VwGH Ra 2018/21/0030

VwGHRa 2018/21/003026.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Anträge 1. der B P, und

2. des S P, beide in H und vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes (jeweils) vom 13. Juni 2017, 1. Zl. G306 2147182-1/6E (hg. Zl. Ra 2018/21/0030), und 2. Zl. G306 2147185-1/6E (hg. Zl. Ra 2018/21/0031), betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung u.a. (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), und die gegen die genannten Erkenntnisse erhobenen Revisionen, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art144 Abs3;
VwGG §26 Abs4;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210030.L00

 

Spruch:

Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des volljährigen Zweitrevisionswerbers, beide sind serbische Staatsangehörige.

2 Mit Erkenntnissen vom 13. Juni 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die von ihnen gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20. Dezember 2016 erhobenen Beschwerden als unbegründet ab und sprach als Maßgabebestätigung aus, dass den Genannten Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Zugleich erließ es jeweils eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei, und legte die Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Gegen diese Erkenntnisse erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, die sie jeweils mit einem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof verbanden.

4 Mit Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes (jeweils) vom 22. September 2017, E 2620/2017 (betreffend die Erstrevisionswerberin) und E 2622/2017 (betreffend den Zweitrevisionswerber), wurde die Behandlung der Beschwerden abgelehnt; sie wurden gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verfassungsgerichtshof stellte die genannten Beschlüsse dem von beiden Revisionswerbern bevollmächtigten Rechtsanwalt, und zwar für die Erstrevisionswerberin am 23. Oktober 2017 sowie für den Zweitrevisionswerber am 24. Oktober 2017, mittels Web-ERV zu.

5 Mit dem auf das Einlangen des jeweiligen Beschlusses in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgenden Werktag (§ 89d Abs. 2 GOG) begann gemäß § 26 Abs. 4 VwGG die Revisionsfrist zu laufen. Die sechswöchige Revisionsfrist endete daher mit Ablauf des 5. bzw. 6. Dezember 2017.

6 Am 9. bzw. 12. Februar 2018 brachten die Revisionswerber jeweils außerordentliche Revisionen ein. Zur Begründung des dann auch gestellten Wiedereinsetzungsantrages machten sie geltend, ihr damaliger Rechtsanwalt habe nach der Zustellung des Ablehnungs- und Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes in Ermangelung einer klaren gesetzlichen Regelung auf die Erteilung eines Verbesserungsauftrages durch den Verwaltungsgerichtshof gewartet. An dessen Untätigkeit treffe den damaligen Rechtsvertreter "überhaupt kein Verschulden". Die Revisionswerber seien darüber hinaus der Ansicht gewesen, dass es einer weiteren Ausführung der außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht bedürfe.

7 Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

8 Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098, Punkt 3.1, mwN). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich dabei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0229, Rn. 17 und 21).

9 Der die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Umstand lag nach dem Antragsvorbringen im vorliegenden Fall in einem Rechtsirrtum des vertretenden Rechtsanwaltes über die Rechtslage betreffend die Einbringung einer Revision nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof. Dies verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg.

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann zwar auch ein Rechtsirrtum einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die weiteren Voraussetzungen, insbesondere mangelndes oder nur leichtes Verschulden, vorliegen. Die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch keinen minderen Grad des Versehens dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. etwa VwGH 11.8.2015, Ra 2015/10/0071, Rn. 7, und VwGH 11.5.2017, Ra 2017/04/0045, Rn. 9, mwN).

11 Wie sich die Rechtslage hinsichtlich der Einbringung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof darstellt, insbesondere, dass mit der Zustellung des Abtretungsbeschlusses durch den Verfassungsgerichtshof lediglich der (erneute) Lauf der Frist zur Einbringung der Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ausgelöst wird (vgl. § 26 Abs. 4 VwGG), war durch die Rechtsprechung zudem bereits klargestellt worden (vgl. insbesondere den Beschluss des VfGH 12.3.2014, E 30/2014, Rn. 2.2. (VfSlg. 19.867/2014), sowie etwa VwGH 31.1.2017, Ra 2017/03/0001, Rn. 8 bis 10, ebenso VwGH 11.5.2017, Ra 2017/09/0018, Rn. 7).

12 Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand können somit nicht erfolgreich sein. Ihnen war daher gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG nicht stattzugeben.

13 Die Revisionen waren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2018

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