UFS RV/0456-L/06

UFSRV/0456-L/0628.3.2008

Amtswegige Bescheidaufhebung - Begründungspflicht

 

Anmerkungen:
Abweichend: RV/0117-I/07

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Wölflingseder & Partner, Wirtschaftstreuhänder und Steuerberater, 4040 Linz, J.- W.- Kleinstraße 18, vom 9. September 2005 gegen die Bescheide des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr, vertreten durch Gertrude Schöftner, vom 29. August 2005 betreffend

1)

die Aufhebung gemäß § 299 der Bundesabgabenordnung (BAO) des Einkommensteuerbescheides für 2003 vom 18. Juli 2005 und

2)

die Festsetzung der Einkommensteuer für 2003 (Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom 18. November 2004)

entschieden:

1)

Der Berufung gegen den Bescheid vom 29. August 2005 über die Aufhebung gemäß § 299 der Bundesabgabenordnung (BAO) des Einkommensteuerbescheides für 2003 vom18. Juli 2005 wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben

2)

Die Berufung gegen den Bescheid vom 29. August 2005 über die Festsetzung der Einkommensteuer 2003 (Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO zum Bescheid vom 18.11.2004) wird gemäß § 273 BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 18. November 2004 wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2003 mit 1.063,44 € festgesetzt. Darin wurden neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7.486,76 € auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.365,29 € der Besteuerung zu Grunde gelegt. Als Sonderausgaben wurden Renten bzw. dauernde Lasten in Höhe von 2.032,00 €, Topf-Sonderausgaben in Höhe von 467,00 € und der Kirchenbeitrag in Höhe von 75,00 € berücksichtigt.

Das Finanzamt hat am 18. Juli 2005 einen auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 erlassen, mit dem die Einkommensteuer mit 1.189,05 € festgesetzt wurde. Darin wurden neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7.486,76 € auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.695,44 € der Besteuerung zu Grunde gelegt. Als Sonderausgaben wurden Renten bzw. dauernde Lasten in Höhe von 2.032,00 €, Topf-Sonderausgaben in Höhe von 467,00 € und der Kirchenbeitrag in Höhe von 75,00 € berücksichtigt. Begründet wurde diese Bescheidänderung damit, dass diese auf Grund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Linz zu Steuernummer 335/5289 vom 12. Juli 2005 zu erfolgen hatte.

Am 29. August 2005 hat das Finanzamt folgende Bescheide gleichzeitig erlassen:

1)

Einen Bescheid über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für 2003 vom 18. Juli 2005. Dieser Bescheid enthielt folgende Begründung:

"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist."

2)

Einen als "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2003 Änderung gem. § 295 (1) BAO zu Bescheid vom 18.11.2004" bezeichneten Bescheid, mit dem die Einkommensteuer für das Jahr 2003 mit 1.700,74 € festgesetzt wurde. Darin wurden neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 7.486,76 € auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 7.695,44 € der Besteuerung zu Grunde gelegt. Als Sonderausgaben wurden Renten bzw. dauernde Lasten in Höhe von 370,00 €, Topf-Sonderausgaben in Höhe von 467,00 € und der Kirchenbeitrag in Höhe von 75,00 € berücksichtigt. Die Begründung dieses Bescheides lautete:

"Die Änderung gem. § 295 BAO erfolgte aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Linz zu Steuernummer 335/5289 vom 12.07.2005.

Sonderausgabenbegünstigt im Sinne des § 18 (1) 1 EStG sind lediglich die Rentenzahlungen und nicht die Begräbniskosten. Da die Rentenempfängerin am 22. Februar 2003 verstorben ist, waren Rentenzahlungen von insgesamt € 740,- ( davon jeweils 50% bei Ottensamer Franz und Johanna ) zu berücksichtigen."

