UFS RV/3631-W/02

UFSRV/3631-W/028.10.2004

Vertragsübernahme bei einem Bestandvertrag

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/16/0254 eingebracht. Mit Erk. v. 17.3.2005 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., xxx, vertreten durch Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt, 2340 Mödling, Enzersdorferpl. 4, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 20. März 2002 betreffend Rechtsgebühr zu ErfNr.xxx/2001 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Am 3. August 2001 schlossen die M-GmbH (kurz M) und die die nunmehrige Berufungswerberin Bw. (kurz Bw. oder A), unter Beitritt der E-GmbH. (kurz E) eine Vereinbarung mit auszugsweise folgendem Inhalt ab:

"I.

Bestandvertrag vom 3.6.1993

(1) Mit Bestandvertrag vom 3.6.1993, angezeigt beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien zu BRPxxx am 14.6.1993, hat die E Herrn W ("X") als Einzelunternehmer das Betriesobjekt xx im Ausmaß von 1.627,5 m 2 vermietet.

(2) Dieses Bestandverhältnis wurde auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Beide Vertragsparteien sind berechtigt, den Bestandvertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten jeweils per 31.12. eines jeden Jahres aufzukündigen. Herr W hat zudem auf eine Aufkündigung dieses Bestandvertrages bis 31.5.203 verzichtet (Punkt IV Abs 3)

II.

Übergang auf M-GmbH

(1) Mit Notariatsakt vom 27.9.1995, hat Herr W sein Einzelunternehmen mit allen Rechten und Pflichten in die "X-GmbH" unter Verzicht auf die Liquidation mit Wirkung per 1.1.1995 eingebracht.

(2) Das Bestandverhältnis im Sinne des Vertrages vom 3.6.1993 ist deshalb mit allen Rechten und Pflichten von Herrn W auf die "X-GmbH " übergegangen (Gesamtrechtsnachfolge).

(3) Die "X-GmbH " hat mit Wirkung vom 4.5.1999 ihren Firmenwortlaut auf "M-GmbH " geändert.

III.

Abtretung auf Übernahme der Rechte und Pflichten

(1) Die M tritt hiemit alle Rechte aus dem Bestandvertrag vom 3.6.1993 über das Betriebsobjekt x der A ab. Die A nimmt die Abtretung dieser Rechte an und erklärt und verpflichtet sich zudem, sämtliche Verpflichtungen aus dem Bestandvertrag vom 3.6.1993 zu übernehmen und gegenüber der E in eigener Person und auf eigene Rechnung zu erfüllen. Von der A wird somit auch der Kündigungsverzicht im Sinne des Punktes IV Abs. 3 mit der restlichen Laufzeit bis 31.5.2003 übernommen. Die A darf daher das Betriebsobjekt x nur für ihren Unternehmensgegenstand verwenden. Dieser besteht insbesondere im Handel mit Lacken, KFZ-Werkstattzubehör, Maschinen, Werkzeugen und Verbrauchsmaterialien.

(2) Die Abtretung der Rechte und die Übernahme der Pflichten im Sinne des Abs 1 erfolgt ohne Entgelt.

(3) Die E tritt hiemit dieser Vereinbarung bei und erklärt sich mit der Abtretung der Rechte durch die M und der Übernahme aller Pflichten durch die A vollinhaltlich einverstanden.

Die Abtretung der Rechte durch die M und die Übernahme der Pflichten erfolgt jeweils mit Wirkung per 1.9.2001.

IV. Recht zur Untervermietung

In Abänderung des Punktes XVIII des Bestandvertrages vom 3.6.1993 räumt die E hiemit der A das Recht ein, Teile des Betriebsobjektes x - in der Größenordnung von etwa 30 % - unterzuvermieten, weil die A das gesamte Betriebsobjekt x nicht für eigene Zwecke benötigt.

VI. Subsidiäre Geltung Bestandvertrag vom 3.6.1993

Im Übrigen bleiben alle Bestimmungen im Sinne des Bestandvertrages vom 3.6.1993 nunmehr zwischen der A einerseits und der E andererseits vollinhaltlich aufrecht"

Diese Vereinbarung wurde von der Bw., von der M-GmbH und der E-GmbH. unterzeichnet.

Mit Bescheid vom 20. März 2002 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der Bw. Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 5 GebG mit 1 % von € 245.525,58 (entspricht S 3.378.505,68) = € 2.455,25 (entspricht S 33.785,00) fest. In der Begründung wurde zur Bemessungsgrundlage auf die übernommenen Verpflichtungen aus dem Bestandvertrag vom 3. Juni 1993 verwiesen (monatliche Miete S 92.599,00 + monatliche Verwaltungskosten S 458,41 monatliche Betriebskosten S 789,97 = S 93.847,38 x 36 Monate (unbestimmte Dauer) = S 3.378.505,68. Weiters wurde ausgeführt, dass eine Vertragsübernahme, die derart zustande kommt, dass der ausscheidende, der neueintretende und der verbleibende Vertragspartner uno actu die Vertragsübernahme vereinbaren und darüber eine Urkunde errichten, gebührenrechtlich wie die Neubegründung des übertragenen Rechtsverhältnisses (hier Bestandvertrag) zu behandeln sei.

