Steuerklasse bei Lebensgefährten.
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 487/12 eingebracht. Mit Beschluss vom 21.9.2012 abgelehnt und an den VwGH abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/16/0210 eingebracht. Mit Erk. v. 24.1.2013 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat am 19. März 2012 durch die Vorsitzende Hofrätin Mag. Dr. Bavenek-Weber und die weiteren Mitglieder Hofrätin Andrea Wimmer-Bernhauser, Ök.-Rat Gustav Anderst und Herrn Helmut Tomek über die Berufung des B, vertreten durch W, gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom 22. September 2003, Steuernummer, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO nach der am 19. März 2012 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Am 1993 ist Herr G verstorben. Der Nachlass wurde dem erblasserischen Bruder eingeantwortet. Der Berufungswerber (Bw), Herr H, erhielt auf Grund der erblasserischen Anordnung im Testament vom 30. Mai 1986 diversere Legate (Fruchtgenuss- und Wohnungsgebrauchsrechte), welche er angenommen hat.
Mit Bescheid vom 29. November 1994 setzte das Finanzamt A die Erbschaftssteuer fest, wobei der Bemessung die Einreihung des Legatars in die Steuerklasse V zu Grunde gelegt wurde. Das Verfahren wurde in zweiter Instanz mit Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, GZ. xy, vom 13. März 1997 beendet. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Über Antrag des Legatars wird die Steuer gemäß § 29 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 (idF ErbStG) jährlich im Voraus vom Jahreswert entrichtet.
Mit Schreiben vom 27. August 2003 stellte der Berufungswerber den "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 302 Abs. 2 lit.c BAO". Zwischen ihm und dem Erblasser habe 23 Jahre lang eine Lebensgemeinschaft bestanden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe mit Urteil vom 24. Juli 2003 (Anm.: Case of Karner v. Austria, App. No. 40016/98, FINAL 24/10/2003) ausgesprochen, dass die ungleiche Behandlung sexueller Neigungen mit den Artikeln 14 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie mit der "Resolution on equal rights for gays and lesbians in the EC" des Europäischen Parlaments vom 28. Februar 1994 in Widerspruch stehe und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze.
Auf Grund der Klarstellung des europäischen Gerichtshofes liege auf der Hand, dass die seit 3. September 1958 für Österreich in Kraft stehende europäische Menschenrechtskonvention bei Erlassung der ob genannten Bescheide nicht beachtet worden sei, wodurch auch das Recht der europäischen Union verletzt erscheine. Auch der Beschluss des europäischen Parlaments vom 28. Februar 1994 sei nicht beachtet worden.
Der Bw stellte daher den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Abänderung des Bescheides unter Einreihung in die Steuerklasse I.
Mit Bescheid vom 22. September 2003 wurde der "Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 302 Abs. 2 lit.c BAO" mit der Begründung, derartige Anträge seien nur innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist zulässig und diese sei auf Grund der letzten Erledigung im Jahre 1997 mit Ende 2002 abgelaufen, abgewiesen.
Fristgerecht wurde Berufung eingebracht. Der Bw wendet ein, gemäß § 209 Abs. 1 BAO werde die Verjährung durch jede, zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, unterbrochen und beginne von neuem zu laufen. Da in seinem Fall der Abgabenanspruch in Teilbeträgen alljährlich durch eine nach außen erkennbare Amtshandlung, nämlich durch Übermittlung der betreffenden Buchungsmitteilung geltend gemacht würde, sei keine Verjährung eingetreten.
Dieses Resultat stimme auch mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, dass Dauerschuldverhältnisse nicht verjähren würden, überein. Auch sei nur auf diese Weise eine verfassungskonforme bzw. mit den internationalen Rechtsnormen im Einklang stehende Interpretation zu erzielen.
Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid "ersatzlos" aufzuheben sowie die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem gesamten Berufungssenat.
Von Seiten des UFS wurden folgende Ermittlungen durchgeführt bzw. Verfahrenshandlungen gesetzt:
Dem Bw wurde zu Handen seines steuerlichen Vertreters der Vorhalt vom 28. September 2006 übermittelt, worin die Rechtslage hinsichtlich der bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung betreffend Erbschaftssteuer dargelegt wurde. Dieser Vorhalt wurde mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 beantwortet.
