Erwerberhaftung bei Autohandel, Naheverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2005/15/0065 eingebracht. Mit Erk. v. 25.10.2006 aufgehoben.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom 20. April 2004 gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom 22. März 2004 betreffend Haftung gemäß § 14 BAO entschieden:
Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als der Haftungsbetrag von bisher € 52.347,39 auf nunmehr € 52.056,70 eingeschränkt wird.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 22. März 2004 wurde die Berufungswerberin (Bw.) gemäß § 14 BAO als Erwerberin des Unternehmens der GmbH für deren in Höhe von € 52.247,39 aushaftenden Abgabenschuldigkeiten zur Haftung herangezogen, nämlich
Abgabe | Stammabgabe | Betrag in € |
SZ | U 2001 | 290,69 |
U 12/02 | 4.378,17 | |
SZ | U 12/02 | 87,56 |
U 12/02 | 17.141,83 | |
SZ | U 12/02 | 342,84 |
U 1-8/03 | 19.198,60 | |
SZ | U 1-8/03 | 383,97 |
U 12/03 | 10.523,73 |
Begründend wurde ausgeführt, dass die Bw. mit Kaufvertrag vom 30. Dezember 2003 das gesamte Inventar und den Warenbestand der GmbH als Veräußerin gekauft und den Betrieb fortgeführt hätte. Zwar wären die haftungsgegenständlichen Abgaben - im Zuge einer Umsatzsteuerprüfung auf Grund fehlender oder mangelhafter Buchhaltung - erst etwa einen Monat nach der Übereignung festgesetzt worden. Da die Bw. als Erwerberin des Unternehmens jedoch bei gehöriger Sorgfaltsanwendung von der Schuld Kenntnis hätte haben müssen, da bei jedem Unternehmensübergang besondere Sorgfalt durch Einsicht in die Geschäftsbücher anzuwenden wäre, wobei Mangelhaftigkeit oder gänzliches Fehlen der Buchhaltung Anlass zu besonderer Vorsicht wäre, würde dieser Umstand der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegenstehen.
In der dagegen am 20. April 2004 rechtzeitig eingebrachten Berufung brachte die Bw. vor, dass der angefochtene Bescheid als einzige Begründung lediglich den lakonischen Hinweis auf § 14 BAO enthalten würde. Diese Gesetzesbestimmung würde vorsehen, dass für Abgabenschuldigkeiten eines Unternehmens der Rechtsnachfolger, der das Unternehmen des Abgabenschuldners daher "erworben" hätte, in Anspruch genommen werden könnte. Da aber weder die Bw. noch die Verkäuferin ein Vorbringen erstattet hätte, aus dem geschlossen werden könnte, dass ein solcher Unternehmenserwerb beabsichtigt oder gar durchgeführt worden wäre, sei § 14 BAO nicht anwendbar.
Darüber hinaus wandte die Bw. ein, dass die Veräußerin ihre gewerblich und operative Tätigkeit eingestellt und auch die Gewerbeberechtigungen zurückgelegt bzw. ruhend gestellt hätte und deren Liquidation mit oder ohne Durchführung eines Insolvenzverfahrens beabsichtigt wäre.
Dass ein Unternehmen Teile seines Betriebsvermögens abstoße, weil diese wegen der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit nicht mehr benötigt wären, sei nach Ansicht der Bw. ein durchaus normeler wirtschaftlicher Vorgang, durch den eine Haftung für Abgabenschuldigkeiten des Verkäufers nicht bzw. nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen angenommen werden könne, die im vorliegenden Fall in keiner Weise erörtert, geschweige denn festgestellt worden wäre. Eine dieser Voraussetzungen wäre nach Ansicht der Bw. etwa, wenn Betriebsvermögen verschleudert bzw. verschenkt werde, was aber im gegenständlichen Fall nicht angenommen werden könne, da der, der Abgabenbehörde ohnehin bekannt gegebene Kaufpreis dem tatsächlichen Wert entsprochen hätte. Solange nicht das Gegenteil als erwiesen angenommen werden könnte, könne auch keine Haftung unter Berufung auf § 14 BAO auferlegt werden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 13. Juli 2004 wies das Finanzamt die Berufung ab und führte begründend aus, dass § 14 BAO dem Zweck dienen würde, die auf dem Betrieb des Unternehmens gegründeten Abgabenschulden nicht verloren gehen zu lassen. Ebenso stehe diese Bestimmung der Geltendmachung zivilrechtlicher Haftungen im Zivilrechtsweg nicht entgegen.
