VwGH 2005/15/0031

VwGH2005/15/00312.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, in der Beschwerdesache des Finanzamtes Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 31. Jänner 2005, Zl. RV/0347- G/04, betreffend Umsatzsteuer 1999 bis 2002 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen Jänner bis Juni 2003 (mitbeteiligte Partei: N AG in H, vertreten durch Dr. Horst Prasthofer, Wirtschaftstreuhänder in 8700 Leoben, Am Glacis 18),

Normen

62005CJ0146 Albert Collee VORAB;
BAO §292;
BAO §307;
Beförderungsnachweis innergemeinschaftliche Lieferungen 1996 §6;
B-VG Art131 Abs2;
UStG 1994 Anh Art28;
UStG 1994 Anh Art6;
UStG 1994 Anh Art7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
62005CJ0146 Albert Collee VORAB;
BAO §292;
BAO §307;
Beförderungsnachweis innergemeinschaftliche Lieferungen 1996 §6;
B-VG Art131 Abs2;
UStG 1994 Anh Art28;
UStG 1994 Anh Art6;
UStG 1994 Anh Art7;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Das Beschwerdeverfahren wird, soweit die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai 2003 betroffen ist, wegen Klaglosstellung eingestellt;

und 2. zu Recht erkannt:

Soweit der angefochtene Bescheid Umsatzsteuer 1999, 2000 und 2001 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Zum Geschäftsgegenstand der mitbeteiligten Partei, einer AG, gehören Kauf, Verkauf, Import und Export von Holz.

Nach einer abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 1999 bis 2001 und Umsatzsteuerbescheide 1999 bis 2002 sowie Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis Juni 2003 (alle mit Ausfertigungsdatum 17. November 2003), wobei es sämtliche in diesem Zeitraum von der Mitbeteiligten durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen als steuerpflichtig behandelte. Zur Begründung führte es - im Wege des Verweises auf den Prüfungsbericht - aus, den gesetzlichen Erfordernissen für die Behandlung innergemeinschaftlicher Lieferungen als steuerfrei sei nicht entsprochen worden.

Gegen alle vorgenannten Bescheide erhob die Mitbeteiligte mit Eingabe vom 19. Jänner 2004 Berufung. Zur Begründung wird ausgeführt, das Finanzamt sei im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung zum Ergebnis gekommen, dass die formalen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorgelegen seien. Es hätten die Nachweise der Beförderung oder Versendung der Waren in einen anderen Mitgliedstaat in Form eines Buchnachweises gefehlt. Weiters seien die Bestätigungsverfahren für die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Abnehmer nicht "vorgelegen". Diese Bestätigungsverfahren seien mittlerweile nachgeholt worden. Die Buchnachweise iSd Verordnung BGBl Nr. 401/1996 seien nunmehr erbracht. Als Beweis dafür würden Rechnungen (nämlich als Beispiele fünf Rechnungen) und die dazugehörigen Unterlagen als Anlage vorgelegt.

Die Berufung der Mitbeteiligten - auch soweit sie die Wiederaufnahme der Verfahren bekämpfte - wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung ab. Es führte zur Begründung aus, der buchmäßige Nachweis sei eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Der Buchnachweis sei zeitnah, das heiße spätestens bis zum Termin der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung zu erbringen. Diesem Erfordernis sei die Mitbeteiligte bis zur abgabenbehördlichen Prüfung nicht nachgekommen. Aus den bei der abgabenbehördlichen Prüfung vorgelegten Unterlagen habe der Schluss, dass die Waren steuerfrei in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt seien, nicht eindeutig gezogen werden können. So seien zum Teil auf den Fakturen vermerkte Umsatzsteuer-Identifikationsnummern keinem Unternehmer in einem Mitgliedstaat zuzuordnen gewesen bzw. habe die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern auf den Fakturen überhaupt gefehlt.

Die Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde forderte die Mitbeteiligte unter Hinweis auf die Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 auf, für jeden einzelnen Umsatz, für den sie die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen beanspruche, den Nachweis zu erbringen, dass sie den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet habe. Der Nachweis sei durch Vorlage einer Durchschrift oder Abschrift der Rechnung und der Versendungsbelege (Frachtbriefe etc.) zu erbringen. Weiters wurde die Mitbeteiligte aufgefordert, eine Aufzeichnung über Namen, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers, Menge und Bezeichnung der Ware, Tag der Lieferung, Entgelt, die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet und den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet für jede dieser innergemeinschaftlichen Lieferungen vorzulegen.

