UFS RV/0038-L/08

UFSRV/0038-L/0814.1.2009

Mangelnde Begründung eines Aufhebungsbescheides gemäß § 299 BAO

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch PZP Steuerberatung GmbH, 4910 Ried im Innkreis, Am Burgfried 14, gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 25. Oktober 2007 betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2006 und Einkommensteuer 2006 entschieden:

1) Der Berufung betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2006 wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2) Die Berufung betreffend Einkommensteuer 2006 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) erzielte im berufungsgegenständlichen Jahr 2006 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung.

In der Einkommensteuererklärung 2006 beantragte er eine Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung in Höhe von 1.320,00 € (Kosten für die auswärtige Berufsausbildung von Kindern).

Das Finanzamt führte eine erklärungsgemäße Veranlagung durch (Bescheid vom 6. Juli 2007).

In weiterer Folge hob das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid vom 6. Juli 2007 gemäß § 299 BAO auf (Begründung: "Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.")

In einer neuen Sachentscheidung berücksichtigte es das Pauschale für auswärtige Berufsausbildung nicht mit der Begründung, dass die Tochter des Bw. bereits berufstätig und somit selbsterhaltungsfähig gewesen sei (Bescheide vom 25. Oktober 2007).

Gegen diese Bescheide erhob der Bw. durch seine steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom 20. November 2007 (eingelangt beim Finanzamt am 21. November 2007) Berufung und beantragte, das Pauschale gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 des auswärtigen Studiums anzuerkennen.

Begründend führte er aus, seine Tochter habe zwar bei Aufnahme ihres Studiums bereits zweieinhalb Jahre gearbeitet; ihr Verdienst habe jedoch nicht ausgereicht, das Studium zu bestreiten. Sie erhalte auch kein Stipendium mangels einer zumindest vierjährigen beruflichen Tätigkeit. Die Kosten des Studiums, die nachweislich rund 400,00 € pro Monat ausmachten, müssten somit von den Eltern auf Grund ihrer Unterhaltsverpflichtung getragen werden. Eine bestehende Unterhaltsverpflichtung komme auch dadurch zum Ausdruck, dass für den Zeitraum des Studiums der Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 26. November 2007 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Als Begründung führte es aus: Nach der Judikatur des OGH entfalle die Unterhaltspflicht der Eltern bei Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes. Diese sei dann als bestehend anzusehen, wenn das Kind die zur Deckung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel selbst erwerbe oder zu erwerben imstande sei bzw. dem Kind eine Erwerbstätigkeit zumutbar sei.

Aufgrund der Einkünfte bei Mag. Wolfgang G. (vom 11.2.2002 bis 31.8.2004) habe die Tochter des Bw. als selbsterhaltungsfähig gegolten, sodass eine Unterhaltspflicht der Eltern nicht mehr auflebe.

Im Übrigen zielten die Bestimmungen der Familienbeihilfe nicht darauf ab, ob bereits einmal eine Selbsterhaltungsfähigkeit eingetreten sei oder nicht. In den Gesetzesbestimmungen werde nur für die Dauer der Ausbildung die Selbsterhaltungsfähigkeit durch eigene Einkünfte des Kindes geprüft.

Mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2008 beantragte der Bw. durch seine steuerliche Vertreterin die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend aus:

Die Rechtsansicht des Finanzamtes sei nicht richtig, wonach eine Unterhaltspflicht der Eltern nicht vorliege, wenn das Kind bereits selbsterhaltungsfähig gewesen sei. In der zitierten Entscheidung vom 10.6.1999, 6 Ob 11/99g, habe der OGH eine Unterhaltspflicht des geschiedenen Vaters nur deshalb verneint, weil sein siebzehnjähriger Sohn wegen Diebstahls durch eigenes Verschulden entlassen worden und anschließend trotz Arbeitsfähigkeit arbeitslos gemeldet gewesen sei. Die Unterhaltspflicht des Vaters sei auf Grund der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles nicht wieder aufgelebt.

