UFS RV/0296-F/09

UFSRV/0296-F/0915.2.2011

1. Schweizerische Invalidenrente (aus der 2. Säule) nicht steuerfrei2. Überobligatorischer Rentenanteil ist jedenfalls nur zum Teil zu erfassen

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch WTH, vom 5. Februar 2009 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom 14. Jänner 2009 betreffend Einkommensteuer 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid vom 14.1.2009 bleibt unverändert.

Die verbösernde Berufungsvorentscheidung vom 28.4.2009 wird nicht bestätigt.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber, nachfolgend Bw abgekürzt, war Grenzgänger nach der Schweiz und wurde im Streitjahr pensioniert. Aus diesem Anlass ließ er sich seinen Anspruch auf eine Altersrente aus der betrieblichen Pensionskasse (berufliche Vorsorge bzw. zweite Säule), der zum Teil auf überobligatorischen Beitragszahlungen beruht, abfertigen. Weiters erhielt er vom 1.1. bis 30.11.2007 von der X Vorsorgestiftung eine Invalidenrente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Strittig ist zum einen, ob hinsichtlich des überobligatorischen Teiles der Rentenabfindung die Begünstigungsbestimmung des § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 zur Anwendung gelangt, wonach derartige Bezüge insoweit nur mit 25% zu erfassen sind, als die Beitragsleistungen die Einkünfte nicht vermindert haben. Strittig ist zum anderen, ob die Invalidenrente der beruflichen Vorsorgeeinrichtung nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG steuerfrei ist.

Über die Berufung wurde erwogen:

Überobligatorischer Rentenanteil Gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 in der im Streitjahr geltenden Fassung zählen Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit mit der Maßgabe, dass § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a zweiter Satz insoweit anzuwenden ist, als die Beitragsleistungen an derartige ausländische Pensionskassen die in- oder ausländischen Einkünfte nicht vermindert haben. § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a zweiter Satz ordnet an, dass jene Teile der Bezüge und Vorteile, die auf von bestimmten Personen eingezahlten Beträge entfallen, nur mit 25% zu erfassen sind.

Das Finanzamt hat dem Bw mit Vorhalt vom 17.3.3009 bekannt gegeben, dass anhand einer Nachrechnung der anerkannten Werbungskosten in den Jahren 2001 und 2002 aufgrund der Aktenlage keine Kürzung der überobligatorischen Pensionsbeiträge festgestellt habe werden können. Mit der Begründung, der Bw habe dem Ersuchen, die Kürzung der überobligatorischen Pensionsbeiträge in der Vergangenheit nachzuweisen, nicht entsprochen, verböserte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid und ließ die zunächst angewandte Teilerfassungs-Vorschrift unangewendet. Damit legte das Finanzamt die zitierte Bestimmung dahingehend aus, dass der Umfang der Steuerpflicht von Bezügen aus ausländischen Pensionskassen nicht davon abhängig ist, ob die Beiträge aufgrund gesetzlicher Verpflichtung geleistet wurden, also den Charakter von Werbungskosten haben bzw. hatten, sondern davon, ob die der Rente zugrunde liegenden Beitragszahlungen die Einkünfte - sei es zu Recht oder zu Unrecht - vermindert haben.

Dieser Auslegung, die auch schon die Berufungsbehörde geteilt hat (UFS 23.4.2010, RV/0031-S/10), folgt der Referent aus folgenden Gründen nicht: Wenn in § 25 EStG von einer Vermindung der "Einkünfte" die Rede ist, dann stellt dies eine Anknüpfung am in § 2 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 definierten Einkünftebegriff dar, der seinerseits hinsichtlich der abzuziehenden "Werbungskosten" auf § 16 EStG verweist. Dies aber bedeutet nach Überzeugung des Referenten, dass Bezüge aus ausländischen Pensionskassen, zu denen die betrieblichen Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz zählen (vgl. UFS 19.8.2005, RV/0168-F/05; UFS 17.8.2005, RV/0121-F/05; UFS 23.1.2004, RV/0400-F/02; UFS 22.7.2008, RV/0230-F/08), insoweit (nur) mit einem Viertel steuerlich zu erfassen sind, als die Beitragsleistungen an derartige Kassen keine Werbungskosten darstellten bzw. nicht aufgrund gesetzlicher Pflicht erfolgten (Jakom/Lenneis EStG, 2010, § 25 Rz 7; Doralt, EStG12, § 25 Tz 52).

