UFS RV/0005-I/05

UFSRV/0005-I/054.7.2007

Fehlende Begründung in einem Bescheid gemäß § 299 BAO

 

Anmerkungen:
Abweichend: RV/0117-I/07

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch Mag. Werner Hofer Steuerberatungs GmbH, Steuerberatungskanzlei, 9900 Lienz, Rechter Iselweg 10, vom 17. Dezember 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes Kitzbühel Lienz betreffend die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO sowie den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2003 jeweils mit Ausfertigungsdatum 19. November 2004 entschieden:

Der Berufung gegen den Bescheid betreffend die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2003 wird Folge gegeben. Dieser angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Damit scheidet der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 19. November 2004 aus dem Rechtsbestand aus. Die Berufung gegen diesen Bescheid wird gemäß § 275 BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

In der bei der Abgabenbehörde eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2003 beantragte die Berufungswerberin "die Gutschrift der Umsatzsteuer, die sich in Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes ergeben hat, auch für dessen privat genutzten Teil (lt. Urteil Seeling, EuGH 8.5.2003, Rs. C-269/00 )". Die in der Abgabenerklärung geltend gemachten Vorsteuern betrugen dabei 79.953,59 €.

In weiterer Folge erließ das Finanzamt einen erklärungsgemäßen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 (Ausfertigungsdatum 28. Oktober 2004).

Mit Bescheid vom 19. November 2004 hob das Finanzamt diesen Bescheid gemäß § 299 BAO auf und erließ einen neuen Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2003, in welchen der Gesamtbetrag der Vorsteuern mit 15.255,53 € ausgewiesen wurde.

Begründend führte die Abgabenbehörde in der Begründung des Bescheides gem. § 299 BAO über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2003 aus wie folgt:

"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist."

Die Begründung des (neuen) Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2003 lautete wie folgt:

"Auf Grund der Rechtsprechung des EuGH vom 8.5.2003 (Seeling/FA-Starnberg, Rs C-269/00 ) ergibt sich, dass dieses Urteil auf die österreichische Gesetzeslage im Zeitraum vom 1.1.1995 bis einschließlich 31.12.2003 keinen Einfluss hat. Die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug für den als privat ausgewiesenen Anteil steht daher für das Jahr 2003 nicht zu."

In der gegen den Aufhebungs- und Umsatzsteuerbescheid fristgerecht erhobenen Berufung vom 7. Dezember 2004 führte die Berufungswerberin unter anderem aus, dass in dem Bescheid mit dem die Aufhebung verfügt wurde jegliche Begründung fehle und lediglich die gesetzliche Bestimmung zitiert wurde.

Hinsichtlich des Sachbescheides wurde in der Begründung darauf verwiesen, dass im bekämpften Umsatzsteuerbescheid 2003 die Vorsteuer aus dem privat verwendeten Teil des sowohl betrieblich als auch privat verwendeten Gebäudes nicht zum Abzug zugelassen worden sei, obwohl die 6. Mehrwertsteuerrichtlinie der Europäischen Union gemäß dem Urteil des EUGH, C-269/00 , Seeling, dem Unternehmer das Recht auf vollen Vorsteuerabzug für die Anschaffungskosten auch der privat verwendeten Teile eines solchen Gebäudes einräume, wenn der private Teil des Gebäudes dem Unternehmen zugeordnet werde.

Die Berufung wurde dem Unabhängigen Finanzsenat direkt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im vorliegenden Fall ist vorerst strittig, ob der Aufhebungsbescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2003 rechtmäßig ergangen ist.

Die Abgabenbehörde erster Instanz kann gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF Abgaben-Änderungsgesetz 2003 (AbgÄG 2003), BGBl I 2003/124, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden (§ 299 Abs. 2 BAO idgF). Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat (§ 299 Abs. 3 BAO idgF).

Aufhebungen gemäß § 299 Abs. 1 BAO idgF setzen die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, die bloße Möglichkeit reicht nicht. Der Inhalt eines Bescheides ist im Sinne des § 299 Abs. 1 BAO idgF rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides rechtswidrig ist, dh. nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO nicht ausschlaggebend. Der Spruch eines Bescheides ist somit nicht nur dann rechtswidrig, wenn eine Rechtsvorschrift unzutreffend ausgelegt oder übersehen wurde. Ein Bescheid ist überdies inhaltlich rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden; dies auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde (z.B. aus Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei) zurückzuführen ist (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar³, Tz. 9ff zu § 299, 918).

Die Aufhebung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde; dies unabhängig davon, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt. Ermessensentscheidungen erfordern eine Abwägung und Anführung der ermessensrelevanten Umstände. Diese Abwägung ist nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit a BAO in der Begründung des Aufhebungsbescheides darzustellen. Ermessensentscheidungen sind weiters nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (Ritz, BAO-Handbuch, § 299, Seite 250; Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003/240).

Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit a BAO das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen (Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003/240). In der Bescheidbegründung von Aufhebungsbescheiden muss nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 2.7.1998, 98/16/0105) der/die Aufhebungsgrund/Aufhebungsgründe enthalten sein. Die Begründung hat weiters die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (VwGH 29.9.1993, 92/13/0102), wobei ein Hinweis auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vielfach ausreichend sein wird (VwGH 16.11.1993, 89/14/0287; VwGH 22.2.2001, 98/15/0123; Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar³, Tz 40 zu § 299).

