VwGH Ra 2019/06/0021

VwGHRa 2019/06/002111.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache des Gemeinderates der Marktgemeinde Wiesen, vertreten durch die Shmp Schwartz Huber‑Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 15. Oktober 2018, E G07/09/2018.010/010, betreffend eine Angelegenheit nach dem Burgenländischen Baugesetz 1997 (mitbeteiligte Partei: H W, vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 19/7; weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
AVG §66 Abs4 implizit
BauG Bgld 1997 §16 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §28

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060021.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W. vom 1. August 2017 wurde die mitbeteiligte Partei aufgefordert, die Arbeiten zur Errichtung einer Wand aus Natursteinen, einer Einfriedung sowie zur Änderung eines bestehenden Bauobjektes auf einem näher genannten Grundstück im Eigentum der mitbeteiligten Partei gemäß § 26 Abs. 2 Burgenländisches Baugesetz 1997 (Bgld. BauG) sofort einzustellen und binnen vier Wochen für das beabsichtigte Bauvorhaben um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen bzw. die Bauanzeige zu erstatten.

2 Mit Eingabe vom 9. August 2017 ersuchte die mitbeteiligte Partei um Erteilung einer Baubewilligung, unter anderem für die Sanierung einer bestehenden Einfriedung.

3 Mit Schreiben vom 6. Februar 2018 zog die mitbeteiligte Partei ihr Ansuchen hinsichtlich des Vorhabens „Sanierung einer bestehenden Einfriedung (Abbruch des Bestandsockels und der bestehenden Zaunfelder sowie Errichtung einer neuen Einfriedung mit einem Natursteinsockel sowie eines Zaunes mit schmiedeeisenen Zaunelementen entlang der Straßenflucht)“ zurück und erstattete am 15. Februar 2018 eine Mitteilung gemäß § 16 Bgld. BauG. Dieser Mitteilung ist zu entnehmen, dass die mitbeteiligte Partei die Wiederherstellung des vorigen Zustandes der bestehenden Umfriedung durch Ergänzung der fehlenden Sockelteile beabsichtige, auf die dann der ursprüngliche schmiedeeiserne Zaun wieder aufgesetzt werden sollte.

4 Mit Bescheid vom 26. Februar 2018 stellte der Bürgermeister der Gemeinde W. gemäß § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 1 iVm § 30 Abs. 2 Bgld. BauG fest, dass dieses Bauvorhaben der Instandsetzung der Einfriedung nicht geringfügig sei und ein Bauverfahren durchzuführen sei.

5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Gemeinde W. mit Bescheid vom 26. Juni 2018 als unbegründet ab.

6 Das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) gab der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt, behob den bekämpften Bescheid ersatzlos und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

7 Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, dass dem gegenständlichen Feststellungsbescheid kein Antrag der mitbeteiligten Partei auf Ausfertigung in Bescheidform gemäß § 16 Abs. 2 2. Satz Bgld. BauG zugrunde gelegen sei. Es liege ein Unterschied zwischen einer bloßen schriftlichen Feststellung, wie in § 16 Abs. 2 1. Satz Bgld. BauG vorgesehen, und der Erledigung in Bescheidform vor. Die Erlassung eines Feststellungsbescheides sei nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sei oder wenn eine gesetzliche Regelung nicht bestehe, die Erlassung eines Feststellungsbescheides aber im öffentlichen Interesse liege oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liege, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf sei jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne; dies sei im vorliegenden Fall aufgrund des bereits anhängigen Bauverfahrens auch der Fall. Aus diesen Gründen sei der Bescheid ersatzlos zu beheben.

8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision, sowie Kostenersatz.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Zur Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, dass Rechtsprechung dazu fehle, ob § 16 Abs. 2 1. Satz Bgld. BauG keine gesetzliche Grundlage zur Erlassung eines Feststellungsbescheides ohne Parteienantrag biete. Weiters weiche das LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Erlassung eines amtswegigen Feststellungsbescheides im Falle des Fehlens einer gesetzlichen Anordnung ab. Die mitbeteiligte Partei sei durch den Feststellungsbescheid auch nicht in subjektiven Rechten verletzt worden, weshalb das LVwG die Rechtsfrage nicht im Rahmen einer Parteienbeschwerde hätte aufgreifen dürfen. Zudem hätte der Bescheid nicht ersatzlos behoben werden dürfen, dazu werde auf das Vorbringen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung verwiesen.

