Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.3101065.2014
Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/15/0118. Zurückweisung mit Beschluss vom 20.11.2019.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache der Bf, vertreten durch StB über die Beschwerde vom 13.12.2013 gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom 18.11.2013, betreffend Sicherheitsleistung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin betrieb Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Das Finanzamt leitete mit Prüfungsauftrag vom 2.5.2013 eine Außenprüfung im Betrieb der Beschwerdeführerin ein. Im Rahmen dieser Außenprüfung übermittelte der Prüfer der Beschwerdeführerin mit Mail vom 3.10.2013 eine Übersicht über die vorläufigen Prüfungsfeststellungen samt deren betraglichen Auswirkungen. Seitens der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin wurde der Erhalt dieser Daten mit Mail vom 11.10.2013 bestätigt.
Mit Bescheid vom 18.11.2013 ordnete das Finanzamt gemäß § 232 BAO die Sicherstellung folgender Abgabenansprüche in das Vermögen der Beschwerdeführerin an:
Abgabenart | Zeitraum | vorauss. Höhe |
Umsatzsteuer | 2009 | 3.650,00 |
Umsatzsteuer | 2010 | 20.408,33 |
Umsatzsteuer | 2011 | 17.250,00 |
Umsatzsteuer | 2012 | 5.650,00 |
Normverbrauchsabgabe | 2009 | 9.358,67 |
Normverbrauchsabgabe | 2010 | 4.034,85 |
Normverbrauchsabgabe | 2011 | 14.370,06 |
Normverbrauchsabgabe | 2012 | 23.767,63 |
Normverbrauchsabgabe | 2013 | 11.230,09 |
Kapitalertragsteuer | 2009 | 7.300,00 |
Kapitalertragsteuer | 2010 | 11.800,00 |
Kapitalertragsteuer | 2011 | 10.300,00 |
Körperschaftsteuer | 2009 | 2.222,84 |
Körperschaftsteuer | 2010 | 2.739,21 |
Summe |
| 144.081,68 |
Begründend führte das Finanzamt unter Darstellung der jeweiligen betraglichen Auswirkungen aus, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung diverse Unregelmäßigkeiten festgestellt worden seien. Die Beschwerdeführerin übe den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen aus. Es würden Fahrzeuge aller Art, vorwiegend Kfz mit hoher Laufleistung, älterem Baujahr und Unfallschäden von Kfz-Händlern und Privatpersonen angekauft. Diese Fahrzeuge würden nach dem Ankauf umgehend nach Deutschland transportiert und weiter im EU-Raum an Händler und Privatpersonen, vorwiegend aus dem osteuropäischen Bereich, verkauft. Hinsichtlich einiger Fahrzeuge, welche von Privatpersonen angekauft worden seien, hätten telefonische Auskünfte ergeben, dass der laut Kaufvertrag ausgewiesene Kaufpreis nicht mit jenem, den der letzte Zulassungsbesitzer erhalten habe, übereinstimmen würde. Die Kaufverträge seien teilweise nicht vom letzten Zulassungsbesitzer, sondern von anderen, namentlich nicht bekannten Personen unterzeichnet worden. Daher würden die Anschaffungskosten der von privaten Personen angekauften Fahrzeuge mit EUR 150,- pro Fahrzeug gewinnmindernd geschätzt.
Weitere Ermittlungen hätten ergeben, dass von teilweise nicht mehr fahrbereiten Fahrzeugen (Unfall bzw schwere Mängel, hinsichtlich derer die Reparaturkosten den Wert des Fahrzeuges übersteigen würden) eine Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe beantragt worden sei. Insoweit ein Fahrzeug nach kraftfahrrechtlichen Bestimmungen aufgrund des technischen Zustandes nicht mehr im Inland zugelassen werden kann, bestehe kein Anspruch auf Vergütung der Normverbrauchsabgabe. Fahrzeuge mit einem Einkaufswert unter EUR 500,- würden als Schrottfahrzeuge eingeschätzt und die dafür geltend gemachte Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe rückgefordert.
2010 habe die Beschwerdeführerin mehrere Fahrzeuge an eine bulgarische Firma verkauft und diese Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei behandelt. Die bulgarische Firma sei nach Auskunft der bulgarischen Finanzbehörde ein Missing Trader. Daher unterlägen die bisher als steuerfrei erklärten innergemeinschaftlichen Umsätze dem Normalsteuersatz.
