UFS RV/0087-F/11

UFSRV/0087-F/1119.6.2012

Vertreterpauschale bei einem Gebietsbetreuer

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Peter Steurer und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Kofler, Dr. Ulrike Stadelmann und Bernd Feldkircher über die Berufung des XY gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 nach der am 6. Juni 2012 in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe wird auf die Berufungsvorentscheidung vom 28. Jänner 2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungsführer bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer Tätigkeit als Gebietsbetreuer der A Gesellschaft mbH. Diese wird in einer mit 24. Jänner 2011 datierten "Stellenbeschreibung" wie folgt umschrieben:

"ZWECK DER STELLE

Aufbauen, Pflegen und Intensivieren von Kontakten zu den zu betreuenden Vertriebsstellen durch Schulung, Information und Überwachung zur Sicherung und Steigerung des Qualitätsstandards und Leistungsbereitschaft zur Erreichung der Vertriebsziele.

WICHTIGSTE ZUSTÄNDIGKEITEN:

1. Sicherstellen einer optimalen Information der VST über Spieländerungen, neue Spiele und organisatorische Spielablaufänderungen.

2. Motivieren der zu betreuenden Vertriebsstellen zur Umsatzsteigerung durch Intensivierung der Kontakte, laufender Umsatzanalysen für Umsatzbesprechungen, Initiieren lokaler Förderungs- oder PR-Maßnahmen sowie Bereitstellen von Werbe- und Informationsmaterialien.

3. Klären und Analysieren von Fehlerursachen in den Vertriebsstellen sowie Einleiten geeigneter Nachschulungsmaßnahmen und Bereitstellen entsprechender Informationsmaterialien.

4. Entwickeln und Durchführen von Einzelschulungen bei Neueröffnung sowie Gruppenschulungen der Vertriebsstellenleiter bei organisatorischen Spielablaufänderungen und bei neuen Spielen bzw. Spielvariationen.

5. Durchführen von kleineren Reparaturen und Wartungsarbeiten an Verkaufshilfen.

6. Bereitstellen von Werbe- und Informationsmaterialien in Engpass-Situationen für die zu betreuenden Vertriebsstellen.

7. Beliefern und Ausstatten von neuen Vertriebsstellen mit Material und Geräten und Einweisen der Vertriebsstellenleiter.

8. Systematisches Erstellen und Weitergeben von Außendienstberichten.

9. Herstellen des Kontaktes zu Hochgewinnern unter Wahrung der Anonymität.

10. Erheben, Aufbereiten und Bewerten von Anträgen bei der Eröffnung und Schließung von Vertriebsstellen zur Vorlage beim Vorgesetzten. Durchführen von Standortbewertungen und laufende Kontrolle sowie Analysieren des Gebietes bezüglich möglicher geeigneter Standorte und daraus resultierende Akquisition von Neukunden.

11. Im Bedarfsfall durchführende, unterstützende und kontrollierende Tätigkeiten bei der Umsetzung von Vertriebsaktivitäten im Auslandsbereich sowie für Tochterunternehmen in Abstimmung mit den Vorgesetzten bzw. mit dem zuständigen Haupt-/Stabsabteilungsleiter."

Strittig ist, nachdem das Finanzamt der gegen den im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 erhobenen Berufung mit Berufungsvorentscheidung insoweit teilweise stattgegeben hat, als der geltend gemachte Kinderfreibetrag berücksichtigt wurde, einzig, ob der Berufungsführer eine Vertretertätigkeit im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001, ausübt und damit das entsprechende Werbungskostenpauschale in Abzug gebracht werden kann oder nicht. Während das Finanzamt dies mit der Begründung, es stehe die Betreuung der Vertriebsstellen im Vordergrund, sodass keine ausschließliche Vertretertätigkeit ausgeübt werde, verneint hat, wendet der Berufungsführer im Wesentlichen ein, neben der Kundenbetreuung sei es seine Hauptaufgabe, durch Anbahnung und Abschluss von Geschäften neue Kunden zu werben. Durch die Schließungswelle bei der Post und sonstige Kündigungen von Geschäftspartnern sei er gezwungen, die verloren gegangenen Verkaufsstellen neu zu besetzen, um die vom Gesetz verlangte Umsatz- und Flächendeckung zu erreichen. Dies versuche er ua. durch Produktschulungen sowie durch Abhaltung von Verkaufsseminaren zu bewerkstelligen. Von der Geschäftsleitung werde verlangt, mindestens drei bis fünf neue Kunden pro Monat zu werben. Tatsache sei, dass er so gut wie ausschließlich im Außendienst tätig sei und eine Vertretertätigkeit ausübe. Die in der Stellenbeschreibung aufgezählten Tätigkeiten seien geradezu klassisch für die Tätigkeit eines Vertreters. Seine Aktivitäten lägen im Außendienst und zielten auf die Anbahnung und den Abschluss von Geschäften ab. Er vermittle nicht, sondern versuche abzuschließen. Beweis für seine umfangreichen Außendiensttätigkeiten seien seine Arbeitsberichte und das Fahrtenbuch. Wie sonst solle die Akquisition und der Abschluss von Geschäften und die Kundenbetreuung erreicht werden. Man müsse kreativ sein und begleitende Maßnahmen setzen, um erfolgreich zu sein. Wenn ein potentieller Kunde davon überzeugt werden solle, einen Vertrag abzuschließen, müsse man auf die erfolgreiche Betreuung der bisherigen Kunden verweisen können. Das seien nun einmal die in der Stellenbeschreibung erwähnten Aktivitäten. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass er bis zum Jahr 2008 das Vertreterpauschale für die in der Stellenbeschreibung angeführte Tätigkeit anstandslos bekommen habe und es seinen Berufskollegen im restlichen Österreich auch für das Jahr 2009 bzw. auch schon 2010 zugestanden worden sei. Es habe sich weder an der Art der Tätigkeit noch seines Wissens nach an der Rechtslage etwas geändert.

