklärungen als Anträge im Sinn des Abs. 2, wenn die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde.

Erkenntnis VwGH 16.11.1984, 83/17/0163

Nach dem Ergebnis einer RIS-Abfrage hat der VwGH bisher kein weiteres Erkenntnis auf dieses, zur Burgenländischen Landesabgabenordnung (idF: LAO-Bgld) ergangenen Erkenntnis gestützt.

Gemäß der im Beschwerdefall vorgetragenen Sachlage ist eine Kanalanschlussgebühr vorläufig festgesetzt und innerhalb der Bemessungsverjährungsfrist ein Antrag auf endgültige Festsetzung eingebracht worden, wobei die endgültige Festsetzung für den Abgabepflichtigen günstiger als die vorläufige gewesen wäre. Die belBeh hat der endgültigen Abgabenfestsetzung den Eintritt der (Anm. normalen) Bemessungsverjährung entgegengehalten.

Der Verwaltungsgerichtshof führt unter Hinweis auf den historischen Gesetzgeber der BAO aus, dass das Wort "Abgabe festsetzen" per se zwar ein neutraler Begriff, jedoch in Verbindung mit der Bemessungsverjährung differenziert zu betrachten ist. Der VwGH führt zunächst aus, dass die in der Lehre (Stoll, BAO-Handbuch, Seite 473, zu § 200 und Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Seiten 666, 668 zu § 200, und ebenda (Seite 691) zu § 208 Abs. 1 lit. d BAO) vertretene Auffassung, das ungenützte Verstreichen der Bemessungsverjährungsfrist nach Ergehen des vorläufigen Bescheides führe zur Verjährung des Rechtes der Behörde auf endgültige Abgabenfestsetzung, sei es nun zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen, ist nicht zwingend. Diese Rechtsansicht führe zu höchst unbefriedigenden, rechtsschutzfeindlichen Ergebnissen: Stelle sich nämlich nach Erlassung des vorläufigen Bescheides heraus, dass der Abgabenanspruch dem Grunde oder der angenommenen Höhe nach nicht zu Recht bestehe, dann könne zwar der Abgabenschuldner einen unbefristeten Antrag auf Erlassung des endgültigen Bescheides stellen, ohne doch mit Sicherheit erreichen zu können, dass dieser Bescheid noch innerhalb der Bemessungsverjährungsfrist ergeht.

Eine systemkonforme Auslegung der §§ 200, 207, 208 Abs. 1 lit. d BAO (§§ 152, 156, 157 lit. c LAO) verbietet es nämlich, anzunehmen, der Behörde sei nach Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist auch eine endgültige Abgabenfestsetzung zu Gunsten des Abgabenschuldners verwehrt, zumal es sich hiebei notwendigerweise um eine Herabsetzung der Abgabenschuld handelt und damit im Umfang der Herabsetzung, materiellrechtlich gesehen, keine "Geltendmachung" derselben im Sinne obiger Definition vorliegt.

Diese den Rechtsschutzgedanken des B-VG berücksichtigende Auslegung einfacher Verwaltungsverfahrensgesetze haben § 209a Abs. 2 und Abs. 4 BAO, die gemeinsam mit § 295 Abs. 4 BAO mit September 2011 in Kraft getreten sind, zum Inhalt.

§ 209a Abs. 4 BAO betrifft auch nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzungen, wenn sie mittelbar von der Erledigung eines Antrages (des bescheidmäßigen Abspruches über eine Abgabenerklärung) abhängt. Dies betrifft beispielsweise Feststellungserklärungen, wenn sich erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung abgeleiteter Abgaben etwa im Berufungsverfahren herausstellt, dass an Stelle eines F-Bescheides ein "Nichtbescheid" erlassen wurde (Ritz, BAO4, § 209a, Tz 11c).

Im Ergebnis führt hier der verfahrensrechtliche Weg über die Durchsetzung einer Entscheidung im F-Verfahren mit anschließender Abänderung des Einkommensteuerbescheides gem. § 295 Abs. 1 BAO. Ist die neue Tangente für den Bw günstiger als die bisher im Einkommensteuerbescheid 5.4.2005 erfasste, so hat eine Abänderung trotz Eintritts der Verjährung bzw. trotz Eintritts der absoluten Verjährung zu erfolgen. Die aus dem ins Treffen geführten Erkenntnis erkennbare Auslegung von Verjährungsvorschriften (Perpetuierung von Verjährungsfristen) steht jedoch in keinem Zusammenhang zu § 295 Abs. 4 BAO und kann daher in diesem Verfahren nicht zum Erfolg verhelfen.

Berufungsentscheidung UFS 9.1.2012, RV/2468-W/11

Der in dieser Entscheidung entschiedene Sachverhalt unterscheidet sich gänzlich vom vorliegenden dadurch, weil im zitierten Fall gegen den Einkommensteuerbescheid sehr wohl Berufung erhoben worden war. Für den gegenständlichen Berufungsfall ist daher daraus nichts zu gewinnen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 5. Dezember 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 93 Abs. 3 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 und 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

VwGH 16.11.1984, 83/17/0163
UFS 09.01.2012, RV/2468-W/11
UFS 23.04.2012, RV/2107-W/11

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