VwGH Ro 2020/16/0028

VwGHRo 2020/16/002815.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. April 2020, W208 2225492‑1/3E, betreffend Dolmetschergebühren (mitbeteiligte Partei: S F in I), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §53a Abs1
AVG §53a Abs2
AVG §53b
AVG §56
AVG §71
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160028.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26. August 2019 den Mitbeteiligten für eine Einvernahme in einem fremdenrechtlichen Verfahren als nichtamtlichen Dolmetscher bestellt und beeidet hatte. Am 16. September 2019 übermittelte der Mitbeteiligte per E‑Mail (die nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegt) eine Gebührennote für seine Dolmetschertätigkeit und legte Umstände für die verspätete Geltendmachung der Gebühren dar.

2 Mit Bescheid vom 8. Oktober 2019 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl folgendermaßen ab:

„Der Anspruch aus Gebührenersatz für die Dolmetschleistung ist gemäß § 53 iVm § 38 Abs. 1 GebAG 1975 idgF erloschen.

Die vorgelegte Gebührennote vom 26.08.2019 in der Höhe von ..., eingelangt am 16.09.2013, wird gemäß § 53a und 53b AVG 1991 iVm §§ 53 Abs. 2 und 54 GebAG idgF als unzulässig zurückgewiesen.“

Im vorliegenden Fall sei ‑ so die Begründung im Kern ‑ die Honorarnote nicht binnen der gesetzlich geforderten vierzehntägigen Frist eingelangt und der Gebührenanspruch daher erloschen „(vgl. VwGH 18.03.2004, 2002/03/0165 vom 18.03.2004)“.

Im Übrigen handle es sich bei der Frist nach § 38 Abs. 1 GebAG um eine nicht erstreckbare materiell‑rechtliche Frist und keine verfahrensrechtliche im Sinn des AVG. Es liege somit ‑ wegen der verspäteten Geltendmachung ‑ kein Gebührenanspruch zu der am 28. August 2019 erbrachten Leistung vor.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf; weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG die Revision zulässig sei.

Obwohl die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages nicht explizit in einem eigenen Spruchpunkt festgehalten habe, gehe diese ‑ so die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ‑ mangels getroffener Sachentscheidung und entsprechender Begründung aus dem angefochtenen Bescheid eindeutig hervor. Es sei demnach im Gegenstand ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde dem Mitbeteiligten zu Recht eine Sachentscheidung hinsichtlich seines Wiedereinsetzungsantrages verweigert habe. Vor dem Hintergrund von ‑ im angefochtenen Erkenntnis näher wiedergegebener ‑ Lehre und Rechtsprechung sei die Frist nach § 38 Abs. 1 GebAG im Verwaltungsverfahren einer Wiedereinsetzung zugänglich und wäre daher von der belangten Behörde inhaltlich über den Wiedereinsetzungsantrag abzusprechen gewesen, weshalb der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben sei. Im fortgesetzten Verfahren werde die belangte Behörde inhaltlich über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden und in der Folge erst auf Grundlage dieses Ergebnisses über den Gebührenantrag des Mitbeteiligten abzusprechen haben.

4 Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist nach § 53b AVG iVm § 38 GebAG fehle.

5 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Amtsrevision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl schließt sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Zulässigkeit einer Revision an, bringt aber im Rahmen der Darlegung ihrer Zulässigkeit weiter vor, im angefochtenen Bescheid nicht über einen Wiedereinsetzungsantrag des Mitbeteiligten abgesprochen zu haben. Die Zurückweisung beziehe sich auf die Gebührennote und nicht auf diesen Antrag. Der objektive Erklärungswert des angefochtenen Bescheides sei daher, dass nicht über den Wiedereinsetzungsantrag, sondern über den Gebührenanspruch selbst abgesprochen worden sei. Daran ändere auch der Hinweis in der Bescheidbegründung, dass die Frist nach § 38 Abs. 1 GebAG eine materiell-rechtliche sei, nichts, weil schon im nächsten Absatz der Begründung festgehalten werde, dass der Gebührenanspruch wegen verspäteter Geltendmachung erloschen sei. Dem Bundesamt sei vor der Beschwerdeerhebung nicht bewusst gewesen, dass der Mitbeteiligte einen Wiedereinsetzungsantrag habe stellen wollen.

Selbst ein zulässiger Wiedereinsetzungsantrag stelle kein Hindernis für die verfahrensabschließende Entscheidung dar, weshalb das Verwaltungsgericht über den angefochtenen Bescheid betreffend das Erlöschen des Gebührenanspruches und die Zurückweisung einer Gebührennote hätte absprechen müssen, sodass es auch insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

Schließlich sei im angefochtenen Bescheid insgesamt zum Ausdruck gebracht worden, dass ein Gebührenanspruch des Mitbeteiligten nicht (mehr) bestehe, sodass es keinen Unterschied mache, ob die Gebührennote ab‑ oder zurückgewiesen worden sei. Daher hätte das Verwaltungsgericht inhaltlich über den Gebührenanspruch entscheiden müssen satt den dort angefochtenen Bescheid aufzuheben.

