VwGH 2005/15/0065

VwGH2005/15/006525.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der A GmbH in Sch, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Dr. Karl Claus & Mag. Dieter Berthold KEG in 2130 Mistelbach, Hauptplatz 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 1. April 2005, GZ RV/2059-W/04, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §14 Abs1;
BAO §14 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid vom 22. März 2004 zog das Finanzamt die Beschwerdeführerin gemäß § 14 BAO als Haftende für offene Abgabenschuldigkeiten der K-Autohandel GmbH im Ausmaß von EUR 52.347,39 (Umsatzsteuer 12/2002, 01-08/2003 und 12/2003 und Säumniszuschlag betreffend Umsatzsteuer 2001 im Ausmaß von EUR 290,69 sowie Säumniszuschläge betreffend 2002 und 2003). In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe mit Kaufvertrag vom 30. Dezember 2003 das gesamte Inventar und den Warenbestand der K-Autohandel GmbH gekauft und führe den Betrieb fort. Gemäß § 14 BAO hafte der Erwerber eines Unternehmens für Abgaben, bei denen sich die Abgabepflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründe, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen und der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste. Die haftungsgegenständlichen Abgaben seien im Zuge einer Umsatzsteuerprüfung festgesetzt worden. Sie seien zwar erst ca. einen Monat nach Übereignung vorgeschrieben worden, dies stehe einer Haftung aber vor allem dann nicht entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger Sorgfaltsanwendung von den Schulden hätte Kenntnis haben müssen. Bei einem Unternehmensübergang sei besondere Sorgfalt anzuwenden, welche jedenfalls die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher erfordere. Mangelhaftigkeit oder gänzliches Fehlen der Buchführung wie im gegenständlichen Fall sei ein "Anlass" zu besonderer Vorsicht.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wird eingewendet, er enthalte keine Begründung dafür, dass ein Unternehmenserwerb vorliege. Ein solcher sei jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen. Die K-Autohandel GmbH habe ihre gewerbliche und operative Tätigkeit eingestellt und die Gewerbeberechtigung zurückgelegt bzw. ruhend gestellt. Es sei die Liquidation beabsichtigt. Dass ein Teil des Betriebsvermögens verkauft werde, weil es wegen der Einstellung der gewerblichen Tätigkeit nicht mehr benötigt werde, sei ein normaler wirtschaftlicher Vorgang, durch den nicht eine Haftung für Abgabenschulden des Verkäufers bewirkt werde.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, mit Kaufvertrag vom 30. Dezember 2003 seien sämtliche Warenbestände von Hilfs-, Betriebs- und Verbrauchsmaterial wie Treibstoffe, Heizöle, Ersatzteile, Warenbestand, Shop etc. laut Anlageverzeichnis von der Beschwerdeführerin gekauft worden. Bei einem Handelsbetrieb mit kundenbezogenen Tätigkeiten (Tankstelle, Shop, Werkstatt) stellten die Handelsware, die Hilfs-, Betriebs- und Verbrauchsmaterialien und der Kundenstock die betriebswesentliche Grundlage dar. Für die Haftung sei entscheidend, ob die übernommenen Grundlagen den Erwerber in die Lage versetzten, den übernommenen Betrieb fortzuführen.

Die Beschwerdeführerin stellte in der Folge den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Für die Annahme einer Haftung nach § 14 BAO genüge nicht der Kauf eines Warenlagers oder von Teilen des Anlagevermögens.

Mit Schreiben vom 7. März 2005 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, sie habe mit zwei Kaufverträgen vom 30. Dezember 2003 einerseits das Anlagevermögen der K-Autohandel GmbH und andererseits die Warenbestände gekauft. Der Kaufvertrag betreffend die Warenbestände verweise hinsichtlich des Kaufpreises lediglich auf Einkaufsrechnungen laut Inventurverzeichnis. Die Beschwerdeführerin werde ersucht, dieses Inventurverzeichnis vorzulegen und den Kaufpreis bekanntzugeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung. Der Berufung wurde dabei nur insoweit stattgegeben, als der Haftungsbetrag von EUR 52. 347,39 auf EUR 52.056,70 eingeschränkt wurde, weil der Säumniszuschlag betreffend Umsatzsteuer 2001 aus dem Haftungsbetrag ausgeschieden wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Übereignung eines Unternehmens bzw. eines im Rahmen des Unternehmens gesondert geführten Betriebes im Ganzen liege vor, wenn der Erwerber ein lebendes bzw. lebensfähiges Unternehmen übernehme. Dabei komme es darauf an, ob die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens übertragen worden seien und den Übernehmer in die Lage versetzten, das Unternehmen fortzuführen. Die belangte Behörde schließe sich der Auffassung des Finanzamtes an, wonach bei einem Handelsbetrieb mit kundenbezogenen Tätigkeiten (gegenständlich Tankstelle, Shop, Kfz-Werkstatt samt Autohandel) die Handelsware, die Hilfs-, Betriebs- und Verbrauchsmaterialien und der Kundenstock die betriebswesentlichen Grundlagen darstellten. Darüber hinaus zählten aber auch noch der Betriebsgegenstand, der Standort und das Anlagevermögen dazu.

