Normen
AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §117
NAG 2005 §11 Abs1 Z4
NAG 2005 §30
NAG 2005 §46 Abs1
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220221.L02
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 8. März 2019, mit dem - unter amtswegiger Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über den Erstantrag des Revisionswerbers vom 5. Oktober 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nach § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG - der Erstantrag wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe gemäß den §§ 11 Abs. 1 Z 4, 30 Abs. 1 NAG und der Verlängerungsantrag vom 7. Mai 2018 mangels Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG abgewiesen worden waren, keine Folge.
Das Verwaltungsgericht begründete die Entscheidung - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Wesentlichen damit, dass es sich bei der zwischen dem Revisionswerber und der über einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" verfügenden nigerianischen Staatsangehörigen J O am 21. Juli 2016 in Nigeria geschlossenen Ehe um eine sogenannte "Aufenthaltsehe" handle. Die Eheschließung sei nämlich nur erfolgt, um dem Revisionswerber die Erlangung eines Aufenthaltsrechts in Österreich zu ermöglichen, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK sei zwischen den Ehepartnern nie geführt worden. Der Revisionswerber habe den erstmals für die Zeit vom 22. Juni 2017 bis zum 22. Juni 2018 erteilten Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" unter Berufung auf seine mit J O geschlossene Ehe erschlichen, sodass die Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens erfüllt seien. Im wiederaufgenommenen Verfahren und im Verlängerungsverfahren seien die Anträge auf Erteilung bzw. Verlängerung des Aufenthaltstitels im Hinblick auf die Aufenthaltsehe als unbegründet abzuweisen (gewesen).
2.2. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.
4.1. Der Revisionswerber macht geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe aus. Richtiger Weise führe er mit seiner Ehefrau und deren Kindern ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK. Das Beweisverfahren habe klar ergeben, dass eine "richtige und glückliche Ehe" bestehe, im Zuge derer er sich um die Ehefrau und die Kinder kümmere. Dem stehe das - vom Verwaltungsgericht unrichtig angenommene - gelegentliche Fehlen eines gemeinsamen Wohnsitzes nicht entgegen (Hinweis auf VwGH 18.3.2010, 2008/22/0635; 8.10.2019, Ra 2019/22/0185).
4.2. Mit dem aufgezeigten Vorbringen wendet sich der Revisionswerber in erster Linie gegen die Beweiswürdigung und die darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach die Eheschließung nur erfolgt sei, um dem Revisionswerber einen Aufenthaltstitel in Österreich zu verschaffen, dass jedoch ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK zwischen den Ehepartnern nie geführt worden sei und daher vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen sei.
Der Revisionswerber übersieht dabei freilich, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (vgl. etwa VwGH 23.5.2018, Ra 2018/22/0074; 8.11.2018, Ra 2018/22/0211).
4.3. Vorliegend hält die Beweiswürdigung einer Kontrolle nach den aufgezeigten Kriterien durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht traf die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der getätigten Beweisaussagen und der vorgelegten Urkunden. Es setzte sich dabei mit den Beweisergebnissen eingehend und nachvollziehbar auseinander und nahm - unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung von den Beweispersonen gewonnenen persönlichen Eindrucks - eine gründliche Beweiswürdigung vor. Danach gelangte das Verwaltungsgericht auf Grund der zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau über die Anbahnung der Ehe, die Umstände der Eheschließung und die weitere Gestaltung des Ehelebens zum Ergebnis, dass vom Vorliegen einer bloßen Aufenthaltsehe auszugehen sei. Das Verwaltungsgericht sah sich in dieser Einschätzung vor allem auch durch das Ergebnis der Erhebungen der Österreichischen Botschaft Abuja anlässlich der Erstantragstellung und das Ergebnis der Erhebungen der Landespolizeidirektion Wien über die ehelichen Wohnverhältnisse bestärkt. Die sonstigen Beweisaufnahmen erbrachten ebenso keine wesentlichen gegenteiligen Anhaltspunkte.
Im Hinblick darauf legte das Verwaltungsgericht die maßgeblichen Erwägungen für die Beweiswürdigung schlüssig und überzeugend dar, wobei jedenfalls nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Vielmehr sind die bestimmenden Erwägungen in jeder Hinsicht schlüssig und wurden die Beweisergebnisse auch in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt. Dem vermag der Revisionswerber im Zulässigkeitsvorbringen nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.
4.4. Zutreffend ist, dass nach der vom Revisionswerber zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das Fehlen eines gemeinsamen Haushalts bzw. Wohnsitzes nicht per se zur Annahme führt, dass eine Aufenthaltsehe vorliegt. Gegenständlich kommt diese Judikatur aber schon deshalb nicht zum Tragen, weil sich das Verwaltungsgericht nicht (allein) darauf stützte, sondern vielmehr zahlreiche andere Gründe ins Treffen führte, aus denen schlüssig und überzeugend das Bestehen einer Aufenthaltsehe gefolgert werden konnte.
5.1. Der Revisionswerber macht geltend, das gegen ihn geführte strafgerichtliche Verfahren wegen § 117 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 sei eingestellt worden, was ebenso gegen das Vorliegen einer Aufenthaltsehe spreche.
5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat freilich bereits ausgesprochen, dass die Annahme weder des Vorliegens einer Aufenthaltsehe im Sinn des § 30 NAG noch des Erschleichens einer behördlichen Entscheidung durch das Berufen auf eine solche Ehe ein Strafverfahren nach § 117 FPG bzw. ein mit einer Verurteilung endendes derartiges Verfahren voraussetzt (vgl. etwa VwGH 22.5.2018, Ra 2018/22/0090; 19.10.2018, Ra 2018/22/0239).
6. Insgesamt wird daher - in der maßgeblichen Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162) - keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 18. Februar 2020
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