UFS RV/1199-W/07

UFSRV/1199-W/072.10.2007

Haftung, Schuldtilgung mittels Aufrechnung

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/16/0082 (früher 2007/13/0136) eingebracht. Mit Erk. v. 28.4.2011 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Newrkla & Partner Wirtschaftstreuhand OEG, 1180 Wien, Sternwartestraße 76, vom 15. Jänner 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 11. Dezember 2006 betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO im Beisein der Schriftführerin Edith Madlberger nach der am 19. September 2007 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO i.V.m. § 80 BAO als Vorstand der B-AG für Abgaben in der Höhe von € 5.413,77, nämlich Umsatzsteuer 1999, 07/2002, 2002 und 2003, zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

In der dagegen am 15. Jänner 2007 rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass keine Gründe für eine schuldhafte Verletzung der Geschäftsführerpflichten vorliegen würden. Außerdem stelle er in Aussicht, dass von der Gesellschaft demnächst Zahlungen getätigt werden würden. Für die Einbringung einer weiteren Begründung werde eine Fristerstreckung bis 31. Jänner 2007 beantragt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 7. Februar 2007 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass die angekündigten Zahlungen bis dato noch nicht eingegangen wären. Außerdem wäre es Sache des Vorstandes darzulegen, aus welchen Gründen ihn kein Vorwurf der schuldhaften Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten treffe, da die bloße Behauptung, dass keinerlei Gründe vorlägen, nicht ausreiche.

Fristgerecht beantragte der Bw. mit Schreiben vom 8. März 2007 die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung. Für eine zusätzliche Stellungnahme werde um Fristerstreckung bis 31. März 2007 ersucht.

In der am 19. September 2007 durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Bw. ergänzend vor, dass die Tätigkeit der Gesellschaft ausschließlich aus der Vermietung eines Personal-Computers und Druckers bestanden hätte. Die Umsatzsteuern wären durch den Wegfall der Verbindlichkeiten und durch einen außergerichtlichen Ausgleich, der noch keinen Niederschlag auf dem Abgabenkonto gefunden hätte, entstanden. Es wäre nie zu Geldflüssen gekommen, sondern der Mieter hätte der Gesellschaft vor mehreren Jahren (1998) ein Darlehen gegeben, das mit den Mietforderungen gegengerechnet und somit aufgebraucht worden wäre. Es hätte all die Jahre hindurch keine Geldbewegungen und daher auch keine Kassen- oder Bankbestände gegeben. Andere Verbindlichkeiten wie Wirtschaftsprüfer und Notar wären gar nicht bedient worden. Bei dem im Jahr 2002 stattgefunden außergerichtlichen Ausgleich wäre das Geld aus dem eigenen Vermögen des Bw. erlegt worden. Zum Nachweis dafür wurden Saldenlisten vorgelegt. Überlegt werde eine Änderung des Gesellschaftszweckes und eine Fortsetzung der AG, dazu müssten aber Kapitalerhöhungen stattfinden. Darüber wäre noch nicht entschieden. Dies ändere aber nichts an der zurzeit bestehenden Uneinbringlichkeit der Abgaben. Der Vertreter des Finanzamtes wandte ein, dass die Firma im Firmenbuch bereits gelöscht wäre.

Dadurch, dass der Gesellschaft keine Mittel zugeflossen wären, hätten die Abgaben auch nicht bezahlt werden können. Außerdem wären die lukrierten Vorsteuern gegen die Abgabenverbindlichkeiten abgerechnet und mit der Veranlagung wieder korrigiert worden, nachdem die Schulden weggefallen wären. Dadurch, dass der Empfänger der Leistung nicht vorsteuerabzugsberechtigt war, ist es auf der Seite des Leistungsempfängers zu keinem Vorsteuerabzug gekommen.

Der Vertreter des Finanzamtes stellte fest, dass durch die Abarbeitung des Darlehens geldwerte Zuflüsse an einen anderen Gläubiger geflossen wären und dadurch der Abgabengläubiger benachteiligt worden wäre. Ein Gläubiger wäre dadurch zum Teil befriedigt worden, da eine Möglichkeit zur Aufrechnung der Forderung aus der Vermietung geschaffen worden wäre.

Dagegen wandte sich der Bw. und betonte nochmals, dass mangels vorhandener Barmittel die Abgabenschulden nicht bezahlt hätten werden können. Das Vorliegen eines schuldhaften Verhaltens wurde vom Bw. daher bestritten. Hätte er über liquide Mittel verfügt, wäre es ihm klar gewesen, dass er diese an alle Gläubiger gleichmäßig zu verteilen gehabt hätte. Aus diesem Grund könne ihm kein Fehlverhalten vorgehalten werden und liege daher kein Grund für seine Haftungsinanspruchnahme vor.

