VwGH Ra 2019/07/0055

VwGHRa 2019/07/005521.10.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Marktgemeinde W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. März 2019, Zl. LVwG‑AV‑336/006‑2017, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1042
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
WRG 1959 §111
WRG 1959 §27 Abs3
WRG 1959 §29 Abs3
WRG 1959 §50 Abs1
WRG 1959 §50 Abs6
WRG 1959 §77
WRG 1959 §88c

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019070055.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Gemeinde ist auf Basis eines Bescheides der belangten Behörde vom 12. September 1975 und weiterer Bescheide Inhaberin der wasserrechtlichen Bewilligung für die Teilregulierung der P in ihrem Gemeindegebiet.

2 Die belangte Behörde hat im Jahr 2015 ein Verfahren zur Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrags in Bezug auf die Entfernung von Bewuchs auf den im Zuge dieser Regulierung errichteten Schutzdämmen eingeleitet. Dazu brachte die Revisionswerberin eine Stellungnahme ein, in der sie unter anderem geltend machte, es ergebe sich sowohl aus dem Bescheid vom 12. September 1975 als auch aus der Satzung des Wasserverbandes Obere P, dessen Mitglied die Revisionswerberin sei, dass dieser Wasserverband für die Durchführung von Räumungs- und Instandhaltungsmaßnahmen verantwortlich sei. Allfällige Aufträge der Wasserrechtsbehörde seien daher an den Wasserverband und nicht die Revisionswerberin zu richten.

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Jänner 2017 wurde der Revisionswerberin auf Basis der §§ 50 Abs. 1 und 138 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) aufgetragen, in einem jeweils näher bestimmten Teilbereich der P beidufrig zum einen die auf den Schutzdämmen befindlichen Pappeln samt deren bei der Dammkrone herausragenden Wurzeln und zum anderen den auf der Bachböschung situierten Strauchbewuchs zu entfernen.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Verwaltungsgericht zunächst mit Erkenntnis vom 16. April 2018 unter Ergänzung weiterer Maßnahmen als unbegründet ab.

5 Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. Juli 2018, Ra 2018/07/0372, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

6 Darin führte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus, dass auf Wasseranlagen wie die vorliegende, die nicht der Wasserbenutzung dienten, nicht die ‑ allein im dort angefochtenen Erkenntnis wiedergegebene ‑ Bestimmung des § 50 Abs. 1 WRG 1959, sondern in erster Linie die Bestimmung des § 50 Abs. 6 WRG 1959 Anwendung finde. Die Anordnung der sinngemäßen Anwendung der „vorstehenden Bestimmungen“ in Abs. 6 des § 50 leg. cit. bedeute, dass sich die Instandhaltungspflicht primär nach „rechtsgültigen Verpflichtungen anderer“ im Sinne des Abs. 1 richte. Bestünden solche nicht, sei der Wasserberechtigte zur Instandhaltung verpflichtet. Könne dieser nicht ermittelt werden, treffe die Instandhaltungspflicht in dem durch Abs. 6 zweiter Satz eingeschränkten Umfang den Eigentümer.

7 Infolge der unrichtigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach das Wasserrecht der Revisionswerberin ein persönlich verliehenes Wasserbenutzungsrecht sei und nicht übertragen werden könne, habe es sich mit der Frage des Vorliegens von „rechtsgültigen Verpflichtungen anderer“ nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 nicht befasst. Dass solche „rechtsgültigen Verpflichtungen anderer“ bestehen könnten, habe die Revisionswerberin durch einen Hinweis auf eine Auflage im Bescheid vom 12. September 1975 und die dort dem Wasserverband überbundene Verpflichtung zur Instandhaltung ins Treffen geführt. Dazu und zur Frage, ob diese Verpflichtungen noch aufrecht seien oder ob es weitere „rechtsgültige Verpflichtungen anderer“ gebe, fehlten Feststellungen und rechtliche Schlussfolgerungen.