Bei Fahrzeugverkäufen an Unternehmer innerhalb der EU ohne Anwendung der Differenzbesteuerung fehlten zum Teil die notwendigen Beförderungsnachweise und Buchnachweise im Original. Daher stellten sich die erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen als steuerbar dar.
Die Beschwerdeführerin habe in den Jahren 2010 und 2011 Fahrzeuge von der "A" und dem Nachfolgeunternehmen "B" erworben. Die Fahrzeuge seien bar bezahlt worden, wobei der Empfänger des Bargeldbetrages auf der Rechnung nicht namentlich genannt sei, der Bargeldbetrag nicht quittiert worden sei und verantwortliche Personen nicht angeführt seien. Mangels Bekanntgabe von Leistenden und Zahlungsempfängern werde der aus diesen Einkaufsrechnungen geltend gemachte Vorsteuerbetrag als nicht abzugsfähig behandelt.
Ab Juli 2011 sei eine unrichtige Bemessungsgrundlage für die Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe herangezogen worden, da vom Einkaufspreis die Umsatzsteuerkomponente ausgeschieden worden sei. Richtigerweise sei die Bemessungsgrundlage für die Rückvergütung der Normverbrauchsabgabe für Kfz-Zulassungen bis zum 22.12.2010 der Einkaufspreis ohne Umsatzsteuer und NoVA-Komponente.
Die Einbringung der Abgaben sei gefährdet, da die Beschwerdeführerin in Österreich über kein verwertbares Vermögen mit Ausnahme des Guthabens auf dem Abgabenkonto verfüge. Die Gebrauchtwagen, welche das Umlaufvermögen der Beschwerdeführerin darstellten, befänden sich nicht in Österreich.
In ihrer Beschwerde vom 13.12.2013 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass im Zuge der Erlassung des Sicherstellungsauftrages das Parteiengehör missachtet worden sei, dass unzureichende Anhaltspunkte für die Ermittlung der konkreten Höhe des sichergestellten Betrages vorlägen und dass eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung nicht vorläge. Im einzelnen werde angezweifelt, dass die im Sicherstellungsauftrag angeführte Anzahl der Kfz den Tatsachen entspräche, da nicht mitgeteilt worden sei, um welche Einzelfahrzeuge es sich handle. Die Höhe der Schätzung sei aus der Luft gegriffen. Die Aufwandskürzung von EUR 150,- je Kfz entspreche bei einigen Autos dem halben Einkaufspreis.
Es werde bestritten, dass für Billigfahrzeuge (unter EUR 500,- Einkaufspreis) keine NoVA-Rückvergütung zustehe. Diese Feststellung sei auch nur geringfügig.
Hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen werde der Vertrauensschutz außer Acht gelassen, die Beschwerdeführerin habe die UID des Auftraggebers geprüft sowie Ausweiskopien der abholenden Personen vorgelegt. Beförderungsnachweise lägen vor. Da die Beschwerdeführerin mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gehandelt habe, lägen keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Umqualifizierung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vor.
Es sei unverständlich, dass der Vorsteuerabzug mangels Bekanntgabe des Leistenden und Zahlungsempfängers versagt werde. Die Nennung des Zahlungsempfängers sei kein Rechnungsmerkmal im Sinn des § 11 UStG. Es fehlten Ausführungen dazu, wie die Rückforderungen der NoVA-Vergütungen ermittelt wurden. Die angeführten Werte seien nicht nachvollziehbar. Es sei der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Annahmen des Finanzamtes gegeben worden, das Parteiengehör sei nicht gewahrt worden.
Die Einbringung der Abgaben sei weder gefährdet noch wesentlich erschwert, zumal aufgrund des Geschäftsfeldes der Beschwerdeführerin keine nennenswerten Verbindlichkeiten gegenüber Dritten bestünden. Die Abgabenbehörde sei ein "regelmäßiger Schuldner" der Beschwerdeführerin. Sie habe seit 2011 regelmäßig monatliche NoVA-Rückvergütungen in Höhe von EUR 10.000,- bis 20.000,- erwirtschaftet und sei daher in der Lage, potentielle Abgabenschulden zu begleichen. Die Beschwerdeführerin sei auf die Guthabensauszahlung so angewiesen, wie ein anderer Unternehmer, der einen vereinbarten Umsatzbonus bei einem seiner Hauptlieferanten vorab in seine Verkaufspreise einkalkuliere. Da auch in Zukunft allmonatlich mit "namhaften Abgabengutschriften zu rechnen" sei, sei die Einbringlichkeit keinesfalls gefährdet. Die "einzige weit und breit ersichtliche Motivation der Behörde" für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages werde in einem Liquiditätsvorteil für das Finanzamt gesehen.