Der Bw legte zum Sachverhalt dar, dass er lediglich Fruchtnießbräuche, aber keinerlei veräußerbares Sachvermögen geerbt habe und dass er mangels eigenen Vermögens, aus welchem er die Erbschaftssteuer begleichen hätte können zu § 29 ErbStG Zuflucht nehmen und den Weg lebenslanger Erbschaftssteuerzahlung habe beschreiten müssen. Zu den rechtlichen Überlegungen des Vorhaltes führte der Bw im Wesentlichen wiederholend aus, dass die europäische Menschrechtskonvention weder zwischenstaatliches Recht noch Gemeinschaftsrecht der EU sei, sondern innerösterreichisches Verfassungsrecht gemäß Art. II, Z.7. BGBl. 59/1964. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe mit Urteil vom 24.7.2003 (Anm.: Case of Karner v. Austria, App. No. 40016/98, FINAL 24/10/2003) ausgesprochen, dass eine Ungleichbehandlung homosexueller Lebensgemeinschaften gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 iVm Art.8 EMRK verstoße. Dies sei somit bindende österreichische Rechtsauslegung. Mit der alljährlichen Vorschreibung einer Erbschaftssteuer in Höhe von ATS 91.078,-- bzw. EUR 6.618,90 im Wege einer Buchungsmitteilung werde von der Behörde alljährlich eine verfassungswidrige faktische Amtshandlung gesetzt. Dieser Verfassungswidrigkeit könne eine Behörde nicht rechtswirksam mit Berufung auf einfachgesetzliche Vorschriften wie Verjährung des zugrunde liegenden Bemessungsbescheides begegnen. Dies schon deshalb nicht, weil der gegenständliche Fall nunmehr die Rechtssphäre der Einhebung betreten habe, und Einhebungsverjährung vorliegen müsste, deren Lauf aber alljährlich durch die nach außen wirksame Buchungsmitteilung unterbrochen werde. Verjährung sei somit nicht gegeben. § 29 schaffe ein Dauerschuldverhältnis zwischen Fiskus und Steuerpflichtigem. Dauerschuldverhältnisse könnten somit sowohl im Hoheitsbereich als auch im Privatrecht vorliegen. In beiden Fällen würden sie nicht der Verjährung unterliegen. Es könne daher auch zu keiner Bemessungsverjährung kommen. Ein Bemessungsbescheid, der alljährlich Auswirkungen habe, könne daher ebenso wenig verjähren wie ein Feststellungsbescheid, der ständig fortwirke. Daher sei auch eine Wiederaufnahme eines derartigen Bescheides ohne Verjährungsrücksichten zulässig. Im Übrigen sei die Einrede der Verjährung im Hinblick auf das fundamentale Recht des Diskriminierungsverbotes gem. Art. 14 EMRK als sachlich nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßige Maßnahme zu werten und als Einrede gegen Art. 14 EMRK daher von vornherein nicht geeignet (Beschwerde 22083/93, Leslie Stubbings, J.L. and J.P. gegen das Vereinigte Königreich - einstimmige Entscheidung der Großen Kammer mit 17 Richtern). Die vorstehend genannte Rechtslage ermögliche daher auch eine verfassungskonforme Interpretation im Falle des Wiederaufnahmeantrages.
Mit weiterem Vorhalt vom 7. März 2007 wurde dem Bw das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. 12. 2006, 2006/16/0124-5, zur Kenntnis gebracht, worin der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde betreffend Schenkungssteuer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2006, B 771/06, wonach keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden, im Falle einer Schenkung an einen Lebensgefährten bei der Vorschreibung der Schenkungssteuer die Steuerklasse V anzuwenden, abgewiesen hatte. Dies gelte ausdrücklich im Fall einer Schenkung an einen heterosexuellen Lebenspartner und könne bei verfassungskonformer Auslegung im Falle der Schenkung an einen homosexuellen Lebenspartner nicht anders gelten. Von einer Diskriminierung gegenüber heterosexuellen Lebenspartnern könne dabei keine Rede sein.
Der Bw replizierte in seiner Stellungnahme vom 13. 9. 2007, dass das in Rede stehende Erkenntnis insofern am streitgegenständlichen Problem vorbeigehe, als es nur die Feststellung enthalte, dass eine Diskriminierung einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft gegenüber einer heterogeschlechtlichen Lebensgemeinschaft im Schenkungssteuerrecht nicht vorliege, sich aber nicht mit der Frage auseinandersetze, dass sowohl gleichgeschlechtliche als auch heterogeschlechtliche Lebensgemeinschaften in unsachlicher Weise gegenüber einer Ehegattengemeinschaft im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht diskriminiert würden. Der Bw verwies in diesem Zusammenhang auf Rechtsvorschriften der österreichischen Rechtsordnung, welche Art. 14 EMRK sehr wohl Rechnung trügen.
