Normen
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs1 litb;
StVO 1960 §4 Abs1 litc;
StVO 1960 §4 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §99 Abs2 lita;
VStG §44a Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2001:1999020176.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der in Spruchpunkt II) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf vom 9. Dezember 1998, Zl. 300-2777-1998, angeführten Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960 bestätigt wurde, und soweit mit ihm dem Beschwerdeführer Kosten des Berufungsverfahrens von mehr als S 400,-- auferlegt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen - sohin wegen der Übertretung gemäß § 4 Abs. 1 lit. a leg. cit. - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Jennersdorf sprach mit Straferkenntnis vom 9. Dezember 1998 aus, der Beschwerdeführer habe am 1. Mai 1998 gegen 14.10 Uhr auf der B 58 auf Höhe eines näher bezeichneten Straßenkilometers als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges nach einem Verkehrsunfall, mit dem er durch sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, I) nicht sofort angehalten, II) an der Feststellung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt, indem er sich mit dem Fahrzeug - ohne erforderliche Meldungen bzw. Mitteilungen zu erstatten - von der Unfallstelle entfernt habe, und III) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall verständigt. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu I) gemäß § 4 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, zu II) gemäß § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. und zu III) gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. begangen. Gegen den Beschwerdeführer wurden zu I) und II) gemäß § 99 Abs. 2 lit. a leg. cit. Geldstrafen in der Höhe von je S 2000,-- und zu III) gemäß § 99 Abs. 3 lit. b leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 1500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 72 Stunden) verhängt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Punkte I) und II) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses abgewiesen; hinsichtlich des Punktes III) wurde der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
Gegen diesen Bescheid (Punkte I und II) richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 4 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten, c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Gemäß § 4 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer am 1. Mai 1998 mit dem für ihn zugelassenen Kraftfahrzeug auf der B 58 eine am angeführten Ort bestehende Verkehrsleitschiene gestreift habe, wobei sich auf Grund dieses Vorganges in der Folge an dieser Verkehrsleiteinrichtung ein blauer Lackabrieb auf einer Länge von ca. 4 m gefunden habe. Am Fahrzeug des Beschwerdeführers seien der rechte vordere Kotflügel und die Beifahrertüre beschädigt worden. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf die zeugenschaftliche Einvernahme eines Verkehrsteilnehmers, der den Verkehrsunfall beobachtet und der Gendarmerie gemeldet, sowie auf die Aussage des Gendarmeriebeamten, der die Anzeige verfasst hatte. Hinsichtlich einer vom Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bestätigung der Straßenverwaltungsstelle J. vom 11. August 1998, derzufolge kein Schaden an der Verkehrsleitschiene entstanden und kein Aufwand notwendig sei, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, vertrat die belangte Behörde in Bezug auf das Vorliegen des in § 4 Abs. 1 lit. c Straßenverkehrsordnung 1960 umschriebenen Tatbestandes die Auffassung, dass der Eintritt eines Sachschadens kein Tatbestandsmerkmal dieser Gesetzesstelle darstelle.
