UFS RV/0522-G/05

UFSRV/0522-G/0518.4.2006

Zurückweisung einer Berufung: Gefahr des Einlangens von Schiftstücken beim Finanzamt trifft Abgabepflichtigen

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/15/0207 eingebracht. Mit Erk. v. 22.04.2009 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch UNICONSULT Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H, vom 1. März 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt, vertreten durch Dr. Erwin Ganglbauer, vom 25. Juli 2000 betreffend Umsatzsteuer 1996 und 1997 beschlossen:

Die Berufung wird als verspätet zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Bw ist eine deutsche Aktiengesellschaft und betreibt einen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, insbesondere Futter- und Düngemittel.

Im April 1996 wurde die Bw beim Finanzamt Graz-Stadt steuerlich erfasst. In der Folge reichte die Bw beim Finanzamt auf amtlichem Formular selbst erstellte Umsatzsteuervoranmeldungen ein. Im Juni 1997 erklärte die Bw auf amtlichem Formular die Umsatzsteuer 1997, wobei sie Umsätze, die zum Normalsteuersatz zu versteuern sind, im Betrag von 17.118 S und Umsätze, die zum ermäßigten Steuersatz zu versteuern sind, im Betrag von 97.092 S. Das Finanzamt fertigte einen der Erklärung entsprechenden mit 27. August 1998 datierten "Umsatzsteuerbescheid" zu Handen des Finanzamtes aus.

Mit Schreiben vom 14. September 1998 teilte die Bw dem Finanzamt mit, sie habe festgestellt, dass in den Jahren 1996 bis 1998 österreichische Umsätze irrtümlich nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterworfen worden seien. Die Zahlen würden nachgemeldet.

Mit Schreiben vom 23. September1998 übermittelte das Finanzamt der Bw unter Hinweis auf ihr Schreiben vom 14. September 1998 die amtlichen Formulare zur Umsatzsteuererklärung 1996 und 1997 sowie zur Umsatzsteuervoranmeldung 1998 und setzte eine Frist zur Abgabe der Erklärungen bis Ende Oktober 1998. Gleichzeitig forderte das Finanzamt die Bw mit Bescheid vom selben Tag auf, ihm binnen neun Wochen nach Zustellung der Aufforderung einen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten bekannt zu geben, andernfalls Zustellungen ohne Zustellversuch durch Hinterlegung beim Finanzamt vorgenommen würden.

Mit Schreiben vom 14. September 1998 gab ein deutscher Steuerberater eine Stellungnahme zum umsatzsteuerlichen Sachverhalt bei der Bw ab und ersuchte um Zusendung von amtlichen Vordrucken für die Umsatzsteuer 1996 bis 1998.

Das Finanzamt übermittelte dem deutschen Steuerberater mit Schreiben vom 23. September 1998 die amtlichen Vordrucke für die Umsatzsteuererklärung 1996 bis 1997 sowie für die Umsatzsteuervoranmeldung 1998. Der Durchschrift dieses Schreibens beigeheftet ist im Verwaltungsakt eine an die Bw gerichtete mit 23. September 1998 datierte weitere Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten.

Im Oktober bzw. November 1998 erklärte die Bw auf handschriftlich selbst ausgefüllten amtlichen Vordrucken die Umsatzsteuer 1996 und 1997 wie folgt (Beträge in Schilling):

 

Umsätze 20%

Umsätze 10%

1996

648.494

9,224.862

1997

406.137

6,840.999

01-08/98

277.248

4,455.452

09/98

26.931

1,072.869

10/98

49.160

1,345.880

Im Februar 1999 begann darauf hin die Großbetriebsprüfung Wien im Auftrag des Finanzamtes Graz-Stadt mit der Durchführung einer Prüfung der Aufzeichnungen für 1996 bis 1998.