In der am 28. November 2007 vor der ho Behörde durchgeführten Berufungsverhandlung wiederholte der Parteienvertreter (PV) sein bisheriges Vorbringen und ergänzte:
Der UFS habe im Rahmen der Einkommensteuer (§ 106 EStG) die Lebensgemeinschaft anerkannt. Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften würden in verschiedenen Rechtsbereichen bereits in mehreren Gesetzen anerkannt (zB ASVG, MietrechtsG). Das Erbschaftssteuergesetz schlage mit dem Begriff in § 7 "Ehe" auf das Zivilrecht durch. Der Ehe sei verschiedentlich die Lebensgemeinschaft gleichgestellt worden. Art.12 und 14 EMRK seien ebenfalls wichtig: Begriffe wie "Ehe" und "Familie" würden nichts darüber aussagen, dass es sich hier um heterosexuelle Partner handeln müsse. Dass der Begriff "Familie" nur heterosexuell bestimmt sei, sei eine historische Interpretation. Der PV ergänzte seine bisherigen schriftlichen Ausführungen, insbesondere die ob zitierten Stellungnahmen um weitere Ausführungen:
Verwiesen wurde auf eine Entscheidung der ho Behörde zu § 106 Abs. 3 EStG 1988, worin der UFS entschieden habe, dass die Begünstigung der Zuerkennung der Kosten der doppelten Haushaltsführung auch bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft zu gewähren sei, ein Kind somit nicht vorhanden sein müsse, obwohl dies auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen denkbar sei. Der PV zitierte diverse Rechtsvorschriften, bei denen bereits jetzt keine Diskriminierung vorläge. Es falle auf, dass Österreich einen Teil jener EMRK-Anpassungen, die den Fiskus nichts kosten würde, sehr wohl bereits durchgeführt habe. Auch bei Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft erlösche der Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehepartners. Somit sei der EMRK auch bei eindeutigen Zivilrechtsfragen Vorrang einzuräumen. Dies habe auch für das Erbschaftssteuergesetz, das an zivilrechtliche Verhältnisse anknüpfe, zu gelten. Im Zusammenhang mit Art.12 EMRK könne der "Ehegatte" der Steuerklasse I des § 7 ErbStG auch der gleichgeschlechtliche Partner sein, wolle man nicht die EMRK, die innerösterreichisches Verfassungsrecht darstelle, verletzen. Der PV nahm weiters zur Auslegung von Gesetzen unter dem Blickwinkel überkommener Wertvorstellungen Stellung und führte schließlich zur Verjährung wiederholt aus, dass die Frage der Verjährung in vorliegendem Fall nicht entschieden zu werden brauche, da ein Dauerbescheid keiner Verjährung unterliegen könne.
Die Amtspartei brachte vor, es ginge in vorliegendem Verfahren darum, ob die Ablehnung der Wiederaufnahme zu Recht erfolgt sei. Zuerst sei die Verjährungsfrist zu beachten. Erst wenn die Fristvoraussetzung zuträfe, könne entschieden werden, welche Steuerklasse vorliege. Der Erbschaftssteuerbescheid sei ein Festsetzungsbescheid. Der Wiederaufnahmsantrag sei außerhalb der Frist gestellt worden. Die jährlich erfolgenden Einweisungen seien keinerlei Abgabenfestsetzung. Zur Sache selbst führte die Amtspartei aus, der VfGH habe sich zu B 771/06 mit der Frage der Einordnung von Lebensgefährten und Ehegatten in Steuerklasse V und Steuerklasse I auseinandergesetzt.
Der PV replizierte, der VfGH habe sich in dem angesprochenen Erkenntnis mit keinem Wort mit der EMRK auseinandergesetzt, die österreichisches Recht darstelle.
Mit Berufungsentscheidung vom 12. Dezember 2007, GZ. RV/1689-W/03, wies der Unabhängige Finanzsenat die Berufung nach durchgeführter mündlicher Senatsverhandlung als unbegründet ab. Die Begründung der Berufungsentscheidung stützte sich im Wesentlichen auf das Argument, der Eintritt der Festsetzungsverjährung stünde der beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens entgegen.
Der Bw brachte in der Folge Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, deren Behandlung dieser in mit Beschluss vom 10. Juni 2008, B 44/08 - 3, abgelehnt und die Beschwerde mit Beschluss vom 1. August 2008, B 44/08 - 5, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hob die zitierte Berufungsentscheidung mit Erkenntnis vom 29. September 2011, Z. 2008/16/0104 - 8, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.
Durch die Aufhebung des Bescheides tritt das Verfahren in jene Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der mit Beschwerde erfolgreich bekämpften Berufungsentscheidung befunden hat.
In der Folge wurde am 19. März 2012 vor der h. o. Behörde eine Verhandlung abgehalten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 29. September 2011, Zl. 2008/16/0104, u.a. folgendes ausgeführt:
"Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 - ErbStG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Aufhebung durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 2007,G 54/06 u.a., unterlag der Erbschaftssteuer der Erwerb von Todes wegen. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG auch der Erwerb durch Vermächtnis. Die Steuerschuld entsteht nach § 12 Abs. 1 Z 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. Ist die Steuer vom Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten, so kann sie gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG nach Wahl des Steuerpflichtigen statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus vom Jahreswert entrichtet werden.
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO in der im Zeitpunkt des Antrages vom 27. August 2003 noch maßgebenden Fassung des Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetzes (AbgRmRefG), BGBl. I Nr. 97/2002, konnte die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben. Aufhebungen nach § 299 BAO, die wegen Widerspruchs mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgten, waren nach § 302 Abs. 2 lit. c BAO in der im Zeitpunkt des Antrages vom 27. August 2003 noch maßgebenden Fassung des AbgRmRefG bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder, wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht wurde, auch nach Ablauf dieser Frist, zulässig.
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens nach näher angeführten Voraussetzungen stattzugeben.
Der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. August 2003 ist - ungeachtet des Zitats des eine für Bescheide der Abgabenbehörde zweiter Instanz (hier: Bescheid der damaligen Finanzlandesdirektion vom 13. März 1997) gar nicht zulässige Aufhebung nach § 299 BAO betreffenden § 302 BAO in der Überschrift des Schriftsatzes - im Hinblick auf seinen ansonsten eindeutigen Wortlaut als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 1 BAO zu verstehen. Sache des angefochtenen Bescheides war demnach - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend bemerkt - (ausschließlich) dieser Antrag. In den geltend gemachten Rechten "auf Bescheidaufhebung" und auf "Berechnung der Erbschaftssteuer nach .. .. " wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit nicht verletzt.