Am 8.1.2014 beantragte die Beschwerdeführerin Akteneinsicht beim Finanzamt, welche nicht gewährt wurde. Am 14.1.2014 beantragte die Beschwerdeführerin die Ausfertigung eines Bescheides über die Verweigerung der Akteneinsicht.
In ihrer Beschwerdeergänzung vom 14.1.2014 brachte die Beschwerdeführerin weiter vor, dass ein am 8.1.2014 mündlich/telefonisch bzw. per Fax eingebrachtes Anbringen auf Akteneinsicht abgelehnt worden sei. Im Zuge der Gespräche sei hervorgekommen, dass der Prüfer über von ihm geführte Telefonate weder Niederschriften noch Aktenvermerke aufgenommen habe. Da keine Niederschriften oder Aktenvermerke vorhanden seien, seien die getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar, willkürlich, unbegründet und rechtswidrig. Der Sicherstellungsauftrag sei mit einem groben Verfahrensmangel behaftet.
Das Finanzamt erließ am 17.1.2014 einen Bescheid über einen Prüfungsauftrag, dem zufolge die Beschwerdeführerin eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs 2 FinStrG zu dulden habe. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 27.1.2014 zur Kenntnis gebracht.
Ebenfalls am 27.1.2014 übermittelte das Finanzamt der Beschwerdeführerin "die detaillierten Berechnungsgrundlagen der im Sicherstellungsauftrag auf Seite 4 angeführten voraussichtlichen Normverbrauchsabgaberückforderungsbeträge 08/2011 bis 07/2013". Ihr steuerlicher Vertreter quittierte den Erhalt dieser Daten durch Unterschrift.
Mit Bescheid vom 28.1.2014 verweigerte das Finanzamt der Beschwerdeführerin die am 8.1.2014 beantragte Akteneinsicht. Gemäß § 79 Abs 3 FinStrG könnten Aktenstücke vorläufig von der Einsichtnahme ausgenommen werden, wenn besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme die Untersuchung erschwert werden könnte; die Einsichtnahme sei jedoch vor Abschluss des Untersuchungsverfahrens zu gestatten. Es bestehe der Verdacht, dass Bestandteile der vorliegenden Ankaufsrechnungen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten bezüglich Aussteller, Adresse, Rechnungsbetrag, Zahlbetrag und Unterschrift entsprächen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.7.2014 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag ab und führte aus, dass Anfang Oktober 2013 eine Besprechung zwischen der Beschwerdeführerin, deren steuerlicher Vertretung und dem Außenprüfer stattgefunden habe, in welcher die (vorläufigen) Prüfungsfeststellungen und die Ermittlung der in Rede stehenden Abgabennachforderungen besprochen worden seien. Das Parteiengehör sei hinsichtlich der bis dahin vorliegenden Prüfungsergebnisse gewahrt worden. Die Nichtnennung von (potentiellen) Auskunftspersonen, die noch nicht einmal einvernommen worden seien, verletze das Parteiengehör nicht. Die Akteneinsicht sei der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 28.1.2014 gemäß § 79 Abs 3 FinStrG vorübergehend verweigert worden, nachdem die Außenprüfung mit Prüfungsauftrag vom 27.1.2014 in eine Prüfung gemäß § 99 FinStrG umgewandelt worden sei. Hinsichtlich der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung werde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2012 zwar einen Umsatz von rund EUR 3,5 Mio, jedoch ein negatives Betriebsergebnis erzielt habe. An der Betriebsadresse befinde sich lediglich ein Büro, in dem kein nennenswertes Anlagevermögen vorhanden sei. Das Umlaufvermögen der Beschwerdeführerin bestehe aus Kfz, welche sich nicht in Österreich befänden. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin habe in Österreich keinen Wohnsitz.