Laut Schätzungsgutachten (auf dieses nehme der Kaufvertrag Bezug) sowie Inventurverzeichnis habe die Beschwerdeführerin die wesentlichen Grundlagen erworben. Hinsichtlich des Standortes sei zwar keine Übereignung erfolgt, es sei jedoch festzustellen, dass die Liegenschaft im Eigentum von Elisabeth H, Alleingesellschafterin der Beschwerdeführerin sowie Mutter des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin bzw. Ehefrau des Geschäftsführers der Verkäuferin, stehe. Somit sei von der ungehinderten Weiterbenutzung des Standortes auszugehen, zumal die Beschwerdeführerin auch bereits vor der Übernahme des Unternehmens der Verkäuferin ihren Sitz an eben diesem Standort gehabt habe.

Ob die Beschwerdeführerin beabsichtigt habe, ein Unternehmen zu kaufen, sei nicht von Bedeutung, da die Erwerberhaftung nur auf die tatsächlichen Umstände abstelle. Nicht gegen die Haftung spräche der Umstand, dass die Verkäuferin ihre gewerbliche und operative Tätigkeit eingestellt und die Gewerbeberechtigung zurückgelegt sowie die Liquidation angestrebt habe, zumal diese Vorgänge geradezu dem Normzweck des § 14 BAO über die Erwerberhaftung entsprächen und damit eine Übertragung des Betriebes einbekannt werde.

Die Haftung sei beschränkt auf Abgaben, die auf die Zeit seit Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfielen. Da die Übereignung laut den Kaufverträgen am 30. Dezember 2003 erfolgt sei, sei der Zeitraum vom 1. Jänner 2002 bis zum 30. Dezember 2003 von der Haftung umfasst. Der infolge nicht rechtzeitiger Entrichtung der Umsatzsteuer für das Jahr 2001 angefallene Säumniszuschlag von EUR 290,69 falle nicht in diesen Zeitraum, weshalb für diesen die Haftung nicht geltend gemacht werden könne.

Nach § 14 BAO sei die Haftung beschränkt auf jene Abgaben, die der Übernehmer bei der Übertragung kannte oder hätte kennen müssen. Auch die Unkenntnis der Schuldigkeiten stehe einer Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger, allgemein üblicher Sorgfaltsanwendung von der Schuld hätte Kenntnis erlangen müssen. Im gegenständlichen Fall habe die Beschwerdeführerin nicht eingewendet, dass sie im Zeitpunkt der Übereignung die Abgabenschulden nicht gekannt habe oder nicht hätte kennen müssen. Dennoch sei festzuhalten, dass die Mangelhaftigkeit oder das gänzliche Fehlen der Buchhaltung - wie im gegenständlichen Fall - ein Anlass zu besonderer Vorsicht sei, zumal auf Grund des Naheverhältnisses des Geschäftsführers der Verkäuferin zum Geschäftsführer der Beschwerdeführerin (Vater - Sohn) auch nicht anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführerin diese Missstände verborgen geblieben wären.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Tatbestand des § 14 Abs. 1 BAO knüpft an die Übereignung eines lebenden Unternehmens oder eines lebenden Betriebes an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2005, 2003/15/0117). Ein "gesondert geführter Betrieb" im Sinne des § 14 Abs. 1 BAO ist auch ein Teilbetrieb (vgl. Ritz, BAO3, § 14 Tz 4).

Die Übereignung eines Betriebes liegt vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden. Welche Wirtschaftsgüter die wesentlichen Grundlagen bilden, hängt vom jeweiligen Betriebstypus ab (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2004, 2003/13/0161). Für die Haftung ist entscheidend, ob die übernommenen Grundlagen den Erwerber in die Lage versetzen, ohne wesentliche Unterbrechung und ohne bedeutende Investitionen einen den übernommenen Betrieb gleichartigen Betrieb fortzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2000, 99/16/0465).

Zentrales Element der Begründung einer Berufungsentscheidung (§ 288 Abs. 1 lit. d BAO) ist die Anführung des Sachverhaltes, den die Behörde als erwiesen annimmt. Aus der Begründung hat sich auch zu ergeben, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliege. Schließlich hat die Begründung die rechtliche Beurteilung, auf Grund welcher die Behörde die Verwirklichung abgabenrechtlicher Tatbestände annimmt, zu enthalten (vgl. hiezu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Den genannten Anforderungen an eine Bescheidbegründung genügt der angefochtene Bescheid nicht.

Im angefochtenen Bescheid wird zum Ausdruck gebracht, dass im gegenständlichen Fall ein Handelsbetrieb übereignet worden sei, der aus "Tankstelle, Shop und Kfz-Werkstatt samt Autohandel" bestehe. Die betriebswesentlichen Grundlagen würden gebildet durch die Handelsware, die Hilfs-, Betriebs- und Verbrauchsmaterialien, den Kundenstock, das Anlagevermögen, den Betriebsgegenstand und den Standort.