Für die Haftung wäre entscheidend, ob die übernommenen Grundlagen den Erwerber in die Lage versetzen würden, den übernommenen Betrieb fortzuführen. Unwesentlich dabei sei, ob die Verkäuferin - mit oder ohne Insolvenzverfahren - die Liquidation herbeiführen wolle. Gerade weil die Verkäuferin die gewerbliche und operative Tätigkeit eingestellt und - laut Kaufvertrag - das gesamte Betriebsvermögen verkauft hätte, sei nach Ansicht des Finanzamtes die Betriebsübereignung erwiesen und die Erwerberhaftung ausreichend begründet.
MIt Schreiben vom 10. August 2004 beantragte die Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend aus, dass sich die Berufungsvorentscheidung für die Annahme einer Betriebsfortführung bzw. eines Betriebsüberganges in der Darstellung der Rechtslage erschöpfen würde. Dafür würde aber nach Ansicht der Bw. nicht der Kauf eines Warenlagers oder von Teilen des Anlagevermögens genügen, weil ansonsten die Liquidation eines Unternehmens nicht bzw. nur in Form eines Insolvenzverfahrens durchgeführt werden könnte.
Jedenfalls könne nicht jeder Kauf des Warenlagers zu einer Haftung nach § 14 BAO führen, sondern seien dafür Umstände bzw. Voraussetzungen notwendig, welche in einem Ermittlungsverfahren erörtert und festgestellt werden müssten, was bisher nicht der Fall gewesen wäre.
Mit Schreiben vom 7. März 2005 forderte der Unabhängige Finanzsenat den Bw. ergänzend zur Bekanntgabe der Höhe des Gesamtkaufpreises auf, da ein Kaufpreis in Höhe von € 42.073,00 lediglich der Kaufvertrag betreffend das übernommene Anlagevermögen aufweisen würde, nicht jedoch der der über die veräußerten Warenbestände der Veräußerin, der lediglich auf Einkaufsrechnungen laut Inventurverzeichnis verwiesen hätte.
Über die Berufung wurde erwogen:
Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber gemäß § 14 Abs. 1 BAO
a) für Abgaben, bei denen die Abgabenpflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
Eine Übereignung eines Unternehmens bzw. eines im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführten Betriebes im Ganzen liegt vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernimmt. Dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens bilden und den Übernehmer in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen (vgl. VwGH 16.1.1991, 89/13/0169).
Die Frage, welche Wirtschaftsgüter die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden, ist dabei in funktionaler Betrachtungsweise nach dem jeweiliegen Unternehmenstyp zu beantworten (VwGH 20.11.1990, 90/14/0122).
Dabei war dem Vorbringen des Finanzamtes zu folgen, wonach bei einem Handelsbetrieb mit kundenbezogenen Tätigkeiten (gegenständlich Tankstelle, Shop und KFZ-Werkstatt samt Autohandel) die Handelsware, die Hilfs-, Betriebs- und Verbrauchsmaterialien und der Kundenstock die betriebswesentlichen Grundlagen darstellen (VwGH 20.9.96, 93/17/0261). Darüber hinaus zählen aber auch noch der Betriebsgegenstand, der Standort und das Anlagevermögen dazu (VwGH 4.10.2001, 97/08/0136).
Diese genannten wesentlichen Grundlagen wurden laut Schätzungsgutachten sowie Inventurverzeichnis von der Bw. erworben. Hinsichtlich des Standortes erfolgte zwar keine Übereignung, jedoch war festzustellen, dass die betriebsgegenständliche Liegenschaft im Eigentum von E.H., Alleingesellschafterin der Bw. sowie Mutter des Geschäftsführers der Bw. (M.H.) bzw. Ehefrau des Geschäftsführers der Verkäuferin (J.H.), steht, weshalb von der ungehinderten Weiterbenützung des Standortes auszugehen war, zumal die Bw. auch bereits vor der Übernahme des Unternehmens der Veräußerin ihren Sitz an eben diesem Standort hatte.
Aus dem Vorbringen der Bw., dass niemals beabsichtigt gewesen wäre, ein Unternehmen zu erwerben, lässt sich nichts gewinnen, da es für die Geltendmachung der Erwerberhaftung nicht auf den Parteiwillen, sondern auf die tatsächlichen Umstände ankommt, wobei auf Grund der faktischen Übernahme der betriebswesentlichen Grundlagen die Bw. in der Lage war, den übernommenen Betrieb fortzuführen (VwGH 22.4.1986, 85/14/0165).