Die Mitbeteiligte übermittelte daraufhin (im Dezember 2004) fünf Ordner mit Unterlagen und reichte im Jänner 2005 weitere Unterlagen nach. Die belangte Behörde übermittelte diese Unterlagen dem Finanzamt und ersuchte um Stellungnahme, ob für einzelne Lieferungen die Nachweise im Sinne der Verordnung BGBl. Nr. 401/1996 nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 27. Jänner 2005 brachte das Finanzamt vor, die vorgelegten Unterlagen seien erst nachträglich zusammengestellt worden, weshalb von zeitnah geführten Aufzeichnungen keine Rede sein könne. Die Steuerfreiheit könne erst ab dem Moment gegeben sein, in welchem alle Voraussetzungen vorlägen, also allenfalls ab 2004.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung gegen die Sachbescheide. Sie gab der Berufung Folge und beurteilte die innergemeinschaftlichen Lieferungen der Mitbeteiligten als steuerfrei. Zur Begründung wird ausgeführt, die Mitbeteiligte habe zum Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferungen umfassende, an der Verordnung über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis der innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996, orientierte Unterlagen vorgelegt. Für die belangte Behörde ergäben sich keine Zweifel am Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Auch das Finanzamt habe keine Zweifel in Bezug auf die in Rede stehenden Lieferungen geäußert oder gar mit Hilfe von Indizien belegt. Im Anwendungsbereich des UStG 1994 sei dem Gesetz in verfassungskonformer Interpretation der Sinn beizulegen, dass bei völlig zweifelsfreiem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit die Steuerbefreiung nicht deshalb versagt werden dürfe, weil der darüber hinausgehende Buchnachweis fehle. Dies ergebe sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2003, B 916/02.

Zudem wäre es aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht rechtswidrig, die Steuerfreiheit der Lieferung trotz umfassender Mitwirkung des Steuerpflichtigen nur deshalb zu versagen, weil der Buchnachweis vorerst nicht erbracht worden sei, wenn im Übrigen keine Zweifel an den materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit des in Rede stehenden Umsatzes aufgetreten seien oder vom Finanzamt geltend gemacht worden seien.

Gegen diesen Bescheid hat das Finanzamt gemäß § 292 BAO Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid betreffend Mai 2003:

Das beschwerdeführende Finanzamt bringt vor, die belangte Behörde habe in ihrer Berufungsentscheidung sämtliche Umsätze dieses Voranmeldungszeitraumes (EUR 85.106,29) als nach Art. 6 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 steuerfrei behandelt. Diese Bemessungsgrundlage von EUR 85.106,29 umfasse jedoch auch zwei "Inlandsumsätze", für welche unzweifelhaft Umsatzsteuerpflicht bestehe. Diese Umsatzsteuerpflicht sei in der Berufung der Mitbeteiligten nicht bekämpft worden. Dennoch habe die belangte Behörde die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen auch auf diese Vorgänge zur Anwendung gebracht.

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vor, sie habe die vom beschwerdeführenden Finanzamt angesprochenen Umsätze irrtümlich den steuerfreien Lieferungen zugeordnet. Da der angefochtene Bescheid aus diesem Grund, soweit er Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai 2003 betreffe, rechtswidrig sei, habe ihn die belangte Behörde mit Bescheid vom 6. Juni 2005 gemäß § 300 BAO in diesem Umfang aufgehoben.

Den auf § 300 BAO gestützten Aufhebungsbescheid hat die belangte Behörde mit dem Verwaltungsakt vorgelegt.

Gegen den Bescheid, mit welchem die belangte Behörde nach der auf § 300 BAO gestützten Bescheidaufhebung neuerlich über die Berufung betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für Mai 2003 entschieden hat, hat das Finanzamt wiederum Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, welche unter der hg. Zl. 2005/15/0087 protokolliert ist und über welche gesondert entschieden wird. Im Hinblick auf die Ausführungen in jener Beschwerdeschrift erübrigt sich eine Einvernahme iSd § 33 Abs 1 VwGG zur Frage der Klaglosstellung.