8 Im fortgesetzten Verfahren forderte das Verwaltungsgericht die Parteien unter anderem auf, zur Frage allenfalls vorhandener Verpflichtungen anderer Personen für die Instandhaltung der gegenständlichen Dämme Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme aus, dass keine solchen rechtsgültigen Verpflichtungen anderer Personen bekannt seien. Die Revisionswerberin verwies erneut auf den Bescheid vom 12. September 1975 in Verbindung mit einer Verhandlungsschrift vom 7. März 1972 sowie die aktuelle Satzung des Wasserverbandes Obere P, legte diese Dokumente vor, und führte aus, daraus ergebe sich die Instandhaltungsverpflichtung des Wasserverbandes.

9 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom 22. März 2019 erweiterte das Verwaltungsgericht den Entfernungsauftrag um die Wurzelstöcke der im Bereich der Dammböschungen befindlichen Pappeln, ergänzte die Rechtsgrundlagen um § 50 Abs. 6 WRG 1959 und setzte für die noch nicht durchgeführten Arbeiten eine neue Leistungsfrist fest. Im Übrigen wies es die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

10 Zur im Revisionsverfahren allein strittigen Frage des Adressaten des wasserpolizeilichen Auftrags traf es die „Feststellung“, dass keine rechtsgültige Verpflichtung Dritter, wie des Wasserverbandes, zur Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen an den gegenständlichen Dämmen existiere. In der diesbezüglichen Beweiswürdigung führte es aus, dass die Satzung des Wasserverbandes eine Selbstbindung desselben darstelle und keine Verpflichtung Dritter im Sinne des § 50 Abs. 1 WRG 1959 begründen könne, weil sie jederzeit durch den Wasserverband einseitig wieder abgeändert werden könne. Eine Auflage in einem Bewilligungsbescheid ‑ konkret jenem vom 12. September 1975 ‑ könne keine Verpflichtung einer vom Bewilligungsinhaber verschiedenen Person zur Durchführung von Instandhaltungsarbeiten begründen. Der Verhandlungsschrift vom 7. März 1972 sei zwar der Vorschlag des Amtssachverständigen zu entnehmen, zur Instandhaltung einen „Wasserverband an der P“ zu verpflichten. Mangels Unterschrift eines Vertreters des Wasserverbandes auf dieser Verhandlungsschrift könne aber auch daraus keine ‑ etwa vertragliche ‑ Verpflichtung des Wasserverbandes abgeleitet werden.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht. Zu ihrer Zulässigkeit wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach sich eine Instandhaltungspflicht im Sinne des § 50 Abs. 1 WRG 1959 auch aus der Satzung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes ergeben könne.

12 Nach der Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht, in der sie der Revision inhaltlich entgegen tritt. Die Revisionswerberin erstattete darauf eine Replik, die belangte Behörde verwies in Reaktion darauf auf ihre Ausführungen in der Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Die Revision ist aus dem von ihr angeführten Grund zulässig und auch begründet.

14 § 50 WRG 1959 lautet (soweit hier von Interesse):

Instandhaltung.

§ 50. (1) Sofern keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen, haben die Wasserberechtigten ihre Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle, künstlichen Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstigen Vorrichtungen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand und, wenn dieser nicht erweislich ist, derart zu erhalten und zu bedienen, daß keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfindet. Ebenso obliegt den Wasserberechtigten die Instandhaltung der Gewässerstrecken im unmittelbaren Anlagenbereich.

...

(6) Auf Wasseranlagen, die nicht der Wasserbenutzung dienen, finden die vorstehenden Bestimmungen dem Sinne nach Anwendung. Der Eigentümer einer solchen Wasseranlage hat diese mangels ausdrücklicher Verpflichtung nur insoweit zu erhalten, als es zur Verhütung von Schäden notwendig ist, die durch den Verfall der Anlage entstehen können. Wird durch die Erhaltung der Anlage fremdes Eigentum gegen Wassergefahren geschützt, findet § 42 Abs. 2 sinngemäß Anwendung.

...“

15 Die Instandhaltungspflicht für Wasserbenutzungsanlagen richtet sich nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 primär nach „rechtsgültigen Verpflichtungen anderer“. Bestehen solche rechtsgültigen Verpflichtungen nicht, ist der Wasserberechtigte zur Instandhaltung verpflichtet. Wasserberechtigter ist derjenige, der eine wasserrechtliche Bewilligung für die Wasserbenutzungsanlage hat (VwGH 25.10.2012, 2009/07/0125, mwN).