14 Soweit die Revision vorbringt, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob § 16 Abs. 2 1. Satz Bgld. BauG tatsächlich keine gesetzliche Grundlage zur Erlassung eines Feststellungsbescheides ohne Antrag einer Partei biete, so steht diesem Vorbringen der klare und eindeutige Wortlaut dieser Bestimmung entgegen.

15 § 16 Abs. 2 Bgld. BauG unterscheidet seinem Wortlaut nach zwei Fälle. So hat nach dem ersten Satz der Bestimmung die Baubehörde in Zweifelsfällen schriftlich festzustellen, ob ein geringfügiges Bauvorhaben vorliegt oder ein Bauverfahren durchzuführen ist. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung hat diese Feststellung auf Verlangen einer Partei in Bescheidform zu ergehen. Die Gesetzeslage ist soweit eindeutig, sie unterscheidet klar zwischen zwei Verfahrensstadien. Auch würde der zweite Satz der Bestimmung obsolet, wenn man bereits im ersten Satz die gesetzliche Grundlage für die Erlassung eines Feststellungsbescheides sehen würde. Es darf aber grundsätzlich dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, überflüssige Normierungen geschaffen zu haben (vgl. VwGH 20.9.2012, 2010/06/0037). Schon aus diesem Grund wird mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan.

16 Soweit die Revision vorbringt, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erlassung von Feststellungsbescheiden außerhalb gesetzlicher Grundlagen abgewichen, ist dazu festzuhalten:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann (vgl. VwGH 15.9.2020, Ro 2020/16/0028). Wie das LVwG in seiner Entscheidung zutreffend festgehalten hat, waren die gegenständlichen Maßnahmen bereits Gegenstand des Bauauftrags vom 1. August 2017 gemäß § 26 Abs. 2 Bgld. BauG und des in weiterer Folge in Gang gesetzten Bauverfahrens, in dessen Rahmen über die Frage der Geringfügigkeit des gegenständlichen Bauansuchens abschließend zu entscheiden war. Die Revision legt vor dem Hintergrund dieser Verfahrenskonstellation nicht dar, dass das LVwG von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

17 Soweit die Revision geltend macht, das LVwG hätte nicht mit einer ersatzlosen Behebung des Bescheid vorgehen dürfen, und zur Begründung auf die Revisionsgründe verweist, ist zuallererst festzuhalten, dass der bloße Verweis auf die in den Revisionsgründen enthaltenen Ausführungen den Anforderungen des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach eine außerordentliche Revision auch gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht zu genügen vermag (vgl. etwa VwGH 14.4.2020, Ra 2020/06/0088 bis 0093, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits mehrfach festgehalten, dass eine ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde durch das Verwaltungsgericht grundsätzlich nur in Frage kommt, wenn der angefochtene Bescheid nicht hätte ergehen dürfen (vgl. etwa VwGH 13.12.2016, Ra 2016/05/0058). Im vorliegenden Verfahren hätte der gegenständliche Feststellungsbescheid ‑ wie oben dargelegt ‑ nicht ohne Parteienantrag erlassen werden dürfen. Die Revision legt nicht dar, dass das LVwG insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen wäre. Die zuständige Baubehörde hat bereits in ihrem Bauauftrag vom 1. August 2017 ihre Rechtsansicht festgehalten, dass die gegenständlichen Baumaßnahmen nicht geringfügig seien. In diesem Verfahren ist über die Frage, ob ein geringfügiges Vorhaben vorliegt, abzusprechen.

18 Schließlich behauptet die Revision im Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit, das LVwG hätte über die Parteibeschwerde nicht entscheiden dürfen, weil die mitbeteiligte Partei durch den amtswegig erlassenen Feststellungsbescheid nicht in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein könne, da sie diesen gemäß § 16 Abs. 2 2. Satz Bgld. BauG auch selbst beantragen könne. Dabei übersieht die revisionswerbende Partei, dass die mitbeteiligte Partei durch den von Amts wegen ergangenen Feststellungsbescheid ungeachtet des Umstandes, dass sie das Verfahren auch selbst einleiten hätte können, selbstverständlich in ihren Rechten verletzt sein kann. Der Umstand, dass ein Verfahren auch über Antrag eingeleitet hätte werden können, ändert nichts daran, dass die Erledigung in Rechte des Adressaten eingreifen kann.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 11. Dezember 2020

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