European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017120010.J00
Spruch:
Die Revision wird wegen Klaglosstellung als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Die Stadt Wels hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Beschluss vom 9. März 2017 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die ordentliche Revision der Revisionswerberin gegen das Erkenntnis vom 19. Dezember 2016, mit dem das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den aufgrund eines Beschlusses des Stadtsenats der Stadt W vom 5. Juli 2016 ergangenen Bescheid des Stadtsenats betreffend die vorzeitige Abberufung der Revisionswerberin von ihrer Funktion als Magistratsdirektorin der Stadt W ersatzlos aufgehoben hatte, als verspätet zurück.
2 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, das Erkenntnis sei der damals als rechtsfreundliche Vertreterin der Revisionswerberin einschreitenden GmbH am 20. Dezember 2016 um 9:35 Uhr an die bekannt gegebene E-Mail-Adresse elektronisch zugestellt worden.
3 Weiters sei das Erkenntnis der damaligen Vertreterin der Revisionswerberin am 22. Dezember 2016 postalisch per RSb zugestellt worden.
4 Mit am 1. Februar 2017 zur Post gegebenem Schriftsatz vom 31. Jänner 2017 habe die Revisionswerberin durch ihren nunmehr ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter Revision gegen das Erkenntnis vom 19. Dezember 2016 erhoben.
5 Über Aufforderung des Landesverwaltungsgerichts habe die Revisionswerberin zu der vom Landesverwaltungsgericht angenommenen Verspätung Stellung genommen.
6 Gemäß § 37 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) könnten Zustellungen ohne Zustellnachweis auch an einer elektronischen Zustelladresse erfolgen. Das Dokument gelte dann mit dem Zeitpunkt des Einlangens beim Empfänger als zugestellt.
7 Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müssten Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten mit einer Amtssignatur versehen sein. Eine besondere Form der Zustellung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen, insbesondere das Erfordernis eines Zustellnachweises, sei im Allgemeinen für Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich nicht gesetzlich vorgesehen, sodass grundsätzlich eine elektronische Zustellung im Sinn des § 37 ZustG auch für Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich möglich sei (Hinweis auf VwGH 10.9.2015, Ra 2015/09/0015).
8 Eine E-Mail-Adresse sei eine elektronische Adresse im Sinne des § 2 Z 5 ZustG. Eine solche könne im laufenden Verfahren etwa durch Nennung im Briefkopf eines Anbringens der Behörde bzw. dem Gericht bekannt gegeben werden (Hinweis auf VwGH 14.10.2011, 2009/09/0244; Kronschläger/Mauernböck, Elektronischer Rechtsverkehr mit Behörden und Gerichten des öffentlichen Rechts - Teil I, ZTR 2015, 240 mwH; Kolonivits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 207).
9 Im vorliegenden Fall habe die damalige rechtsfreundliche Vertreterin der Revisionswerberin dem Landesverwaltungsgericht ihre E-Mail-Adresse im gegenständlichen Verfahren dadurch im Sinne des § 2 Z 5 ZustG bekannt gegeben, dass sie sie in ihrer Kommunikation mit dem Gericht einerseits selbst verwendet und andererseits in ihren Eingaben im Briefkopf angegeben habe.
10 Im konkreten Fall habe daher die Rechtsvertreterin der Revisionswerberin dem Landesverwaltungsgericht die E-Mail-Adresse als elektronische Zustelladresse bekannt gegeben, sodass insgesamt eine Zustellung ohne Zustellnachweis gemäß § 37 Abs. 1 erster Fall ZustG an diese Empfängerin an dieser Adresse zulässig gewesen sei.
11 Dass das Erkenntnis am 20. Dezember 2016 bei der Empfängerin eingelangt sei, ergebe sich einerseits aus der übermittelten Lesebestätigung und andererseits aus der Auskunft durch die Kanzlei der damaligen rechtsfreundlichen Vertreterin, dass das E-Mail des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich samt verfahrensgegenständlichem Erkenntnis in der Anlage am 20. Dezember 2016 um 9:35 Uhr im Postfach der E-Mail-Adresse eingelangt sei. Die übermittelte Ausfertigung sei gemäß § 18 Abs. 4 AVG mit einer Amtssignatur versehen gewesen.
12 Es ergebe sich daher, dass die Zustellung des nunmehr mit Revision bekämpften Erkenntnisses am 20. Dezember 2016 rechtswirksam erfolgt sei.
