VwGH 2011/16/0082

VwGH2011/16/008228.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Mag. Alexis-Rüdiger Petrini, Steuerberater in 1180 Wien, Sternwartestraße 76, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. Oktober 2007, GZ. RV/1199-W/07, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit Dezember 1993 selbständig vertretender Vorstand der B. AG.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2006 zog das Finanzamt den Beschwerdeführer nach §§ 9 und 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der B. AG, nämlich für Umsatzsteuer für 1999 in Höhe von 148,25 EUR, für Umsatzsteuer für Juli 2002 in Höhe von 28 EUR, für Umsatzsteuer für 2002 in Höhe von 2.745,58 EUR und für Umsatzsteuer 2003 in Höhe von 2.491,94 EUR, zur Haftung heran. Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern seien gemeldet, jedoch nicht entrichtet worden. Der Beschwerdeführer sei als Vorstand der B. AG verpflichtet gewesen, zur Entrichtung dieser Abgaben Sorge zu tragen.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. Jänner 2007 mit der Begründung, "es liegen keine Gründe für eine schuldhafte Verletzung der Geschäftsführerpflichten vor bzw. werden die Zahlungen von der Gesellschaft demnächst getätigt."

Mit Berufungsvorentscheidung vom 7. Februar 2007 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Es wäre Sache des Vorstandes gewesen, die Gründe darzulegen, aus denen ihn kein Vorwurf der schuldhaften Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten treffe. Die bloße Behauptung, es lägen keinerlei derartige Gründe vor, genüge nicht.

Mit Schriftsatz vom 8. März 2007 brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein.

In der vor der belangten Behörde antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung am 19. September 2007 brachte der Beschwerdeführer vor, die Tätigkeit der B. AG habe ausschließlich aus der Vermietung eines PC und eines Druckers bestanden. Die Umsatzsteuern seien durch den Wegfall von Verbindlichkeiten und durch einen außergerichtlichen Ausgleich "entstanden". Es sei nie zu Geldflüssen gekommen, sondern der Mieter habe der B. AG bereits etwa 1998 ein Darlehen gegeben und "dieses ist geringer geworden durch die Nutzung". All die Jahre hindurch habe es keine Geldbewegung und auch keine Kassen- oder Bankbestände gegeben. Andere Verbindlichkeiten wie Wirtschaftsprüfer und Notar seien gar nicht bedient worden. Bei dem im Jahr 2002 stattgefundenen außergerichtlichen Ausgleich sei das Geld vom Beschwerdeführer persönlich erlegt worden. Zum Nachweis würden Saldenlisten vorgelegt werden. Eine Änderung des Gesellschaftszweckes werde überlegt, dazu müssten aber Kapitalerhöhungen stattfinden, worüber noch nicht entschieden sei.