Der belangten Behörde sind die beiden Kaufverträge vom 30. Dezember 2003 vorgelegen, mit denen die Beschwerdeführerin einerseits die gesamten im Anlageverzeichnis stehenden beweglichen Gegenstände "laut Schätzungsgutachten" und andererseits die gesamten Warenbestände an Hilfs-, Betriebs- und Verbrauchsmaterial, wie Treibstoffe, Heizöl, Ersatzteile, Warenbestand Shop laut "Anlagenverzeichnis" bzw. "Inventurverzeichnis" gekauft hat. Im genannten Gutachten ist festgehalten, "nach einem Brand in der Werkstätte und dem dadurch entstandenen Löschwasserschaden im Jahr 2002 wurden Teile der Werkzeuge und der Einrichtung stark in Mitleidenschaft gezogen".

In der Berufung hat die Beschwerdeführerin eingewendet, dass das Finanzamt keine konkreten Feststellungen über einen Unternehmenserwerb getroffen habe. Im Vorlageantrag brachte sie vor, dass der Kauf des Warenlagers bzw. auch eines Teiles des Anlagevermögens nicht genüge, um einen Unternehmens- bzw. Betriebserwerb anzunehmen.

Im Beschwerdefall ist zunächst nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher Erwägungen die belangte Behörde zur Feststellung gelangt ist, der übertragene Betrieb umfasse eine Tankstelle mit Shop sowie eine Reparaturwerkstätte und - entgegen den Feststellungen in der Berufungsvorentscheidung - einen Autohandel.

In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang vorgebracht, nur eine Tankstelle samt Shop sei übertragen worden, das Werkstattvermögen sei zum Teil im Zusammenhang mit dem Brand beschädigt, zum Teil geleast gewesen, wobei Leasingverträge nicht auf die Beschwerdeführerin übergegangen seien.

In der Tat findet sich im Verwaltungsakt kein Hinweis für die Übertragung eines den Autohandel umfassenden Betriebes, zumal - entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde - aus dem Briefkopf des von der K-Autohandel GmbH verwendeten Geschäftspapieres allein nicht auf noch aufrechte Betriebszweige geschlossen werden kann. Es fehlen auch klare Grundlagen für die Annahme eines eine Reparaturwerkstätte umfassenden Betriebes. Von der im angefochtenen Bescheid gewiss zutreffend als auf die Beschwerdeführerin übergegangen angenommenen Benutzungsmöglichkeit über die Immobilie abgesehen stellt ein Indiz für einen eine Reparaturwerkstätte umfassenden Betrieb nur die Aufzählung einzelner - im Wesentlichen mit sehr geringen Beträgen bewerteter - Wirtschaftsgüter im Sachverständigengutachten dar, wobei aber der angefochtene Bescheid jegliche Auseinandersetzung mit der Frage unterlässt, ob der Brand und der Wasserschaden des Jahres 2002 der Annahme einer Reparaturwerkstätte entgegenstehe.

In der Gegenschrift wendet die belangte Behörde in diesem Zusammenhang ein, die Haftung nach § 14 BAO komme auch zur Anwendung, wenn lediglich ein Teilbetrieb übertragen werde. Auch wenn die Werkstätte nicht übertragen worden sein sollte, wäre daher der haftungsbegründende Erwerb eines Teilbetriebes (gemeint Tankstelle mit Shop) anzunehmen. Diesem Einwand der belangten Behörde ist entgegenzuhalten, dass in einem solchen Fall (Teilbetriebsübertragung) die Haftung nur für Abgaben, die dem entsprechenden Teilbetrieb zuzuordnen sind, geltend gemacht werden dürfte. Der angefochtene Bescheid enthält aber keine Ausführungen darüber, dass die Abgaben, für welche die Haftung ausgesprochen worden ist, ausschließlich im Bereich Tankstelle samt Shop entstanden wären.

Für den Fall, dass der Betrieb der K-Autohandel GmbH tatsächlich alle im angefochtenen Bescheid genannten Betätigungszweige umfasst haben sollte, ist ungeklärt, ob er allenfalls in Teilbetriebe aufgespaltet gewesen ist. Für den Fall des Vorliegens von Teilbetrieben enthält der angefochtene Bescheid keine Feststellungen darüber, ob hinsichtlich jedes Teilbetriebes die wesentlichen Betriebsgrundlagen übergegangen sind und - falls dies nicht zutreffen sollte - wie die ausständigen Abgaben den einzelnen Teilbetrieben zuzuordnen sind. Hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Autohandelsbetriebes verschweigt sich der angefochtene Bescheid zur Gänze über die wesentlichen Betriebsgrundlagen. Hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen einer Reparaturwerkstätte ist auch in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit dem durch Brand- und Wasserschaden eingetretenen Beeinträchtigungen erforderlich.

Sollte nicht von Teilbetrieben auszugehen sein, wäre es erforderlich gewesen, konkret unter Beachtung der einzelnen Betriebszweige eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Betriebsgrundlagen anzustellen. Jedenfalls ist es beispielsweise auszuschließen, dass das Warenlager eines Tankstellen-Shops auch in Bezug auf einen Betriebszweig Autohandel die wesentliche Betriebsgrundlage darstellt.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. Oktober 2006

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