Die gegenständliche Berufung vom 9. September 2005 richtet sich sowohl gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO als auch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2003 beide vom 29. August 2005. Vorgebracht wurde, dass neben der vereinbarten Leibrente auch die Ausrichtung eines standesgemäßen Begräbnisses ausbedungen wurde. Daher seien die Kosten des Begräbnisses als Teil der Leibrentenvereinbarung als Sonderausgaben anzuerkennen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 22. November 2005 wurde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid vom 29. August 2005 als unbegründet abgewiesen.

Die Berufungswerberin stellte mit dem Anbringen vom 23. Dezember 2005 den Vorlageantrag.

Die Berufung betreffend den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 29. August 2005 wurde am 18. Mai 2006 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Berufung gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO vom 29. August 2005 wurde am 24. Mai 2006 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1) Zur Aufhebung gemäß § 299 BAO (Bescheid vom 28. August 2005)

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der Aufhebungsbescheid betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2003 zu Recht ergangen ist.

Die Abgabenbehörde erster Instanz kann gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF Abgaben-Änderungsgesetz 2003 (AbgÄG 2003), BGBl I 2003/124, auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden (§ 299 Abs. 2 BAO). Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (§ 299 Abs. 1 BAO) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (§ 299 Abs. 1 BAO) befunden hat (§ 299 Abs. 3 BAO).

Aufhebungen gemäß § 299 Abs. 1 BAO setzen die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus, die bloße Möglichkeit reicht nicht. Der Inhalt eines Bescheides ist im Sinne des § 299 Abs. 1 BAO rechtswidrig, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist, dh. nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 BAO nicht ausschlaggebend. Der Spruch eines Bescheides ist somit nicht nur dann rechtswidrig, wenn eine Rechtsvorschrift unzutreffend ausgelegt oder übersehen wurde. Ein Bescheid ist überdies inhaltlich rechtswidrig, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt wurden; dies auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung auf mangelnde Kenntnis der Abgabenbehörde (z.B. aus Folge mangelnder Offenlegung durch die Partei) zurückzuführen ist (Ritz, BAO³, § 299, Tz. 9f).

Die Aufhebung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Dies unabhängig davon, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt. Ermessensentscheidungen erfordern eine Abwägung und Anführung der ermessensrelevanten Umstände. Diese Abwägung ist nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit a BAO in der Begründung des Aufhebungsbescheides darzustellen. Ermessensentscheidungen sind weiters nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003/240).

Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat nach Maßgabe des § 93 Abs. 3 lit. a BAO das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen (Ritz, Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO, ÖStZ 2003/240). In der Bescheidbegründung von Aufhebungsbescheiden muss nämlich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 2.7.1998, 98/16/0105) der/die Aufhebungsgrund/Aufhebungsgründe enthalten sein. Die Begründung hat weiters die Gründe für die Ermessensübung eingehend darzustellen (VwGH 29.9.1993, 92/13/0102), wobei ein Hinweis auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vielfach ausreichend sein wird (VwGH 16.11.1993, 89/14/0287; VwGH 22.2.2001, 98/15/0123; Ritz, BAO³, § 299 Tz 40).

Ein Aufhebungsgrund im Sinne des § 299 Abs. 1 BAO ist ein Sachverhalt, der bewirkt, dass der Spruch eines Bescheides sich als nicht richtig erweist. Dieser Sachverhalt ist nach der ständigen Rechtsprechung des UFS im Begründungsteil des Aufhebungsbescheides festzustellen und darzulegen (vgl. UFS 2. 1. 2008, RV/0231-G/06, UFS 4. 7. 2007, RV/0005-I/05; UFS 10. 10. 2006, RV/0557-I/06; UFS 7. 6. 2006, RV/0815-W/06).