In einem Schreiben vom 20. November 1998 teilte die Bw der Großbetriebsprüfung Graz im Wesentlichen mit, sie habe erst vor kurzem die österreichische Umsatzsteuerpflicht erkannt, sei aber bestrebt, die "Rechnungsstellung" vorschriftsmäßig abzuwickeln und die Nachforderungen zu entrichten. Zur Erläuterung gab die Bw bekannt, dass der österreichische Kunde in ihrer deutschen Geschäftsstelle die Ware bestelle. Die Ware werde vom Kunden entweder selbst abgeholt oder es werde "vom Lieferanten direkt zugestellt, über eine Spedition zum Kunden geliefert oder über unseren eigenen LKW zum Kunden transportiert bzw. zu einer Verteilerstelle, wo sie der Kunde abholt". Die Bezahlung erfolge in bar direkt in der deutschen Geschäftsstelle, durch Überweisung auf ihr Konto oder durch Bankeinzug. Durch die überaus zahlreichen kleinen Abrechnungen und den bevorstehenden Jahresabschluss sowie durch die Umstellung der EDV-Anlage auf Euro sei sie nicht in der Lage, die vom Finanzamt verlangten Unterlagen termingerecht aufzubereiten, weshalb um Fristerstreckung bis 31. Jänner 1999 ersucht werde.

Im März 2000 beendete das Finanzamt die Prüfung der Aufzeichnungen bei der Bw (Niederschrift vom 7. März 2000). Nach dem Bericht über das Ergebnis der Prüfung der Aufzeichnungen vom 27. Juni 2000 geht das Finanzamt von folgenden Umsätzen für die Streitjahre aus (Beträge in Schilling ohne Groschenbeträge):

 

1996

1997

Umsätze 20%

888.473

811.419

Umsätze 10%

14,819.960

18,429.900

In der Folge stellte das Finanzamt ua die mit 25. Juli 2000 datierten Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997 ohne Zustellversuch durch Hinterlegung beim Finanzamt zu. Aus diesen Bescheiden ergibt sich für 1996 eine Umsatzsteuernachforderung im Betrag von 1,659.691 S (120.614,45 €) und für 1997 eine Umsatzsteuernachforderung im Betrag von 2,005.274 S (145.728,94 €). Ein Information der Bw über die Zustellung erfolgte nach der Aktenlage nicht.

Mit Schreiben vom 7. August 2001 wies die Bw auf eine von ihr erhaltene Zahlungsaufforderung des Finanzamtes vom 16. Juli 2001 hin und wandte ein, die Nachforderungen seien "wesentlich überhöht". Die Bw stellte in Beilagen umfangreiche Berechnungen an und kommt zu dem Schluss, dass sich für 1996 und 1997 eine Restschuld von lediglich 239.834,08 S (17.429,42 €) ergebe. Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 urgierte die Bw eine "Richtigstellung".

Mit Schreiben vom 23. Mai 2002 machte die Bw ihren österreichischen steuerlichen Vertreter als Zustellungsbevollmächtigten namhaft.

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 ersuchte die Bw um "Übersendung der Umsatzsteuerbescheide für 1996, 1997 und 1998 in Kopie" an ihren steuerlichen Vertreter.

Mit Schreiben vom 1. März 2004 erhob die Bw durch ihren steuerlichen Vertreter Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 1996 bis 1998 und wies darauf hin, dass die Berufung nicht früher habe eingebracht werden können, weil die Bescheide nie zugestellt worden seien. Auf Grund einer von den deutschen Finanzbehörden durchgeführten Umsatzsteuerprüfung der Jahre 1996 bis 198 sei es zu Verschiebungen von Umsätzen zwischen Österreich und Deutschland gekommen. Die deutschen Umsatzsteuererklärungen seien entsprechend berichtigt worden. Die Bw habe darauf hin in Österreich berichtigte Umsatzsteuererklärungen eingereicht, worin die Auswirkungen der Betriebsprüfung bereits berücksichtigt worden seien. Nachdem der deutsche Betriebsprüfungsbericht erst im Jahr 2000 dem österreichischen Finanzamt übermittelt worden sei, habe dieses die Auswirkungen nochmals erfasst, wodurch Umsätze in Österreich "doppelt besteuert wurden". Der Berufung wurden umfangreiche Berechnungen zur Umsatzsteuer beigelegt.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom 8. März 2005 wies das Finanzamt die Berufung bezüglich Umsatzsteuer 1996 und 1997 als unbegründet ab. Der Berufung bezüglich Umsatzsteuer 1998 gab das Finanzamt statt.

