Normen
BAO §85
B-VG Art133 Abs4
FinStrG §56 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018160042.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis des Finanzamts Salzburg-Land als Finanzstrafbehörde vom 23. März 2015 wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für schuldig erkannt, vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch die Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2011 Einkommensteuer iHv insgesamt 4.353,68 € (hinsichtlich der Jahre 2008 bis 2010) verkürzt bzw. (hinsichtlich des Jahres 2011) zu verkürzen versucht zu haben. Über den Revisionswerber wurde wegen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG teilweise iVm § 13 FinStrG eine Geldstrafe iHv 900 € verhängt. Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde mit 5 Tagen bemessen und der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens mit 90 € festgesetzt.
2 Am 20. April 2015 langte bei der Finanzstrafbehörde ein mit 17. April 2015 datiertes Schreiben des steuerlichen Vertreters des Revisionswerbers mit folgendem Inhalt ein:
„Sehr geehrte Frau Dr. [...],
wie Ihnen sicherlich noch gut erinnerlich, sind wir am 23. März 2015 in der Angelegenheit [des Revisionswerbers] zusammengesessen. Was wir damals nicht wussten, ist die Tatsache, dass die Ermittlung des Betrages für die Bemessungsgrundlage der Strafe nicht richtig war. Diese wurde von einem Ihrer Mitarbeiter durchgeführt.
Bei nachträglicher Überprüfung musste ich feststellen, dass die Ermittlung sachlich unrichtig war. Die Nachforderung ‑ hier also die Bemessungsgrundlage für eine Strafe ‑ ergibt sich nicht aufgrund einer Abgabenhinterziehung, sondern aufgrund der Methodik der Steuerberechnung, die in diesem Fall, hinsichtlich der vorher bereits erklärten Abgabenbemessungsgrundlage (Gesamtbetrag der Einkünfte) zu einer höheren Progression führt. Diese höhere Progression hat nunmehr überhaupt nichts mit Abgabenhinterziehung zu tun, sondern ergibt sich nur aus der geänderten Bemessungsgrundlage.
Da dieser Sachverhalt relativ schwierig darzustellen ist, würde ich Sie ersuchen, dass wir uns gemeinsam eine Viertelstunde mit der Problematik auseinandersetzen und dann überlegen, wie wir zu einer richtigen Lösung kommen können.
Ob diese dann in Form einer Berufung sein muss, würde ich gerne persönlich mit Ihnen klären.
Mit der Bitte um gelegentlichen Rückruf verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen“
3 In einem im Akt einliegenden Aktenvermerk vom 27. April 2015 hielt die Leiterin der Finanzstrafbehörde fest, dass an diesem Tag ein telefonisches Gespräch mit dem steuerlichen Vertreter des Revisionswerbers unter Beiziehung des mit der Außenprüfung betrauten Betriebsprüfers stattgefunden habe. Dabei sei die vom steuerlichen Vertreter des Revisionswerbers im Schreiben vom 17. April 2015 erwähnte Problematik in Bezug auf den strafbestimmenden Wertbetrag eingehend erörtert worden. Seitens der Behördenvertreter habe der Argumentation des steuerlichen Vertreters jedoch nicht gefolgt werden können, sodass der steuerliche Vertreter die Einbringung eines Rechtsmittels in Erwägung gezogen habe.
4 Mit Anbringen vom 26. Mai 2015 teilte der Revisionswerber mit, dass das Schreiben vom 17. April 2015 „wie bereits telefonisch vereinbart“ als Beschwerde zu werten sei. Nach näherer Darlegung, dass der strafbestimmende Wertbetrag fehlerhaft ermittelt worden sei, beantragte der Revisionswerber die Aufhebung des Straferkenntnisses vom 23. März 2015.
5 Mit Bescheid vom 30. Juni 2015 wies die Finanzstrafbehörde die Beschwerde des Revisionswerbers als verspätet zurück. Das Erkenntnis vom 23. März 2015 sei dem steuerlichen Vertreter des Revisionswerbers persönlich am selben Tag zugestellt worden, sodass die Rechtsmittelfrist am 23. April 2015 geendet habe. Die mit Schreiben vom 27. Mai 2015 (richtig: 26. Mai 2015) erhobene, bei der Finanzstrafbehörde am 28. Mai eingelangte, Beschwerde sei daher verspätet. Aus der Textierung des innerhalb der Beschwerdefrist bei der Finanzstrafbehörde eingelangten Schriftsatzes vom 17. April 2015 gehe eindeutig hervor, dass es sich dabei um keine Beschwerde handle. Eine anderslautende mündliche Abrede habe nicht bestanden.
