VwGH Ra 2020/02/0177

VwGHRa 2020/02/01779.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des D G in R, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10. Juni 2020, LVwG‑2020/15/0759‑4, betreffend Übertretungen der StVO und des FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §4 Abs1 lita
StVO 1960 §99 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020177.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 30. Jänner 2020 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er sei am 18. Oktober 2018 zu einem näher bestimmten Zeitpunkt als Lenker einer selbstfahrenden Arbeitsmaschine auf einer näher bestimmten Straße mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden, wobei er nicht sofort angehalten (Spruchpunkt 1.) sowie ohne unnötigen Aufschub nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt habe (Spruchpunkt 2.) und er sei nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung der betreffenden Klasse gewesen (Spruchpunkt 3.). Über den Revisionswerber wurde deshalb ad 1. wegen Verletzung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO gemäß § 99 Abs. 2 StVO eine Geldstrafe von € 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 39 Stunden), ad 2. wegen Verletzung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 StVO eine Geldstrafe von € 200,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 93 Stunden) sowie ad 3. wegen Verletzung des § 37 Abs. 1 iVm §Abs. 3 FSG gemäß § 37 Abs. 3 FSG eine Geldstrafe von € 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 57 Stunden) verhängt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses als unbegründet ab und verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses gab das Verwaltungsgericht insoweit statt, als es die Geldstrafe auf € 90,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 44 Stunden herabsetzte sowie den Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren vor der belangten Behörde mit € 10,-- neu bestimmte. Hinsichtlich der Beschwerde zu Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses gab das Verwaltungsgericht ebenso insoweit statt, als es die Geldstrafe auf € 363,-- herabsetzte und den Verfahrenskostenbeitrag für das Verfahren vor der belangten Behörde mit € 36,30 neu bestimmte. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht stellte ‑ soweit für das gegenständliche Verfahren von Relevanz ‑ als Sachverhalt fest, dass der Revisionswerber mit der selbstfahrenden Arbeitsmaschine eine Kabelleitung oberhalb der Straße abgerissen habe und in weiterer Folge nicht stehen geblieben sei, sondern das Fahrzeug zu einer etwa 150 m vom Tatort entfernten Bäckerei gelenkt habe. Dort habe er den Vorfall einem „Mann in einem grünen Gemeindetraktor“ gemeldet, die nächste Polizeidienststelle habe er nicht verständigt.

4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, von einem Anhalten des mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Lenkers im Sinn des § 4 Abs. 1 lit. a StVO könne nicht die Rede sein, weil der Revisionswerber zur Bäckerei gefahren sei und sich daher zumindest 150 m vom Unfallort entfernt habe. Auch stelle das Einnehmen von Speisen und Getränken keinen Grund für einen gerechtfertigten Aufschub nach § 4 Abs. 5 StVO dar. Der Revisionswerber hätte für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug zumindest die Lenkberechtigung der Klasse F benötigt.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

6 Das vom Revisionswerber bekämpfte Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, drei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin drei voneinander unabhängige Spruchpunkte (vgl. zu geteilten Spruchpunkten VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011). Auch das Verwaltungsgericht hat über diese drei Verwaltungsübertretungen unterschiedliche Absprüche getroffen, in dem es zu Spruchpunkt 1. die Beschwerde abwies, zu den Spruchpunkten 2. und 3. hingegen jeweils in der Straffrage Folge gab und die verhängten Geld‑ und Ersatzfreiheitsstrafen herabsetzte.

7 Liegen somit ‑ wie hier ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/02/0109, mwN).

8 Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses richtet, ist auszuführen:

9 Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,-- verhängt wurde.

10 Diese Voraussetzungen treffen für den Abspruch des Verwaltungsgerichtes zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses zu. Über den Revisionswerber wurde wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von € 90,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 44 Stunden) verhängt, wobei der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726,-- beträgt.

11 Bei der im Sinne des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen „Freiheitsstrafe“ muss es sich um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. etwa VwGH 13.11.2019, Ra 2019/02/0204). Eine solche ist hinsichtlich der vorgenannten Übertretung der StVO jedoch nicht vorgesehen.

12 Die Revision erweist sich daher, soweit das Verwaltungsgericht über Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses entschied, gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig.

13 Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend die Spruchpunkte 1. und 3. des Straferkenntnisses richtet, ist auszuführen:

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber im Wesentlichen vor, dass es sich gegenständlich um keinen Verkehrsunfall gehandelt habe. Der Revisionswerber habe zur Tatzeit eine selbstfahrende Arbeitsmaschine gelenkt, mit welcher er eine Kabelleitung oberhalb der Straße abgerissen habe. Ein oberhalb der Straße befindliches Kabel gehöre nicht zur Straße und nicht zum öffentlichen Verkehr, weswegen gegenständlich kein Verkehrsunfall auf einer Straße oder einer öffentlichen Verkehrsfläche im Sinne der StVO vorliegen könne.

18 Unter einem Verkehrsunfall ist ein plötzliches, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und zumindest einen Sachschaden zur Folge hat, zu verstehen (vgl. VwGH 20.4.2001, 99/02/0176, mwN). Unter Straßenverkehr ist die räumliche Fortbewegung von Personen oder Sachen ohne oder mit technischen Hilfsmitteln sowie die Gesamtheit der diesem Zweck dienenden Einrichtungen zu verstehen (vgl. VwGH 15.11.2000, 2000/03/0264, mwN). Dass auch der Schaden auf der Straße mit öffentlichem Verkehr eintritt, ist nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl. VwGH 27.4.1983, 83/03/0043).

19 Im vorliegenden Fall fuhr der Revisionswerber unbestritten auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr. Hierbei riss er die über der Straße befindliche Kabelleitung ab. Vor dem Hintergrund der dargelegten Judikatur ist das vom Revisionswerber gesetzte Verhalten ‑ das Abreißen des Kabels ‑ als ein Ereignis anzusehen, das von ihm ursächlich verursacht wurde. Der hierbei entstandene Sachschaden ist das abgerissene Kabel (zur Beschädigung eines Telefonmastes, welche als Verkehrsunfall angesehen wurde, siehe VwGH 18.1.1991, 90/18/0207, mwN). Die durch dieses Verhalten bewirkte Schadenszufügung steht damit jedenfalls mit dem Straßenverkehr in Zusammenhang und ist daher als ein dem Tatbestand des Verkehrsunfalles zu unterstellendes Ereignis anzusehen.

Daher wich das Verwaltungsgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wenn es vom Vorliegen eines Verkehrsunfalles ausging.

20 Der Revisionswerber macht zudem noch eine Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens geltend, weil kein Lokalaugenschein durchgeführt und kein technisches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, obwohl er dies mehrfach beantragt habe.

21 Damit macht der Revisionswerber Verfahrensmängel geltend. Die Zulässigkeit der Revision setzt im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen ‑ für die revisionswerbende Partei günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 20.4.2020, Ra 2020/02/0053, mwN). Dazu enthält die vorliegende Zulässigkeitsbegründung jedoch keine Ausführungen, sodass eine Relevanz dieser behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt wird.

22 In der Revision werden sohin hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. des Straferkenntnisses keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

23 Die Revision war daher insgesamt zurückzuweisen.

Wien, am 9. September 2020

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