Vielmehr könne nach der Rechtsprechung der Unterhaltsanspruch eines bereits selbsterhaltungsfähigen Kindes wiederaufleben, wenn es sich nach einer bereits abgeschlossenen Berufsausbildung zu einer weiteren Ausbildung entschließe, um offenkundig bessere berufliche Fortkommensmöglichkeiten zu erlangen (OGH 18.6.1991, 4 Ob 518/91). Demnach gelte allgemein der Grundsatz, dass Kinder, die zwar schon eine abgeschlossene Berufsausbildung hätten, aber eine vertretbare Weiterbildung anstrebten, nicht als selbsterhaltungsfähig anzusehen seien (OGH 12.3.1997, 6 Ob 2220/96f).

Die Tochter des Bw. habe nach Absolvierung der HAK-Matura und einer Tätigkeit als Buchhalterin bei Mag. G. eine pädagogische Ausbildung in Wien begonnen, die sie im Juni 2007 abgeschlossen habe. Es handle sich demnach um eine zielstrebige Ausbildung für einen darauf aufbauenden höherwertigen Beruf. Eine solche Ausbildung begründe sehr wohl eine Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihrem Kind.

Die Ausbildungskosten seien von den Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht grundsätzlich auch dann zu tragen, wenn das Kind über geringfügige Einkünfte verfüge. Übersteige das eigene Einkommen des Kindes nicht den familienbeihilfeschädlichen Betrag von 8.725,00 € und sei von einer entsprechenden (faktischen) Kostentragung der Eltern auszugehen, stehe der Freibetrag zu (Abschn. 877 LStR).

Voraussetzung für den Freibetrag sei eine auswärtige Berufsausbildung, die die "normale" Berufsausbildung eines Kindes als laufende Unterhaltsleistung übersteige. Als Kinder seien (auch volljährige) Kinder iSd § 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988 anzusehen, denen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr eine Familienbeihilfe bzw. ein Kinderabsetzbetrag zustehe (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 Abs. 8 Rz 4.1).

In weiterer Folge legte das Finanzamt die gegenständliche Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Zusammengefasst ergibt sich auf Grund der vorgelegten Unterlagen und der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens folgender Sachverhalt:

Die Tochter des Bw. Barbara H. maturierte im Oktober 2001 an der Handelsakademie Ried.

Im Wintersemester 2001/02 begann sie ein Studium der Theaterwissenschaften und Deutscher Philologie in Wien, das sie im Februar 2002 abbrach.

Vom 11. Februar 2002 bis 31. August 2004 arbeitete sie als Buchhalterin bei Mag. Wolfgang G. (2002: 9.537,78 € Jahreseinkommen; 2003: 12.579,60 € Jahreseinkommen; 2004: 9.508,65 €).

Vom 12. Juli 2006 bis 14. Juli 2006 arbeitete sie bei der R-GmbH (-53,12 € Jahreseinkommen).

Im Jahr 2007 erhielt sie vom 6. Juli bis 19. August Arbeitslosengeld in Höhe von 1.097,55 € und vom 20. August bis 18. November Arbeitslosengeld in Höhe von 2.219,49 €; ab 19. November war sie beim Land Wien als Diplompädagogin beschäftigt (2.308,85 € Jahreseinkommen).

Über die Berufung wurde erwogen:

Aufhebung gemäß § 299 BAO:

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF AbgÄG 2003, BGBl. I Nr. 124/2003, kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden (Abs. 2).

Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat (Abs. 3; AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002).

Gemäß § 20 BAO müssen sich die Entscheidungen, die die Abgbenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind die Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

§ 299 BAO gestattet eine Aufhebung nur dann, wenn der Bescheid sich als nicht richtig erweist.

Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 nicht ausschlaggebend. Der Spruch eines Bescheides ist somit nicht nur dann rechtswidrig, wenn eine Rechtsvorschrift unzutreffend ausgelegt oder übersehen wurde. Ein Bescheid ist überdies inhaltlich rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden; dies auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde (zB aus Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei) zurückzuführen ist (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, § 299 Tz 9, 10).

Die Aufhebung setzt weder ein Verschulden der Abgabenbehörde noch ein Verschulden (bzw. ein Nichtverschulden) des Bescheidadressaten voraus. Die Rechtswidrigkeit muss nicht offensichtlich sein, setzt jedoch die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht aus (Ritz, a.a.O., § 299 Tz 11, 12, 13).

