VwGH Ro 2016/04/0004

VwGHRo 2016/04/00044.7.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision des FD in W, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Oktober 2015, Zl. W225 2113386- 1/4E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: L GmbH in L, vertreten durch Beurle/Oberndorfer/Mitterlehner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 9), den Beschluss gefasst:

Normen

32011L0092 UVP-RL Art11;
32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a;
VwGG §34 Abs1;
32011L0092 UVP-RL Art11;
32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
B-VG Art133 Abs4;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 29. Juli 2015 wies die Oberösterreichische Landesregierung (belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers auf Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), dass das Vorhaben der mitbeteiligten Partei "110 kV-Leitung Freistadt" einem Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G 2000 zu unterziehen sei, als unzulässig zurück.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 7. Oktober 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab.

In seiner Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 16. April 2015, Rs C-570/13 , Gruber, demzufolge der Revisionswerber die Möglichkeit haben müsse, die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen, im Rahmen eines dagegen oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfes anzufechten. Weder aus § 3 Abs. 7 und 7a UVP-G 2000 noch aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht ergebe sich eine Antrags- bzw. Beschwerdelegitimation von Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren. Vielmehr könne dem Unionsrecht dadurch Genüge getan werden, dass den Nachbarn das Recht auf Klärung der Frage der UVP-Pflicht in einem Genehmigungsverfahren zustehe und die dort zuständige (Materien)Behörde diese Frage behandle.

Das Verwaltungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil über die Frage, ob Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren Parteistellung zukommt oder ihnen Beschwerdelegitimation einzuräumen ist, vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht abgesprochen worden sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Begründend wird vorgebracht, dass der Revisionswerber zur betroffenen Öffentlichkeit im Sinn des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) gehöre und er infolge der Zurückweisung seines Antrags seine sich aus der UVP-RL ergebenden subjektiv-öffentlichen Rechte nicht habe geltend machen können. Die Unterlassung der Durchführung eines UVP-Feststellungsverfahrens sei für ihn nicht anfechtbar.

4 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragt. Hingewiesen wird unter anderem darauf, dass der Revisionswerber "im nunmehr durchgeführten wasserrechtlichen Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Freistadt (Bescheid vom 18.08.2015, Wa10-68- 2015) (...) den Einwand der UVP-Pflicht erhoben" habe.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Mai 2016, Ro 2015/04/0026, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, festgehalten, dass es den Mitgliedstaaten hinsichtlich der - entsprechend der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Gruber" - geforderten Anfechtungsmöglichkeit offen steht, entweder direkten Rechtsschutz zu ermöglichen oder den Rechtsschutz auf die Möglichkeit einer inzidenten Rüge im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung zu beschränken (Rz. 13). Da sich aus § 3 Abs. 7 und 7a UVP-G 2000 in der (dort wie auch hier) maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 95/2013 ergibt, dass Nachbarn im Feststellungsverfahren weder ein Antragsrecht, noch Parteistellung, noch ein Beschwerderecht eingeräumt wird, stellt die Möglichkeit, die UVP-Feststellungsentscheidung im Rahmen eines gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten, einen ungleich geringeren Eingriff in die innerstaatliche Rechtsordnung dar (Rz. 15).

7 Dass es vorliegend (anders als in dem - dem Erkenntnis Ro 2015/04/0026 zugrunde liegenden - Fall) nicht um die Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine negative UVP-Feststellungsentscheidung ging, sondern um die Zurückweisung eines Antrag auf Durchführung eines derartigen Feststellungsverfahrens (und somit keine UVP-Feststellungsentscheidung bestand), führt zu keinem anderen Ergebnis, weil es darauf ankommt, dass die Frage des Bestehens einer Pflicht zur Durchführung einer UVP in einem Genehmigungsverfahren einer Überprüfung unterzogen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 5. November 2015, Ro 2014/06/0078, die Zurückweisung des Antrags eines Nachbarn auf Durchführung eines UVP-Feststellungsverfahrens als im Ergebnis rechtmäßig erachtet, weil dieser seine Argumente betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer UVP (auf Grund einer unionsrechtlich einzuräumenden Parteistellung) in einem (materiengesetzlichen) Genehmigungsverfahren vorbringen könne. In seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Verweis auf Vorjudikatur festgehalten, dass die (Fach)Behörde verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht.

8 Dass dem Revisionswerber im vorliegenden Fall keine Möglichkeit offen gestanden wäre, die Frage des Bestehens einer UVP-Pflicht einer Überprüfung in einem Genehmigungsverfahren zu unterziehen, ist angesichts der Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zum elektrizitätsrechtlichen Verfahren sowie des - vom Revisionswerber nicht bestrittenen - Hinweises der belangten Behörde in der Revisionsbeantwortung auf das wasserrechtliche Verfahren (in dem der Revisionswerber den Einwand der UVP-Pflicht des Vorhabens erhoben habe) weder ersichtlich noch wird dies in der Revision entsprechend dargelegt.

9 Zu der in der Revision erstatteten Anregung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen, genügt es darauf hinzuweisen, dass die vom Revisionswerber diesbezüglich zugrunde gelegte Annahme, es bestünde nach der nationalen Rechtslage keine Möglichkeit, in nachfolgenden materiengesetzlichen Genehmigungsverfahren Einwendungen bezüglich der Nichtdurchführung einer UVP zu erheben, im Hinblick auf die oben dargelegten Ausführungen nicht zutrifft.

10 Die aufgeworfene Rechtsfrage ist somit durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt (siehe zur Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung den hg. Beschluss vom 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0005).

11 Die Revision war daher in einem nach § 12 Abs. 2 gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 4. Juli 2016

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