Mit Eingabe vom 5.8.2014 beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Sie ergänzte ihr Vorbringen zusammengefasst dahin, dass das Finanzamt weiterhin willkürlich die Akteneinsicht verweigerte. Das Finanzamt sei in weiteren Verfahren der Beschwerdeführerin gegenüber säumig geworden, was mit Säumnisbeschwerden und Schreiben an diverse Stellen gerügt worden sei. Der Hauptgeschäftszweig der Beschwerdeführerin sei der Ankauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen im Inland, welche dann hauptsächlich ins Ausland verbracht würden. Durch das Verbringen der Fahrzeuge ins Ausland ergebe sich eine monatliche NoVA-Rückvergütung, welche einkalkuliert und eingepreist und wesentlicher Ertragsbestandteil seien.
Am 9.4.2015 wurde der Beschwerdeführerin Akteneinsicht - unter anderem in die Dokumentation des Außenprüfers über die Ermittlungsergebnisse des Finanzamtes gewährt.
Mit Schreiben vom 15.7.2019 legte die Beschwerdeführerin zwei Schreiben an den Steuerombudsdienst des Bundesministeriums für Finanzen vor. In diesen Schreiben stellt der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin verschiedene, seiner Auffassung nach rechtswidrige Verwaltungsakte des Finanzamtes bzw. das rechtswidrige Unterbleiben von solchen dar. Unter anderem wird im Schreiben vom 23.2.2015 darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein Privathaus in F ein Einfamilienhaus besitze, hinsichtlich dessen das Finanzamt eine Ranganmerkung zur Sicherung der Abgaben eintragen hätte lassen können.
Diese Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Erwägungen
1) Zur Einwand der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist zunächst davon auszugehen, dass nach § 244 BAO ein abgesondertes Rechtsmittel gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen nicht zulässig ist. Solche Verfügungen können erst in der Bescheidbeschwerde gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden. § 90 Abs. 3 BAO sieht - in Übereinstimmung mit dieser Regelung - ebenfalls vor, dass gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist (vgl. etwa Ritz, BAO, 6.A., Rz 1 zu § 244). Erweist sich die verfahrensleitende Verfügung als rechtswidrig, so ist der die Angelegenheit abschließende Bescheid mit einem Verfahrensmangel behaftet (vgl. Ritz, BAO, 6.A., Rz 6 zu § 244). Ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzamts über die Akteneinsicht ein Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache anhängig, so ist das Begehren auf Akteneinsicht im Rahmen dieses Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache zu behandeln. (VwGH 29.5.2018, Ro 2017/15/0021).
2) Das Finanzamt hat der Beschwerdeführerin vor Erlassung des verfahrensgegenständlichen Sicherstellungsauftrages jene Prüfungsfeststellungen samt deren betraglicher Auswirkungen zur Kenntnis gebracht, welche dem Sicherstellungsauftrag zu Grunde gelegt wurden. Ein Antrag auf Akteneinsicht in den Arbeitsbogen des Außenprüfers wurde seitens der Beschwerdeführerin erst im Stadium des Rechtsmittelverfahrens über die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag gestellt. Nachdem das Finanzamt am 17.1.2014 einen Bescheid über einen Prüfungsauftrag gemäß § 147 BAO iVm § 99 Abs 2 FinStrG erlassen und diesen am 27.1.2014 der Beschwerdeführerin ausgefolgt hatte, geschah die mit Bescheid vom 28.1.2014 ausgesprochene Verweigerung der Einsichtnahme in den Arbeitsbogen des Außenprüfers in Anwendung des § 79 Abs 3 FinStrG und somit zu Recht, zumal diese Bestimmung lautet: "Im Untersuchungsverfahren können Aktenstücke vorläufig von der Einsichtnahme ausgenommen werden, wenn besondere Umstände befürchten lassen, dass durch eine sofortige Kenntnisnahme die Untersuchung erschwert werden könnte."