16 Dies gilt primär auch im vorliegenden Fall einer Wasseranlage, die nicht der Wasserbenutzung dient, weil § 50 Abs. 6 WRG 1959 zunächst die sinngemäße Anwendung u.a. des § 50 Abs. 1 WRG 1959 anordnet (vgl. VwGH 23.1.2008, 2007/07/0060, mwN, in diesem Sinne auch VwGH 23.7.2018, Ra 2018/07/0372).

17 Rechtsgültige Verpflichtungen anderer, die einen Übergang der Instandhaltungspflicht auch in öffentlich-rechtlicher Hinsicht bewirken, können sich unmittelbar aus dem WRG 1959 (z.B. § 29 Abs. 3 letzter Satz) oder anderen wasserrechtlichen Vorschriften sowie aus Bescheiden oder sonstigen Rechtsakten, die ihre Grundlage in wasserrechtlichen Vorschriften haben (z.B. Verpflichtungserklärung nach § 27 Abs. 3 WRG 1959), ergeben (erneut VwGH 25.10.2012, 2009/07/0125).

18 Aus der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass eine solche Verpflichtung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes auf deren wasserbehördlich genehmigte Satzung (§ 77 bzw. § 88c WRG 1959) gestützt werden kann, wobei es jedoch auf die im Einzelfall getroffene Regelung und deren Kontext ankommt:

19 Das Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 93/07/0049 bis 0051, VwSlg 14.151A, behandelte ‑ soweit hier von Interesse ‑ die Erhaltungspflicht einer Wassergenossenschaft, zu deren satzungsgemäßen Zweck unter anderem die Verwaltung, Instandhaltung und Räumung eines bestimmten Bachs gehörte. Die Wassergenossenschaft hatte im Zuge des Verfahrens auf ihr Wasserbenutzungsrecht (Wasserfassung für diesen als Werkskanal dienenden Bach) verzichtet. Der Verwaltungsgerichtshof kam zum Ergebnis, dass eine unabhängig vom Rechtsgrund des § 50 Abs. 1 WRG 1959 (gemeint: für den Wasserberechtigten) bestehende Erhaltungspflicht der Wassergenossenschaft nicht aus ihrer Satzung abgeleitet werden könne. Es könne nicht angenommen werden, dass die Wassergenossenschaft etwa auch dann noch zur Erfüllung des dargestellten satzungsmäßigen Zweckes verpflichtet wäre, wenn sie sich des zugrundeliegenden Wasserbenutzungsrechtes begeben hätte. Sei die im materiellen Wasserrecht wurzelnde Rechtsgrundlage für eine satzungsgemäß übernommene Verpflichtung weggefallen, dann sei der darauf Bezug habende Satzungszweck obsolet geworden. Der genossenschaftliche Zusammenschluss zur Besorgung einer gesetzlichen Aufgabe rechtfertige es für sich allein noch nicht, die Regelung einer Organisationsvorschrift über die genossenschaftliche Aufgabenbesorgung als Grundlage einer Verpflichtung der Genossenschaft auch in dem Fall zu betrachten, dass die genossenschaftlich wahrzunehmende Pflicht gesetzlich nicht mehr bestehe.

20 Eine auf die Satzung der Wassergenossenschaft gegründete Verpflichtung im Sinne des § 50 Abs. 1 WRG 1959 wurde somit in der konkreten Situation (nur) deshalb verneint, weil der diesbezügliche Satzungszweck, dessen Grundlage in der Verpflichtung der Wassergenossenschaft als Wasserberechtigte zu erblicken war, mit der Aufgabe des Wasserbenutzungsrechtes obsolet geworden war.

