VwGH Ro 2015/04/0027

VwGHRo 2015/04/00277.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der M G in L, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. September 2015, W104 2111063- 1/4E, betreffend Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: I GmbH in I, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:

Normen

32011L0092 UVP-RL Art11;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
EURallg;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a;
32011L0092 UVP-RL Art11;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
EURallg;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 stellte die Tiroler Landesregierung (Behörde) auf Antrag der mitbeteiligten Partei gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) fest, dass für ein näher bezeichnetes Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nicht durchzuführen sei. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

2 Mit Bescheid vom 16. Juni 2015 wies die Behörde den Antrag der Revisionswerberin vom 1. Mai 2015 auf Zustellung dieses UVP-Feststellungsbescheides vom 30. Oktober 2012 als unzulässig zurück.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. September 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ab.

Das Verwaltungsgericht ging mit näherer Begründung davon aus, auch nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rs. C-570/13 , Gruber, gebe es keinen Grund zur Annahme, dass Nachbarn unmittelbar auf Grund des Unionsrechts ein Antragsrecht auf Einleitung eines UVP-Feststellungsverfahrens einzuräumen sei. Vielmehr könne dem Unionsrecht dadurch Genüge getan werden, dass dem Nachbarn das Recht auf Klärung der Frage der UVP-Pflicht in einem (materienrechtlichen) Genehmigungsverfahren zustehe. Der Revisionswerberin komme daher keine Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren zu und sie habe kein Recht auf Zustellung des dieses Verfahren abschließenden Bescheides. Der bekämpfte Bescheid erweise sich somit als zutreffend.

Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass der zu klärenden Frage grundsätzliche Bedeutung zukomme und es dazu keine eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe. Es sei über die "Frage, ob Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren Parteistellung einzuräumen ist oder eine diesbezügliche Beschwerdelegitimation entgegen der nationalen Rechtslage besteht, nach der aktuelleren zitierten Judikatur noch nicht höchstgerichtlich abgesprochen" worden.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

Die mitbeteiligte Partei erstattete - ebenso wie die vom Verwaltungsgericht beigezogene Standortgemeinde - eine Revisionsbeantwortung.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 4. August 2016, Ro 2016/21/0013, mwN).

6 Die Revision verweist zur Zulässigkeit - wie das Verwaltungsgericht - auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Nachbarn im UVP-Feststellungsverfahren Parteistellung einzuräumen sei bzw. ihnen eine unmittelbare Beschwerdelegitimation zukomme.

Weiters sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Zuständigkeit einer Behörde bei unmittelbarer Anwendbarkeit einer EU-Richtlinie und fehlender nationaler Zuständigkeitsvorschriften abgewichen. Die "Zuweisung des Rechtsschutzes" gegen einen negativen UVP-Feststellungsbescheid "in die jeweiligen Materienverfahren" sei mit dem unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgebot unvereinbar und widerspreche dem Grundsatz der "sachnächsten" Zuständigkeit.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Mai 2016, Ro 2015/04/0026, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, festgehalten, dass es den Mitgliedstaaten hinsichtlich der - entsprechend der Rechtsprechung des EuGH im Urteil in der Rs. C-570/13 , Gruber - geforderten Anfechtungsmöglichkeit (betreffend die Entscheidung, keine UVP durchzuführen) offen steht, entweder direkten Rechtsschutz zu ermöglichen oder den Rechtsschutz auf die Möglichkeit einer inzidenten Rüge im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung zu beschränken (Rz. 13). Da sich aus § 3 Abs. 7 und 7a UVP-G 2000 (auch in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 77/2012) ergibt, dass Nachbarn im Feststellungsverfahren weder ein Antragsrecht, noch Parteistellung, noch ein Beschwerderecht eingeräumt wird, stellt die Möglichkeit, die UVP-Feststellungsentscheidung im Rahmen eines gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten, einen ungleich geringeren Eingriff in die innerstaatliche Rechtsordnung dar (Rz. 15). Dass es vorliegend nicht um die Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine negative UVP-Feststellungsentscheidung ging, sondern um die Zurückweisung eines Antrages auf Zustellung dieses Bescheides, führt zu keinem anderen Ergebnis.

8 In seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2015, 2015/04/0002, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Verweis auf Vorjudikatur festgehalten, dass die (Fach)Behörde verpflichtet ist, ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht. Dass der Revisionswerberin im vorliegenden Fall keine Möglichkeit offen gestanden wäre, die Frage des Bestehens einer UVP-Pflicht einer Überprüfung in einem Genehmigungsverfahren zu unterziehen, wird in der Revision nicht dargelegt (vgl. diesbezüglich den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ro 2016/04/0004).

9 Die aufgeworfene Rechtsfrage ist somit durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt (siehe zur Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung den eben zitierten Beschluss Ro 2016/04/0004, mwN).

10 Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die Auffassung der Revisionswerberin, dass ein Rechtsschutz im Rahmen eines materienrechtlichen Verfahrens (fallbezogen wird in der Revision auf die GewO 1994 verwiesen) nicht den Anforderungen des Unionsrechts entspricht. Vorliegend geht es nicht um die unionsrechtliche Unzulässigkeit der Durchführung einer "de facto" UVP durch die Gewerbebehörde in einem betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungsverfahren, sondern nur um die Verpflichtung, im Zuge der Prüfung der eigenen Zuständigkeit die Frage der UVP-Pflicht zu beurteilen. Die diesbezügliche Entscheidung ist auch einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

11 Auch mit ihren Ausführungen zur Zuständigkeit der "sachnächsten" Behörde zeigt die Revisionswerberin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf, weil es vorliegend nicht um das Fehlen von Zuständigkeitsregeln geht, sondern um die Frage, im Rahmen welchen Verfahrens eine unionsrechtlich gebotene Anfechtungsmöglichkeit eingeräumt wird.

12 Soweit die Revisionswerberin die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH anregt, genügt der Hinweis, dass der EuGH im Urteil in der Rs. C-570/13 , Gruber, (Rn. 44), bereits zum Ausdruck gebracht hat, dass Rechtsschutz entweder direkt oder im Rahmen einer inzidenten Rüge im Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung vorgesehen werden kann.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. März 2017

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