Auch vom Beschwerdeführer unbestritten handelt es sich bei dem gegenständlichen Vorfall, bei dem jedenfalls sein Kraftfahrzeug beschädigt wurde, um einen Verkehrsunfall, weil unter einem Verkehrsunfall ein plötzliches, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und zumindest einen Sachschaden zur Folge hat, zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0047). Hiebei besteht die Verpflichtung des Lenkers zum sofortigen Anhalten des Fahrzeuges gemäß § 4 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, und zwar auch dann, wenn bei dem Verkehrsunfall nur sein Fahrzeug beschädigt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 91/03/0286). Die Anordnung des § 4 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, das Fahrzeug sofort anzuhalten, hat den Zweck, dass der Lenker, nachdem er sich vom Ausmaß des Verkehrsunfalles überzeugt hat, erforderlichenfalls die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen, so insbesondere die nach § 4 Abs. 1 lit. b und c, Abs. 2 und 5 Straßenverkehrsordnung 1960 vorgesehenen, trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1995, Zl. 93/03/0187 mit weiteren Nachweisen). Demzufolge bestand für den Beschwerdeführer als Lenker des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges jedenfalls die in § 4 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 normierte Anhaltepflicht. Dieser Pflicht ist der Beschwerdeführer unbestritten nicht nachgekommen.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde habe es unterlassen, die Tatumstände im Sinne von § 44a Z 1 VStG hinreichend zu konkretisieren, ist ihm entgegenzuhalten, dass der Vorschrift dieser Gesetzesstelle bereits dann entsprochen ist, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in der Lage ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogen Beweise anzubieten, um diesen zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S 755f zitierte Judikatur). Insbesondere ist es nicht erforderlich, im Spruch eines Straferkenntnisses hinsichtlich Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, anzuführen, welcher Person der Schaden erwuchs, an welcher Sache der Schaden eintrat und welcher Art und welchen Ausmaßes der Schaden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/03/0334 mit weiteren Nachweisen). Auch genügt es, das wesentliche Tatbestandselement des ursächlichen Zusammenhanges mit erfolgten Beschädigungen im Spruch zu nennen, ohne an dieser Stelle nähere Umstände über den Unfallhergang auszuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zlen. 88/02/0215, 0216). Ausgehend von dieser Rechtsprechung entspricht der angefochtene Bescheid den an die Umschreibung der Tatumstände zu stellenden Anforderungen, wobei der Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht hat, er wäre an der Erbringung entsprechender Beweisanbote gehindert gewesen oder er liefe Gefahr, wegen des ihm vorgeworfenen Verhaltens nochmals bestraft zu werden.
Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen die auf die Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 gestützte Bestrafung wendet, als unbegründet abzuweisen.
Die im § 4 Abs. 1 lit. c StVO ausgesprochene Verpflichtung, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, trifft nach dem Wortlaut dieses Paragraphen alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht. Sie dient offenkundig dem Zweck, den Organen der öffentlichen Sicherheit die Aufnahme des Tatbestandes zu erleichtern und zu gewährleisten, dass die Behörde ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild des Unfallherganges, seiner Ursachen und Folgen gewinnt. Die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes schließt daher grundsätzlich etwa auch das Verbot ein, Veränderungen an der Stellung der vom Unfall betroffenen Fahrzeuge vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1967, Slg. Nr. 7219/A).
Diese Verpflichtung kann aber sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallsort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. Liegt aber - wie im Beschwerdefall - unbestritten ein Verkehrsunfall vor, bei dem niemand verletzt wurde und Sachschaden nur am Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers selbst eingetreten ist, besteht keine Mitwirkungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 13. November 1967, Zl. 775/66, und vom 30. September 1998, Zl. 97/02/0543).
Im Beschwerdefall kann aus den Feststellungen der belangten Behörde nicht abgeleitet werden, dass eine der angeführten Voraussetzungen für eine amtliche Aufnahme des Tatbestandes vorgelegen wäre. Demzufolge konnte die belangte Behörde aber auch nicht zu Recht davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer im Sinne von § 4 Abs. 1 lit. c Straßenverkehrsordnung 1960 verpflichtet gewesen wäre, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.
Dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides zur Untermauerung des Vorliegens der Mitwirkungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 lit. c leg. cit. angeführten hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, ZVR 1987/1 = Zl. 84/03/0196, lag insofern ein mit dem vorliegenden Beschwerdefall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, als es sich damals sehr wohl um einen Verkehrsunfall mit Personen- und Sachschaden handelte (was allerdings in der zitierten Veröffentlichung in der ZVR - weil verkürzt wiedergegeben - nicht zum Ausdruck kommt).
Die wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochene Bestrafung des Beschwerdeführers findet unter den Umständen des Beschwerdefalles somit im Gesetz keine Deckung. Insoweit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Angesichts der als rechtswidrig erkannten Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO erweist sich zufolge § 65 VStG auch die Auferlegung von Kosten des Berufungsverfahrens insoweit als inhaltlich rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war sohin in dem im Spruch angeführten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen war die sich als unbegründet erweisende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. April 2001
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