3) Nach Ritz (BAO, 6.A., Rz 8 zu § 90) unterliegen Kontrollmitteilungen, solange sie noch keine Beweismittel sind, mangels abgabenrechtlichen Interesses (noch) nicht der Akteneinsicht. Dienen Kontrollmitteilungen als Beweismittel, so unterliegen sie der Akteneinsicht. Dieser Ansicht wird insofern gefolgt, als auch telefonische Erkundigungen seitens des Außenprüfers wie (üblicherweise formlose) Kontrollmitteilungen zwar geeignet sein mögen, eine Verdachtslage zu schaffen oder zu erhärten. In aller Regel sind jedoch weitere Ermittlungshandlungen seitens des Finanzamtes erforderlich, um die Eignung von schriftlichen Kontrollmitteilungen oder telefonischen Auskünften als Beweismittel festzustellen. Daher ist ein abgabenrechtliches Interesse der Beschwerdeführerin am Inhalt von Telefongesprächen des Außenprüfers mit Auskunftspersonen nicht erkennbar. Im übrigen wurden im weiteren Verlauf des Außenprüfungsverfahrens umfangreiche Zeugeneinvernahmen vorgenommen und die darüber angefertigten Protokolle der Beschwerdeführerin im Rahmen einer Akteneinsicht am 9.4.2015 zur Einsichtnahme vorgelegt. Die Beschwerdeführerin hätte daher im gegenständlichen Verfahren Gelegenheit gehabt, ihr Vorbringen im Sinn ihrer durch die Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnisse zu ergänzen. Insgesamt ist keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufgrund der Verweigerung der Akteneinsicht mit Bescheid vom 28.1.2014 erkennbar.
4) § 232 BAO lautet:
" (1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.
(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden."
5) Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren. Ein Sicherstellungsauftrag ist aber kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (VwGH 2.9.2009, 2005/15/0063).
6) Der bekämpfte Bescheid stützt sich zunächst auf die Ergebnisse von Erkundigungen des Außenprüfers, denen zufolge die Beschwerdeführerin bei Fahrzeugankäufen von Privatpersonen in mehreren Fällen einen höheren als den an die Verkäufer übergebenen Ankaufspreis angegeben hatte. Dieses Ermittlungsergebnis wurde im Lauf der Außenprüfung durch niederschriftliche Einvernahmen mehrerer Fahrzeugverkäufer bestätigt. Das Finanzamt hat schlüssig dargelegt, auf welcher Grundlage es die geschätzte Minderung der Einkaufspreise ermittelt hat. Aus dieser Feststellung lassen sich ein Abgabenanspruch dem Grunde nach ebenso ableiten wie Anhaltspunkte für dessen Höhe gewinnen.
7) Der in der Beschwerde erhobene Einwand gegen die Streichung der NoVA-Rückvergütung für Fahrzeuge mit einem Einkaufspreis unter EUR 500,- wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Finanzamtes hinsichtlich der Möglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Fahrzeugen. Die vollzogene Beweiswürdung des Finanzamtes hinsichtlich der "Schrottfahrzeuge" bietet ausreichend gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme eines Abgabenanspruches in der vom Finanzamt errechneten Höhe.
8) Auch hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin als nicht steuerpflichtig behandelten innergemeinschaftlichen Lieferungen sind die Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, die Entstehung des Abgabenanspruches dem Grunde nach in Zweifel zu ziehen. Das Finanzamt hat das Fehlen der erforderlichen Buchnachweise festgestellt, was von der Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt wurde. Die Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführerin bei der Lieferung an Missing Trader Vertrauensschutz genießt oder nicht, ist nicht im Rahmen des Sicherungsverfahrens zu entscheiden.
9) Entgegen der Behauptungen in der Beschwerde verneint das Finanzamt die Berechtigung der Beschwerdeführerin zum Vorsteuerabzug nicht allein mangels Nennung des Zahlungsempfängers der Zahlungen für einzelne Fahrzeugkäufe, sondern aufgrund der Gesamtumstände dieser Transaktionen. Das Finanzamt hat schlüssig dargestellt, weshalb es die Zahlungsflüsse an sich für unglaubwürdig erachtet. Dieser Darstellung ist die Beschwerdeführerin nicht entgegengetreten. Daher ist auch in diesem Punkt für das Sicherungsverfahren von der Verwirklichung abgabenpflichtiger Tatbestände auszugehen.
10) Die in der Beschwerde gerügte Ermittlung der nach Ansicht des Finanzamtes nicht zustehenden NoVA-Rückvergütungsbeträge wurde der Beschwerdeführerin mit Mail vom 11.9.2015 zur Kenntnis gebracht. Über die materielle Richtigkeit der vom Finanzamt gewählten Berechnungsmethode ist nicht im Sicherungsverfahren zu entscheiden.