In der dagegen eingebrachten Berufung wurde eingewandt, dass die Rechtsansicht des Finanzamtes, dass eine Urkunde über eine Vertragsübernahme gebührenrechtlich wie die Neubegründung des übertragenen Rechtsverhältnisses (hier Bestandsvertrag) zu behandeln ist, nicht der überwiegenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspreche. Diese Ansicht sei nämlich durch den Verwaltungsgerichtshof lediglich in einem vereinzelten Erkenntnis vertreten worden (VwGH 6.3.1989, 88/15/0037). Durch die überwiegende Judikatur würden jedoch Vertragsübernahmen dem § 33 TP 21 GebG unterstellt werden (VwGH 3.10.1988, 87/15/0145; VwGH 14.1.1991, 90/15/0125), wobei § 33 TP 21 GebG hinsichtlich der Beurteilung der Gebührenpflicht eine lex specialis gegenüber den sonstigen Tatbeständen des § 33 GebG darstelle. Für den vorliegenden Fall folge aus dieser Rechtsprechung, dass das vorliegende Rechtsgeschäft nicht nach § 33 TP 5 GebG, sondern nach § 33 TP 21 GebG der Gebührenpflicht unterliege. Da gemäß Punkt III (2) der Vereinbarung vom 3. August 2001 die Abtretung der Rechte und die Übernahme der Pflichten ohne Entgelt erfolgt sei, sei diese Zessionsgebühr im Sinne des § 33 TP 21 GebG mit € 0,00 festzusetzen.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, dass es auf den gemäß § 17 Abs. 1 GebG für die Festsetzung der Gebühren maßgebenden Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Urkunde ankomme. In der verfahrensgegenständlichen Vereinbarung vom 3. August 2001 sei ein allseitiger Konsens über den Mieterwechsel formuliert. Dadurch werde ein neues Mietverhältnis begründet, für welches subsidiär der Bestandvertrag vom 3. Juni 1993 Geltung behielt. Diese Art der Vertragsübernahme sei gebührenrechtlich § 33 TP 5 GebG zu unterstellen (VwGH 16.10.1989, 88/15/0086). Beurkundet sei die Willensübereinstimmung der Vertragspartner auf die Übernahme des Bestandvertrages worden, denn ein anderer Titel für die Abtretung der Rechte sei nicht vorhanden.

Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde 2. Instanz wurde ergänzend vorgebracht, dass nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.1.1991, 90/15/0125) unter einer Vertragsübernahme ein rechtsgeschäftlicher Vorgang verstanden werde, im Zuge dessen unter Zustimmung aller Beteiligten eine gesamte Vertragsstellung mit allen Rechten und Pflichten von einem der Vertragspartner auf einen neuen Partner übertragen wird, mit welchem das Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit fortgesetzt wird. Diese Rechtsansicht bestätige vollinhaltlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1988, wonach die Vertragsübernahme ein eigenes Rechtsinstitut sei, bei dem durch einen einheitlichen Akt nicht nur die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen wird, und der Vertragsübernehmer an die Stelle einer aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt und deren gesamte vertragliche Rechtsstellung übernimmt. Der gebührenrechtliche Begriff der Vertragsübernahme entspreche sohin vollinhaltlich der zivilrechtlichen Vertragsübernahme (Ertl in Rummel-ABGB-Kommentar II2 § 1406 Rz 2; Mader in Schwimann-ABGB-Kommantar § 1405 Rz 1f). Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes werde die Vertragsübernahme daher dem Gebührentatbestand gemäß § 33 TP 21 GebG unterstellt (VwGH 3.10.1988, 87/15/0145; VwGH 14.1.1994, 90/15/0125), wobei § 33 TP 21 hinsichtlich der Beurteilung der Gebührenpflicht eine lex specialis gegenüber den sonstigen Tatbeständen des § 33 GebG darstelle. Für den vorliegenden Fall folge aus der Rechtsprechung, dass das vorliegende Rechtsgeschäft nicht als Neuabschluss nach § 33 TP 5 GebG, sondern nach § 33 TP 21 GebG der Gebührenpflicht unterliege.

Beweis wurde vom unabhängigen Finanzsenat noch erhoben durch Einsicht in den Bestandvertrag vom 3. Juni 1993. In Punkt XVIII. mit der Überschrift "Verbot der Weitergabe des Bestandobjektes" war folgendes vereinbart worden:

"(1) Die Firma W. ist nicht berechtigt, die ihr aufgrund dieses Vertrages zustehenden und eingeräumten Rechte ganz oder teilweise weiterzugeben, wie sie insbesondere auch nicht berechtigt ist, die ihr aufgrund dieses Vertrages zukommenden Rechte ohne schriftliche Zustimmung der E an andere oder neu zu gründende Gesellschaften zu übertragen oder in diese Einzubringen.