Auch das Vorbringen der Bw., dass die Veräußerin ihre gewerbliche und operative Tätigkeit eingestellt, die Gewerbeberechtigungen zurückgelegt sowie die Liquidation angestrebt hätte, ist nicht geeignet, die Bw. zu exkulpieren, da diese Vorgänge geradezu dem Normzweck der Bestimmung des § 14 BAO über die Erwerberhaftung entspricht und damit offenbar entgegen der Ansicht der Bw. eine Übertragung des Betriebes einbekannt wurde.
Die Haftung besteht nach § 14 BAO nur für Abgaben, die auf den Betrieb des Unternehmens ursächlich zurückzuführen sind, somit Abgaben, bei denen materiellrechtlich die Führung eines Unternehmens Tatbestandsmerkmal ist. Diese Voraussetzung ist bei der der Haftung zugrunde gelegten Umsatzsteuer samt Säumniszuschlägen grundsätzlich gegeben.
Allerdings ist die Haftung des § 14 Abs. 1 lit. a BAO zeitlich beschränkt auf solche Abgaben, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Da die Übereignung laut Kaufverträgen am 30. Dezember 2003 erfolgte, war zu prüfen, ob der jeweilige Tatbestand, an den das Gesetz die Abgabenpflicht knüpft (§ 4 Abs. 1 BAO) im Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis 30. Dezember 2003 verwirklicht wurde.
Diese Voraussetzung ist bei den Umsatzsteuervorauszahlungen 12/2002, 1-8/2003 und 12/2003 samt Säumniszuschlägen erfüllt, nicht jedoch beim infolge nicht rechtzeitig entrichteter Umsatzsteuer für das Jahr 2001 in Höhe von € 290,69 verwirkten Säumniszuschlag, für den die Haftung nicht zu Recht besteht, da der Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches bei Säumniszuschlägen an die Tatbestandsverwirklichung, nämlich die Erbringung der Lieferung oder sonstigen Leistung, bei der zugrunde liegenden Umsatzsteuer anknüpft.
Gemäß § 14 Abs. 1 zweiter Satz BAO ist die Haftung auf jene der dem Grunde nach unter § 14 BAO fallenden Abgabenschuldigkeiten beschränkt, die der Überwerber bei der Übertragung kannte oder kennen musste. Nach der oberstgerichtlichen Judikatur genügt dabei leichte Fahrlässigkeit hinsichtlich des Nichtwissens zur Begründung der Haftung (OGH 29.6.1982, 5 Ob 647/82). Auch die Unkenntnis der Schuldigkeiten steht einer Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger, allgemein üblicher Sorgfaltsanwendung von der Schuld Kenntnis hätte erlangen müssen.
Im vorliegenden Fall war eine Auseinandersetzung mit dieser Voraussetzung nicht geboten, weil die Bw. nicht geltend machte, dass sie im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden weder kannte noch kennen musste (VwGH 24.4.1996, 94/15/0025).
Dennoch war festzustellen, dass Mangelhaftigkeit oder gänzliches Fehlen der Buchführung wie im gegenständlichen Fall ein Anlass zu besonderer Vorsicht ist, zumal auf Grund des Naheverhältnisses des Geschäftsführers der Verkäuferin zum Geschäftsführer der Bw. (Vater - Sohn) auch nicht angenommen werden kann, dass der Bw. diese Missstände verborgen geblieben waren.
Weiters besteht die Haftung gemäß § 14 Abs. 1 zweiter Satz BAO nur insoweit, als der Erwerber an Abgabenschuldigkeiten nicht schon soviel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Aktiva) ohne Abzug eventuell übernommener Schulden beträgt. Für die Haftungsbegrenzung ist somit der durch den Kaufpreis zum Ausdruck gebrachte Teilwert der übernommenen Besitzposten maßgebend.
Dabei war ungeklärt, ob der dem Gesamtkaufpreis entsprechende Wert der übernommenen Aktiva (bekanntgegeben mit € 42.073,00, jedoch lediglich für einen Teil der erworbenen Gegenstände) die Höhe der haftungsgegenständlichen Abgaben (nunmehr € 52.056,70) überstieg, da ansonsten die Haftung auf den geringeren Wert einzuschränken wäre.
Da die Bw. jedoch der Aufforderung zur Bekanntgabe der Höhe des Gesamtkaufpreises keine Folge leistete, war davon auszugehen, dass die der Haftung unterzogenen Abgaben im Kaufpreis Deckung gefunden haben.
Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 BAO erfolgte die Inanspruchnahme der Bw. als Haftungspflichtige für Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Ausmaß von nunmehr € 52.056,70 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 1. April 2005
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 14 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Erwerberhaftung, wesentliche Grundlagen, Autohandel, Haftungsbegrenzung, übernommene Aktiva |