Nach § 303 Abs. 1 BAO ist eine Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag u.a. zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten (lit. b) oder der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfragen von der hierfür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde (lit. c) und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach § 304 BAO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBL Nr. 681/1994 ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter Annahme einer Verjährungsfrist (§ § 207 bis 209 Abs. 2) von zehn Jahren zulässig wäre (lit. a), oder vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides (lit. b) eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrunde liegt.
Mit Art. VII Z 4 des Steuerreformgesetzes 2005 (StReformG 2005), BGBL I Nr. 57/2004, wurde die Frist in § 304 lit. a BAO auf sieben Jahre verkürzt; diese Bestimmung trat mit 1. Jänner 2005 in Kraft (§ 323 Abs. 16 BAO). Bei der Wiederaufnahme eines Verfahrens, welches durch einen die Abgaben festsetzenden Bescheid abgeschlossen wurde, spricht § 304 BAO die Festsetzungsverjährung an. Das Recht, die Erbschaftssteuer festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung, wobei die Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 leg. cit. - von hier nicht interessierenden hinterzogenen Abgaben abgesehen - fünf Jahre beträgt. Diese Verjährung beginnt nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegenden Erwerben von Todes wegen beginnt die Verjährung nach § 208 Abs. 2 leg. cit. frühestens mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde vom Erwerb oder von der Zweckzuwendung Kenntnis erlangt. Die Verjährung wurde durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung nach § 209 Abs. 1 BAO in der Stammfassung unterbrochen (und begann mit Ablauf dieses Jahres neuerlich zu laufen) und wird nach § 209 Abs. 1 in der gemäß § 323 Abs. 18 BAO ab 1. Jänner 2005 anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2004, BGBl. I Nr. 180, durch eine solche Amtshandlung um ein Jahr verlängert.
§ 29 ErbStG räumt dem Steuerpflichtigen lediglich ein Wahlrecht hinsichtlich der Steuerentrichtung ein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2009, Zl. 2009/16/0196, und vom 30. September 2004, Zl. 2004/16/0035, VwSlg 7.968/F). Ist dieses Wahlrecht einmal ausgeübt und wurde die Steuer demnach festgesetzt, stellen die jährliche Entrichtung der Erbschaftssteuer vom Jahreswert und die damit im Zusammenhang stehenden Buchungsmitteilungen keine Amtshandlungen iSd. § 209 Abs. 1 BAO dar, welche auf die Festsetzungsverjährung Einfluss hätten. War demnach die letzte Unterbrechungshandlung die erwähnte Berufungsentscheidung der damaligen Finanzlandesdirektion vom 13. März 1997, dann war mit Ablauf des Jahres 2002 die Festsetzungsverjährung eingetreten.
Sohin hat die belangte Behörde unbedenklich angenommen, dass im Zeitpunkt des Antrages vom 27. August 2003 auf Wiederaufnahme des Verfahrens die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten war. Da die Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Berufungsentscheidung der damaligen Finanzlandesdirektion vom 13. März 1997 im Zeitpunkt des Antrages vom 27. August 2003 auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgelaufen war, konnte sich der Antrag nicht auf § 304 lit. b BAO stützen.
Die belangte Behörde hat jedoch die Bestimmung des § 304 lit. a BAO übersehen.
Gemäß § 323 Abs. 18 vierter Satz BAO gilt § 209a Abs. 1 und 2 BAO für den Fall der Verkürzung von Verjährungsfristen durch die Neufassungen u.a. des § 304 durch BGBl. I Nr. 57/2004 sinngemäß. Einer Abgabenfestsetzung, die mit einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht gemäß § 209a BAO der Eintritt der Verjährung nicht entgegen. Daraus folgt, dass im Zeitpunkt des Antrages vom 27. August 2003 und des Bescheides des Finanzamtes vom 22. September 2003 die Frist des § 304 lit. a BAO noch zehn Jahre betrug. Die Verkürzung dieser Frist durch das StReformG 2005 auf sieben Jahre hatte auf den angefochtenen Bescheid, eine Berufungsentscheidung, noch keine Auswirkung. Da bei Inkrafttreten des § 304 lit. a BAO idF des StReformG 2005 mit 1. Jänner 2005 der Bescheid des Finanzamtes vom 22. September 2003 dem Rechtsbestand angehört hat und dieser Bescheid mittels Berufung angefochten war, bewirkt § 323 Abs. 18 vierter Satz BAO nämlich, dass für die Frist des § 304 lit. a BAO nicht die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltende Bestimmung, sondern in sinngemäßer Anwendung des § 209a Abs. 1 BAO noch die bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides geltende Bestimmung heranzuziehen ist (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2011, Zl. 2011115/0073, und vom 20. Oktober 2009, Zl. 2006113/0164). Begann im Beschwerdefall der Lauf der Frist des § 304 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres des Entstehens der Erbschaftssteuerpflicht, mit Ablauf des Jahres 1993, endete diese 10jährige Frist somit mit Ablauf des Kalenderjahres 2003. Der im Jahr 2003 gestellte Wiederaufnahmeantrag erweist sich deshalb als zulässig. Dies hat die belangte Behörde verkannt.
Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift darlegt, in dem vom Beschwerdeführer für sich herangezogenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. Juli 2003 seien weder iSd § 303 Abs. 1 lit. b BAO neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel zu sehen noch sei damit iSd § 303 Abs. 1 lit. c leg.cit. über eine Vorfrage entschieden worden, ist sie darauf hinzuweisen, dass die einem Bescheid fehlende Begründung (im Beschwerdefall: Alternativbegründung) in der Gegenschrift nicht erfolgreich nachgeholt werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. Februar 2006, Zl. 2002113/0093, und vom 23. April 2008, Zl. 2004113/0106)."
Der Verwaltungsgerichtshof vertrat somit die Ansicht, der im Jahr 2003 gestellte Wiederaufnahmeantrag erweist sich insofern als zulässig, als diesbezüglich keine Verjährung eingetreten ist.
Hinsichtlich der im Erkenntnis angesprochenen Alternativbegründung ist folgendes zu sagen:
Zum Neuerungstatbestand (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO)
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist das Verfahren - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - wieder aufzunehmen, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (z.B. VwGH 16.2.1994, 90/13/0011, 0013).
Keine Wiederaufnahmegründe (keine Tatsachen) sind hingegen
- neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eindeutig gewonnen werden
- Entscheidungen eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache
- Hervorkommen von Rechtsirrtümern sowie
- höchstgerichtliche Erkenntnisse.
Maßgebend ist, ob der Abgabenbehörde in dem wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (Ritz4, Kommentar zur BAO, Tz. 10 f zu § 303 und die dort zitierte Judikatur).
Wiederaufnahmegründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung existente Tatsachen, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova produkta) sind keine Wiederaufnahmegründe.
Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist nach h.A. aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (Ritz4, Tz. 13 und 14 zu § 303 BAO).
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 17.9.1990, 90/15/0118 ausgesprochen, dass Tatsachen iSd § 303 BAO ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände sind; also Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese später rechtlichen Erkenntnisse (neue Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen. Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des offen gelegt gewesenen Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung - gleichgültig durch welche Umstände veranlasst - lassen sich bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. die dort zitierten Erkenntnisse des VwGH mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).
Weiters führt der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung aus, dass die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache keine neue Tatsache iSd § 303 Abs. 1 lit.b darstellt.
Auch das vom Bf im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens angeführte Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. Juli 2003 mit dem Hinweis auf die darin getroffene Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes würde - soweit inhaltlich für vorliegenden Fall überhaupt relevant - grundsätzlich eine neue Erkenntnis in Bezug auf die rechtliche Beurteilung des bisher schon bekannt gewesenen Sachverhaltes darstellen. Ein tauglicher Wiederaufnahmegrund kann darin jedenfalls nicht erblickt werden.
Der Bw behauptet selbst nicht, dass neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind, sondern verweist in seinem Antrag auf Wiederaufnahme lediglich auf das Urteil des Gerichtshofes für Menschenrechte vom 24. Juli 2003.
Das vorangeführte Urteil gründet sich jedoch nicht auf eine vor dem Finanzamt nicht geltend gemachte Sachverhaltsfeststellung bzw. auf ein neu hervorgekommenes Beweismittel, sondern ist das Ergebnis der Willensbildung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Anm. Case of Karner v. Austria, App. No. 40016/98, FINAL 24/10/2003), welches Ergebnis rechtlich erst mit dem erwähnten Urteil entstanden ist.
Der VwGH hat im Erkenntnis vom 20.4.1995, 92/13/0076 festgestellt, dass Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergehen, als solche keine Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO für das abgeschlossene Verfahren darstellen und zwar weder hinsichtlich der darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen noch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung. Sowohl eine Sachverhaltsfeststellung, als auch deren rechtliche Beurteilung beruhen nämlich auf einer behördlichen Willensbildung, deren Ergebnis rechtlich erst mit Erlassung der betreffenden Entscheidung entsteht. Selbst wenn daher in einer späteren Entscheidung auf Grund des dort ermittelten Verfahrens eine Tatsache als erwiesen angenommen wird, handelt es sich dabei nicht um eine solche, die bereits im abgeschlossenen Verfahren bestanden hat und bloß später hervorgekommen ist, sondern um das Ergebnis eines späteren Rechtsfindungsaktes.
Ein Wiederaufnahmegrund aus dem Titel des so genannten "Neuerungstatbestandes" ist somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
Zum Vorfragentatbestand (§ 303 Abs. 1 lit. c BAO)
Eine Vorfrage ist eine Frage, deren Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandselement für die Entscheidung der Hauptfrage im konkreten Rechtsfall bildet (zB VwGH 30.3.1998, 98/16/0097), ein vorweg zu klärendes rechtliches Moment, das für sich allein Gegenstand einer bindenden Entscheidung einer anderen Behörde (bzw. derselben Behörde in einem anderen Verfahren) ist (Ritz4,Tz. 1 und 2 § 116 BAO unter Zit. Antoniolli/Koja, Verwaltungsrecht3, 83).