Im vorliegenden Fall gibt das Finanzamt in der Begründung des strittigen Bescheides über die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für 2003 gemäß § 299 BAO lediglich den Gesetzeswortlaut bzw. die darin enthaltenen Tatbestandsmerkmale wieder, ohne jedoch konkret darzulegen, aufgrund welcher Umstände im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aufhebung verwirklicht worden wären. Aus der vorliegenden Begründung kann sohin nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalts- bzw. Tatbestandselemente die Abgabenbehörde zu der streitgegenständlichen Aufhebung nach § 299 BAO berechtigen würden, zumal die Abgabenbehörde auch Ausführungen hierzu unterlässt, welche die Unrichtigkeit des Bescheidspruches aufzuzeigen vermögen könnten. Das bloße Zitieren eines Gesetzeswortlautes ohne Darlegung eines die Aufhebung begründenden konkreten Sachverhaltes stellt keine ausreichende Begründung für das konkrete Vorliegen der Voraussetzung des § 299 BAO dar.

Die Ausführungen des Finanzamtes im Einkommensteuerbescheid 2003, demzufolge sonderausgabenbegünstigt im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 lediglich die Rentenzahlungen und nicht die Begräbniskosten seien, können die festgestellte fehlende Bescheidbegründung nicht sanieren, da diese Angaben mangels Verweises nicht zum Bestandteil des streitgegenständlichen Aufhebungsbescheides wurden.

Im Übrigen kann nicht mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass der aufgehobene Bescheid sich im Spruch als nicht richtig erweist. Von einem generellen Abzugsverbot von Begräbniskosten kann nicht ausgegangen werden (vgl. UFS 13. 1. 2004, RV/0371-G/03). Auch die Abzugsfähigkeit von Kosten eines ortsüblichen Totenmales ist (noch) nicht geklärt (vgl. UFS 22. 11. 2007, RV/2469-W/07 und VwGH-Beschwerde zu Zl. 2008/15/0009). Zu den "verausgabten Beträgen" im Rahmen der Gegenleistungsrente zählen neben den Renten und dauernden Lasten nach dem Gesetz auch gänzliche oder teilweise Abfindungen der Renten sowie allfällige Einmalzahlungen (vgl. Doralt, EStG, § 18 Tz. 38/1), somit kann nicht als gewiss angenommen werden, dass die geltend gemachten Begräbniskosten nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Damit fehlt neben der Darstellung des Aufhebungsgrundes im Aufhebungsbescheid eine weitere wesentliche Voraussetzung für die Aufhebung nach § 299 Abs. 1 BAO, nämlich die Gewissheit der Unrichtigkeit des Spruches des aufgehobenen Bescheides.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der streitgegenständliche Aufhebungsbescheid keine (faktischen) Begründungsausführungen enthält, auf Grund welcher Umstände und Tatbestandselemente das Finanzamt das Vorliegen der Voraussetzung des § 299 BAO für gegeben erachtet. Der gegenständliche Bescheid kann somit keiner Überprüfung unterzogen werden, ob ein allfällig von der Abgabenbehörde herangezogener Aufhebungstatbestand bzw. ein die Aufhebung rechtfertigender Sachverhalt im konkreten Fall die Aufhebung nach § 299 BAO rechtfertigt oder ob die Bescheidaufhebungen rechtswidrig vorgenommen wurde.

2) Zur Einkommensteuer für 2003 (Bescheid vom 28. August 2005)

Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.

Nicht zulässig ist eine Berufung ua. bei Beseitigung des angefochtenen Bescheides aus dem Rechtsbestand (vgl. Ritz, BAO³, § 273 Tz 2).

Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides gemäß § 299 Abs. 1 BAO tritt das Verfahren gemäß § 299 Abs. 3 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung befunden hat.

Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass mit dem Aufhebungsbescheid (vgl. Punkt 1.) ex lege auch der mit ihm verbundene Sachbescheid aus dem Rechtsbestand ausscheidet (vgl. Ritz, BAO³, § 299 Tz 62). Die Berufung gegen den aus dem Rechtsbestand ausgeschiedenen Einkommensteuerbescheid ist daher als unzulässig (geworden) zurückzuweisen.

Linz, am 28. März 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Begründungspflicht, Aufhebungsgrund, Gewissheit

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