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Berufungsführer eine Auflistung der Anzahl der in den Jahren 2007 bis 2012 neu gewonnen Kunden sowie eine Aufgliederung der Arbeitstage nach der Art der Tätigkeit betreffend das Jahr 2009 unter Angabe der Zahl der besuchten Annahmestellen und der gefahrenen Kilometer vorgelegt. Ergänzend hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass es keinen Gebietsschutz gebe, die Zahl der Annahmestellen aber auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhe, wobei ein bestimmter Mindestumsatz pro Einwohner gefordert werde. Schließlich sei das Ganze auch eine Kostenfrage. Im Jahr 2009 habe er insgesamt 252 Kunden betreut, 15 Kunden habe er neu gewonnen. Er halte ständig nach neuen Kunden Ausschau, informiere diese und mache die Vorbereitungsarbeiten für den Abschluss, die Verträge unterfertige er nicht, dies sei dem Vorstand vorbehalten. Eine Provision erhalte er beim Abschluss eines neuen Vertrages nicht. Zudem würden auch Verkaufsseminare angeboten, die für die Annahmestellen kostenpflichtig seien. Im Jahre 2009 habe er drei solche Seminare verkauft.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die auf Grundlage des § 17 Abs. 6 EStG 1988 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:

"§ 1

Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

...

9. Vertreter

5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

In der Verordnung wird der Begriff "Vertreter" nicht definiert. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24.2.2005, 2003/15/0044, unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 10. März 1981, 2885, 2994/80, ausgesprochen, dass ein Dienstnehmer, der im Rahmen seines (den Innendienst überwiegenden) Außendienstes auch Tätigkeiten der Auftragsdurchführung verrichte, als Vertreter tätig sei, solange der Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers (über Verkauf von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen) eindeutig im Vordergrund stehe. Unsachlich wäre es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes jedoch, die Subsumtion unter eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen deshalb nicht mehr vorzunehmen, weil in völlig untergeordnetem Ausmaß zusätzlich auch eine andere Tätigkeit ausgeübt wird, zumal eine solche völlig untergeordnete Tätigkeit typischerweise nicht dazu führe, dass Werbungskosten in geringerem Ausmaß anfielen als ohne sie.

In diesem Sinne hat auch der Unabhängige Finanzsenat in Übereinstimmung mit Lehre (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, 48. Lfg., § 17 Tz 71; Doralt, EStG12, § 17 Tz 83; Jakom, Lenneis EStG 2011, § 16 Tz 66) und Verwaltungspraxis (LStR Rz 406) in zahlreichen Entscheidungen (vgl. ua UFS 14.10.2009, RV/0546-F/07, UFS 18.11.2009, RV/1501-W/09, UFS 18.1.2011, RV/0668-I/10, UFS 2.1.2012, RV/0284-F/10, mwN) ausgesprochen, dass als Vertreter solche Personen anzusehen seien, die regelmäßig im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig seien, andere Tätigkeiten, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen sei, hingegen nicht als Vertretertätigkeit gelten würden (zB Kontroll- oder Inkassotätigkeit).

Es ist demnach nicht jede im Außendienst zum Zwecke von Kundenbesuchen stattfindende Tätigkeit als "Vertretertätigkeit" anzusehen, sondern es muss deren vorrangiges Ziel die Akquisition (Erlangung und Abschluss) von Aufträgen sein (vgl. UFS 2.1.2012, RV/0284-F/10). Die mit einer solchen Tätigkeit verbundenen zahlreichen kleineren Aufwendungen (Einladungen, Geschenke, Telefonate, etc.) sollen schließlich durch das Werbungskostenpauschale abgegolten werden.