11) Insgesamt hat das Finanzamt im Sicherstellungsauftrag ausreichend dargestellt, welche Umstände darauf hindeuten, dass abgabenrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht wurden und dass Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin tatsächlich entstanden sind. Auch hat das Finanzamt die Beschwerdeführerin vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages von seinen diesbezüglichen Annahmen in Kenntnis gesetzt und das Parteiengehör gewahrt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht geeignet, die vom Finanzamt aus seinen Ermittlungsergebnissen gezogenen Schlüsse als überschießend erscheinen zu lassen. Ihre materielle Richtigkeit ist jedenfalls nicht Gegenstand des Sicherungsverfahrens.
12) Ein angefochtener Sicherstellungsauftrag ist ohne Rücksicht auf später eingetretene Tatsachen allein darauf zu prüfen, ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die dafür erforderlichen sachlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. VwGH 30.6.2015, 2012/15/0165). In Bezug auf die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung muss der Begründung der Entscheidung entnommen werden können, aus welchen besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass die Einbringung nur bei raschem Zugriff der Behörde gesichert erscheint (VwGH 11.2.2016, Ra 2015/13/0039). Dabei hat sich das Verfahren über eine Berufung gegen einen Sicherstellungsauftrag auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (VwGH 30.6.2015, 2012/15/0165). Die Beschwerdeführerin ist der Feststellung des Finanzamtes, dass die Beschwerdeführerin abgesehen vom Guthaben auf ihrem Abgabenkonto keinerlei verwertbares Vermögen im Inland besaß, nicht entgegengetreten und hat auch nicht aufgezeigt, dass die Einbringung der Abgaben aufgrund anderer Umstände gesichert erschiene. Das Beschwerdevorbringen, es sei auch in Zukunft mit namhaften Abgabengutschriften zu rechnen, ist diesbezüglich wenig zielführend, zumal einige der dem Sicherstellungsauftrag zugrunde liegenden Prüfungsfeststellungen gerade die Rechtmäßigkeit und Höhe der von der Beschwerdeführerin regelmäßig beanspruchten Abgabengutschriften in Zweifel ziehen. Das Finanzamt hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei verwertbares Vermögen im Inland verfügt und laufend negative Betriebsergebnisse ausweist.
13) Das der Abgabenbehörde eingeräumte Ermessen erfordert gemäß § 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Bei der Ermessensübung sind demnach berechtigte Interessen des Abgabepflichtigen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände abzuwägen (VwGH 20.9.1996, 94/17/0122). Aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben ergibt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden kann. Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmsfällen - etwa bei Geringfügigkeit des zu sichernden Betrages oder der zu erlangenden Sicherheit (siehe Ritz, Verwaltungsökonomie als Ermessenskriterium, ÖStZ 1996, 70) - ist daher von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen (VwGH 26.7.2007, 2007/15/0131). Eine unrichtige Ermessensübung des Finanzamtes kann im gegenständlichen Fall nicht erkannt werden, da der zu sichernde Betrag nicht geringfügig ist und im Abgabenguthaben der Beschwerdeführerin Deckung fand.
14) Sonstige außergewöhnliche Umstände, welche das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben in den Hintergrund treten ließen, wurden weder behauptet noch sind sie ersichtlich. Auch der Hinweis im Schreiben vom 15.7.2019, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein Privathaus in Österreich besitzt und dieses der Besicherung der Abgabenansprüche gegenüber der Beschwerdeführerin dienen hätte können, zeigt keine unrichtige Ermessensübung des Finanzamtes bei der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Sicherstellungsauftrages auf. Ein Sicherstellungsauftrag stellt einen Exekutionstitel im finanzbehördlichen und gerichtlichen Sicherungsverfahren dar (§ 233 Abs 1 BAO). Verfahrensgegenständlich und entscheidungswesentlich sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages an sich, nicht jedoch die Wahl jener Vermögenswerte, in die aufgrund des Sicherstellungsauftrages Exekution geführt wird.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausreichend geklärt. Darüber hinaus war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.
Innsbruck, am 18. Juli 2019
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |