UFS RD/0003-L/12

UFSRD/0003-L/1215.10.2012

1. Entscheidungspflicht betreffend Berufungen 2. Behelligung durch sinnlose Anbringen

 

Entscheidungstext

Bescheid

1) Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Referenten R. betreffend das Anbringen vom 11. Oktober 2012 über die Erledigung der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1997 des Dw., vertreten durch X-Steuerberater, entschieden:

Das Anbringen wird als unzulässig zurückgewiesen.

2) Der Unabhängige Finanzsenat setzt durch den Referenten R. zum Anbringen vom 11. Oktober 2012 über die Erledigung der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1997 des Dw., vertreten durch X-Steuerberater, gemäß § 112a der Bundesabgabenordnung (BAO) eine Mutwillensstrafe von € 250,00 fest.

Dem Finanzamt Grieskirchen Wels wird aufgetragen, die Mutwillensstrafe einzuheben.

Begründung

Das Finanzamt hat auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung mit Bescheid vom 27. Oktober 2003 das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für 1997 wieder aufgenommen und gleichzeitig einen neuen Sachbescheid betreffend die Einkommensteuer 1997 erlassen.

Mit dem Anbringen vom 28. November 2003 brachte der Bw. "gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2000 und die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 vom 27. Oktober 2003, eingelangt am 29. Oktober 2003", eine Berufung ein.

Das Finanzamt hat auf Grund geänderter Mitteilungen über die gesonderten Feststellungen des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom 1. Juni 2004 und 27. April 2004 die Einkommensteuer für 1997 mit Bescheid vom 9. Februar 2009 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert.

Dieser Bescheid vom 9. Februar 2009 war Gegenstand des beim Unabhängigen Finanzsenat anhängigen Berufungsverfahrens zu RV/0165-L/04, da die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 27. Oktober 2003 gemäß § 274 BAO gegen diesen Bescheid weiter wirkte.

Der Unabhängige Finanzsenat hat mit Berufungsentscheidung vom 6. April 2009, RV/0165-L/04 die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom 9. Februar 2009 betreffend Einkommensteuer 1997 (Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom 27. Oktober 2003) als unbegründet abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. März 2012, 2009/15/0084 die Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung vom 6. April 2009, RV/0165-L/04 betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2000 als unbegründet abgewiesen.

Im Anbringen vom 11. Oktober 2012 brachte der Antragsteller vor, es handle sich bei der Berufungsentscheidung vom 26. Februar 2009, RV/0165-L/04 des UFS betreffend Einkommensteuer 1997 um einen Nichtbescheid, weil die abweisende Berufungsentscheidung vor Erledigung der damals noch offenen Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid betreffend Einkommensteuer 1997 ergangen ist und verwies in diesen Zusammenhang auf Ritz, BAO4, 996 sowie VwGH 2. 9. 2009, Zl. 2005/150031. Bei Ausarbeitung der VwGH Beschwerde in der Rechtssache RV/0543-L/09 (Bescheidbeschwerde wg. § 303 Abs. 4 BAO) im Zeitraum nach dem 19.7.2012 ser der Antragsteller auf diesen Sachverhalt aufmerksam geworden. Es wurde beantragt, den Rechtszustand vor Erlassung dieses Nichtbescheides herzustellen.

Zum Anbringen vom 11. Oktober 2012 wurde erwogen:

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (zB VwGH 27.1.2005, 2004/16/0101; 12.3.2010, 2006/17/0360; 29.7.2010, 2009/15/0152; 11.11.2010, 2010/17/0053, 0054).

Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (zB VwGH 26.6.2003, 2002/16/0286-0289; 28.2.2008, 2006/16/0129). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (VwGH 16.7.1996, 95/14/0148; 29.7.2010, 2009/15/0152).

Im gegenständlichen Fall behauptet der Antragsteller, dass über seine Berufung gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 1997 mit einem "Nichtbescheid" entschieden worden sei. Inhaltlich läuft dieses Anbringen auf die Geltendmachung der Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Unabhängigen Finanzsenat hinaus und stellt daher am ehesten einen Devolutionsantrag im Sinne des § 311 BAO dar.

Nach § 311 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85 BAO) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97 BAO), so kann gemäß § 311 Abs. 2 BAO jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag). Devolutionsanträge sind bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen.

Nach § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Werden Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erledigung bekannt gegeben, so kann nach § 311 Abs. 2 BAO jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag). Devolutionsanträge sind bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen.

Nach § 260 BAO hat über Berufungen gegen von Finanzämtern erlassene Bescheide der unabhängige Finanzsenat (§ 1 UFSG) als Abgabenbehörde zweiter Instanz durch Berufungssenate zu entscheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass - ungeachtet der im Berufungsverfahren der Abgabenbehörde erster Instanz nach § 276 BAO eingeräumten Ermächtigung zur Berufungserledigung mittels Berufungsvorentscheidung - die Entscheidung über Berufungen dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz obliegt. Eine Devolution an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, die das Untätigsein einer Abgabenbehörde erster Instanz trotz bestehender Entscheidungspflicht voraussetzt, ist daher, (auch) wenn innerhalb von sechs Monaten ab Einbringung der Berufung keine Berufungsvorentscheidung ergangen ist, nicht möglich (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO5, § 311 Anm. 17).

Bei Verletzung der Entscheidungspflicht durch den unabhängigen Finanzsenat kann nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 VwGG sogleich Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Ein Antrag, "den Rechtszustand vor Erlassung dieses Nichtbescheides herzustellen" geht hingegen wegen der für Berufungsentscheidungen bereits ex lege bestehenden Zuständigkeit der Abgabenbehörde zweiter Instanz ins Leere. Der die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Unabhängigen Finanzsenat geltend machende Antrag ist daher zurückzuweisen.