Da die Vermietung an einen Fremden nicht möglich gewesen wäre, hätten auch keine Barmittel an die Gesellschaft zufließen können. er hätte sich bemüht dieses Gerät an jemanden Fremden zu vermieten, aber es wäre dafür kein Markt vorhanden gewesen. Der Fiskus wäre dadurch auch nicht geschädigt worden, weil auf der Mieterseite kein Vorsteuerabzug erfolgt und es irrelevant wäre, ob der Mieter seine Darlehensforderungen als uneinbringlich abschreiben hätte müssen oder durch die Anmietung zumindest teilweise einen Nutzen davon gehabt hätte. Der Bw. hätte ebenso gut das Gerät der Finanzverwaltung vermieten können, jedoch wäre es ihm aber klar gewesen, dass diese nicht in der Lage gewesen wäre eine Anmietung zu tätigen. Festzustellen wäre noch, dass die in Frage stehende Umsatzsteuerschuld nicht aus den getätigten Umsätzen entstanden wäre, sondern aus Eingangsrechnungen von Notar, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, etc., die zunächst den Körperschaftsteuerrückstand gekürzt hätten und bei der Jahresveranlagung durch Wegfall der Schuld nunmehr als Umsatzsteuerrückstand ausgewiesen wäre.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (VwGH 24.2.1997, 96/17/0066). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (VwGH 3.7.1996, 96/13/0025). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (VwGH 26.5.2004, 99/14/0218).

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die Primärgesellschaft am 10. Mai 2007 wegen Vermögenslosigkeit bereits von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde.

Unbestritten ist auch, dass dem Bw. als Vorstand der B-AG die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (VwGH 18.10.1995, 91/13/0037, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. VwGH 9.7.1997, 94/13/0281).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (VwGH 20.9.1996, 94/17/0420).

Mit dem Vorbringen, dass es nie zu Geldflüssen gekommen wäre, da zwar ein Personal Computer samt Drucker an einen Dritten vermietet worden wäre, jedoch diese Mietforderungen mit einem vom Mieter der Gesellschaft gegebenen Darlehen gegenverrechnet worden wären, übersieht der Bw. allerdings, dass diese Mieterlöse im Zeitpunkt der Kompensation für die Primärschuldnerin liquide Mittel darstellten, die dann ausschließlich zur Befriedigung des Mieters als Gläubiger des Darlehens und nicht des Abgabengläubigers verwendet wurden.

Diese Konstruktion der Begünstigung eines anderen Gläubigers durch Schuldtilgungen mittels Aufrechnung stellt in Analogie zur Abtretung sämtlicher Forderungen auf Grund eines Mantelzessionsvertrages dann eine Pflichtverletzung dar, wenn der Vertreter damit rechnen muss, durch die vertragliche Gestaltung dem Vertretenen seine liquiden Mittel zur Tilgung anderer Schulden, insbesondere der Abgabenforderungen, zu entziehen.

Dem Bw. musste auch klar gewesen sein, dass er die aus der Vermietung resultierende Umsatzsteuer auf Grund der Gegenverrechnung und der sohin fehlenden Bank- und Kassenbestände niemals würde entrichten können. Er nahm daher eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht.

Darüber hinaus lässt sich für das gegenständliche Haftungsverfahren aus dem Vorbringen, dass die lukrierten Vorsteuern gegen die Abgabenverbindlichkeiten abgerechnet und mit der Veranlagung wieder korrigiert worden wären, nachdem die Schulden weggefallen wären, nichts gewinnen, weil Einreden betreffend Abgabenfestsetzung nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung selbst betreffenden Verfahren vorzutragen sind (VwGH 23.5.1990, 89/13/0250).

Auch der Einwand, dass der Fiskus keinen Schaden erlitten hätte, da es auf der Seite des Leistungsempfängers auf Grund der mangelnden Vorsteuerabzugsberechtigung zu keinem Vorsteuerabzug gekommen wäre, geht ins Leere, weil die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer im Falle der Erbringung von Lieferungen und Leistungen unabhängig von der Durchsetzbarkeit eines Vorsteuerabzuges beim Vertragspartner besteht.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.5.2004, 2003/17/0134), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der B-AG zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 2. Oktober 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Haftung, Schuldtilgung, Aufrechnung, Pflichtverletzung

Stichworte