6 In der gegen diesen Zurückweisungsbescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, das Schreiben vom 17. April 2015 sei von der Finanzstrafbehörde zu Unrecht nicht als Beschwerde gewertet worden. Dem Schreiben sei klar und eindeutig zu entnehmen, dass der Revisionswerber seine Bedenken gegen das Straferkenntnis vom 23. März 2015 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht habe äußern bzw. anbringen wollen. Aus dem Schreiben gehe implizit hervor, dass der Revisionswerber eine Aufhebung bzw. Richtigkeit des Straferkenntnisses anstrebe. Selbst wenn die Beschwerde vom 17. April 2015 mangelhaft gewesen sei, hätte die Finanzstrafbehörde einen Mängelbehebungsauftrag erteilen müssen. Die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung sei daher rechtswidrig.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. April 2017 wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei. Die Textierung des Schreibens vom 17. April 2015 spreche eindeutig gegen die Annahme, dass es sich dabei um ein Rechtsmittel handle. Bei einem Wirtschaftstreuhänder, der täglich mit dem Verkehr mit Finanzbehörden befasst sei, sei hinsichtlich seiner Angaben ein strengerer Maßstab anzulegen, als bei einem nicht vertretenen Abgabepflichtigen bzw. steuerlichen Laien. Wenn der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers im Schreiben vom 17. April 2015 ausführe, dass die Bemessungsgrundlage der Strafe nicht richtig sei, es sich um eine Frage der Methodik und der Steuerprogression handle und er daher um eine gemeinsame Erörterung des schwierig darzustellenden Sachverhalts ersuche, sei dies als Anfrage um einen Gesprächstermin, aber nicht als Beschwerde zu werten. Dies gelte umso mehr, als im letzten Satz des Schreibens ausgeführt werde: „Ob diese dann in Form einer Berufung sein muss, würde ich gerne mit Ihnen klären“.
8 Weiters ergebe sich aus dem Aktenvermerk vom 27. April 2015, dass selbst der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers zum damaligen Zeitpunkt nicht davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem Schreiben vom 17. April 2015 bereits um eine Beschwerde gehandelt habe. Andernfalls hätte er nicht die Einbringung eines Rechtsmittels in Erwägung gezogen, sondern wohl darauf hingewiesen, dass die anstehenden Fragen im Zuge der Behandlung seiner offenen Beschwerde zu klären seien.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ergänzte) Revision, in der zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach Parteierklärungen und Anbringen ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen seien. Bei einem unklaren Anbringen sei die Behörde verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern. Der letzte Satz des Schreibens vom 17. April 2015 könne nur so verstanden werden, dass damit die Möglichkeit der Zurückziehung des Rechtsmittels in den Raum gestellt worden sei, falls im Rahmen des gewünschten Gesprächs eine Einigung erzielt würde. Das Bundesfinanzgericht habe sich maßgeblich auf einen Aktenvermerk der Leiterin der Finanzstrafbehörde gestützt, ohne dem Revisionswerber die Möglichkeit zu geben, sich dazu zu äußern. Damit liege auch ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der für den Verfahrensausgang relevant sei.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. So wirft etwa eine vertretbare Auslegung eines Schriftstücks oder einer Parteierklärung keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall würde nur dann zu einer grundsätzlichen Rechtsfrage führen, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 30.1.2020, Ra 2020/16/0002, mwN).
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteierklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Es besteht aber keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteivorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2014/13/0003, mwN).
15 Dass das Bundesfinanzgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen, ist doch grundsätzlich davon auszugehen, dass ein berufsmäßiger Parteienvertreter, der im Namen seines Mandanten eine Beschwerde erheben möchte, dies auch klar zum Ausdruck bringt. Nach dem objektiven Erklärungswert des Schreibens vom 17. April 2015 ergibt sich, dass der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers die Leiterin der Finanzstrafbehörde um einen persönlichen Gesprächstermin ersucht hat, in dessen Rahmen er auch die weitere Vorgangsweise abklären wollte. Eine Auslegung bzw. Umdeutung, dass dieses Schreiben bereits als Beschwerde gelten sollte, lässt der insoweit eindeutige Inhalt des Schreibens ‑ wie das Bundesfinanzgericht zu Recht annahm ‑ nicht zu, weshalb für dieses auch kein Anlass zur Erforschung der Absicht der Partei bestand.
16 Damit ist für den Revisionswerber aber auch aus seinem weiteren Vorbringen, wonach ihm der Aktenvermerk vom 27. April 2015 nicht vorgehalten worden sei, nichts zu gewinnen, führt ein Verfahrensmangel doch nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, wenn das Verwaltungsgericht bei Vermeidung des Mangels zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2019/15/0118, mwN). Dies war angesichts des eindeutigen Inhalts des Schreibens vom 17. April 2015 aber nicht der Fall.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. Mai 2020
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