13 Der Argumentation der Revisionswerberin, wonach durch das Wort "vorab" in der Zustellverfügung des Erkenntnisses zum Ausdruck gebracht worden sei, dass diese Art der Übermittlung etwas habe sein sollen, das der rechtlichen Zustellung vorangehe, die postalische Zustellung aber erst am 22. Dezember 2016 erfolgt sei und damit die Revision rechtzeitig erhoben worden sei, sei § 6 ZustG entgegen zu halten. Dieser normiere - auch für die elektronische Zustellung -, dass ausschließlich die erste gültige und rechtswirksame Zustellung für den Eintritt von Rechtswirkungen maßgeblich sei, wobei keine bestimmte Zustellart oder Zustellform erforderlich sei. Die erste Zustellung stelle die zeitlich am frühesten gegenüber der Person wirksam gewordene dar. Einer neuerlichen Zustellung komme daher keinerlei rechtliche Bedeutung zu (Hinweis auf Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler u.a.(Hrsg), Österreichisches Zustellrecht2, § 6 Rz 1 ff, mwN).
14 Die erste rechtswirksame Zustellung sei am 20. Dezember 2016 gemäß § 37 ZustG elektronisch erfolgt. Dass das Landesverwaltungsgericht zusätzlich die Zustellung per RSb verfügt habe und diese am 22. Dezember 2016 bewirkt worden sei, vermöge am Eintritt der Rechtswirkungen der zeitlich ersten bewirkten Zustellung - konkret für den Beginn des Fristenlaufs für die Einbringung der Revision - nichts zu ändern.
15 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin vermöge die Beifügung des Wortes "vorab" in der Zustellverfügung für die E-Mail-Zustellung nicht den Eintritt der Rechtswirkungen der elektronischen Zustellung zu verhindern.
16 Indem die Zustellverfügung gelautet habe "...RSb sowie vorab per E-Mail an..." sei lediglich zum Ausdruck gebracht worden, dass die elektronische Zustellung kanzleimäßig vor der postalischen in Gang zu setzen sei. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Landesverwaltungsgericht diese Vorgehensweise in Fällen wähle, in denen eine rasche Entscheidung für die Parteien - wie im hier verfahrensgegenständlichen Abberufungsverfahren - besonders wichtig sei. Auf diese Weise solle sichergestellt werden, dass den Parteien die Entscheidung schnellstmöglich zugehe.
17 Mit rechtswirksamer Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an die damalige Rechtsvertreterin der Revisionswerberin am 20. Dezember 2016 habe die sechswöchige Revisionsfrist zu laufen begonnen, welche am 31. Jänner 2017 geendet habe. Die Revisionswerberin sei in der Rechtsmittelbelehrung auf die Frist hingewiesen worden, dennoch habe sie die Revision erst am 1. Februar 2017 und damit im Hinblick auf § 26 Abs. 1 VwGG iVm § 32 Abs. 2 und § 33 Abs. 3 AVG verspätet zur Post gegeben.
18 Die ordentliche Revision sei daher gemäß § 30a VwGG durch das Landesverwaltungsgericht als verspätet zurückzuweisen.
19 Dagegen richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag, aufgrund dessen der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Revision berufen ist (§ 30 Abs. 1 VwGG). Im Vorlageantrag wird einerseits ausgeführt, betreffend den Standpunkt des Landesverwaltungsgerichtes, dass die bloße Anführung der E-Mail-Adresse im Briefkopf als Bekanntgabe einer elektronischen Zustelladresse im Sinne des § 37 ZustG zu werten sei, vermöge sich das Landesverwaltungsgericht nur auf Kommentarmeinungen zu stützen, welche eindeutig realitätswidrig seien. Eine Bekanntgabe der E-Mail-Adresse durch Anführen im Briefkopf erfülle nicht das Erfordernis gemäß § 2 Z 5 ZustG, dass der Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahren diese elektronische Adresse angegeben habe. Andererseits mache das Wort "vorab" in der Zustellverfügung nur einen Sinn, wenn damit deutlich gemacht werden solle, dass diese Zusendung einem anderen Vorgang vorangehe, als welcher sinnvollerweise nur die rechtsgültige Zustellung verstanden werden könne. Es sei daher von beiden rechtsfreundlichen Vertretern dem Datum der Vorabzusendung keine verfahrensrechtlich relevante Bedeutung beigemessen worden, was auch objektiv gerechtfertigt sei.
