VwGH Ra 2018/22/0138

VwGHRa 2018/22/01388.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des M A S I in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen das am 25. Mai 2018 mündlich verkündete und am 8. Juni 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-151/082/9249/2017-15, betreffend Ausstellung einer Aufenthaltskarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220138.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines ägyptischen Staatsangehörigen, gegen die Zurückweisung seines Antrages auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 iVm Abs. 7 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe ab. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Das VwG stellte zunächst fest, dass die Ehefrau des Revisionswerbers, eine ungarische Staatsangehörige, trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zu der Verhandlung erschienen sei. Beweiswürdigend führte das VwG zur unterbliebenen Zeugenaussage der Ehefrau des Revisionswerbers aus, die Gründe für deren Abwesenheit seien "weder belegt noch ansatzweise glaubhaft vermittelt" worden. Offenbar habe der Revisionswerber überhaupt keinen Kontakt zu seiner Ehefrau oder deren Eltern in Ungarn; es sei nicht nachvollziehbar, dass der Revisionswerber im Fall einer plötzlichen Erkrankung seiner Ehefrau weder von dieser noch von Personen aus ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis oder ihren Eltern verständigt werde. Der Revisionswerber habe offenbar erst über einen Bekannten Erhebungen über den Verbleib seiner Ehefrau anstellen müssen. Darüber hinaus sei für die Verhandlung nur ein Dolmetscher für Arabisch, nicht jedoch einer für Ungarisch beantragt worden; offenbar sei von Anfang an keine Teilnahme der Ehefrau des Revisionswerbers, die nicht Deutsch spreche, geplant gewesen.

In weiterer Folge begründete das VwG das Vorliegen einer Aufenthaltsehe mit Widersprüchen und Ungereimtheiten betreffend das behauptete gemeinsame Familien- und Eheleben. Die Zurückweisung des Antrages des Revisionswerbers und die Feststellung des fehlenden Anwendungsbereiches des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 54 Abs. 7 NAG - so das VwG weiter - seien daher zu Recht erfolgt.

5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil die Beweiswürdigung unschlüssig sei. Das VwG gebe Beweisergebnisse lediglich fragmentarisch wieder und stütze sich auf eine unvollständige Erfassung des Tatsachensubstrates; eindeutige und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende Übereinstimmungen werte es hingegen als Indiz für dessen Unglaubwürdigkeit. Darüber hinaus habe sich das VwG begründungslos über den Beweisantrag des Rechtsvertreters des Revisionswerbers in der Verhandlung, die Ehefrau des Revisionswerbers einzuvernehmen, hinweggesetzt (Hinweis auf VwGH 25.5.2016, Ra 2016/11/0038) und weder auf die Erforderlichkeit noch die dauerhafte Unmöglichkeit der Beweisaufnahme Bezug genommen.

6 Damit macht die Revision Verfahrensmängel geltend. Diese führen nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, wenn das VwG bei Vermeidung der Mängel zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber hat daher die Relevanz der Mängel durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Im Fall einer unterbliebenen (bzw. auch unzureichenden) Vernehmung hat der Revisionswerber konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer (hinreichenden) Vernehmung ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. etwa VwGH 4.10.2018, Ro 2018/22/0011, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beizutragen. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des VwG. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (siehe VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0135, mwN).

7 Fallbezogen erfüllt die Zulässigkeitsbegründung die oben dargelegten Anforderungen nicht. Zunächst einmal bleibt unklar, welche entscheidungsrelevanten Beweisergebnisse bzw. welches Tatsachensubstrat das VwG aus Sicht des Revisionswerbers unberücksichtigt gelassen oder unrichtig gewertet habe. Eine grobe Fehlerhaftigkeit der Beurteilung des VwG, die zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, wurde damit nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 19.10.2018, Ra 2018/22/0239, mwN).

Die Zulässigkeitsbegründung enthält abgesehen von der Verfahrensrüge auch keinerlei Tatsachenvorbringen, das geeignet wäre, die Erheblichkeit der Befragung der Ehefrau des Revisionswerbers und darauf aufbauend die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung darzutun. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers beantragte die Einvernahme der Ehefrau des Revisionswerbers zum Beweis dafür, dass es sich um keine Aufenthaltsehe handle (vgl. zur fehlenden Konkretisierung eines solchen Beweisthemas auch VwGH 10.5.2011, 2007/18/0890). Seitens des Revisionswerbers wird nicht substanziiert dargelegt, zu welchen Feststellungen die Vernehmungen seiner Ehefrau geführt hätten und welche Aspekte eines gemeinsamen Familienlebens dadurch nachgewiesen worden wären. Er machte auch kein - gegebenenfalls durch die Aussage seiner Ehefrau belegbares - konkretes Verhalten, keine konkrete familiäre Begebenheit und keinen auf ein gelebtes Familienleben hindeutenden konkreten Umstand geltend, wodurch die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hätte in Frage gestellt werden können (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0135, mwN).

8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. November 2018

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