Soweit die Beschwerde den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Umsatzsteuervorauszahlungen für Mai 2003 bekämpft, ist somit vom Eintritt der Klaglosstellung auszugehen. In diesem Umfang war daher das Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

2. Umsatzsteuer 1999, 2000 und 2001:

In der Beschwerde bringt das Finanzamt vor, nach der abgabenbehördlichen Prüfung seien - jeweils mit Ausfertigungsdatum 17. November 2003 - Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 1999 bis 2001 sowie Umsatzsteuerveranlagungsbescheide für die Jahre 1999 bis 2002 und Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für die Monate Jänner bis Juni 2003 ergangen. Gegen diese Bescheide, insbesondere auch gegen die die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide, habe die mitbeteiligte Partei Berufung erhoben. Mit Berufungsvorentscheidung vom 19. Juli 2004 sei die Berufung, auch soweit sie sich gegen die Wiederaufnahmebescheide gerichtet habe, als unbegründet abgewiesen worden.

In der Folge habe die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Entscheidung ihrer Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, über die Berufung zu entscheiden, soweit sie sich gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren (Umsatzsteuer 1999 bis 2001) gerichtet habe. Sie habe mit dem angefochtenen Bescheid über die Berufung lediglich insoweit abgesprochen, als sie sich gegen die Umsatzsteuerbescheide gerichtet habe. Wenn der Steuerpflichtige gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens und gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Sachbescheid Berufung erhebe, sei es rechtswidrig, die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid unerledigt zu lassen und lediglich über die Berufung gegen den Sachbescheid abzusprechen.

Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vom 15. Juni 2005 vor, sie habe unmittelbar vor Einreichung ihrer Gegenschrift nachträglich über die Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren entschieden (Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2005). Dabei habe sie die Berufung als unbegründet abgewiesen. Das beschwerdeführende Finanzamt könne durch die erst nachträgliche Erledigung der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide nicht beschwert sein.

Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung bekämpft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden. Wird das Rechtsmittel gegen den Wiederaufnahmebescheid unerledigt gelassen und vorerst über die Berufung gegen den neuen Sachbescheid abgesprochen, ist die Entscheidung der Berufungsbehörde inhaltlich rechtswidrig (vgl. Ritz, BAO3, § 307 Tz 7, und beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, 2000/14/0142).

Bei einer Amtsbeschwerde nach § 292 BAO geht es nicht um einen Eingriff in subjektive Rechte des Beschwerdeführers, sondern um die objektive Rechtswidrigkeit eines verwaltungsbehördlichen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. März 2006, 2004/15/0032).

Soweit im angefochtenen Bescheid über Umsatzsteuer 1999 bis 2001 abgesprochen worden ist, erweist er sich als inhaltlich rechtswidrig, weil er vor Erledigung der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide ergangen ist. In diesem Umfang war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

3. Umsatzsteuer 2002 sowie Jänner bis April 2003 und Juni 2003:

Gemäß Art. 6 Abs. 1 UStG 1994 sind innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei. Unter welchen Voraussetzungen eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 und 2 UStG 1994. Art. 7 Abs. 3 leg. cit. lautet:

"Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist."

Der Bundesminister für Finanzen hat die Verordnung über den Nachweis der Beförderung oder Versendung und den Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, BGBl. Nr. 401/1996, erlassen.

Gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 wird der innergemeinschaftliche Erwerb in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist.

Die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat eine wichtige Funktion für die Behandlung der Umsätze. Der Lieferant, dem der Abnehmer seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaats bekannt gibt, kann grundsätzlich davon ausgehen, dass der Erwerber damit erklärt, im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung zu unterliegen, sodass die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung zu Recht in Anspruch genommen werden kann. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat primär den Zweck, die ordnungsgemäße Besteuerung des innergemeinschaftlichen Handels sicherzustellen, indem sie einerseits dem Steuerpflichtigen das Vorliegen von Tatbestandselementen signalisiert, deren Kenntnis er für die richtige Besteuerung benötigt, andererseits den Finanzbehörden die Kontrolle der korrespondierenden steuerlichen Behandlung des innergemeinschaftlichen Handels erlaubt. Zusätzlich dient die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dazu, in einzelnen Fällen die Besteuerung praktikabler zu gestalten bzw. Steuerhinterziehungen hintanzuhalten (vgl. Ruppe, UStG3, Art. 28 BMR Tz 4 und 5).