Die Aufhebung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Dies unabhängig davon, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt. Ermessensentscheidungen erfordern eine Abwägung und Anführung der ermessensrelevanten Umstände. Diese Abwägung ist nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Aufhebungsbescheides darzustellen. Ermessensentscheidungen sind weiters nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003, 240).

Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 darzulegen (VwGH 2.7.1998, 98/16/0105). Die Aufhebungsgründe sind daher nachzuweisen. Sie hat weiters die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (VwGH 29.9.1993, 92/13/0102). Ein Hinweis auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird vielfach ausreichend sein (vgl. VwGH 16.11.1993, 89/14/0287; VwGH 22.2.2001, 98/15/0123, Hinweis auf den Vorrang des Prinzips der Rechtsrichtigkeit im Hinblick auf die nicht bloß geringfügigen Folgen), nicht jedoch, wenn anderen Kriterien nach den Umständen des Einzelfalles maßgebende Bedeutung bei der Ermessensübung zukommt (Ritz, a.a.O., § 299 Tz 40).

Ein Aufhebungsgrund im Sinne des § 299 Abs. 1 BAO ist ein Sachverhalt, der bewirkt dass der Spruch eines Bescheides sich als nicht richtig erweist. Dieser Sachverhalt ist nach der ständigen Rechtsprechung des UFS im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides festzustellen und darzulegen (UFS 2. Jänner 2008, RV/0231-G/06; UFS 4. Juli 2007, RV/0005-I/05; UFS 10. Oktober 2006, RV/0557-I/06; UFS 7. Juni 2006, RV/0815-W/06).

Im gegenständlichen Fall gibt das Finanzamt in der Begründung des Aufhebungsbescheides lediglich den Gesetzeswortlaut wieder, ohne jedoch konkret darzulegen, auf Grund welcher Umstände die Voraussetzungen für eine Aufhebung verwirklicht wurden. Aus der vorliegenden Begründung kann sohin nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalts- bzw. Tatbestandselemente die Abgabenbehörde zu der streitgegenständlichen Aufhebung berechtigt hätten, zumal das Finanzamt auch Ausführungen hiezu unterlässt, welche die Unrichtigkeit des Bescheidspruches aufzuzeigen vermögen könnten.

Wenn aber der als Aufhebungsgrund herangezogene Sachverhalt im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides nicht festgestellt wird, ist auch nicht überprüfbar, ob der vom Finanzamt herangezogene Aufhebungstatbestand die Bescheidaufhebung rechtfertigt oder ob die Bescheidaufhebung rechtswidrig erfolgt ist.

Das bloße Zitieren eines Gesetzeswortlautes ohne Darlegung eines die Aufhebung begründenden konkreten Sachverhaltes stellt - nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates - keine ausreichende Begründung für das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO dar.

Der Aufhebungsbescheid ist daher mit einem wesentlichen Begründungsmangel behaftet. Dieser Begründungsmangel ist im Berufungsverfahren nicht sanierbar, denn im Rechtsmittelverfahren dürfen nur jene Aufhebungsgründe berücksichtigt werden, die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes genannt sind, bzw. darf die Berufungsbehörde eine Bescheidaufhebung nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt nicht herangezogen hat (UFS 7. Juni 2006, RV/0815-W/06; UFS 10. Oktober 2006, RV/0557-I/06; UFS 5. Juni 2007, RV/0383, 0397-G/07; UFS 4. Juli 2007, RV/0005-I/05).

Der Berufung gegen den Aufhebungsbescheid war daher stattzugeben.

Einkommensteuer 2006:

Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.

Nicht zulässig ist eine Berufung ua. bei Beseitigung des angefochtenen Bescheides aus dem Rechtsbestand (vgl. Ritz, a.a.O., § 273 Tz 2, 6).

Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides gemäß § 299 Abs. 1 BAO tritt das Verfahren gemäß § 299 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass mit dem Aufhebungsbescheid ex lege auch der mit ihm verbundene Sachbescheid aus dem Rechtsbestand ausscheidet (Ritz, a.a.O., § 273 Tz 62).

Die Berufung gegen den aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen Einkommensteuerbescheid ist daher als unzulässig (geworden) zurückzuweisen.

Linz, am 14. Jänner 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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