21 Im Erkenntnis vom 24. Mai 2007, 2006/07/0080, VwSlg 17.206A, prüfte der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich, „ob der Beschwerdeführer (ein Wasserverband) eventuell auf Grund seiner behördlich genehmigten Satzungen und einer darin freiwillig übernommenen Verpflichtung zur Instandhaltung des Hochwasserschutzdammes herangezogen werden könnte“. Zum Zweck des betroffenen Wasserverbandes gehörte nach seinen Satzungen unter anderem die Durchführung von Räumungs- und Instandhaltungsmaßnahmen an bestimmten Gewässerabschnitten, „bei denen der Verband aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung verpflichtet war“. Eine weitere Satzungsbestimmung sah vor, dass an diesen Gewässerabschnitten, soweit sie keine wasserrechtlichen Verpflichtungen für den Verband beinhalteten, nach Maßgabe der dem Verband zur Verfügung stehenden Mittel und insoweit nicht Dritten die Durchführung solcher Maßnahmen oblag, Räumungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte im konkreten Fall eine auf die Satzung gegründete Instandhaltungsverpflichtung, weil der Wasserverband weder in die Rechtsposition eines Bewilligungsinhabers eingetreten noch ihm eine wasserrechtliche Bewilligung für den betreffenden Hochwasserschutzdamm erteilt worden war. Die weitere „Kann“-Bestimmung habe lediglich die Möglichkeit, keinesfalls aber die Verpflichtung für den Verband eröffnet, auch in anderen Bereichen Räumungs- und Instandhaltungsarbeiten durchzuführen.

22 Daraus ergibt sich aber, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Rechtsansicht, die Satzung eines Wasserverbandes könne ‑ als „jederzeit abänderbare Selbstbindung“ ‑ keinesfalls eine Verpflichtung im Sinne des § 50 Abs. 1 WRG 1959 begründen, die Rechtslage verkannt hat. So hat der Verwaltungsgerichtshof ‑ wie gerade dargestellt ‑ im Zusammenhang mit den „rechtsgültigen Verpflichtungen anderer“ in seiner Rechtsprechung ausdrücklich auf ‑ im Wege der behördlich genehmigten Satzung ‑ freiwillig übernommene Verpflichtungen eines Wasserverbandes abgestellt.

23 Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zum Inhalt der fraglichen Satzung getroffen. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, dass die Revisionswerberin dem Verwaltungsgericht die Satzungen des Wasserverbandes Obere P samt Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 28. September 2016 über die Bewilligung der geänderten Satzung vorgelegt hat. Nach § 2 (Umfang und Zweck des Verbandes) Abs. 2 dieser Satzung ist der Zweck des Verbandes „die Durchführung von Verbauungs-, Räumungs‑ und Erhaltungsmaßnahmen an der P und der unter § 2 Abs. 1 angeführten Nebengerinne bei denen der Verband oder seine Mitgliedsgemeinden aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung verpflichtet sind.“

24 Anders als in der Satzung, die dem Erkenntnis vom 24. Mai 2007, 2006/07/0080, zu Grunde lag, knüpft diese Satzung somit nicht nur an eine eigene wasserrechtliche Verpflichtung des Verbandes an, sondern schließt ausdrücklich Verpflichtungen seiner Mitgliedsgemeinden aufgrund von diesen erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen ein.

25 Eine solche Satzungsbestimmung ist daher geeignet, für die im vorliegenden Fall betroffenen Anlagen eine Instandhaltungspflicht nach § 50 Abs. 1 WRG 1959 des Wasserverbandes vorrangig zu jener der Revisionswerberin als Wasserberechtigter anzunehmen.

26 Die belangte Behörde argumentiert in der Revisionsbeantwortung, dass - im Fall von wasserrechtlichen Bewilligungen, die nicht dem Wasserverband selbst, sondern einer seiner Mitgliedsgemeinden erteilt wurden - nach der Textierung der fraglichen Satzungsbestimmung dem Verband lediglich die Durchführung der Verbauungs-, Räumungs- und Erhaltungsmaßnahmen obliege, während die Verpflichtung dazu weiterhin bei den Mitgliedsgemeinden verbleibe. Damit sei die gesetzliche Instandhaltungsverpflichtung nicht übertragen worden, sodass nur die Revisionswerberin, und nicht der Wasserverband Bescheidadressat eines wasserpolizeilichen Auftrags sein könne.

27 Damit macht sie im Ergebnis geltend, der Wasserverband sei zur Durchführung der Instandhaltungsmaßnahmen nur im Innenverhältnis gegenüber der Revisionswerberin verpflichtet, sodass die Wasserrechtsbehörde darauf nicht Rücksicht zu nehmen habe.