Eine Vorfrage ist somit eine Rechtsfrage, für deren Entscheidung die Behörde nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet. Bei der Vorfrage handelt es sich um eine Frage, die als Hauptfrage Gegenstand einer Absprache rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Natur ist (VwGH 11.7.1995, 95/13/0153; 28.5.2002, 97/14/0053).
Eine Rechtsfrage bildet nur dann eine notwendige Grundlage im genannten Sinn, wenn die Tatbestände einander entsprechen (Tatbestandsgleichheit, Tatbestandskongruenz). Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität sind etwa Vorabentscheidungen (Art 234 EGV) keine Wiederaufnahmsgründe für Verfahren anderer (als des "Anlassverfahrens") Parteien. Ebenso wenig sind VwGH-Entscheidungen, die wegen des Vorranges von Gemeinschaftsrecht eine nationale Vorschrift für unanwendbar beurteilen, für Verfahren anderer Parteien als Wiederaufnahmsgründe anzusehen (Ritz4 Tz. 20 § 303 BAO samt Literaturzitaten).
Gleiches muss in vorliegendem Fall für das ob zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gelten.
Zum Erfordernis der Möglichkeit eines anders lautenden Bescheides
Zu Folge des letzten Halbsatzes des Abs. 1 des § 303 BAO führt ein - wenn auch tauglicher - Wiederaufnahmegrund (nach lit. a, b oder c leg. cit.) nur dann zur Wiederaufnahme, wenn die Kenntnis dieses Umstandes seinerzeit einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (VwGH 13.7.1967, 1777/66, 381/67).
Ist die Möglichkeit eines Einflusses des geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes auf die Sachentscheidung, also die Möglichkeit einer geänderten Entscheidung bei Berücksichtigung des nunmehr hervorgekommenen Sachverhaltes zu verneinen, dann ist das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht wieder aufzunehmen. Der Wiederaufnahmegrund muss geeignet sein, in einen neuen Sachbescheid einzufließen, auf den Spruch durchzuschlagen (Stoll, Kommentar zur BAO, 2918).
Abgesehen davon, dass - wie oben ausgeführt - kein Wiederaufnahmstatbestand (vgl. Ritz4, Tz. 1 § 303 BAO) vorliegt, wäre die beantragte Einstufung in die Steuerklasse I des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 jedenfalls zu verneinen gewesen und zwar aus folgenden Gründen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18.12.2006, 2006/16/0124, hinsichtlich eines Schenkungssteuerfalles - der Beschwerdeführer erachtete sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung der Schenkungssteuer nach der Steuerklasse V und "in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung" verletzt - unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2006, B 771/06, ausgeführt, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen bestünden, im Fall einer Schenkung an einen Lebensgefährten bei der Vorschreibung der Schenkungssteuer die Steuerklasse V. anzuwenden. Dies gelte ausdrücklich im Fall einer Schenkung an einen heterosexuellen Lebenspartner und könne bei verfassungskonformer Auslegung im Fall der Schenkung an einen homosexuellen Lebenspartner nicht anders gelten. Von einer Diskriminierung gegenüber heterosexuellen Lebenspartnern könne dabei keine Rede sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat insbesondere folgendes dargelegt:
"... Gemäß § 7 Abs. 1 ErbStG werden nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser die folgenden fünf Steuerklassen unterschieden:
I.
Steuerklasse I.
1. Der Ehegatte, ...
...
V.
Steuerklasse V.
Alle übrigen Erwerber und die Zweckzuwendungen.
Der Beschwerdeführer hat seinem gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten EUR 1.000,-- geschenkt. Es liegt keine Schenkung unter "Ehegatten" vor, sodass nicht die Steuerklasse I., sondern die Steuerklasse V. anzuwenden ist. Der Wortlaut dieser Bestimmung lässt eine vom Beschwerdeführer begehrte Auslegung, dass darunter auch Lebensgemeinschaften zu verstehen seien, ebenso wenig zu, wie die Übung von Analogie, weil mit Rücksicht auf das Nebeneinander von Ehe und Lebensgemeinschaft das Vorliegen einer planwidrigen Unvollständigkeit im Gesetz nicht angenommen werden kann. Soweit in der Beschwerde die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung geltend gemacht werden, wird zunächst darauf hingewiesen, dass insofern keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung gegeben ist. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12. Oktober 2006, B 771/06 - 6, eine an ihn erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des UVS" (Anm.: richtig: UFS), "Außenstelle Salzburg, vom 28. Februar 2006 abgewiesen. Mit diesem Bescheid wurde bei der Vorschreibung der Schenkungssteuer auf Grund einer Schenkung an einen heterosexuellen Lebensgefährten die Steuerklasse V. angewendet. In der Begründung dieses Erkenntnisses heißt es:
"1. Bereits im Erkenntnis VfSlg. 10.064/1984 hat der Gerichtshof (auch damals im Zusammenhang mit den Steuerklassen des Erbschaftssteuergesetzes) die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber sei im Hinblick auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Lebensgemeinschaften und Ehen keineswegs genötigt, die beiden Gemeinschaften in jeder Hinsicht gleichzustellen. Die eheliche Gemeinschaft beruhe auf einer rechtlichen Institution, die ein wesentliches Element der rechtlichen Ordnung menschlicher Beziehungen bilde, während für nichteheliche Lebensgemeinschaften eine vergleichbare rechtliche Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht bestehe.
