VwGH Ra 2017/21/0188

VwGHRa 2017/21/018814.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des K A in B, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Februar 2017, L519 1434721- 2/6E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §57;
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5;
B-VG Art133 Abs4;
IntPakt über wirtschaftliche soziale kulturelle Rechte 1978 Art6 Abs1;
MRK Art8;
UNO Resolution 217A(III) (1948) Art23;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am 29. März 2013 illegal nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. April 2013 vollinhaltlich ab (Spruchpunkte I und II) und verfügte die Ausweisung des Revisionswerbers nach Bangladesch (Spruchpunkt III).

2 Die gegen Spruchpunkte I und II dieses Bescheides erhobene Beschwerde zog der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zurück, worauf dieses mit (unbekämpft gebliebenem) Erkenntnis vom 19. Mai 2016 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwies.

3 Mit Bescheid vom 30. November 2016 sprach das BFA sodann aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Schließlich setzte das BFA die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 20. Februar 2017 nach Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

In seiner Interessenabwägung billigte das BVwG dem Revisionswerber eine beachtliche berufliche Integration in Österreich (zuletzt als Küchenhilfe in einem Restaurant) zu. Diese sei allerdings in einem Zeitraum erworben worden, als sein Aufenthaltsstatus, nach Scheitern seines Antrags auf internationalen Schutz, unsicher gewesen sei. Ein Organisationsverschulden handelnder Behörden hinsichtlich der Verfahrensdauer sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei der Revisionswerber unverheiratet, kinderlos und lebe ohne Angehörige im Bundesgebiet. Seine Deutschkenntnisse seien, nach fast vierjährigem Aufenthalt, während dessen er einen Kurs besucht, aber keine Prüfung abgelegt habe, äußerst rudimentär. Auch fehlten nennenswerte soziale Kontakte (von österreichischen Bekannten kenne er nicht einmal die Namen), während im Herkunftsstaat, wo er - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - eine Existenzgrundlage hätte, seine Mutter und sechs Geschwister lebten. Eine Rückkehr dorthin, wo er den Großteil seines Lebens verbracht habe und berufstätig gewesen sei, sei ihm zuzumuten.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2017, E 1044/2017-7, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit weiterem Beschluss vom 9. August 2017 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge brachte der Revisionswerber beim BVwG fristgerecht die vorliegende (außerordentliche) Revision ein, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof nach der gemäß § 30a Abs. 7 VwGG erfolgten Aktenvorlage erwogen hat:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 In diesem Zusammenhang macht der Revisionswerber der Sache nach geltend, das BVwG sei insoweit von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als es - im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG - insbesondere der erreichten beruflichen Integration in Österreich, der langen Verfahrensdauer sowie der schwierigen Situation im Herkunftsstaat, vor allem was die dort zu erwartende soziale Situation anlange, nicht die gebotene Bedeutung beigemessen habe.

10 Entgegen den Ausführungen der Revision erweist sich die vom BVwG nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG als vertretbar. Das BVwG hat nämlich auf alle vom Revisionswerber diesbezüglich ins Treffen geführten Umstände Bedacht genommen und dabei vor allem die "außerordentlichen Integrationsbemühungen" in beruflicher Hinsicht gewürdigt. Trotzdem musste das BVwG nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen des Revisionswerbers an einem weiteren Verbleib in Österreich ausgehen, zumal er sich bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses erst weniger als vier Jahre - auf Basis eines unberechtigten Antrags auf internationalen Schutz - in Österreich aufgehalten hatte, im Herkunftsstaat aufrechte familiäre Bindungen bestehen und die in Österreich erlangte soziale und sprachliche Integration nicht ausgeprägt ist.

Das BVwG durfte bei der Gewichtung der für den Revisionswerber sprechenden Umstände auch im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbeziehen, dass die integrationsbegründenden Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem er sich (bereits nach Abweisung seines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz durch das Bundesasylamt im April 2013) seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste.

11 Ist das Ergebnis der vom BVwG nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung vertretbar, so steht das nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision in Bezug auf die Rückkehrentscheidung von vornherein entgegen (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0059 bis 0062, und vom 23. Februar 2017, Ra 2017/21/0009, Rz 12, und Ra 2017/21/0022, Rz 12, mwN).

12 Die Ausführung, der Revisionswerber habe am 26. August 2017 (also nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses vom 20. Februar 2017) das "Deutsch-Zertifikat A2 mit sehr gutem Erfolg bestanden", unterliegt dem Neuerungsverbot und hätte im Übrigen am Ergebnis nichts geändert.

13 Zur geltend gemachten Verletzung von sozialen Grundrechten (unter Hinweis insbesondere auf Art. 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 und Art. 6 Abs. 1 des Weltpaktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966, BGBl. Nr. 590, 591/1978) räumt selbst die Revision im Ergebnis ein, dass die ins Treffen geführten internationalen Vereinbarungen keine subjektiven Rechte begründen, woraus folgt, dass diese nicht unmittelbar anwendbar sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, 2005/18/0519, mwN).

14 Weiters hebt der Revisionswerber der Sache nach die schwierige Situation insbesondere von Rückkehrern in Bangladesch hervor. Insoweit ist ihm einzuräumen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, bei der Interessenabwägung Bedeutung zukommen kann.

Ein diesbezügliches Vorbringen hat freilich im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nicht in jeder Konstellation Relevanz. Demzufolge hat der Verwaltungsgerichtshof auch schon in mehreren (mit dem vorliegenden vergleichbaren) Fällen zum Ausdruck gebracht, die von Fremden geltend gemachten Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Heimatland vermögen deren Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht in entscheidender Weise zu verstärken, sondern seien vielmehr - letztlich auch als Folge des seinerzeitigen, ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich vorgenommenen Verlassens ihres Heimatlandes - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0076, Rz 9, mwN). Das trifft auch hier zu, sodass den in der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen die Relevanz fehlt.

In der Revision werden somit insgesamt keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 14. November 2017

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