Zusammenfassend ist sohin auszuführen, dass ein Aufhebungsgrund im Sinne des § 299 Abs. 1 BAO idgF ein Sachverhalt ist, der bewirkt, dass der Spruch eines Bescheides rechtswidrig ergangen ist. Dieser Sachverhalt ist im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides festzustellen und darzulegen.

Im vorliegenden Fall hat die Abgabenbehörde den strittigen Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2003 gemäß § 299 BAO lediglich wie folgt begründet:

"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist."

Die Abgabenbehörde gibt also in ihrer Begründung des Aufhebungsbescheides lediglich den Gesetzeswortlaut bzw. die darin enthaltenen Tatbestandsmerkmale wieder, ohne jedoch konkret darzulegen, aufgrund welcher Umstände im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aufhebung verwirklicht worden wären. Aus der vorliegenden Begründung kann sohin nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalts- bzw. Tatbestandselemente die Abgabenbehörde zu der streitgegenständlichen Aufhebung nach § 299 BAO berechtigen würden, zumal die Abgabenbehörde auch Ausführungen hiezu unterlässt, welche die Unrichtigkeit des Bescheidspruches aufzuzeigen vermögen könnten. Das bloße Zitieren eines Gesetzeswortlautes ohne Darlegung eines die Aufhebung begründenden konkreten Sachverhaltes stellt keine ausreichende Begründung für das konkrete Vorliegen der Voraussetzung des § 299 BAO dar.

Die Ausführungen der Abgabenbehörde in der Begründung des Umsatzsteuerbescheides, wonach sich auf Grund der Rechtsprechung des EuGH vom 8.5.2002 ergebe, dass dieses Urteil auf die österreichische Gesetzeslage im Zeitraum vom 1.1.1995 bis einschließlich 31.12.2003 keinen Einfluss habe und daher die Möglichkeit zum Vorsteuerabzug für den als privat ausgewiesenen Anteil daher für das Jahr 2003 nicht zustehe, kann - ungeachtet der Prüfung, ob diese Aussage zutreffend ist - die festgestellte fehlende Bescheidbegründung des Aufhebungsbescheides nicht sanieren, da diese Angaben mangels Verweises nicht zum Bestandteil des streitgegenständlichen Aufhebungsbescheides werden. Die Abgabenbehörde unterließ im Begründungsteil des gegenständlichen Aufhebungsbescheides einen Verweis auf den Begründungsteil des nach der Aufhebung des (Sach-)Erstbescheides erlassenen Umsatzsteuerbescheides, sodass die hierin wiedergegebenen Umstände nicht dem Aufhebungsbescheid zuzurechnen sind und damit auch keine Begründung der strittigen Aufhebung darstellen.

Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid keine (faktischen) Begründungsausführungen enthält, auf Grund welcher Umstände und Tatbestandselemente die Abgabenbehörde das Vorliegen der Voraussetzung des § 299 BAO für gegeben erachtet. Der gegenständliche Bescheid kann somit keiner Überprüfung unterzogen werden, ob ein allfällig von der Abgabenbehörde herangezogener Aufhebungstatbestand bzw. ein die Aufhebung rechtfertigender Sachverhalt im konkreten Fall die Aufhebungen nach § 299 BAO rechtfertigt oder ob die Bescheidaufhebung rechtswidrig vorgenommen wurde.

Die Berufungsbehörde darf eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht aufgrund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt nicht herangezogen hat. Ein Aufgreifen von Gründen, die von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht herangezogen wurden, durch die Berufungsbehörde würde die durch § 289 Abs. 2 BAO eingeräumte Entscheidungskompetenz überschreiten. Im Berufungsverfahren dürfen nämlich nur jene Gründe berücksichtigt werden, die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes genannt werden. Abweichend vom Grundsatz, dass Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide im Berufungsverfahren saniert werden können, ist eine hinsichtlich der Darstellung der Aufhebungsgründe nach § 299 BAO fehlende bzw. mangelhafte Begründung im Berufungsverfahren nicht sanierbar. Der Berufung gegen den Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2003 ist daher stattzugeben und der angefochtene Aufhebungsbescheid ist aufzuheben.

Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides tritt das Verfahren gemäß § 299 Abs. 3 BAO wiederum in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (§ 299 Abs. 1 BAO) befunden hat. Die Aufhebung des aufhebenden Bescheides beseitigt vom Aufhebungsbescheid zwingend abgeleitete Bescheide (somit bei unlösbarem rechtlichem Zusammenhang) aus dem Rechtsbestand (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar³, Tz 62 zu § 299).

Der bekämpfte Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 gehört somit ex lege nicht mehr dem Rechtsbestand an. Wird ein mit Berufung angefochtener Bescheid ersatzlos aufgehoben, so wird die Berufung unzulässig. Sie ist als unzulässig geworden zurückzuweisen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar³, Tz 12 zu § 273).

Die streitgegenständliche Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 ist demzufolge zurückzuweisen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 4. Juli 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Aufhebung, Begründung, Begründungsmangel, Verweis

Stichworte