Die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist zwar nach Art. 7 UStG 1994 keine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung, jedoch nach § 6 der Verordnung BGBl Nr. 401/1996 zwingend aufzuzeichnen. Damit wird die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Bestandteil des Buchnachweises; die fehlende oder unrichtige Aufzeichnung kann zur Versagung der Steuerfreiheit führen (vgl. Ruppe, aaO, Art. 7 BMR, Tz 24 und das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, 2006/16/0108).

Der EuGH hat im Urteil vom 27. September 2007, C-146/05 , Albert Collee, Rn 28 bis 31 zur Frage eines buchmäßigen Nachweises der materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung (in der Bundesrepublik Deutschland) ausgeführt:

"28 Die Versagung der Mehrwertsteuerbefreiung im Ausgangsverfahren ist nach den Angaben des vorlegenden Gerichts nicht die Folge der Anforderung des deutschen Rechts, wonach der Steuerpflichtige den Nachweis für die innergemeinschaftliche Lieferung durch Beleg- und Buchnachweis führen muss. Tatsächlich ist die Versagung eine Folge der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der die für den Buchnachweis erforderlichen Aufzeichnungen laufend und unmittelbar nach Ausführung des jeweiligen Umsatzes vorzunehmen sind, eine Voraussetzung, die in der Streitsache nicht erfüllt wurde, während das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung eindeutig feststeht, was im Übrigen auch das Finanzamt anerkannt hat.

29 Zur ersten Frage, ob die Finanzverwaltung die Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer allein mit der Begründung versagen darf, dass der Buchnachweis für diese Lieferung verspätet vorgelegt worden sei, ist festzustellen, dass eine nationale Maßnahme, die das Recht auf Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig macht, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen und insbesondere ohne in Betracht zu ziehen, ob diese erfüllt sind, über das hinausgeht, was erforderlich ist, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen.

30 Die Umsätze sind nämlich unter Berücksichtigung ihrer objektiven Merkmale zu besteuern (vgl. u.a. Urteile Optigen u. a., Randnr. 44, sowie Kittel und Recolta Recycling, Randnr. 41). Hinsichtlich der Feststellung des innergemeinschaftlichen Charakters einer Lieferung folgt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass für eine Lieferung keine Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn sie die Voraussetzungen des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie erfüllt (Beschluss Transport Service, Randnrn. 18 und 19).

31 Da sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, dass unbestreitbar eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wurde, erfordert der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, dass im Ausgangsverfahren, wie auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu Recht vorträgt, die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhielte es sich nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden. Dies scheint im Ausgangsverfahren jedoch nicht der Fall zu sein."

Der Nachweis, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vorliegen, ist vom inländischen Lieferer zu erbringen. Den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen des EuGH im Urteil vom 27. September 2007, C-146/05 , Albert Collee, ist zu entnehmen, dass im gegebenen Zusammenhang im Bereich der Nachweisführung nicht auf bloß formelle Belange, insbesondere den Zeitpunkt der Nachweiserbringung abzustellen ist. Es ist auch eine spätere Nachweisführung im Abgabenverfahren ausreichend (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 2006/16/0108). Entscheidend ist, dass dem liefernden Unternehmer der Nachweis gelingt, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit zweifelsfrei vorliegen.

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die mitbeteiligte Partei aufgefordert, für sämtliche betroffenen Lieferungen die Nachweise zu erbringen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Die mitbeteiligte Partei hat sodann Ende Dezember 2004 fünf Ordner mit Unterlagen vorgelegt und Anfang Jänner 2005 weitere Unterlagen nachgereicht. Die belangte Behörde führt hiezu aus, dass auf Grund dieser Unterlagen und der als glaubwürdig beurteilten Äußerungen bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage keine Zweifel am Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorlägen.

Das beschwerdeführende Finanzamt unterlässt es, irgendeinen konkreten Hinweis über das Fehlen der materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit in Bezug auf einen Umsatz zu formulieren. Solcherart wird aber weder ein Mangel in der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung noch ein Mangel in der Darstellung des festgestellten Sachverhaltes betreffend die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung dargetan.

Hinsichtlich Umsatzsteuer 2002 sowie Umsatzsteuervorauszahlungen für Jänner bis April 2003 und Juni 2003 war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Wien, am 2. September 2009

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