Die eingangs leicht verkürzt wiedergegebene Bestimmung fand mit BGBl I 8/2005 und BGBl I 34/2005 Eingang ins EStG. Die zuvor geltende Regelung lautete wie folgt: "Derartige Bezüge sind nur mit 25% zu erfassen, soweit eine ausländische gesetzliche Verpflichtung zur Leistung von Pensionskassenbeiträgen nicht besteht." Aus den zuvor angeführten Gründen ist der Referent der Überzeugung, dass die geänderte Formulierung im hier maßgeblichen Zusammenhang keine inhaltlichen Veränderungen gebracht hat. Dies bedeutet, dass vor wie auch nach der Wirksamkeit der aufgezeigten gesetzlichen Änderung für die Anwendbarkeit der begünstigten Besteuerung von Bezügen aus ausländischen Pensionskassen maßgeblich ist und war, ob und inwieweit eine ausländische gesetzliche Verpflichtung zur Leistung von Pensionskassenbeiträgen bestanden hat.

Dem Finanzamt wird eingeräumt, dass es durch die zweitinstanzliche Auslegung dazu kommen kann, dass sich Beitragsleistungen (in gesetzwidriger Weise) voll steuermindernd ausgewirkt haben, während die dadurch vermittelten Bezüge nur zu einem geringen Teil besteuert werden. Dieser Nachteil wird allerdings durch die zweitinstanzliche Auslegung aufgewogen, indem verba legalia einheitlich ausgelegt werden und indem es letztlich weder dem Zufall noch dem Abgabepflichtigen (und auch nicht dem Finanzamt) überlassen wird, inwieweit Bezüge aus ausländischen Pensionskassen steuerlich zu erfassen sind. Maßstab für die Steuerpflicht ist bzw. soll allein das Gesetz und nicht das Handeln Normunterworfener sein (UFS 18.1.2011, RV/0207-F/09).

Im Übrigen brachte der Bw im Vorlageantrag vor, dass die erstinstanzliche Feststellung betreffend die Berücksichtigung von überobligatorischen Pensionsbeiträgen im Widerspruch zur eigenen Feststellung stehe, wonach aus der Aktenlage nicht zu ersehen sei, dass die Beiträge des Bw das steuerpflichtigen Einkommen nicht vermindert hätten. Da der Bw schließlich vorbrachte, aus den von ihm aufbewahrten Unterlagen für die Jahre 1999 und 2000 werde klar ersichtlich, dass das Einkommen durch überobligatorische Beiträge nicht gekürzt worden sei, ergeben sich Zweifel an den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen. Eine Klärung derselben ist aber im Hinblick auf die dargelegte Auslegung nicht erforderlich (wohl auch kaum möglich). Dieser Umstand ist allerdings kein Einzelfall. Er verdeutlicht, zu welchen Umsetzungssproblemen die erstinstanzliche Auslegung führt.

Schweizerische Invalidenrente Der Bw vertritt gestützt auf EAS 2691 vom 27.1.2006 (SWI 4/2006, 157) und UFS 24.2.2009, RV/0504-G/08 (UFSjournal 2009, 177) die Auffassung, die von ihm bezogene Invalidenrente sei gem. § 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG steuerfrei.

Gemäß der zitierten Bestimmung sind von der Einkommensteuer befreit: "Erstattungsbeträge für Kosten im Zusammenhang mit der Unfallheilbehandlung oder mit Rehabilitationsmaßnahmen, weiters Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, oder aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen."