Mit Schreiben ihres steuerlichen Vertreters vom 25. März 2005, welches als Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gewertet wird, ergänzt die Bw ihr Vorbringen zur Umsatzsteuer 1996 und 1997. Weitere Ergänzungen folgten mit Schreiben vom 29. März 2004, 30. März 2004 und 18. Juli 2005.

Das Finanzamt legte die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat im September 2005 zur Entscheidung vor.

Im Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat ist strittig, ob die Bw einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht hat und die bekämpften Bescheide daher mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht ergangen sind oder ob diese Bescheide ordnungsgemäß zugestellt wurden und die Berufung daher verspätet ist.

Die Bw hat dem unabhängigen Finanzsenat diesbezüglich ua eine Fotokopie der ihr zugestellten Aufforderung zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten vom 29. Februar 1996 sowie eine Fotokopie ihres Schreibens vom 30. September 1998, in dem die Bw - unter Bezugnahme auf die nach der Aktenlage vermutlich nicht ordnungsgemäß zugestellte Aufforderung vom 23. September1998 - LL als inländischen Zustellungsbevollmächtigten namhaft macht, übermittelt. Das Originalschreiben ist im Verwaltungsakt nicht vorhanden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde hat eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig.

Gemäß § 10 ZustellG kann einer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhaltenden Partei oder einem solchen Beteiligten von der Behörde aufgetragen werden, innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden mindestens zweiwöchigen Frist für ein bestimmtes oder für alle bei dieser Behörde anhängig werdenden, sie betreffenden Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wird diesem Auftrag nicht fristgerecht nachgekommen, so wird die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen. Der Auftrag, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, muß einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten.

Das Finanzamt hat der Bw mit Bescheid vom 29. Februar 1996 den Auftrag erteilt, innerhalb von vier Wochen einen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen.

Die Bw behauptet nicht, dass sie einen Zustellungsbevollmächtigten innerhalb dieser Frist namhaft gemacht hat. Sie behauptet jedoch, dass mit Schreiben vom 30. September 1998 einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft gemacht hat, weshalb die Zustellung der Bescheide vom 25. Juli 2000 nicht ohne Zustellversuch durch Hinterlegung beim Finanzamt hätte vorgenommen werden dürfen.

Dem gegenüber steht die Aktenlage des Finanzamtes, wonach die gegenständliche Namhaftmachung nicht erfolgt ist, weil das Schreiben vom 30. September 1998 nicht vorhanden ist. Unklar ist, ob dieses Schreiben von der Bw zwar verfasst aber niemals bei der Post aufgegeben wurde oder ob es auf dem Postweg oder im Finanzamt in Verlust geraten ist oder ob es die Bw zur Wahrung ihrer Interessen im gegenständlichen Berufungsverfahren nachträglich verfasst hat.

Wie die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeigt, trifft die Gefahr des Verlustes einer übersandten Eingabe den Einschreiter (VwGH 28. Juni 2001, 2000/16/0645). Bei Briefsendungen erfolgt die Beförderung auf Gefahr des Absenders (VwGH 17. September 1996, 96/14/0042).

Die Bw vermag das Einlangen des Schreibens vom 30. September 1998 nicht nachzuweisen (siehe Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 12. April 2006). Die bloße Vorlage einer - mit keinerlei Eingangsvermerk des Finanzamtes versehene - Fotokopie dieses Schreibens erweist nicht, dass dieses Schreiben beim Finanzamt eingelangt ist (vgl. VwGH 19. September 1990, 89/13/0276).

Es war daher davon auszugehen, dass die Zustellung der Bescheide vom 25. Juli 2000 ohne Zustellversuch durch Hinterlegung beim Finanzamt rechtmäßig war. Die im Jahr 2004 erfolgte Berufung dagegen ist somit verspätet, weshalb sie zurückzuweisen war.

Graz, am 18. April 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 273 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 10 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Gefahr, Risiko, Einlangen, Scheiben, Schriftstücke, Nachweis

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