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Die Zulässigkeit der Revision setzt bei der Geltendmachung eines Verfahrensmangels voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage tatsächlich „abhängt“. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel abstrakt geeignet sein muss, im Fall eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen ‑ für den Revisionswerber günstigeren ‑ Ergebnis zu führen (etwa VwGH 9.1.2019, Ra 2018/17/0239, mwN).

Wenn sich selbst ausgehend vom Vorbringen des Revisionswerbers die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Ergebnis als inhaltlich richtig darstellt, kommt einem in den Ausführungen zur Zulässigkeit angesprochenen Verfahrensmangel keine Relevanz zu, sodass die Revision auch nicht von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa VwGH 2.9.2015, Ra 2015/02/0114, mwN).

8 Der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid vom 8. Oktober 2019, traf ‑ entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes ‑ mit keinem Wort einen Abspruch über einen Wiedereinsetzungsantrag, sondern traf erstens die „Feststellung“, dass der Anspruch des Mitbeteiligten auf Dolmetschergebühr erloschen sei, und wies zweitens die „Gebührennote“ vom 26. August 2019 als unzulässig zurück.

9 Gemäß § 53a Abs. 1 letzter Satz AVG ist die Gebühr gemäß § 38 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 bei der Behörde geltend zu machen, die den Sachverständigen herangezogen hat.

Gemäß § 53a Abs. 2 erster Satz AVG ist die Gebühr von der Behörde, die den Sachverständigen herangezogen hat, mit Bescheid zu bestimmen.

Nach § 53b letzter Satz ist § 53a Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 und 3 sinngemäß (auf die Gebühren der nichtamtlichen Dolmetscher) anzuwenden.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides nur dann zulässig, wenn sie entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn eine gesetzliche Regelung zwar nicht besteht, die Erlassung eines solchen Bescheides aber im öffentlichen Interesse liegt, oder wenn sie insofern im Interesse einer Partei liegt, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Ein Feststellungsbescheid als subsidiärer Rechtsbehelf ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens entschieden werden kann. Die bescheidförmige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist überdies nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig (etwa VwGH 31.3.2006, 2005/12/0161, oder 19.9.2012, 2012/01/0008, mwN).

11 § 53a Abs. 2 AVG sieht die Bestimmung der Gebühr vor; die hier strittige Frage des (allfälligen Erlöschens des) Gebührenanspruches ist im Rahmen des nach § 53b iVm § 53a Abs. 2 AVG vorgegebenen Verfahrens der Bestimmung der Gebühr (mit einem Betrag oder gegebenenfalls mit Null oder mit einer Abweisung des Gebührenanspruchs) zu entscheiden. Die im Spruch eines (oder: des) Bescheides getroffene Feststellung des Erlöschens eines Gebührenanspruches entbehrt damit einer gesetzlichen Grundlage.

12 Gleichfalls entbehrt die im zweiten Spruchpunkt des Bescheides vom 8. Oktober 2019 ausgesprochene Zurückweisung der Gebührennote (also nicht eines bestimmten Antrages) als unzulässig einer tragfähigen Begründung.

13 Das angefochtene Erkenntnis seinerseits behob den Bescheid vom 8. Oktober 2019 „ersatzlos“. Ausgehend vom normativen Gehalt dieses Bescheides, der nicht über eine Wiedereinsetzung absprach, entfaltet die vom Verwaltungsgericht, aber auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als grundsätzlich erachtete Frage der Zulässigkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Geltendmachung der Gebühr, keine Relevanz.

14 Vielmehr erweist sich vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund die ersatzlose Behebung des Bescheides vom 8. Oktober 2019 im Ergebnis als inhaltlich richtig, weshalb auch den weiteren von der Amtsrevision für ihre Zulässigkeit ins Treffen geführten Rechtsfragen keine Relevanz zukommt.

15 Die ersatzlose Behebung des Bescheides vom 8. Oktober 2019 entfaltet im Rahmen seiner bisherigen Sache (Feststellung und Zurückweisung der Gebührennote als unzulässig) Bindungswirkung, sodass dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein neuerlicher Abspruch in dieser Form verwehrt ist (vgl VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003, und 29.9.2017, Ra 2017/10/0044, mwN), nicht jedoch ein Abspruch in Form der Bestimmung der Gebühr nach § 53a Abs. 1 letzter Satz AVG sowie über ein allfälliges Wiedereinsetzungsbegehren.

16 Sollten Zweifel daran verbleiben, ob die (in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht einliegende) Eingabe vom 16. September 2019 auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand umfasst, wäre der Mitbeteiligte gemäß § 13 Abs. 3 AVG hiezu zu hören.

17 Die Amtsrevision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B‑VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2020

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