VwGH 2003/15/0044

VwGH2003/15/004424.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde des R in K, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner und Mag. C. Schweinzer, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 17. März 2003, RV/0305-WS/03, betreffend Einkommensteuer 1997 bis 2001, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 1993 §1 Z9;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 1993;
EStG §17 Abs4;
B-VG Art7 Abs1;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 1993 §1 Z9;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 1993;
EStG §17 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 790,-- EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Kontrollmitteilung eines Lohnsteuerprüfers an das Finanzamt wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer - er bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der S-GmbH, an der er zu 25% beteiligt ist - nicht nur reine Vertretertätigkeiten ausübe, sondern auch "Entsorgungsarbeiten" durchführe.

Bei Erlassung der Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2001 (Arbeitnehmerveranlagung) berücksichtigte das Finanzamt sodann - entgegen dem Begehren des Beschwerdeführers - nicht das so genannte "Vertreterpauschale" (pauschale Werbungskosten in Höhe von 5% der laufenden Bezüge aufgrund der Verordnung BGBl 32/1993). In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht ausschließlich Vertretertätigkeiten ausübe.

In der Berufung gegen diese Bescheide brachte der Beschwerdeführer vor, er sei bei der S-GmbH als Geschäftsführer im Außendienst beschäftigt. Die Tätigkeit beinhalte die Anbahnung von Aufträgen, die Entgegennahme von Bestellungen, den Abschluss von Verträgen und die Betreuung von Kunden. Ausschließlich der Beschwerdeführer übe solche Tätigkeiten für die S-GmbH aus.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führt das Finanzamt aus, zur Vertretertätigkeit gehörten sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Komme es hingegen auch zu anderen Tätigkeiten - solche brächten die Aufgaben eines Geschäftsführers mit sich - , so könne nicht mehr von einer ausschließlichen Vertretertätigkeit ausgegangen werden, sodass das "Vertreterpauschale" nach der Verordnung BGBl 32/1993 nicht zustehe.

Im Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer vor, der Tätigkeitsumfang der S-GmbH umfasse die Entsorgung von Problemstoffen, insbesondere Altmedikamenten, Laborstoffen, infektiösen Abfällen, aber auch Kunststoffabfällen. Dies erfolge in der Weise, dass die Kunden ständig besucht würden. Dabei würden Problemstoffe abgeholt und Preise neu verhandelt. Auf diesen Besuchstouren würden auch Kontakte zu Neukunden hergestellt und diese angeworben. In der Branche der S-GmbH sei ein enger persönlicher Kundenkontakt wichtig.

Bei den Kundenbesuchen würden zum Teil auch Entsorgungen erledigt. Der Beschwerdeführer verwende für seine Besuchstouren einen Kastenwagen, um - wie bei Fahrverkäufern - die Kundenbesuche mit der Entsorgung zu verbinden. Nur größere Entsorgungen bei Krankenhäusern würden separat von einem Arbeiter vorgenommen.

Die S-GmbH bestehe nahezu nur aus dem Beschwerdeführer. Dessen handelsrechtliche Funktion als Geschäftsführer sei von seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zu trennen. Die Tätigkeit als Geschäftsführer bei einer derart kleinen GmbH umfasse keinen eigenen Arbeitsbereich, zumal Buchhaltung und Bilanzierung sowie die Verwaltung, wie etwa das Schreiben von Ausgangsrechnungen, von jemandem anderen besorgt würden. Andere Tätigkeiten, die die Geschäftsführung beträfen, seien nicht durchzuführen. Die S-GmbH existiere nur aufgrund von solchen Außendienstarbeiten, die (ausschließlich) der Beschwerdeführer durchführe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es müsse mangels entgegenstehender Anhaltspunkte sachverhaltsmäßig davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer trotz Delegierung bzw Auslagerung der auszuführenden Verwaltungsarbeiten die geschäftliche Leitung verblieben sei. Im Außenverhältnis wäre zudem die Abgabe der Vertretungsmacht vom Geschäftsführer an einen Nichtgeschäftsführer rechtlich unwirksam.

Gemäß § 1 Z 9 der Verordnung BGBl 32/1993 stehe das "Vertreterpauschale" nur zu, wenn der Arbeitnehmer ausschließlich Vertretertätigkeit ausübe. Diese Voraussetzung sei im gegenständlichen Fall aus zwei Gründen nicht gegeben. Einerseits habe der Beschwerdeführer als Alleingeschäftsführer auch andere Aufgaben als seine Außendiensttätigkeiten auszuüben. Andererseits bestehe die Außendiensttätigkeit des Beschwerdeführers sowohl aus der Auftragsanbahnung als auch aus der Auftragsdurchführung. Daher sei auch die Außendiensttätigkeit des Beschwerdeführers keine ausschließliche Vertretertätigkeit, unter welcher nur Beratung und Auftragserlangung zu verstehen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vom 23. Dezember 1992, BGBl 32/1993, lautet auszugsweise:

"Auf Grund des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:

§ 1.

Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

9. Vertreter

5 vH der Bemessungsgrundlage, höchstens 30 000 S jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

Im Erkenntnis vom 10. März 1981, 2885, 2994/80, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Begriff "Vertreter" in der zu § 17 Abs 4 EStG 1972 ergangenen Verordnung betreffend Durchschnittssätze für Werbungskosten BGBl 597/1975 idF BGBl 49/1979 befasst. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, die Verordnung definiere den Begriff nicht. Es würde den Erfahrungen des täglichen Lebens und auch der Verkehrsauffassung widersprechen, wenn Personen nur dann als Vertreter angesehen werden könnten, wenn sie ausschließlich mit dem auswärtigen Kundenbesuch befasst seien. Vielmehr werde sich bei fast allen Vertretern, je nach ihrer Verwendung im Verkaufsapparat ihres Unternehmens und auch nach den branchenbedingten Besonderheiten und der betriebsinternen Organisation des Unternehmens, in mehr oder weniger zeitaufwendigem Umfang die Notwendigkeit einer Tätigkeit im "Innendienst" ergeben. Abrechnungen mit Kunden, Nachweis des Arbeitseinsatzes, Einholung von Weisungen, Entgegennahme von Waren seien beispielsweise solche Tätigkeiten, die in den Geschäftsräumlichkeiten des Dienstgebers abgewickelt zu werden pflegten, ohne dass deshalb der grundsätzlich zum Kundenverkehr im Außendienst Angestellte seine Berufseigenschaft als Vertreter verliere. Der Verwaltungsgerichtshof teile aber die Ansicht, dass es zum Beruf eines Vertreters gehöre, regelmäßig im Außendienst tätig zu sein.

Auch die im gegenständlichen Fall anzuwendenden Verordnung BGBl 32/1993 enthält keine Definition des Begriffs "Vertreter". Sie legt lediglich fest, dass der Außendienst den Innendienst zeitlich überwiegen muss und der Innendienst die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit umfassen darf.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. März 1981 bei den Innendiensttätigkeiten die Entgegennahme von Waren erwähnt, ist daraus zu folgern, dass ein Dienstnehmer auch dann (noch) als Vertreter angesehen wird, wenn er Waren zustellt, solange der Kundenverkehr im Außendienst in Form des Abschlusses von Kaufgeschäften im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers im Vordergrund steht.

Der Vertretertätigkeit für den Verkauf von Waren ist es gleichzuhalten, wenn Rechtsgeschäfte über Dienstleistungen im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers abgeschlossen werden.

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Tätigkeit des Beschwerdeführers einerseits deshalb nicht als Vertretertätigkeit angesehen, weil die Tätigkeit des Beschwerdeführers neben der Auftragsanbahnung "auch teilweise aus der Auftragsdurchführung" bestehe. Mit dieser Auslegung hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Wenn ein Dienstnehmer im Rahmen seines (den Innendienst überwiegenden) Außendienstes auch Tätigkeiten der Auftragsdurchführung (hier: Entsorgungsmaßnahmen) verrichtet, ist er dennoch als Vertreter tätig, solange der Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers (über Verkauf von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen) eindeutig im Vordergrund steht. In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde unterlassen zu prüfen, ob im Beschwerdefall der Außendienst des Beschwerdeführers vom Abschluss von Rechtsgeschäften geprägt ist.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid andererseits darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer auch Tätigkeiten auszuüben hatte, die als "geschäftliche Leitung" anzusehen sind. Auch diese Begründung vermag den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen. Mit der Verordnung BGBl 32/1993 werden Durchschnittssätze für Werbungskosten für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt. Die Verordnung geht also davon aus, dass Tätigkeiten von bestimmten Gruppen von Steuerpflichtigen mit einem bestimmten Ausmaß von Werbungskosten verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wäre es unsachlich, die Subsumtion unter eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen deshalb nicht mehr vorzunehmen, weil in völlig untergeordnetem Ausmaß zusätzlich auch eine andere Tätigkeit ausgeübt wird, zumal eine solche völlig untergeordnete Tätigkeit typischerweise nicht dazu führt, dass Werbungskosten in geringerem Ausmaß anfallen als ohne sie. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behauptet hat, die Verwaltungstätigkeiten anderen Personen übertragen zu haben, und der angefochtene Bescheid dennoch in keiner Weise die von der belangten Behörde angenommenen Tätigkeiten der "geschäftlichen Leitung" konkret bezeichnet und eine Feststellung über ihren Umfang trifft.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Februar 2005

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