Wie das Finanzamt bereits zutreffend ausgeführt hat, hat die inländische gesetzliche Unfallversorgung die Aufgabe, Vorsorge für die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu treffen und Entschädigungen nach Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu gewähren (§ 172 ASVG). Demgegenüber soll die zweite Säule des schweizerischen Vorsorgesystems - ergänzend zur staatlichen oder gesetzlichen Vorsorge - den Erhalt des Lebensstandards von Erwerbstätigen und ihren Angehörigen sichern. Bei Invalidität erfolgt dies durch Ausrichtung einer Invaliditätsrente, die gebührt, wenn die versicherte Person vor Erreichen des Pensionsalters (aus welchen Gründen immer) invalid wird. Nach den vom Bw vorgelegten ärztlichen Zeugnissen leidet er unter einer Reihe von Krankheiten, die ihn in Summe vor Erreichen des Pensionsalters arbeitsunfähig machten. Ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit liegen aber nicht vor. Damit aber wird ein wesentlicher Grund deutlich, weshalb die ausländische Versicherungsleistung dem Grunde nach nicht einer Leistung der inländischen gesetzlichen Unfallversorgung (§ 173 ASVG) entspricht.

Abgesehen davon, dass Invalidität schlechthin kein Versicherungsfall darstellt, der zu Ansprüchen aus der inländischen gesetzlichen Unfallversorgung führt, zeigt ein grundsätzlicher Vergleich der inländischen gesetzlichen Unfallversorgung mit der schweizerischen, im Rahmen der zweiten Säule sichergestellten Invaliditätsvorsorge, dass die verglichenen Einrichtungen und Leistungen einander aus mehreren Gründen nicht entsprechen (dazu ausführlich UFS 10.12.2009, RV/041-F/08). Während beispielsweise die gesetzliche Unfallversorgung den Entschädigungscharakter der Invalidenrente betont, misst die berufliche Vorsorge dem Lohnersatz besonderes Gewicht bei (Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 BVG; VwGH 22.4.2009, 2007/15/0022). Auch wird die berufliche Vorsorge in der Schweiz nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanziert, während die staatliche Vorsorge in der Schweiz und in Österreich solidarisch nach dem Umlagesystem finanziert wird. Ferner sind nicht ohne Grund alle Leistungen aus Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgeformen bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden auch in vollem Umfang als Einkommen steuerbar (Art. 82 BVG). Schließlich belegen auch die Internet-Ausführungen (www.axa-winterthur.ch ) zum "Risiko Invalidität", dass Invaliditätsrenten aus der zweiten Säule nicht nur eine Entschädigung, sondern (teilweisen) Lohnersatz darstellen: "Ob chronische Rücken- oder Gelenksschmerzen, Burnout oder Erkrankung des Nervensystems - wenn Sie arbeitsunfähig sind und Ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung erlischt, fällt Ihr bisheriges Einkommen weg. Ihre Pensionskasse fängt die Einbußen aber teilweise auf."

Der Sachverhalt, der der vom Bw zitierten Berufungsentscheidung zu Grunde liegt (UFS 4.2.2009, RV/0504-G/08) ist mit dem gegenständlich zu beurteilenden nicht vergleichbar, ging es doch in der Entscheidung aus dem Jahr 2009 um die Beurteilung einer nach einem Arbeitsunfall ausgerichteten Invalidenrente der staatlichen Vorsorge, also der ersten Säule. Gleiches dürfte auch hinsichtlich der vom BMF beurteilten Invaliditätsrente gelten (EAS 2691). Dies kommt ua in der Betonung des Schadenersatzcharakters der Rente zum Ausdruck.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am 15. Februar 2011

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 4 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 172 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 173 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 22.04.2009, 2007/15/0022
UFS 23.04.2010, RV/0031-S/10
UFS 19.08.2005, RV/0168-F/05
UFS 17.08.2005, RV/0121-F/05
UFS 23.01.2004, RV/0400-F/02
UFS 22.07.2008, RV/0230-F/08
EAS 2691
UFS 24.02.2009, RV/0504-G/08
UFS 04.02.2009, RV/0504-G/08

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