Zur Festsetzung einer Mutwillensstrafe:

Festgestellt wird, dass der Antragsteller auf die Rechtsprechung und Lehre verweist, wonach ein Bescheid, mit dem das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmsbescheid unerledigt gelassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen wird, als inhaltlich rechtswidrig anzusehen ist (Ritz, BAO4, § 307 Tz. 7; VwGH 8.11.1988, 88/14/0135; VwGH2.9.2009, 2005/15/0031). Im gegenständlichen Fall wurde diese vom Antragsteller behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. März 2012, 2009/15/0084 nicht aufgegriffen, sodass diesbezüglich eine rechtswirksame Entscheidung eines Höchstgerichtes bereits vorliegt. Trotzdem behauptet der durch einen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vertretene Antragsteller nun die Nichtigkeit der Berufungsentscheidung vom 6. April 2009, RV/0165-L/04 betreffend Einkommensteuer 1997, obwohl eine vermeintliche inhaltliche Rechtswidrigkeit eines Bescheides keinesfalls zu dessen Nichtigkeit führt, sondern diesen allenfalls anfechtbar macht.

Gemäß § 112a BAO kann die Abgabenbehörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis 700 Euro verhängen.

Entscheidungen, die die Abgabenbehörden gemäß § 20 BAO nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Die Festsetzung einer Mutwillensstrafe gemäß § 112a BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, und zwar sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach (Ritz, BAO4, § 112a, Tz 7). § 112a soll die Partei keinesfalls davon abhalten, ihre Rechte mit allen in der Rechtsordnung vorgesehenen Mitteln geltend zu machen. Diese Bestimmung soll lediglich einen missbräuchlichen Einsatz dieser Mittel "ahnden" bzw. präventiv verhindern (Ritz, BAO4, § 112a, Tz 6).

Primär sind bei der Ermessensübung iSd § 20 BAO Sinn und Zweck der Ermessen einräumenden Norm zu beachten, welche Vorrang vor den im § 20 BAO erwähnten grundsätzlichen Ermessenskriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit haben (Ritz, BAO4, § 20, Tz 5 und 6). Sinn und Zweck des § 112a BAO sind die Vermeidung der Verfahrensverschleppung sowie Schutz der Abgabenbehörde vor Einbringung von behelligenden Eingaben und damit die Vermeidung von sinn- und aussichtslosen Verfahren.

Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (Ritz, BAO4, § 112a BAO, Tz 4, mwN).

Offenbar ist die Mutwilligkeit dann, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme unter solchen Umständen geschieht, dass jedermann die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, hätte erkennen müssen (Ritz, BAO4, § 112a BAO, Tz 5, mwN).

Beim Antrag, "den Rechtszustand vor Erlassung dieses Nichtbescheides herzustellen" ist nicht erkennbar, welchen Erfolg der Antragsteller anstrebt, zumal selbst bei Vorliegen eines "Nichtbescheides" keine Veranlassung besteht, einen "Rechtszustand vor Erlassung dieses Nichtbescheides herzustellen". In diesem Fall bestünde dieser Rechtszustand ohnehin, zumal ein "Nichtbescheid" keine Rechtswirkungen haben kann. Das Nächstliegende, nämlich die vermeintlich noch unerledigte Berufung zu erledigen, hat der Antragsteller nicht begehrt und kann mit diesem Antrag auch nicht erreicht werden, zumal dies nur durch eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erreicht werden könnte. Zudem besteht keine verfahrensrechtliche Handhabe, über die bereits durch den Verwaltungsgerichtshof geprüfte und für rechtskonform erledigte Angelegenheit (Einkommensteuer 1997) nochmals abzusprechen.

Nimmt eine Partei die Tätigkeit einer Abgabenbehörde mit einem Antrag offenbar mutwillig in Anspruch, so erfüllt ein derartiger Antrag den Tatbestand der offenbaren Mutwilligkeit iSd § 112a BAO. Gerade bei einem durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertretenen Antragsteller sollte man davon ausgehen können, dass dieser mit grundsätzlich möglichen und zulässigen Prozesshandlungen an die Abgabenbehörde herantritt. Wer trotz einer höchstgerichtlichen Entscheidung in einer Angelegenheit die Nichtigkeit des vom Höchstgericht bereits als rechtskonform befundenen Verwaltungsakts geltend macht, handelt offenbar in der Absicht eine Behörde mit einem sinnlosen Anbringen zu behelligen. Gerade der Normzweck des § 112a BAO gebietet, dass einem derartigen Verhalten mit Festsetzung einer Mutwillensstrafe entgegen getreten wird. Berechtigte Interessen der Partei, wie etwa ein Rechtsschutzinteresse, liegen nicht vor, zumal der Antragsteller ohnehin bereits in der Angelegenheit die Möglichkeit der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ausgeschöpft hat. Hinsichtlich der Höhe der Mutwillensstrafe ist zu bemerken, dass mit ca. 36 % des möglichen Höchstbetrages von 700 Euro dem Umstand Rechnung getragen wurde, dass der Antragsteller den Unabhängigen Finanzsenat erstmals mit einer sinnlosen Eingabe behelligt hat. Doch auch diese erstmalige Behelligung hat schon einen nicht unbedeutenden Verwaltungsaufwand zur Folge, zumal dieses Anbringen der Entscheidungspflicht unterliegt und damit die Pflicht zum bescheidmäßigen Absprechen besteht, sodass die Höhe von 250 Euro jedenfalls gerechtfertigt ist.

Linz, am 15. Oktober 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 112a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 311 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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