(2) Dieses Weitergabeverbot gilt jedoch nicht für Beteiligungsgesellschaften der Firma W "X " oder einer GmbH, an der die vorgenannte Firma maßgeblich beteiligt ist."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 33 TP 5 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, im allgemeinen einer Gebühr nach dem Wert in Höhe von 1 v.H.

Gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 GebG unterliegen Zessionen oder Abtretungen von Schuldforderungen oder anderen Rechten einer Gebühr vom Entgelt in Höhe von 0,8 v.H.

Für die Festsetzung der Gebühren ist gemäß § 17 Abs. 1 GebG, der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend.

Unstrittig ist, dass durch die gegenständliche Vereinbarung eine Vertragsübernahme erfolgt ist.

Eine Vertragsübernahme, die derart zustande kommt, dass der ausscheidende, der neueintretende und der verbleibende Vertragspartner uno actu die Vertragsübernahme vereinbaren und darüber eine Urkunde errichten, ist gebührenrechtlich wie die Neubegründung des übertragenen Rechtsverhältnisses zu behandeln (vgl. VwGH 16.10.1989, 88/15/0086).

Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Urkunde die darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert oder wird die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert, so ist gemäß § 21 GebG dieser Zusatz oder Nachtrag im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung als selbständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig. Daraus folgt, dass die Vertragsübernahme gebührenrechtlich dem Abschluss eines neuen Rechtsgeschäftes gleichzustellen ist (siehe Fellner, "Nochmals: Gebührenpflicht von Vertragsübernahmen", RdW 2003/526).

§ 21 GebG bezieht sich allein auf Zusätze oder Nachträge zu Rechtsgeschäften, die einer Gebühr unterliegen. Wird ein Rechtsverhältnis, dessen Begründung nach § 33 GebG der geltenden Fassung keiner Gebühr unterliegt, im Wege der Vertragsübernahme übertragen, so kann die damit verbundene Übertragung von Rechten der Zessionsgebühr iSd § 33 TP 21 GebG unterliegen (siehe Fellner, "Nochmals: Gebührenpflicht von Vertragsübernahmen", RdW 2003/5269).

Die entgeltliche Abtretung von Mietrechten durch einen Mieter an einen neuen Mieter mit vorweg erteilter Zustimmung des Vermieters erfüllt den Tatbestand des § 33 TP 21 GebG Dass zivilrechtlich die Übertragung von Bestandrechten mit Wirkung für den Bestandgeber nur zusammen mit der Übertragung auch der Pflichten aus dem Bestandverhältnis erfolgen kann und damit der Fall einer Vertragsübernahme vorliegt, hindert diese Beurteilung nicht (vgl. VwGH 26.11.1982, 3243/80).

Im gegenständlichen Fall ist weder eine entgeltliche Abtretung der Mietrechte erfolgt, noch war eine Abtretung der Rechte ohne Zustimmung der Vermieterin möglich (siehe Punkt XVIII. des Bestandvertrages vom 3. Juni 1993), weshalb hier die Verwirklichung eines Tatbestandes iSd § 33 TP 21 GebG ausscheidet.

Aus dem Urkundeninhalt ergibt sich deutlich, dass eine ein allseitiger Konsens über den Mieterwechsel vorgelegen ist (insbesondere auch aus Punkt IV., in dem die Vermieterin das Recht zur Untervermietung einräumte). Durch die vorliegende Vereinbarung wird das zwischen der Bw. und der E-GmbH. neu begründete Bestandverhältnis beurkundet. Da von einem Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits voll ausgefertigten Urkunde iSd § 21 GebG nur dann gesprochen werden kann, wenn die Parteien, die den Zusatz oder Nachtrag vereinbart haben, dieselben sind wie die, die laut der ursprünglichen Urkunde Parteien des Rechtsgeschäftes waren (vgl. VwGH 18.12.1997, 97/16/0473), können die in § 21 GebG vorgesehenen gebührenrechtlichen Begünstigungen hier nicht zur Anwendung kommen. Bei der Bemessung der Gebühr auf Grund der Neubegründung des Bestandverhältnisses bildet - anders als bei der Abtretung - nicht das (hier nicht vorhandene) Übertragungsentgelt den Gegenstand der Bemessungsgrundlage (vgl. VwGH 16.10.1989, 88/15/0086), sondern ist die Gebühr gemäß § 33 TP 5 GebG nach der vereinbarten Dauer des Bestandverhältnisses und dem vereinbarten Mietzins zu bemessen. Die vom Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Festsetzung der Gebühr ist daher zu Recht erfolgt und war die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 8. Oktober 2004

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 33 TP 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957

Schlagworte:

Vertragsübernahme, Bestandvertrag, Zusatz

Verweise:

VwGH 16.10.1989, 88/15/0086
Fellner, RdW 2003/529

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