VwGH Ra 2019/15/0021

VwGHRa 2019/15/002127.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision 1. der V L und 2. der I s.r.o., beide in B, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. November 2018, Zlen. VGW-002/060/7454/2018/E-2 und VGW-002/060/7455/2018/E-2, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Normen

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §2 Abs2
GSpG 1989 §2 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a Z1
VStG §44a Z3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150021.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe, die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben;

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 8. November 2016 wurde die Erstrevisionswerberin als Geschäftsführerin der zweitrevisionswerbenden Partei der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall Glücksspielgesetz (GSpG) mit zwei Geräten schuldig erkannt und über sie zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 10.000 EUR (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die zweitrevisionswerbende Partei wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur Haftung verpflichtet. 2 Mit Entscheidung vom 12. Mai 2017 gab das Verwaltungsgericht Wien u.a. den Beschwerden der revisionswerbenden Parteien teilweise Folge. Es hob das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion, soweit es ein Gerät betraf, auf und stellte das Strafverfahren dazu ein. Im Übrigen fasste es den Spruch des bekämpften Straferkenntnisses neu (Spruchpunkt III. der Entscheidung vom 12. Mai 2017). Weiters erlegte das Verwaltungsgericht der Erstrevisionswerberin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und sprach aus, dass die Zweitrevisionswerberin dafür hafte (Spruchpunkt IV. der Entscheidung vom 12. Mai 2017).

3 Die Revisionswerberinnen erhoben gegen diese Entscheidung - soweit der Beschwerde nicht Folge gegeben worden war - Revision. Mit Erkenntnis vom 15. Mai 2018, Ra 2018/16/0015 bis 0017, hob der Verwaltungsgerichthof die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien insoweit wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. 4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis fasste das Verwaltungsgericht die im vorangegangenen Revisionsverfahren angefochtenen Spruchpunkte seiner Entscheidung vom 12. Mai 2017 - unter Einbeziehung der im vorangegangenen Revisionsverfahren unbekämpft gebliebenen Teile - neu. Insbesondere reduzierte es nunmehr die verhängte Geldstrafe auf (einmal) 7.000 EUR (sowie reduzierte Ersatzfreiheitsstrafe) und setzte einen neuen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens fest. Außerdem sprach es aus, dass die Erstrevisionswerberin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt I., neu gefasster Spruchpunkt III. der Entscheidung vom 12. Mai 2017). Zusätzlich sprach das Verwaltungsgericht Wien aus, die Erstrevisionswerberin habe einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 2.000 EUR zu leisten und die zweitrevisionswerbende Partei hafte dafür gemäß § 9 Abs. 7 VStG (Spruchpunkt II.; neu gefasster Spruchpunkt IV. der Entscheidung vom 12. Mai 2017). Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde hat - nach Einleitung des Vorverfahrens - keine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

8 Liegen - wie im vorliegenden Revisionsfall - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen gerichteten Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 12.2.2019, Ra 2019/16/0012 bis 0014, mwN).

9 Die revisionswerbenden Parteien tragen zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Spruch eines Straferkenntnisses die richtige Strafnorm anzuführen sei. Weder das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien noch das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes enthielten im Spruch die Strafsanktionsnorm.

10 Die Revision erweist sich insoweit als zulässig und begründet.

11 Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räumt den Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch u.a. die richtige Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG aufscheint. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. zB VwGH 12.2.2019, Ra 2019/16/0012 bis 0014, mwN). In den vorliegenden Fällen kommt bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG in Betracht. 12 Das Verwaltungsgericht hat daher insoweit, als der Spruch des strafbehördlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil zB die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen oder richtigzustellen (vgl. dazu erneut VwGH 12.2.2019, Ra 2019/16/0012 bis 0014, mwN). 13 Das Verwaltungsgericht hat dies im Revisionsfall unterlassen.

14 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb im Umfang des Ausspruchs über die verhängten Strafen und dem davon abhängigen Ausspruch über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Überdies ist im vom Verwaltungsgericht fortzusetzenden Verfahren der Widerspruch in Spruchpunkt I. und II. hinsichtlich der Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzulösen.

16 Zum übrigen Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 . 17 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff ). 18 Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien steht das in § 14 Abs. 3 GSpG statuierte Erfordernis eines Sitzes im Inland bzw. der davon normierten Ausnahme, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrem Sitzstaat über eine vergleichbare Lotterienkonzession verfügt und einer vergleichbaren staatlichen Glücksspielaufsicht unterliegt, die im Sinne des § 19 GSpG der österreichischen Aufsicht erforderlichenfalls Kontrollauskünfte übermittelt und für sie Kontrollmaßnahmen vor Ort durchführt, nicht mit Unionsrecht im Widerspruch (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

19 Die revisionswerbenden Parteien rügen überdies, die im Straferkenntnis angelastete Tat des "unternehmerisch Beteiligens" gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG widerspreche dem Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG. Auch sei nicht klar, ob der Zweitrevisionswerberin die Begehung des ersten oder des vierten Tatbildes vorgeworfen werde.

20 Die Umschreibung der Tat nach § 44a Z 1 VStG hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist. Die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse sind von Delikt zu Delikt verschieden und nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen. Eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung ist im Regelfall nicht revisibel (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/15/0027, mwN)

21 Als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 leg. cit. veranstaltet, kommt in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Mit dem vierten Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ist eine Person gemeint, die nicht Veranstalter ist, sondern sich nur in irgendeiner Weise an der Veranstaltung unternehmerisch im Sinn des § 2 Abs. 2 GSpG beteiligt

(vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0406). Es bedarf zur Erfüllung des Tatbestandes weder einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen den Spielern und dem an den Ausspielungen Beteiligten im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 letzte Variante GSpG, noch einer sonstigen "Ausübungshandlung" bei der konkreten Durchführung der einzelnen Ausspielung des nach dieser letzten Variante zur Verantwortung gezogenen Beteiligten (vgl. VwGH 22.8.2018, Ra 2017/17/0442).

22 Im Spruch des Straferkenntnisses wird explizit ausgeführt, die näher bezeichnete Gesellschaft sei dadurch an den verbotenen Ausspielungen unternehmerisch beteiligt gewesen, dass sie näher bezeichnete Geräte gegen Entgelt zur Verfügung gestellt habe, um fortgesetzt Einnahmen aus der Durchführung der Glücksspiele zu erzielen. Das Verwaltungsgericht führte in der Begründung seines Erkenntnisses aus, die Geräte stünden im Eigentum der zweitrevisionswerbenden Partei und seien im Einvernehmen mit der Lokalinhaberin aufgestellt worden. Es setzte sich mit der Abgrenzung der Tatbilder ausführlich auseinander und gelangte aufgrund der getroffenen Feststellungen zum Ergebnis, dass in diesem Fall eine unternehmerische Beteiligung im Sinne des vierten Tatbilds vorliege. Davon ausgehend wird in der Revision nicht aufgezeigt, dass die im Spruch des Straferkenntnisses dargestellte Tathandlung dem in § 44a Z 1 VStG umschriebenen Rechtsschutzbedürfnis der revisionswerbenden Parteien nicht entspreche und inwiefern unklar sei, welches Tatbild der Erstrevisionswerberin vorgeworfen werde.

23 Die Revision war daher, soweit sie den Schuldspruch betrifft, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

24 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Juni 2019

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