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BGBl II 74/2018

BUNDESGESETZBLATT

FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

74. Verordnung: Änderung der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung
[CELEX-Nr.: 32014L0087]

74. Verordnung der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, mit der die Allgemeine Strahlenschutzverordnung geändert wird

Aufgrund des § 36 Abs. 1 des Strahlenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 227/1969, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 133/2015 und die Bundesministeriengesetz-Novelle 2017, BGBl. I Nr. 164/2017, wird verordnet:

Die Verordnung über allgemeine Maßnahmen zum Schutz von Personen vor Schäden durch ionisierende Strahlung (Allgemeine Strahlenschutzverordnung - AllgStrSchV), BGBl. II Nr. 191/2006, zuletzt geändert durch die Verordnung BGBl. II Nr. 22/2015, wird wie folgt geändert:

1. Im Inhaltsverzeichnis werden nach dem Eintrag zu § 87 folgende Einträge eingefügt:

„§ 87a Grundsätze und Ziele der nuklearen Sicherheit

§ 87b Selbstbewertung und Peer Reviews“

2. Im Inhaltsverzeichnis lautet der Eintrag zu § 89a:

„§ 89a Pflichten des Bewilligungsinhabers betreffend nukleare Sicherheit“

3. § 1 Abs. 3 Z 4 lautet:

  1. „4. Richtlinie 2009/71/EU RATOM über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. Nr. L 172 vom 02.07.2009 S. 18, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2014/87/EU RATOM zur Änderung der Richtlinie 2009/71/EU RATOM über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. Nr. L 219 vom 25.07.2014 S. 42,“

4. In § 5 erhält Abs. 2 die Bezeichnung „(3)“; nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt:

„(2) Als nukleare Sicherheit im Sinne dieser Verordnung gilt die Erreichung ordnungsgemäßer Betriebsbedingungen, die Verhütung von Unfällen und die Abmilderung von Unfallfolgen, so dass sowohl das Personal der Anlage als auch die Bevölkerung vor Gefahren durch ionisierende Strahlung aus der Anlage geschützt werden.“

5. In § 5 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Für die Festlegung eines gestaffelten Sicherheitskonzeptes für kerntechnische Anlagen sind nachstehende Begriffe heranzuziehen:

  1. 1. „anomaler Betrieb“ bezeichnet einen Betriebszustand, der vom Normalbetrieb abweicht, der mindestens einmal während der Betriebsdauer einer Anlage zu erwarten ist, der jedoch aufgrund angemessener Vorschriften über die Auslegung keinen erheblichen Schaden an Einrichtungen verursacht, die wichtig für die Sicherheit sind, bzw. der nicht zu Unfallbedingungen führt;
  2. 2. „Auslegung“ bezeichnet die Bandbreite jener Bedingungen und Ereignisse, die beim Design einer kerntechnischen Anlage (einschließlich der Nachrüstungen) ausdrücklich berücksichtigt werden und denen die Anlage bei planmäßigem Betrieb der Sicherheitssysteme standhalten kann, ohne dabei festgelegte Werte zu überschreiten;
  3. 3. „Auslegungsstörfall“ bezeichnet Unfallbedingungen, gegen die eine kerntechnische Anlage ausgelegt ist und bei denen eine Beschädigung des Brennstoffs und die Freisetzung radioaktiver Stoffe innerhalb festgelegter Werte gehalten werden;
  4. 4. „schwerer Unfall“ bezeichnet Bedingungen, die schwerwiegender sind als die Bedingungen bei einem Auslegungsstörfall; diese Bedingungen können durch Mehrfachversagen verursacht werden, etwa den vollständigen Ausfall aller Stränge des Sicherheitssystems, oder durch ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis.“

6. § 87 Abs. 3 lautet:

„(3) Die zuständige Behörde hat die Öffentlichkeit über die nukleare Sicherheit von Forschungsreaktoren sowie über ihre Aufsichtstätigkeit zu informieren.“

7. Dem § 87 wird folgender Abs. 4 angefügt:

„(4) Die zuständige Behörde hat der Berichterstattungspflicht gegenüber der Europäischen Kommission gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2009/71/EU RATOM nachzukommen.“

8. Nach § 87 werden folgende §§ 87a und 87b samt Überschriften eingefügt:

„Grundsätze und Ziele der nuklearen Sicherheit

§ 87a. (1) Bei der Standortauswahl sowie beim Design, der Errichtung, der Inbetriebnahme, dem Betrieb und der Stilllegung von Forschungsreaktoren sind die Ziele zu verfolgen,

  1. 1. Unfälle zu vermeiden sowie
  2. 2. im Falle eines Unfalls

    a) dessen Auswirkungen abzumildern,

    b) zu vermeiden, dass radioaktive Stoffe so früh freigesetzt werden, dass für die Umsetzung der erforderlichen anlagenexternen Schutzmaßnahmen nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht, und

    c) zu vermeiden, dass radioaktive Stoffe in einem solchen Ausmaß freigesetzt werden, dass die erforderlichen Schutzmaßnahmen weder örtlich noch zeitlich begrenzt werden können.