28 Es trifft zwar zu, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Bestehen eines zivilrechtlichen Regressanspruchs ‑ etwa aufgrund unbefugter Ablagerung Dritter ‑ nichts an der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Wasserberechtigten ändert (vgl. VwGH 25.10.1994, 93/07/0049 bis 0051; 18.9.2002, 98/07/0114, je mwN). Dies ist aber nur Ausdruck eines Verständnisses von § 50 Abs. 1 WRG 1959 und des darin vorgesehenen Vorrangs „rechtsgültiger Verpflichtungen anderer“, wonach ausschließlich ‑ aber immerhin ‑ ein im Wasserrecht verwurzelter öffentlich‑rechtlicher Titel dazu führt, dass die Wasserrechtsbehörde den aus diesem Titel Verpflichteten zur Instandhaltung heranzuziehen hat. Demgegenüber ist zur Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen, nicht auf das WRG 1959 gegründeten Titels zur Instandhaltung jene Behörde legitimiert, die die betreffende Verwaltungsvorschrift anzuwenden hat. Bei Bestehen einer Instandhaltungsverpflichtung auf Grund eines Privatrechtstitels ist hingegen von der Wasserrechtsbehörde der Wasserberechtigte in Anspruch zu nehmen, dem es überlassen bleibt, entsprechenden Regress zu nehmen (vgl. dazu Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020], § 50 K13.)

29 Die wasserbehördlich genehmigte Satzung eines Wasserverbandes gemäß § 88c WRG 1959 mit dem darin festgeschriebenen Verbandszweck stellt keinen Privatrechtstitel, sondern ‑ wenn dies darin vorgesehen ist ‑ eine im Wasserrecht verwurzelte öffentlich-rechtliche Übernahme der Instandhaltungsverpflichtungen seiner Mitglieder durch den Wasserverband dar. Dies führt dazu, dass die Wasserrechtsbehörde eine solche Instandhaltungsverpflichtung ‑ wenn sie in der Satzung nicht etwa nur fakultativ als „Kann“-Bestimmung geregelt ist ‑ als vorrangige „rechtsgültige Verpflichtung eines anderen“ im Sinne des § 50 Abs. 1 (allenfalls iVm Abs. 6) WRG 1959 unmittelbar dem Wasserverband gegenüber geltend zu machen hat.

30 Die Revisionswerberin stützt sich für ihren Standpunkt weiters auf den Inhalt des Bewilligungsbescheides aus dem Jahr 1975. Aus dem von ihr dem Verwaltungsgericht vorgelegten Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 1975 (in Verbindung mit der Verhandlungsschrift vom 7. März 1972) ergibt sich die Auflage, dass nach Fertigstellung der Regulierung die zukünftige Instandhaltung und Regulierung des Gerinnes durch die Revisionswerberin „bzw. durch den Wasserverband ‚An der P‘ zu erfolgen“ habe.

31 Darauf kommt es im Hinblick darauf, dass nach den obigen Ausführungen der Wasserverband die wasserrechtlichen Instandhaltungsverpflichtungen seiner Mitgliedsgemeinden wirksam übernommen hat, nicht mehr an. Damit kann auch die in der Revisionsbeantwortung aufgeworfene Frage, ob es sich bei dem insofern Verpflichteten aufgrund der abweichenden Bezeichnung überhaupt um den bestehenden Wasserverband „Obere P“ handelt, auf sich beruhen. Nicht entscheidend ist somit auch, ob damit entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes einem Dritten trotz fehlender gesetzlicher Grundlage (etwa durch Zustellung des Bescheides) eine Verpflichtung wirksam auferlegt werden konnte, oder ob die Behörde allenfalls nur eine bereits damals auf Grund der Satzung bestehende Verpflichtung des Wasserverbandes zum Ausdruck bringen wollte.

32 Weil das Verwaltungsgericht mit der Ansicht, die Satzung eines Wasserverbandes könne keinesfalls eine Verpflichtung im Sinne des § 50 Abs. 1 WRG 1959 begründen, sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat, war es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Oktober 2021

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