20 Mit Spruchpunkt 1. des Erkenntnis vom 2. Juli 2018, Ro 2017/12/0011, Ro 2017/12/0017 und 0018 hat der Verwaltungsgerichtshof über Revision des Stadtsenates der Stadt W gemäß § 42 Abs. 4 VwGG den Bescheid des Stadtsenates der Stadt W vom 5. Juli 2016 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG dahin abgeändert, dass der Bescheid des Magistrats der Stadt W vom 7. Juni 2016, mit dem die Abberufung der Revisionswerberin von der Funktion als Magistratsdirektorin erfolgte, ersatzlos aufgehoben wurde.
21 Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofs hat die frühere rechtsfreundliche Vertreterin der Revisionswerberin mit Stellungnahme vom 12. Juli 2018 bekannt gegeben, dass sie nicht mehr feststellen könne, wann ein zur rechtsfreundlichen Vertretung der Revisionswerberin befugtes Organ bzw. eine für dieses Organ in diesem Zusammenhang zu handeln befugte Person auf das als Anlage zur E-Mail des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 20. Dezember 2016 übermittelte angefochtene Erkenntnis zugegriffen habe.
22 Die Revisionswerberin gab über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes bekannt, dass sie durch das oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 2018 klaglos gestellt sei.
23 Entgegen der vom Landesverwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht ist von einer verspäteten Erhebung der Revision nicht auszugehen.
24 § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ordnet für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an, dass - soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist - auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Gemäß § 17 VwGVG sind daher auf das vorliegende Dienstrechtsverfahren die Bestimmungen des DVG sinngemäß anzuwenden.
25 Gemäß § 11 Abs. 1 DVG sind Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten, abgesehen von den Fällen des § 9 DVG, schriftlich zu erlassen und, wenn sie an Beamte des Dienststandes gerichtet sind, jedenfalls zu eigenen Handen zuzustellen. Da ein Fall des § 9 DVG im Revisionsfall nicht vorliegt, wäre das angefochtene Erkenntnis gemäß § 17 VwGVG iVm § 11 Abs. 1 DVG der Revisionswerberin zu eigenen Handen zuzustellen gewesen. Da dies durch die Zustellung als Anhang einer E-Mail unterblieb, liegt in Ansehung dieser elektronischen Zustellung ein Zustellmangel vor.
26 Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 Zustellgesetz (ZustG) die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (vgl. insbesondere zu § 11 Abs. 1 DVG VwGH 25.5.2007, 2006/12/0219). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist dies bei einer elektronischen Zustellung jener Zeitpunkt, in dem der Empfänger durch Zugriff auf das elektronisch bereitgehaltene Dokument Kenntnis davon erlangt hat (vgl. z.B. VwGH 21.11.2017, Ro 2015/12/0017; 14.12.2016, Ra 2016/19/0131, 9.11.2016, Ra 2016/19/0156).
27 Im vorliegenden Verfahren kann nicht festgestellt werden, wann ein zur rechtsfreundlichen Vertretung der Revisionswerberin befugtes Organ bzw. eine für dieses Organ in diesem Zusammenhang zu handeln befugte Person auf das als Anlage zur E-Mail des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 20. Dezember 2016 übermittelte angefochtene Erkenntnis zugegriffen hat. Es ist daher der Zeitpunkt einer Heilung der mangelhaften elektronisch erfolgten Zustellung nicht ermittelbar.
28 Die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses mit der Post erfolgte nicht zu eigenen Handen und war somit ebenfalls mangelhaft. Dieser Zustellmangel ist im Revisionsfall gemäß § 7 ZustG durch tatsächliches Zukommen vor Revisionserhebung geheilt. Die somit innerhalb offener Revisionsfrist erhobene Revision ist daher als rechtzeitig anzusehen.
29 Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 VwGG ist die Revision nach Anhörung des Revisionswerbers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
30 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Klaglosstellung im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG nur dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung mit einem formellen Akt aus dem Rechtsbestand eliminiert wurde (vgl. z.B. VwGH 17.9.1997, 97/12/0110 mwN). Ein derartiger formeller Akt liegt im Revisionsfall mit dem oben angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 2018, Ro 2017/12/0011, Ro 2017/12/0017 und 0018, vor, mit dem eine vom angefochtenen Erkenntnis abweichende und dieses ersetzende Entscheidung in der Sache selbst getroffen wurde.
31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47ff VwGG, insbesondere § 55 erster Satz VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 5. September 2018
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