(2) Um das in Abs. 1 genannte Ziel zu verwirklichen, ist bei Forschungsreaktoren sicherzustellen, dass im Sinne eines gestaffelten Sicherheitskonzeptes

  1. 1. die Auswirkungen extremer externer natürlicher und durch den Menschen verursachter unbeabsichtigter Gefahren auf ein Mindestmaß beschränkt werden,
  2. 2. anomaler Betrieb und Fehlfunktionen vermieden werden,
  3. 3. anomaler Betrieb beherrscht wird und Fehlfunktionen entdeckt werden,
  4. 4. Auslegungsstörfälle beherrscht werden,
  5. 5. schwere Unfälle unter Kontrolle gebracht werden, einschließlich der Verhinderung des Fortschreitens des Unfallablaufs und der Abmilderung der Auswirkungen schwerer Unfälle sowie
  6. 6. eine Organisationsstruktur für das anlageninterne Notfallmanagement mit einer klaren Zuweisung von Zuständigkeiten und einer Koordinierung zwischen den Bewilligungsinhabern und mit den zuständigen Behörden und Organisationen unter Berücksichtigung aller Phasen eines Notfalls festgelegt ist.

(3) Die Verantwortung für die nukleare Sicherheit obliegt dem Bewilligungsinhaber. Diese Verantwortung kann nicht delegiert werden und erstreckt sich auch auf die Tätigkeiten von Auftragnehmern, deren Tätigkeiten die nukleare Sicherheit beeinträchtigen könnten.

Selbstbewertung und Peer Reviews

§ 87b. (1) Mit dem Ziel der kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit hat mindestens einmal alle zehn Jahre eine Selbstbewertung des Gesetzes- und Vollzugsrahmens sowie der zuständigen Regulierungsbehörden zu erfolgen. Der zuständige Bundesminister hat die Prüfung passender Segmente durch internationale Experten (Peer Reviews) zu veranlassen und die Europäische Kommission sowie die Mitgliedstaaten über die Ergebnisse dieser Peer Reviews zu informieren.

(2) Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 23 der Richtlinie 2014/87/EU RATOM zur Änderung der Richtlinie 2009/71 /Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl. Nr. L 219 vom 25.07.2014 S. 42, hat die zuständige Behörde

  1. 1. eine Selbstbewertung der kerntechnischen Anlagen in Hinblick auf ein bestimmtes Thema in Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit zu veranlassen,
  2. 2. alle anderen Mitgliedstaaten und die Kommission als Beobachter zu einem Peer Review der nationalen Bewertung gemäß Z 1 einzuladen,
  3. 3. angemessene Folgemaßnahmen zu den einschlägigen Erkenntnissen aus dem Peer Review zu treffen,
  4. 4. entsprechende Berichte über das genannte Verfahren und seine wichtigsten Ergebnisse zu veröffentlichen sowie
  5. 5. Vorkehrungen zu treffen, damit themenbezogene Peer Reviews mindestens alle sechs Jahre stattfinden können.

(3) Im Fall eines Unfalls, der anlagenexterne Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung erfordert, hat die für die kerntechnische Anlage zuständige Behörde sicher zu stellen, dass unverzüglich zu einem internationalen Peer Review eingeladen wird.“

9. In § 88 Abs. 1 bis 3 wird jeweils die Wortfolge „NS-R-4: Sicherheit von Forschungsreaktoren, Wien 2005“ durch die Wortfolge „SSR-3: Sicherheit von Forschungsreaktoren, Wien 2016“ ersetzt.

10. Die Überschrift zu § 89a lautet:

„Pflichten des Bewilligungsinhabers betreffend nukleare Sicherheit“

11. § 89a Abs. 1 lautet:

„(1) Der Bewilligungsinhaber hat den in der Anlage tätigen Personen sowie der Öffentlichkeit in geeigneter Form Informationen über die normalen Betriebsbedingungen des Forschungsreaktors sowie unverzüglich über Ereignisse, die aus Sicht des Strahlenschutzes oder der nuklearen Sicherheit relevant sind, zur Verfügung zu stellen.“

12. In § 89a Abs. 2 wird die Wortfolge „Abs. 3 bis 10“ durch die Wortfolge „§§ 5, 87a und 89a Abs. 3 bis 10“ ersetzt.

13. In § 89a Abs. 3 wird die Wortfolge „personelle und finanzielle Ressourcen“ durch die Wortfolge „finanzielle Ressourcen sowie qualifiziertes und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattetes Personal“ ersetzt.

14. Dem § 89a Abs. 6 wird folgender Satz angefügt:

„Insbesondere hat er

  1. 1. auf allen Ebenen des Personals und des Managements die Fähigkeit zu fördern,

    a) zu hinterfragen, ob die einschlägigen Sicherheitsgrundsätze und -praktiken ihrer Funktion effektiv gerecht werden, und

    b) Sicherheitsprobleme rechtzeitig zu melden, sowie

  2. 2. Vorkehrungen zur Registrierung, Evaluierung und Dokumentation interner und externer sicherheitsrelevanter Betriebserfahrung zu treffen.“

15. § 89a Abs. 8 lautet:

„(8) Die Vorgangsweise bei Störfällen ist durch einen anlageninternen Notfallplan zu regeln mit dem Ziel, wirksam auf solche Ereignisse reagieren zu können, um deren Auswirkungen vorzubeugen bzw. diese abzumildern. Dieser Notfallplan hat die in Anlage 14 lit. B genannten Punkte zu enthalten. Der anlageninterne Notfallplan ist unter Berücksichtigung der bei Übungen gemachten Erfahrungen und der aus Störfällen gewonnenen Erkenntnisse regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren.“

16. Dem § 89a Abs. 9 wird folgender Satz angefügt:

„Ziel dieser Übungen ist es, die praktische Umsetzbarkeit des anlageninternen Notfallmanagements zu prüfen.“

17. In § 89c Abs. 2 wird der Punkt am Ende der Z 9 durch einen Beistrich ersetzt; folgende Z 10 wird angefügt:

  1. „10. Dokumentation interner und externer sicherheitsrelevanter Betriebserfahrung.“

18. In § 91a wird die Wortfolge „NS-R-4: Sicherheit von Forschungsreaktoren, Wien 2005“ durch die Wortfolge „SSR-3: Sicherheit von Forschungsreaktoren, Wien 2016“ ersetzt.

19. Dem § 96 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Das Inhaltsverzeichnis, § 1 Abs. 3 Z 4, § 5 Abs. 2 bis 4, § 87 Abs. 3 und 4, die §§ 87a und 87b samt Überschriften, § 88, die Überschrift zu § 89a, § 89a Abs. 1, 2, 3, 6, 8 und 9, § 89c Abs. 2 Z 9 und 10, § 91a, Anlage 8 lit. D, Anlage 13, die Bezeichnung und die Überschrift zu Anlage 14 sowie die Anlage 14 lit. A und lit. B in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 74/2018 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

20. In Anlage 8 lit. D wird nach dem Wort „Notfallplanung“ die Wortfolge „(insbesondere anlagenintern)“ eingefügt.

21. In Anlage 13 wird nach dem Wort „Strahlenschutz“ die Wortfolge „(insbesondere anlageninterne Notfallplanung)“ eingefügt.

22. Die Bezeichnung der Anlage 14 lautet:

„Anlage 14

zu § 89a Abs. 7, 8 und 10“

23. In der Überschrift der Anlage 14 wird vor dem Wort „Notfallplan“ das Wort „anlageninternem“ eingefügt.

24. In Anlage 14 lit. A wird nach dem Wort „Sicherheitsziele“ die Wortfolge „ , Sicherheitskonzept“, nach dem Wort „Störfällen“ die Wortfolge „gemäß § 5 Abs. 4“, nach dem Wort „Notfallplanung“ der Klammerausdruck „(insbesondere anlagenintern)“ und vor dem Wort „Notfallplan“ das Wort „Anlageninterner“ eingefügt.

25. In der Überschrift der Anlage 14 lit. B wird vor dem Wort „Notfallplans“ das Wort „anlageninternen“ eingefügt.

26. In Anlage 14 lit. B wird nach dem Wort „Unterstützung“ die Wortfolge „und Koordinierung“ eingefügt.

Köstinger

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