Der Gerichtshof bleibt im Ergebnis bei dieser Auffassung:
Wenn der Gesetzgeber bei der Tarifgestaltung der Erbschaftssteuer Ehegatten in die Steuerklasse I einordnet, Partner einer Lebensgemeinschaft hingegen in diesem Zusammenhang nicht explizit erwähnt (so dass sie in die Steuerklasse V fallen), so berücksichtigt er damit in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die nach wie vor vielfältigen Unterschiede, die zwischen diesen beiden Formen der Partnerschaft bestehen. Das Eingehen einer Ehe begründet eine umfassende eheliche Lebensgemeinschaft, die nur unter besonderen Voraussetzungen wieder aufgelöst werden kann, und zieht eine Reihe von persönlichen Rechtswirkungen nach sich. Die Partner einer Ehe treffen insbesondere verschiedene Verpflichtungen, denen jeweils Rechtsansprüche des anderen Partners korrespondieren (§ § 90, 94 ff. ABGB). Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind derartigen Pflichten nach der derzeitigen Rechtslage nicht unterworfen; insbesondere sind sie einander nicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet; es steht ihnen überdies frei, die Gemeinschaft jederzeit aufzulösen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I 13, 2006, S. 446). Auch erbrechtliche Konsequenzen (in Form eines gesetzlichen Erbrechtes) werden vom bürgerlichen Recht nur mit der Ehe, nicht mit anderen Formen der Partnerschaft verknüpft (§ 757 ABGB). Überhaupt spiegeln die Steuerklassen des § 7 ErbStG weitgehend die Grundsätze der zivilrechtlichen Erbfolge wieder (vgl. auch Meincke, ErbStG 14, 2004, § 15, Rz.2). Dem Gesetzgeber des ErbStG kann aber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn er bei der Abstufung des Tarifes den Wertentscheidungen des Erbrechtes folgt. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass das Erbschaftssteuerrecht offenbar auch aus Gründen der Praktikabilität bei der Umschreibung und Abgrenzung der Steuerklassen in § 7 ErbStG an formale Kriterien des Familienstandes, der Verwandtschaft und Schwägerschaft anknüpft und die im Einzelfall gegebene persönliche Beziehung zwischen den Beteiligten in jeder Hinsicht außer Betracht lässt. Angesichts dessen besteht aber keine Veranlassung, die Steuerklasseneinteilung des § 7 ErbStG einer Prüfung zu unterziehen oder gar die Steuerklasse I auf nichteheliche Lebensgemeinschaften anzuwenden.
Der Gerichtshof übersieht dabei weder, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften in verschiedenen Formen im Vordringen begriffen sind, noch, dass der Gesetzgeber in bestimmten Belangen (so etwa auch in § 15 Abs. 1 Z 16 ErbStG) heute auf diese Gemeinschaften Bedacht nimmt. Derartiges ist ihm von Verfassungswegen grundsätzlich nicht verwehrt. Es mag auch sein, dass in Teilbereichen der Rechtsordnung eine Differenzierung zwischen der Ehe und nichtehelichen Partnerschaften sachlich nicht (mehr) zu rechtfertigen ist. Dies hängt von Art und Inhalt der Regelung und dem jeweiligen Sachzusammenhang ab. Im Erbschaftssteuerrecht, bei dem es um die steuerliche Belastung von Vermögenstransfers zu einem bestimmten Zeitpunkt geht, handelt der Gesetzgeber jedenfalls nicht unsachlich, wenn er - auch im Hinblick auf andernfalls gegebene Missbrauchsmöglichkeiten oder Schwierigkeiten der Sachverhaltsermittlung - an formale familienrechtliche Kategorien (Ehe, Verwandtschaft, Schwägerschaft) anknüpft und darauf verzichtet, Vermögenstransfers zwischen den Partnern nicht formalisierter Gemeinschaften, mögen diese auch wesentlich größere Bedeutung haben als früher, jenen zwischen Ehepartnern gleichzustellen."
Nach diesem Erkenntnis bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, im Fall einer Schenkung an einen Lebensgefährten bei der Vorschreibung der Schenkungssteuer die Steuerklasse V. anzuwenden; dies gilt ausdrücklich im Fall einer Schenkung an einen heterosexuellen Lebenspartner und kann bei verfassungskonformer Auslegung im Fall der Schenkung an einen homosexuellen Lebenspartner nicht anders gelten; von einer Diskriminierung gegenüber heterosexuellen Lebenspartnern kann dabei keine Rede sein...."
Der PV hat in seiner Stellungnahme vom 13.9. 2007 argumentiert, das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz diskriminiere in unsachlicher Weise sowohl gleichgeschlechtliche als auch heterogeschlechtliche Lebensgemeinschaften gegenüber der Ehegattengemeinschaft und hat dieses Problem auch an den Verfassungsgerichtshof herangetragen. Wie im Sachverhalt bereits ausgeführt, hat der Verfassungsgerichtshof jedoch in vorliegendem Fall mit Beschluss vom 1. August 2008, B 44/08 - 5, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu unter anderem ausgeführt:
"...Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der vorliegenden Beschwerde (bei der es nicht um eine gemeinschaftsrechtliche Frage iSd § 302 Abs. 2 lit. c BAO und auch nicht mehr um die Anwendung des § 7 ErbStG geht) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat...."
