Normen
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs4;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §67;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210222.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Nicaragua, kam seinen Angaben zufolge im Dezember 2012 nach Österreich, wo er seit 3. Juli 2013 (mit anfänglichen Unterbrechungen) bis dato auch eine Hauptwohnsitzmeldung aufweist. Am 27. Jänner 2014 heiratete der Revisionswerber eine österreichische Staatsbürgerin. Im Hinblick darauf erhielt er ab 29. Juli 2014 einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger, zuletzt mit Gültigkeit bis 15. Juli 2016. Da die erwähnte Ehe am 28. Jänner 2016 geschieden worden war, stellte der Revisionswerber am 22. April 2016 einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels mit geändertem Zweck ("Rot-Weiß-Rot-Karte plus").
2 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Mai 2015 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. März 2016 war der Revisionswerber wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs. 1 StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten (davon 20 Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt worden. Dem Schuldspruch zufolge hatte der Revisionswerber in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2014 eine Arbeitskollegin, die aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums und einer dadurch bedingten tiefgreifenden Bewusstseinsstörung wehrlos und unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands missbraucht, indem er an ihr einen Vaginalverkehr vollzog. Aus der verhängten Strafhaft wurde der Revisionswerber am 9. Juni 2017 entlassen.
3 Wegen dieser Straftat hatte die Niederlassungsbehörde aus Anlass des erwähnten Verlängerungsantrages vom 22. April 2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nach § 25 Abs. 1 NAG eingeleitet.
4 Nachdem der Revisionswerber dazu am 13. Juni 2017 vernommen worden war, erließ das BFA sodann gegen ihn mit Bescheid vom 28. Mai 2018 gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nicaragua zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber unter einem noch ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6. September 2018 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. September 2018 als unbegründet ab. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 In dieser Hinsicht macht die Revision in erster Linie geltend, die Erlassung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot verstoße gegen das Doppelbestrafungsverbot, weil damit "faktisch eine nochmalige Bestrafung vorgenommen wurde." Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen stellten nichts anderes dar als eine "Bestrafung für ein vorheriges strafrechtliches Fehlverhalten, welches schon mit Strafurteil abgegolten ist." Zur "Beurteilung der Gefährlichkeit für die Bevölkerung" sei "das Strafgericht und nicht das Fremdenwesen zuständig."
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich jedoch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes um keine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme, und Verfahren betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unterliegen nicht dem Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (siehe dazu etwa zuletzt VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349, Rn. 13, mwN). Entgegen der Meinung des Revisionswerbers ist an dieser Auffassung festzuhalten, zumal auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt klargestellt hat, dass Entscheidungen betreffend den Eintritt, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden nicht die Entscheidung über eine strafrechtliche Anschuldigung gegen sie iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK betreffen (vgl. auch dazu die Nachweise in VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349, Rn. 13). Auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich bei einem Aufenthaltsverbot um keine Strafe, sondern um eine administrativrechtliche Maßnahme handelt (vgl. die ErläutRV zum FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP 36, die insoweit in VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0349, unter Rn. 14 referiert werden).
10 Diese Ausführungen gelten sinngemäß auch für ein mit einer Rückkehrentscheidung verbundenes Einreiseverbot, sodass der in Rn. 8 dargestellte Einwand des Revisionswerbers ins Leere geht.
11 Des Weiteren bemängelt der Revisionswerber unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision, dass das BVwG die am 6. September 2018 durchgeführte mündliche Verhandlung, zu der nur der Rechtsvertreter, jedoch wegen Krankheit nicht der Revisionswerber selbst gekommen war, nicht erstreckt habe.
12 Diesem Einwand ist zunächst zu entgegnen, dass der schon im Verfahren vor dem BVwG durch einen Rechtsanwalt vertretene Revisionswerber in der Beschwerde keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hatte, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als impliziter Verzicht auf Abhaltung einer solchen Verhandlung zu verstehen war (vgl. VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0021, mwN). Soweit in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vom Rechtsvertreter bemängelt wurde, dass der Revisionswerber zu bestimmten Themen bisher nicht befragt worden sei, bezog sich das im Übrigen nur auf die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG. Diesbezüglich ist aber das BVwG zutreffend davon ausgegangen, dass das eine allfällige Gefährdung des Revisionswerbers bei einer Rückkehr nach Nicaragua geltend machende Vorbringen nur ganz allgemein gehalten war und inhaltlich nicht ausreichend substantiiert wurde. In der Unterlassung einer (ergänzenden) Vernehmung des Revisionswerbers zu dieser Frage ist daher kein entscheidungswesentlicher Fehler zu erkennen und ein solcher wird auch in der Revision nicht genügend dargetan.
13 In der Revision wird schließlich auch noch die Auffassung vertreten, das BVwG hätte sich vom Revisionswerber jedenfalls einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen. Auch damit wird jedoch kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf davon nämlich in eindeutigen Fällen abgesehen werden (siehe unter Vielen etwa VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0063, Rn. 12, mit dem Hinweis auf VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0044, Rn. 6, mwN). Von einem solchen eindeutigen Fall ist aber sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose nach § 53 Abs. 3 FPG als auch die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG angesichts der gravierenden Straftat des Revisionswerbers auszugehen, zumal einerseits seit der Entlassung aus der Strafhaft ein erst kurzer Zeitraum des Wohlverhaltens und andererseits nur ein Eingriff in das nicht besonders ausgeprägte Privatleben vorliegt.
14 Die Revision erweist sich somit insgesamt mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2019
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