Auf Vorhalt des Vertreters des Finanzamtes erklärte der Beschwerdeführer, eine Fortsetzung der (im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien am 10. Mai 2007 gemäß § 40 Firmenbuchgesetz wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöschten) B. AG sei geplant. Dies ändere aber nichts an der zurzeit bestehenden Uneinbringlichkeit der Abgaben. Dadurch, dass der B. AG keine Mittel zugeflossen seien, hätten die Abgaben auch nicht bezahlt werden können. Auf Vorhalt, dass durch die "Abarbeitung des Darlehens" geldwerte Zuflüsse an einen anderen Gläubiger geflossen seien, betonte der Beschwerdeführer, dass mangels vorhandener Barmittel die Abgabenschulden nicht hätten bezahlt werden können. Er bestreite ein schuldhaftes Verhalten, weil er im angegebenen Zeitraum über keine Geldmittel verfügt habe. Zur vorgehaltenen Vermietung führte der Beschwerdeführer aus, diese sei an einen "Fremden" nicht möglich gewesen und aus diesem Grund sei es auch nicht möglich gewesen, Barmittel in die B. AG fließen zu lassen. Er habe sich bemüht, das Gerät jemand Fremden zu vermieten, aber dafür sei kein Markt vorhanden gewesen. Der Fiskus sei auch nicht geschädigt worden, weil auf der Mieterseite kein Vorsteuerabzug erfolgt sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und rechtlichen Ausführungen vertrat die belangte Behörde die Ansicht, die Erlöse aus der Vermietung eines PC stellten im Zeitpunkt der Kompensation für die B. AG liquide Mittel dar, die dann ausschließlich zur Befriedigung des Mieters als Gläubiger des Darlehens und nicht des Abgabengläubigers verwendet worden seien. Diese Konstruktion der Begünstigung eines anderen Gläubigers durch Schuldtilgungen mittels Aufrechnung stelle analog zur Abtretung sämtlicher Forderungen auf Grund eines Mantelzessionsvertrages eine Pflichtverletzung dar, wenn der Vertreter damit rechnen muss, durch die vertragliche Gestaltung dem Vertretenen seine liquiden Mittel zur Tilgung anderer Schulden, insbesondere der Abgabenforderungen (gemeint wohl: Abgabenschulden), zu entziehen. Dem Beschwerdeführer habe klar sein müssen, dass er die sich aus der Vermietung ergebende Umsatzsteuer auf Grund der Gegenverrechnung und des Fehlens von Bank- und Kassenbeständen niemals würde entrichten können. Er habe daher eine solche Beschränkung in Kauf genommen, welche die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen den Abgabenbehörden gegenüber unmöglich mache. Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer könne die belangte Behörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht verletzt erachtet, nicht zur Haftung für die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbeträge in Anspruch genommen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Der Beschwerdeführer führt zunächst als Verfahrensmangel ins Treffen, die Vermögenslosigkeit der B. AG sei seitens der belangten Behörde lediglich behauptet, jedoch in keiner Weise auch nur ansatzweise geprüft worden. Die belangte Behörde habe dazu keine amtswegigen Ermittlungen angestellt, sondern sich mit einer widerlegbaren Firmenbucheintragung begnügt. Die Gesellschaft habe lediglich keine liquiden Mittel zur Verfügung gehabt. Da die Haftung nach § 9 BAO jedoch eine Ausfallshaftung sei, hafte der Beschwerdeführer nicht.

Zur Frage der Ausfallshaftung kommt es darauf an, ob die belangte Behörde annehmen durfte, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestehenden Sach- und Rechtslage bei der Primärschuldnerin nicht eingebracht werden können. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nichts zur Widerlegung der ihm vorgehaltenen, von der belangten Behörde auf Grund der (wegen Vermögenslosigkeit) erfolgten Löschung der B. AG im Firmenbuch angenommenen Vermögenslosigkeit dargetan. Bloße Absichtserklärungen zu künftigen Plänen sind unbeachtlich. Die belangte Behörde durfte sich daher unbedenklich auf die Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2007 stützen, in welcher der Beschwerdeführer auf den Vorhalt, die B. AG sei im Firmenbuch bereits gelöscht, eingeräumt hat, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben zurzeit uneinbringlich seien und lediglich eine "Fortsetzung" der B. AG geplant sei, wozu Kapitalerhöhungen stattfinden müssten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln des Vertretenen zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, Zl. 2007/13/0063).

Der Beschwerdeführer bestreitet sein Verschulden an der Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Umsatzsteuern damit, dass es sich nicht um einen ihm von der belangten Behörde vorgeworfenen Mantelzessionsvertrag gehandelt habe, sondern dass er eine einzige Forderung aus einem Mietverhältnis, welches nur einen unbedeutenden Teil des Vermögens der B. AG betroffen habe, abgetreten habe. Er habe sich seinerzeit berechtigt darauf verlassen können, dass allenfalls anfallende Abgaben aus anderen Forderungen und Vermögensgegenständen bezahlt würden.

Welche "anderen Forderungen und Vermögensgegenstände" der Beschwerdeführer damit ansprechen möchte, bleibt in der Beschwerde aber im Dunkeln. Noch in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde hat er ausgesagt, die Tätigkeit der B. AG habe ausschließlich aus der Vermietung eines PC und Druckers bestanden, er habe keine Barmittel zur Entrichtung der Abgaben gehabt und die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern resultierten aus Vorsteuerberichtigungen. Welche anderen Forderungen die B. AG daher zur Befriedigung der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern gehabt hätte, ist völlig offen.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe analog zu einem Mantelzessionsvertrag die Forderung aus der einzigen Einnahmenquelle der B. AG einem Gläubiger abgetreten und somit den Abgabengläubiger benachteiligt.

Soweit der Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid eine Begründung dafür vermisst, weshalb die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung für den Abgabenausfall kausal gewesen wäre, ist er auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2011, mwN), wonach die Abgabenbehörde im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters davon ausgehen darf, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. April 2011

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