Was den Hinweis auf andere Rechtsmaterien betrifft ist zu sagen, dass der Verfassungsgerichtshof in vor zitiertem Erkenntnis hiezu bereits Ausführungen getroffen hat.
Wie anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung im ersten Rechtsgang vom PV vorgebracht wurde, mag es sein, dass der Begriff "Familie" unterschiedlich interpretiert werden kann. Familie und Ehe bezeichnen allerdings nicht etwas Kongruentes. Eine Familie (lat. familia >>Hausgemeinschaft<<) ist soziologisch eine durch Heirat und/oder Abstammung begründete Lebensgemeinschaft, im westlichen Kulturkreis meist aus Eltern und Kindern bestehend, gelegentlich durch im gleichen Haushalt wohnende Verwandte erweitert. Die Familie ist demnach eine engere Verwandtschaftsgruppe.
Das Erbschaftssteuergesetz erwähnt die Familie nicht, sondern bestimmt in § 7, dass nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser die Steuerklassen unterschieden werden. In Steuerklasse I wird der Ehegatte genannt. Das Erbschaftssteuergesetz wollte Begünstigungen generell dem Ehegatten zukommen lassen (so zum Beispiel: § 8 Abs. 4 lit. a, § 14 Abs. 3 und § 15 Abs. 1Z1 lit. c ErbStG.). Mit dem Begriff Ehe verweist das Erbschaftssteuergesetz auf das Zivilrecht. Was Ehe ist, ist dort gesetzlich eindeutig definiert.
Zu dem in der mündlichen Berufungsverhandlung vorgebrachten Argument, der UFS habe zu § 106 Abs. 3 EStG 1988 entschieden, dass die Begünstigung der Zuerkennung der Kosten der doppelten Haushaltsführung auch bei gleichgeschlechtlicher Partnerschaft zu gewähren sei, ist zu sagen, dass der UFS ausgeführt hat, Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung seien auch im Falle einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die nach Lehre und Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen (Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung, steuerlich relevante Einkünfte des Partners) grundsätzlich vorliegen. Der UFS hat in der angesprochenen Entscheidung RV/0094-K/06, vom 14.6.2007 u.a. ausgeführt:
"...In der Bestimmung des § 106 Abs. 3 EStG 1988 scheint durch Hinweis auf das Vorhandensein eines Kindes auf den ersten Blick auf eine heterosexuelle Lebensgemeinschaft Bezug genommen zu sein. Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Der Wortlaut der Bestimmung lässt nämlich auch die Deutung zu, dass auch eine gleichgeschlechtliche Person (Ehe)Partner im Sinne des § 106 Abs. 3 EStG 1988 sein kann, wenn nämlich diese Person oder der Steuerpflichtige selbst ein Kind gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1988 aus einer vorangegangenen verschiedengeschlechtlichen Beziehung in die gleichgeschlechtliche eheähnliche Partnerschaft mitbringen.
Für den vorliegenden Fall kann dies aber letztlich dahingestellt bleiben, weil weder die Bestimmung des § 106 Abs. 3 EStG noch irgendeine andere Bestimmung des EStG, in der der Begriff "(Ehe)Partner" Verwendung findet, auf den Streitfall anzuwenden ist. § 106 Abs. 3 EStG 1988 ist deshalb für den Streitfall nicht von Bedeutung, weil dort die Lebensgemeinschaft nur dann als steuerlich relevant angesehen wird, wenn ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 vorhanden ist. In der Lehre und Rechtsprechung ist aber für die Anerkennung von Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten und für die dazu vor gelagerte Frage der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes das Vorhandensein eines Kindes auch bei Ehen und verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften keine Voraussetzung. Auch die kinderlose eheähnliche Partnerschaft sprich Lebensgemeinschaft kann bei Vorliegen der übrigen Kriterien zur dauerhaften steuerlichen Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten führen...."
Der UFS stützt seine Entscheidung nicht auf § 106 Abs. 3 EStG.
Unabhängig ist dazu folgendes zu sagen:
§ 106 Abs. 3 EStG 1988 lautet:
"Kinder, (Ehe)Partnerschaften
§ 106. (1) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a zusteht.
(2) Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch Kinder, für die dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Unterhaltsabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. b zusteht.
(3) (Ehe)Partner ist eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt.
(4) Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 sind die Abs. 1 bis 3 sinngemäß anzuwenden."
Das Einkommensteuergesetz spricht vom "(Ehe)Partner" und definiert diesen Begriff als "eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist" oder "in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt". § 7 Erbschaftssteuergesetz spricht jedoch ausschließlich vom "Ehegatten" und knüpft, wie bereits ausgeführt, an die formale familienrechtliche Kategorie der Ehe an. Hätte der Erbschaftssteuergesetzgeber die Gleichstellung gewollt, hätte er sie zum Ausdruck gebracht wie der Einkommensteuergesetzgeber.
Die Berufung war daher aus den o. a. Gründen als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 20. März 2012
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 29 Abs. 1 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955 |
Verweise: | VwGH, 2006/16/0124 |