In der vom Berufungsführer vorgelegten Stellenbeschreibung ist der Zweck der Stelle mit "Aufbauen, Pflegen und Intensivieren von Kontakten zu den zu betreuenden Vertriebsstellen durch Schulung, Information und Überwachung zur Sicherung und Steigerung des Qualitätsstandards und der Leistungsbereitschaft zur Erreichung der Vertriebsziele" umschrieben. Aus dem angeführten Zweck wie auch den aufgelisteten wichtigsten Zuständigkeiten geht nach Überzeugung des Unabhängigen Finanzsenates in unzweifelhafter Weise hervor, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit in der laufenden Unterstützung der bestehenden Vertriebsstellen hinsichtlich des Spielbetriebes (Schulung und Information) einschließlich kleiner Reparatur- und Wartungsarbeiten sowie der Setzung von Maßnahmen zur Sicherung der Umsätze und deren Kontrolle liegt. Dass der Berufungsführer laut Punkt 10. auch für das Durchführen von Standortbewertungen und die laufende Kontrolle sowie das Analysieren des Gebietes bezüglich möglicher geeigneter Standorte und daraus resultierende Akquisition von Neukunden zuständig ist bzw. er, wie in der Berufung ausgeführt, mindestens drei bis fünf neue Kunden pro Monat werben müsse, vermag daran nichts zu ändern. Den Angaben in der mündlichen Berufungsverhandlung zufolge hat der Berufungsführer im Jahr 2009 insgesamt 252 Kunden betreut und 15 neue Kunden gewonnen, wobei er die Verträge nicht selbst unterfertigt und auch keine entsprechenden Provisionsansprüche hat. Folglich kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Tätigkeitsschwerpunkt, wie von der Rechtsprechunggefordert, im Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers eindeutig im Vordergrund gestanden wäre (einen gleich gelagerten Fall betreffend vgl. auch UFS 7.2.2006, RV/0760-L/05). Ebenso wenig wird das Vorliegen einer solchen Vertretertätigkeit durch den Verkauf von drei Verkaufsseminaren im Jahr 2009 aufgezeigt. Dass der Berufungsführer (überwiegend) im Außendienst tätig ist, bezweifelt der Unabhängige Finanzsenat nicht, dies allein ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für die Annahme einer Vertretertätigkeit im dargelegten Sinne.

Somit aber hat das Finanzamt die Tätigkeit des Berufungsführers zutreffend nicht unter die Bestimmung des § 1 Z 9 der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001, subsumiert und folglich den strittigen Werbungskostenpauschbetrag zu Recht nicht in Ansatz gebracht.

Soweit der Berufungsführer einwendet, es sei nicht nachvollziehbar, dass bis zum Jahr 2008 das Vertreterpauschale für die unverändert ausgeübte Tätigkeit berücksichtigt worden sei und es seinen Berufskollegen im restlichen Österreich für die Jahre 2009 bzw. 2010 zugestanden worden sei, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass er aus einer - allenfalls rechtswidrigen - Vorgangsweise gegenüber anderen Abgabepflichtigen für sich keine Rechte ableiten kann (vgl. VwGH 5.4.2001, 2000/15/0150) und zum anderendie Behörde nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet ist, von einer als unrichtig erkannten Beurteilung oder einer gesetzwidrigen Verwaltungsübung abzugehen, sobald sie ihr Fehlverhalten erkennt (vgl. VwGH 29.7.2010, 2006/15/0217 und VwGH 22.3.2010, 2007/15/0256, mwN). Eine für Vorjahre vorgenommene rechtliche Beurteilung, die sich zu Gunsten des Abgabepflichtigen ausgewirkt hat, kann bei diesem zwar die Hoffnung wecken, die Abgabenbehörde werde diese Beurteilung auch in den Folgejahren beibehalten, sie schafft aber kein schutzwürdiges Vertrauen, die Behörde werde diese Beurteilung - wenn sie sich als unrichtig herausstellt - auch für Folgezeiträume beibehalten (vgl. VwGH 4.12.2003, 2003/16/0114, mwN).

Gesamthaft gesehen war der Berufung daher im Umfang der Berufungsvorentscheidung teilweise Folge zu geben, im Übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch, am 19. Juni 2012

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 17 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 1 Z 9 Durchschnittssätze für Werbungskosten - Angehörige bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001

Verweise:

VwGH 24.02.2005, 2003/15/0044
UFS 02.01.2012, RV/0284-F/10
UFS 07.02.2006, RV/0760-L/05

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